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65. MAK-Wert für p-Toluidin

(BArbBl.10/95 S. 52)


1 mg/m3 (0,2 ml/m3) G, Kurzzeitwertkategorie: VI

p-Toluidin ist in der TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe) als krebserzeugend in die Kategorie 3 (Stoffe mit begründetem Verdacht auf krebserzeugende Wirkung) - nach Anhang I der GefStoffV - eingeordnet.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

Bei den Erfahrungen im Umgang mit p-Toluidin steht die methämoglobinbildende Wirkung im Vordergrund. Gemäß den in einer Arbeit von 1955 mitgeteilten arbeitsmedizinischen Erfahrungen führt eine 1-stündige Exposition gegenüber 176 mg Toluidin (alle Isomeren)/m3 zu ausgeprägten toxischen Effekten und die fortgesetzte Exposition gegenüber 44 mg/m3 bereits zu Krankheitssymptomen.

Bei 2 von 81 Personen, die in der o- und p-Toluidinproduktion beschäftigt waren, wurden Blasenpapillome festgestellt. Dabei handelte es sich um einen Arbeiter, der 20 Monate beruflich nur gegenüber p-Toluidin exponiert gewesen war, während der zweite Arbeiter über 23 Jahre beruflichen Kontakt mit beiden Isomeren gehabt hatte. Bei 6 von 16 ehemaligen Beschäftigten, die über einen Zeitraum von 12-17 Jahren beruflich gegenüber o- und p-Toluidin exponiert gewesen waren, wurden Blasentumoren festgestellt (4 Karzinome und je 1 Papillom bzw. multiples Papillom).

p-Toluidin ist in Harn und Blut von beruflich Exponierten sowie auch von nicht exponierten Personen nachweisbar, Raucher zeigen erhöhte p-Toluidingehalte [1].

Toxikologische Erfahrungen

p-Toluidin ist in den weitaus meisten in vitro-Gentoxitätstests an Bakterien und Hefe inaktiv. Während p-Toluidin bei V 79-Zellen in Gegenwart von S9-Mix keine DNA-Strangbrüche bewirkte, war ein UDS-Test an Rattenhepatozyten in vitro positiv. Das im Säugerstoffwechsel entstehende N-Hydroxylaminotoluol hingegen zeigt eine mutagene Wirkung in vitro. Nach i.p.-Gabe von 35 mg p-Toluidin/kg KGW wurden bei männlichen Mäusen DNA-Einzelstrangbrüche in Leber und Niere nachgewiesen [1].

Es liegt eine 2-Jahres-Kanzerogenesestudie an Ratten mit wöchentlicher subkutaner Injektion von 25 bzw. 75 mg p-Toluidin/kg KGW vor mit anschließender Nachbeobachtung bis zum spontanen Tod. Dabei traten geringfügig vermehrt Tumoren an der Einstichstelle auf: die Lebertumorrate war nur bei den Tieren der hohen Dosis (besonders bei den Weibchen) leicht erhöht (siehe Tabelle 1) [1].

Tabelle 1: Tumorinzidenzen bei Ratten nach 2-jähriger subkutaner Injektion von p-Toluidin

TumortypÖl-KontrolleKontrolle25 mg/kg75 mg/kg
MWMWMWMW
Einstichst.6/301/300/300/309/302/308/305/30
Lebertumor0/301/300/300/300/301/301/306/30

In einer älteren Kanzerogenesestudie wirkte die 18-monatige Gabe von 1000 bzw. 2000 mg p-Toluidin-Hydrochlorid/kg im Futter (ca. 67 bzw. 133 mg/kg KGW/Tag) bei männlichen CD-Ratten nicht kanzerogen. Bei CD-1 Mäusen führte die 6-monatige Gabe von 1000 bzw. 2000 mg/kg Futter (ca. 143 bzw. 286 mg/kg KGW/Tag), gefolgt von 12-monatiger Gabe von 500 bzw. 1000 mg/kg Futter (ca. 71 bzw. 143 mg/kg KGW/Tag) im Futter, zu einer leicht erhöhten Rate an Lebertumoren (siehe Tabelle 2). [1].

Tabelle 2: Lebertumor-Inzidenzen bei Mäusen nach 18-monatiger Gabe von p-Toluidin-Hydrochlorid im Futter

Kontrolle simultanKontrolle gepoolt1000/500 mg/kg2000/1000 mg/kg
MWMWMWMW
3/180/207/991/1028/172/219/193/17

In einer älteren Studie führte die dermale Applikation von 1 Tropfen einer 20 %igen p-Toluidinlösung in Dioxan (zweimal wöchentlich über 12 Wochen ) bei 32 weiblichen Mäusen zu keinen Hauttumoren [1].

Damit hat sich p-Toluidin anhand der vorliegenden meist älteren und den heutigen Anforderungen nicht genügenden Kanzerogenesestudien als Stoff mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung bei der Ratte nach subkutaner Applikation sowie bei der Maus nach Gabe im Futter erwiesen. Ein gentoxisches Potential von p-Toluidin ist zu vermuten.

Analytik

Zur Messung der Konzentration von p-Toluidin in der Luft in Arbeitsbereichen können die von den Berufsgenossenschaften anerkannten Analysenverfahren ZH 1/120.49 für o-Toluidin und ZH 1/120.51 für 3,3'-Dimethyl-4,4'-diaminodiphenyhlmethan angewendet werden.

Die Probenahme erfolgt mit einem personal-air-sampler, wobei p-Toluidin in einem nachgeschalteten Kieselgelröhrchen adsorbiert wird. Nach Desorption erfolgt die analytische Bestimmung mit Gaschromatographie und Flammenionisationsdetektor.

Die Bestimmungsgrenze liegt bei 0,01 mg/m3 p-Toluidin bei einem Probeluftvolumen von 120 l. Die Erfassung erfolgt nach der Gesamtstaubdefinition. Vor 1992 wurden Bestimmungsgrenzen von 0,2 und 0,1 mg/m3 erreicht.

Herstellung und Verwendung

Herstellung

p-Toluidin wird durch katalytische Hydrierung aus 4-Nitrotoluol hergestellt und destillativ gereinigt. Die Hydrierung, Katalysatorabtrennung und destillative Reinigung werden in geschlossenen Systemen durchgeführt.

Die Abgabe des Produktes erfolgt in beheizten Containern, in Fässern oder nach Kristallisation an einer Kühlwalze als Schuppen in Trommeln.

Die Abfüllung von geschmolzenem p-Toluidin in Fässer erfolgt mit Spundlochabsaugung. Sowohl die Kühlwalze als auch die Abfüllanlage für p-Toluidin als Schuppen werden abgesaugt.

Die Abluft wird einer zentralen Abluftreinigungsanlage zugeführt.

Verwendung

p-Toluidin dient als Ausgangsprodukt für eine Vielzahl von organischen Synthesen.

Die Verwender übernehmen das p-Toluidin über geschlossene Rohrleitung, in Containern, in Fässern bzw. Trommeln.

Chemische Umsetzungen erfolgen in geschlossenen Apparaturen.

Da der Schmelzpunkt für p-Toluidin bei 44 °C liegt, müssen Leitungen Und Behälter auf mindestens 60 °C beheizt sein, um das Ausgangsprodukt für den Transport bzw. die Zwischenlagerung flüssig zu halten.

Verwender, die in wenigen Produktionskampagnen pro Jahr p-Toluidin in kleineren Mengen einsetzen, übernehmen typischerweise diesen Einsatzstoff aus Fässern.

Das p-Toluidin muß entweder als Feststoff (Schuppen) eingetragen oder aufgeschmolzen und bei erhöhter Temperatur gefördert werden. Hierzu wird das p-Toluidin in Wärmekammern aufgeschmolzen, die Fässer mit der Schmelze vor Ort transportiert und der Einsatzstoff über Vakuum in den Reaktionskessel eingesaugt. Die Wärmekammern werden abgesaugt und sind an die zentrale Abluftreinigungsanlage angeschlossen.

Bei einem Verwender wird für den Eintrag von aufgeschmolzenem p-Toluidin aus Fässern in den Reaktionskessel eine Sauglanze eingesetzt, die über einen Linearantrieb verfügt und pneumatisch absenkbar ist. An der Sauglanze ist ein Absaugtrichter so angebracht, daß während der Kesselbefüllung mit aufgeschmolzenem p-Toluidin am Faßspundloch vollständig abgesaugt wird. Innerhalb des Absaugtrichters befindet sich ein Abstreifring, der beim Hochfahren der Lanze anhaftende Schmelze von p-Toluidin in das Faß zurücktropfen läßt.

Die ca. 60 °C heiße Schmelze von p-Toluidin hat einen Dampfdruck von 4 hPa.

Die Sättigungskonzentration errechnet sich unter diesen Bedingungen zu 15,5 g/m3 p-Toluidin.

Die abgesaugten Dämpfe von p-Toluidin werden einer zentralen Abluftreinigungsanlage zugeführt.

Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen

Insgesamt sind von zwei Herstellern und Verwendern 47 Meßergebnisse als Schichtmittelwerte für p-Toluidin bekannt.

1. Herstellung

Bei der Hydrierung unter Druck und der Destillation im Vakuum ist nur geringe Exposition gegenüber p-Toluidin zu erwarten. Aus diesem Bereich liegen 19 personenbezogene Schichtmittelwerte vor.

Zum überwiegenden Teil (75 %) liegen die Werte unterhalb von 0,1 mg/m3 (altes Meßverfahren). Die restlichen Werte sind bis auf eine Ausnahme (0,6 mg/m3) kleiner als 0,2 mg/m3.

Folgende Arbeitsbereiche sind hingegen expositionsrelevant:

Die Abfüllung von geschmolzenem p-Toluidin in Container und Fässer. sowie die Kristallisation an einer Kühlwalze, Abschuppung und Abfüllung in Trommeln.

Hierzu liegen 9 Meßwerte zwischen 0,02 und 1,6 mg/m3 vor.

-Containerbefüllung:
*Fünf 2-h-Mittelwerte
0,11; 0,12; 0,18; 0,42; 0,88 mg/m3*
-Faßbefüllung:0,02; 0,4 mg/m3
-Kristallisation und Schuppenabfilllung:0,36; 1,6 mg/m3

Der Streubereich der Werte ist repräsentativ für die beschriebenen Arbeitsvorgänge bei bestimmungsgemäßem Betrieb. Der höhere personenbezogene Schichtmittelwert von 1,6 mg/m3 sowie die Differenz zu dem niedrigeren Schichtmittelwert von 0,36 mg/m3 für die Kristallisation und Schuppenabfüllung werden dadurch erklärt, daß in diesem Arbeitsbereich der Stoff p-Toluidin sowohl als Gas bzw. Dampf als auch in Partikelform in der Luft auftreten kann.

2. Verwendung

Bei der Verwendung von aufgeschmolzenem p-Toluidin sind der Transport der Faßware aus der Wärmekammer sowie das Einsaugen in den Reaktionskessel die Tätigkeiten mit der höchsten Exposition.

Anschließende chemische Umsetzungen erfolgen im geschlossenen System und sind daher nicht expositionsrelevant. Nach Abschluß der chemischen Umsetzungen sind die Reste an p-Toluidin sehr gering bzw. analytisch nicht mehr nachweisbar.

Bei einem Verwender wurden die folgenden 6 personenbezogene Schichtmittelwerte beim Transport von Spundfässern mit aufgeschmolzenem p-Toluidin und Einsaugen in den evakuierten Reaktionsbehälter gemessen: 0,2 (N=2); 0,8; 0,9 (N=2); 1,1 mg/m3.

Hierbei wurde die oben beschriebene Sauglanze eingesetzt.

Die personenbezogenen Schichtmittelwerte für das Aufschmelzen, den Transport und das Einsaugen der Schmelze liegen zu ca. 70 % zwischen 0,8 und 1,1 mg/m3.

Diese Werte sind repräsentativ für die beschriebenen Arbeitsvorgänge bei bestimmungsgemäßem Betrieb.

Die höheren Werte werden dadurch erklärt, daß beim Faßhandling mit 60 °C heißer Schmelze von p-Toluidin (Sättigungskonzentation 15,5 g/m3) mit Öffnen und Verschließen sowie Faßwechsel Exposition nicht

völlig ausgeschlossen werden kann.

Von einem zweiten Verwender liegen 13 Meßwerte von Arbeitsplatzmessungen für p-Toluidin bei bis zu 60 Minuten Meßzeit zwischen 0,1 und 2,1 mg/m3 vor.

Die zugehörigen Tätigkeiten umfassen das Aufschmelzen von p-Toluidin als Faßware in Wärmekammern mit nachfolgendem Einsaugen in Reaktionsbehälter und das Abschließen von Containern mit geschmolzenem p-Toluidin.

- Aufschmelzen in Wärmekammern und Einsaugen in Reaktionsbehälter:
0,18; 0,2; 0,23; 0,3; 0,67; 2,1 mg/m3.

- Abschließen von Containern:
<0,1 (N=2); 0,11; 0,19; 0,2; 0,35; 0,46 mg/m3.

Hinweis

Neben der inhalativen Aufnahme kann p-Toluidin auch über die Haut aufgenommen werden. Dem ist auch bei Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten zusätzlich durch geeignete Körperschutzmaßnahmen Rechnung zu tragen (weitere Hinweise: siehe TRGS 150 "Unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen").

Literatur

[1] Henschler, D.: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: p-Toluidin. Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgesellschaft. Verlag Chemie, Weinheim (1990)

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