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66. MAK-Wert für N-Vinyl-2-pyrrolidon
(BArbBl. 10/95 S. 54)
0,5 mg/m3 (0,1 ml/m3)
N-Vinyl-2-pyrrolidon (NVP) ist in der TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder und fortpflanzungsgefahrdender Stoffe) als krebserzeugend in die Kategorie 3 (Stoffe mit begründetem Verdacht auf krebserzeugende Wirkung) - nach Anhang I GefStoffV - eingeordnet.
Arbeitsmedizinische Erfahrungen
Es liegt eine epidemiologische Untersuchung an 94 männlichen Arbeitern vor, die durchschnittlich 12,7 Jahre beruflich gegenüber NVP exponiert waren. Als Kontrollgruppen dienten 95 männliche Arbeiter ohne NVP-Exposition. Messungen der NVP-Luftkonzentrationen am Arbeitsplatz ergaben überwiegend Werte von 0,03 -0,10 ml/m3 (0,14 - 0,46 mg/m3); einige lagen im Bereich von 0,11 - 1,00 (0,5 - 4,6 mg/m3) und nur ein einzelner bei 7,4 ml/m3 (34,1 mg/m3).
Beim Biomonitoring konnte bei 3 von 38 untersuchten Arbeitern nach der NVP-Faßabfüllung NVP im Blut nachgewiesen werden (< 0,1; 0,1; 0,3 mg/l). Die NVP-exponierten Personen zeigten gegenüber der Kontrollgruppe keine erhöhte Tendenz zu Nasen-, Rachen- oder Abdominalbeschwerden. Im Leberfunktionstest ergaben sich abgesehen von einem um ca. 10 % verringerten Serum-Cholesteringehalt keine Unterschiede zu Kontrollgruppen. Ultraschalluntersuchungen der Leber sowie HNO-Endoskopien erbrachten keine Hinweise auf NVP-bedingte Organveränderungen [1].
Toxikologische Erfahrungen
NVP zeigt in den vorliegenden Gentoxizitätstesten sowohl in vitro (Ames-, Klebsiella Fluktuations-, UDS-, Maus-Lymphom-, Chromosomenaberrations- und Zelltransformations-Test) als auch in vivo (Geschlechtsgebundener Rezessiv-Letal-Test an Drosophila und Mikronucleus-Test an der Maus) keine mutagene bzw. gentoxische Wirkung [2,3]. Auch ein Ames-Test mit vorangehender Inkubation von NVP mit Nitrit verläuft negativ [4].
Nach i.p.-Applikation von 150 bzw. 300 mg 14c-markiertem NVP/kg KGW (Markierung in der Vinylgruppe bzw. an der 5-Position des Ringes) kommt es bei männlichen Ratten offensichtlich zu keiner Bindung radioaktiven Materials an der Leber-DNA [2]. Bei Ratte und Hund liegen nach oraler oder i.v.-Gabe ca. 10 % des NVP im Plasma an Serum-Proteine gebunden vor [5].
Im Rahmen einer Studie zur chronischen Toxizität und Kanzerogenität von NVP wurden je 100 Sprague-Dawley-Ratten pro Geschlecht und Gruppe über einen Zeitraum von maximal 24 Monaten für 6 Stunden täglich an 5 Tagen pro Woche gegenüber NVP-Dampf-Konzentrationen von 0 (Kontrolle); 5; 10 bzw. 20 ml/m3 (= 23; 46 bzw. 92 mg/m3) exponiert. Nach 3- bzw. 12-monatiger Exposition wurden an je 20 bzw. 10 Tieren pro Geschlecht und Gruppe Zwischensektionen durchgeführt Weitere je 10 Tiere pro Geschlecht und Gruppe wurden nach 18 Monaten ohne weitere Exposition als Recovery-Gruppe für 6 Monate weitergehalten. Die NVP-Behandlung führte zu einer konzentrationsabhängig erhöhten Inzidenz an Tumoren der Leber, der Nasenhöhle und des Kehlkopfes. Die ersten NVP-bedingten Tumoren traten bereits nach 12-monatiger Exposition in Leber und Nasenhöhle auf. Die Tumorinzidenzen sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. Bei den Tieren der 1. Zwischensektion nach 3-monatiger Exposition wurden keine Tumoren festgestellt [6].
Die Tatsache, daß NVP nach einmaliger i.p.-Gabe von ca. 5-22 mg/kg KGW bei der Ratte zu einer deutlich erhöhten Ornithindecarboxylase-Aktivität in der Leber führt, deutet ebenfalls zumindest auf eine tumorpromovierende Wirkung der Substanz hin [7].
Damit hat sich NVP bei der Ratte bereits bei recht niedrigen Expositionskonzentrationen als deutlich kanzerogen nach Inhalation erwiesen. Hinweise für einen gentoxischen Mechanismus der Tumorentstehung ergeben sich in den vorliegenden Gentoxizitätstests jedoch nicht.
Analytik
Ein Verfahren zur Bestimmung von N-Vinyl-2-pyrrolidon in Arbeitsbereichen wurde von der Herstellerfirma erarbeitet. Eine Veröffentlichung des Meßverfahrens in der Methodensammlung ZH 1/120 der Berufsgenossenschaften ist geplant.
Mit Hilfe einer Pumpe wird ein definiertes Luftvolumen durch ein Glasröhrchen gesaugt, das mit Aktivkohle gefüllt ist.
Anschließend wird mit Dichlormethan/Methanol (4:1) desorbiert und gaschromatographisch bestimmt.
Herstellung und Verwendung
N-Vinylpyrrolidon wird in einer geschlossenen Anlage durch Umsetzung von Pyrrolidon mit Acetylen hergestellt.
Der überwiegende Teil wird vom Hersteller zu Polyvinylpyrrolidon polymersiert. Durch Copolymerisation mit anderen Monomeren werden u.a. Schmierstoffadditive, Beschichtungsstoffe bis hin zu speziellen Kontaktlinsen hergestellt.
Vereinzelt wird N-Vinylpyrrolidon als Reaktionsverdünner in strahlungshärtbaren Systemen eingesetzt.
Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen
Herstellung von N-Vinylpyrrolidon
Aus dem Bereich der Herstellung liegen 41 personenbezogene Schichtmittelwerte vor. 95 % der Meßergebnisse liegen unter 0,15 ml/m3. Das arithmetische Mittel beträgt 0,06 ml/m3. Die Messungen wurden bei Kontrollgängen, Überwachungstätigkeiten und Probenahmen in dem als Freianlage erbauten Herstellungsbetrieb durchgeführt.
6 personenbezogene Messungen bei Reparatur- und Wartungsarbeiten ergaben Schichtmittelwerte zwischen 0,05 und 0,63 ml/m3 , wobei der Mittelwert 0,18 ml/m3 betrug.
Aus dem Bereich der Faßabfüllung liegen 15 Schichtmittelwerte vor. Die Abfüllung geschieht in einem geschlossenen Raum, über eine Spundlochabsaugung werden auftretende NVP-Dämpfe erfaßt. Schichtmittelwerte bis 0,25 ml/m3 wurden ermittelt. Kurzzeitwerte erreichten 1,0 ml/m3.
Verwendung von N-Vinylpyrrolidon
18 Messungen im Laborbereich bei der Probenvorbereitung und Analytik ergaben Meßergebnisse zwischen 0,01 und 0,1 ml/m3. Das arithmetische Mittel lag bei 0,05 ml/m3.
Messungen bei der Copolymerisation von NVP mit Acrylaten im Technikumsmaßstab ergaben Werte zwischen 0,01 und 0,13 ml/m3.
Tabelle 1: Tumor-Inzidenzen (in %) bei der Ratte nach chronischer Inhalation von N-Vinylpyrrolidon (NVP) [6]
NVP-Konz. (ml/m) | 0 | 5 | 10 | 20 | ||||
Geschlecht | M | W | W | W | M | W | M | W |
2. Zw.-Sektion Tierzahl | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 |
Leber Adenome | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 10 | 0 |
Nasenhöhle Adenome | 0 | 0 | 10 | 0 | 0 | 0 | 10 | 10 |
Recovery-Gruppe Tierzahl | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 |
Leber Karzinome | 10 | 0 | 20 | 0 | 0 | 0 | 10 | 20 |
Nasenhöhle Adenome | 0 | 0 | 0 | 0 | 10 | 0 | 20 | 20 |
Hauptstudie Tierzahl | 70 | 70 | 60 | 60 | 60 | 60 | 60 | 60 |
Leber Karzinome | 1 | 1 | 10 | 5 | 8 | 10 | 28 | 43 |
Nasenhöhle Adenome | 0 | 0 | 13 | 3 | 15 | 13 | 17 | 20 |
Adenokarzinome. | 0 | 0 | 0 | 0 | 7 | 0 | 10 | 7 |
Larynx/ Squamöse Zellkarzinome | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 7 | 7 |
Literatur
[1] Zober, M.A., Hoffmann, G., Pluto, R.P. u. Ott, M.G.: Morbidity study of N-vinylpyrrolidone production workers. Occupational Health in the Chemical Industry. Selected Papers from the 23rd Congress on Occupational Health (Montreal, Canada 1990) and the XIX. Medichem Congress (Basel, Switzerland 1991). WHO, Copenhagen (1992), S. 31-43
[2] Henschler, D.: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe, Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: N-Vinyl-2-pyrrolidon. Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Verlag Chemie, Weinheim (1991)
[3] Unveröffentlichter Bericht der BASF AG (1993)
[4] Murphey-Corb, M., Kong, H.-L. u. Murray, M.L.: Mutagenic activity from nitrosation of oligoamines. Environ. Mutagen. 5, 101-109 (1983)
[5] Yamakita, H., Page, R.C. u. Digenis, G.A.: Determination of N-vinyl-2-pyrrolidon (NVP) in rat and dog plasma by high-performance liquid chromatography. J. Liquid chromatogr. 15, 83-99 (1992)
[6] Klimisch, H.-J., Deckardt, K.. Kirsch, P., Küttler, K. u. Hildebrand, B.: Two year inhalation study on N-vinylpyrrolidone-2 {NVP) as a vapor in Sprague-Dawley rats with interim kills of satellite subgroups after 3-month an 12-month exposure periods and a third satellite subgroup that was exposed for 18 months and killed at 2 years. BASF AG, unveroffentlicher Bericht (Synopsis), Projekt No. 71I0459/8478 vom 14.08.1992
[7] van de Zande, L., Kunnen, R., Uijtewaal, B., van Wijk, R. u. Bisschop, A.: Effect on hepatic ornihine decarboxylase of some food additives and synthetic elastomers.
Food Add. Contam. 3, 57-62 (1986)