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82. Erläuterung zu N-Methyl-bis(2-chlorethyl)amin
[CAS 51-75-2]

(BArbBl. 5/98 S. 66; 2/2004 S. 85)



Ein Luftgrenzwert für N-Methyl-bis(2-chlorethyl)amin (HN2) wird nicht festgelegt. Es liegen keine Angaben zum aktuellen Umgang mit diesem Gefahrstoff vor. Der Stoff hat nach den vorliegenden Informationen zur Zeit keine technische Bedeutung. Verwendung finden jedoch einige N-Lost-Derivate (siehe Einleitung).

N-Methyl-bis(2-chlorethyl)amin ist in der TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe) als krebserzeugend in die Kategorie 1 und als erbgutverändernd in die Kategorie 2 - nach Anhang I der GefStoffV - eingeordnet. Zubereitungen sind als krebserzeugend im Sinne des § 35 Abs. 1 GefStoffV anzusehen, sofern der Massengehalt an N-Methyl-bis(2-chlorethyl)amin > 0,01 % beträgt.

Einleitung

Sowohl HN2 als auch Tris(2-chlorethyl)amin (N-Lost, CAS-Nr. 555-77-1, HN3) und Ethyl.bis(2-chlorethyl)amin (CAS-Nr. 538-07-8, HN1) könnten als Kampfmittel eingesetzt werden und sind deshalb in der Chemiewaffenübereinkunft [6] geregelt.

Diese Verbindungen und auch ihre Derivate werden vielfach als N-Lostverbindungen bezeichnet. Das Synonym N-Lost steht nur für das Tris(2-chlorethyl)amin. Die nachstehenden arbeitsmedizinischen und toxikologischen Erfahrungen beziehen sich jedoch auf das N-Methyl-bis(2-chlorethyl)amin.

Als wasserlösliches Hydrochlorid wurde die Substanz als Zytostatikum eingesetzt. Aktuell ist diese Substanz nicht mehr in der Roten Liste enthalten und wird auch nach vorliegenden Informationen nicht mehr therapeutisch genutzt.

Verwendet werden noch andere N-Lost-Derivate in der Krebsbehandlung, die aber ein mit HN2-Hydrochlorid nicht vergleichbares Wirkspektrum haben. Diese Derivate (Cyclophosphamid) werden in Deutschland nicht unter Verwendung von HN2 als Rohstoff hergestellt [1].

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

Eine umfangreiche Zusammenfassung der arbeitsmedizinischen und toxikologischen Erfahrungen findet sich bei HENSCHLER [2]. Subletale inhalativ aufgenommene Dosen führen zu schwersten Lungenveränderungen, Augenschäden, Veränderungen an der oberen Atemwegen mit Heiserkeit und schweren Hautveränderungen mit Blasenbildung (Urtikaria). Neben den lokalen Schädigungen sind nach Inhalation von HN2 auch Leberschädigungen und eine Schädigung sämtlicher Enzyme beschrieben worden.

Sehr umfangreiche Erfahrungen sind bei der Verwendung von wasserlöslichem HN2-Hydrochlorid zur äußerlichen und inneren Anwendung als Zytostatikum publiziert worden. Nach den vorliegenden Informationen wird HN2-Hydrochlorid in Deutschland aber nicht mehr therapeutisch in der Humanmedizin genutzt. Daher erscheint es nicht sinnvoll, das Ergebnis der sehr umfangreiche Literaturrecherche [3] im Rahmen des Erläuterungspapiers darzustellen, zumal die bis 1988 dazu publizierte Literatur sich bei HENSCHLER [2] findet. Diese Publikationen können über das Sekretariat des AGS eingesehen werden.

Toxikologische Erfahrungen

siehe TRGS 910 lfd. Nr. 73 [4].

Meßverfahren

Bei der Messung der drei o. g. N-Lostverbindungen ist zu beachten, daß die Verbindungen wesentlich hydrolyseempfindlicher als 2,2'-Di-chlordiethylsulfid (S-Lost) sind. Materialproben werden mit Methylenchlorid extrahiert und anschließend die Substanzen über Gaschromatographie mit MS-Detektion analytisch bestimmt. Hinsichtlich der Probenahme in der Atemluft muß geprüft werden, welche Sammelphase für die Anreicherung geeignet ist. Es wird empfohlen, bei der Erarbeitung eines Meßverfahrens mit der Wehrwissenschaftlichen Dienststelle der Bundeswehr für ABC-Schutz, Postfach 1142, 29623 Münster, Kontakt aufzunehmen.

Vorkommen und Entsorgung

In Zukunft ist noch vereinzelt der Kontakt zu N-Lost haltigen Kampfmitteln bei der Räumung denkbar. Diese wird grundsätzlich unter Vollschutz vorgenommen. Die Kampfmittel werden in einer speziellen Delaborieranlage unter größten Sicherheitsvorkehrungen demontiert und N-Lost in einer speziellen Verbrennungsanlage unschädlich gemacht. Nach den vorliegenden Informationen kann N-Lost nur über eine spezielle Verbrennungsanlage der Bundeswehr entsorgt werden. Europaweit steht nur in Norddeutschland eine entsprechend ausgerüstete Verbrennungsanlage zur Verfügung [5].

Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen

Dem Ausschuß für Gefahrstoffe sind keine Arbeitsbereiche bekannt geworden, in denen mit HN2 umgegangen wird. Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen liegen daher nicht vor.

Hinweise

Neben der inhalativen Aufnahme kann N-Methyl-bis(2-chlorethyl)amin auch über die Haut aufgenommen werden. Dem ist auch bei Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten zusätzlich durch geeignete Körperschutzmaßnahmen Rechnung zu tragen (weitere Hinweise: TRGS 150 "Unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen, die durch die Haut resorbiert werden können - Hautresorbierbare Gefahrstoffe"). N-Methyl-bis(2-chlorethyl)amin darf nur in geschlossenen Systemen verwendet werden. Gemeint sind beispielsweise Systeme, bei denen durch eine Kapselung auszuschließen ist, daß der Stoff in die Umgebung austreten kann bzw. die an eine Absauganlage angeschlossen sind, die mit Unterdruck betrieben wird. Der Stoff ist aus der Abluft über entsprechende Reinigungssysteme zu entfernen. Bei Arbeiten mit diesem Gefahrstoff ist aus Gründen der Prävention, z.B. Schutz vor unvorhersehbaren Ereignissen, Vollschutz zu tragen.

Der Kampfmittelräumdienst der Länder, ggf. Dienststellen der Bundeswehr, sollten bei Fragen zur Beseitigung der N-Lostverbindungen grundsätzlich einbezogen werden, auch wenn es sich um N-Lostverbindungen nichtmilitärischen Ursprungs handelt. Dieser besonders ausgerüstete und geschulte Personenkreis kann einen sicheren Umgang und eine sachgerechte Entsorgung gewährleisten. Mit diesen Stellen ist ein Schutzmaßnahmenkonzept abzustimmen.

Literatur

[1] Ergebnis einer Recherche, Dipl.-Ing. Alker, Frankfurt (persönliche Mitteilung)

[2] Henschler, D. (Hrsg.): N-Methyl-bis(2-chlorethyl)amin. Arbeitsmedizinisch-toxikologische Begründung von MAK-Werten. Verlag Chemie, Weinheim (1988)

[3] Literaturrecherche Toxall

[4] TRGS 910 "Begründungen für die Einstufung der krebserzeugenden Gefahrstoffe in die Gruppen I, II oder III der Liste des Anhanges II Nr. 1.1 GefStoffV. Begründung lfd. Nr. 73, BArbBl. Heft 12/1989 S. 73

[5] Wehrwissenschaftliche Dienststelle der Bundeswehr für ABC-Schutz, Munster (persönliche Mitteilung)

[6] Informationen zu Genehmigungen von Herstellung und Verwendung gibt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle: www.bafa.de

(Stand: November 1997)