TRGS 150 - Unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen, die durch die Haut resorbiert werden können, Hautresorbierbare Gefahrstoffe
Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)
Ausgabe Juni 1996
(BArbBl. 6/1996 S. 31; 5/2006 aufgehoben)
Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) geben den Stand der sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen, hygienischen sowie arbeitswissenschaftlichen Anforderungen an Gefahrstoffe hinsichtlich lnverkehrbringen und Umgang wieder.
Sie werden vom
Ausschuß für (AGS)
aufgestellt und von ihm der Entwicklung angepaßt.
Die TRGS werden vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Bundesarbeitsblatt (BArbBl.) bekanntgegeben.
Diese Technische Regel gibt Hinweise zur Feststellung der Überschreitung der Auslöseschwelle durch unmittelbaren Hautkontakt mit Gefahrstoffen, die durch die Haut aufgenommen werden können, gemäß § 3 Abs. 8 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Sie enthält Maßnahmen, die bei Überschreitung der Auslöseschwelle zu ergreifen sind.
1 Anwendungsbereich
(1) Diese Technische Regel gilt für Stoffe und ihre kennzeichnungspflichtigen Zubereitungen, welche über die Haut aufgenommen werden können.
Dies betrifft vor allem folgende Stoffe
- Stoffe mit MAK, die in der TRGS 900 (Grenzwerte in der Luft am Arbeitsplatz) mit "H" bezeichnet sind,
- Krebserzeugende Stoffe, wenn sie mit den Hinweisen auf besondere Gefahren R 45 gekennzeichnet sind oder in der Bekanntmachung nach § 4a Abs. 1 GefStoffV mit R45 bezeichnet oder aufgrund sonstiger Erkenntnisse als krebserzeugend in die Kategorie 1 oder 2 nach Anhang 1 GefStoffV einzustufen sind.
Die TRGS 905 ist zu beachten.
Krebserzeugend sind auch Gefahrstoffe und Verfahren im Sinne von § 35 Abs. 4 und 5 GefStoffV. Ausgenommen sind Stoffe, die nur in atembarer Form krebserzeugend wirken (R 49).
- Stoffe und ihre einstufungspflichtigen Zubereitungen, die in der Liste der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen nach § 4a der GefStoffV mit R 27, R 24 oder R 21 oder R 48 in Kombination mit R 27, R 24, R 21 eingestuft oder aufgrund sonstiger Erkenntnisse so einzustufen sind.
- Diese TRGS bezieht sich nicht auf Stoffe, die reizend oder ätzend sind oder an der Haut sensibilisierend wirken.
(2) Die Ausführungen in Nummer 4 und 5 dieser TRGS ergänzen folgende grundsätzlich geltende Regelungen:
- Gemäß § 17 GefStoffV besteht eine allgemeine Pflicht zum Schutz vor Gefahrstoffen.
- Die Rangfolge der Schutzmaßnahmen gemäß § 19 GefStoffV ist zu beachten.
- Hygienemaßnahmen sind nach § 22 GefStoffV durchzuführen.
- Sicherheitsratschläge nach Anhang I* Nr. 1 GefStoffV, wie z.B. S 36 und S 37 für mit R 21, 24 oder 27 eingestufte und gekennzeichnete Stoffe sind einzuhalten.
Das gilt auch für entsprechend eingestufte Stoffe ohne Grenzwerte.
(3) Besonders häufig entstehen in der arbeitsmedizinischen Praxis Probleme durch starke Hautresorbierbarkeit bei folgenden Stoffgruppen:
- Amino- und Nitroaromaten (charakteristische Beispiele:
Anilin, Nitrobenzol)
- Phenole und deren Derivate
- Pflanzenschutzrnittel, insbesondere Organophosphate (charakteristisches Beispiel:
Parathion)
- Lösemittel, insbesondere solche, die sowohl wasser- als fettlösliche Eigenschaften haben (charakteristische Beispiele:
Dimethylsulfoxid, Glykolether)
- Salpetersäureester (Glycerintrinitrat, Ethylenglykoldinitrat).
2 Generelle Erläuterungen
(1) Die Haut ist das aus mehreren Schichten bestehende Grenzorgan des Menschen zu seiner Umwelt.
Auch die intakte Haut stellt keine undurchdringliche Schutzschicht dar. Eine Reihe fester Stoffe, Flüssigkeiten und Aerosole kann über die Haut aufgenommen werden.
Entscheidende Eigenschaften eines Stoffes für die Aufnahme durch die Haut sind:
- die Löslichkeit in Wasser oder Fett,
- die Polarität bzw. elektrische Ladung,
- die Dielektrizitätskonstante,
- die Molekülgröße und -struktur,
- die chemische Umwandlung in der Haut oder an der Oberfläche.
(2) Die Schutzfunktion der Haut wird wesentlich beeinflußt von
- den Eigenschaften des oberflächlichen Schutzfilms aus Fett und Wasser (natürlicher Säuremantel),
- der Hornschicht,
- den Zelleigenschaften der Oberhaut,
- den Durchblutungsverhältnissen der Unterhaut.
3 Begriff des "Unmittelbaren Hautkontaktes"
(1) Als "unmittelbarer Hautkontakt" (§ 3 Abs. 8 GefStoffV) gilt die direkte Berührung der Haut durch Stoffe oder Zubereitungen in fester oder flüssiger Form, bzw. die Berührung bei Durchdringung der Kleidung.
(2) Eine Quantifizierung des Hautkontaktes und seiner gesundheitlichen Relevanz ist bei systemisch wirkenden Stoffen über biologische Überwachungsmaßnahmen möglich (siehe Nummer 4.2). Bei Stoffen, für die BAT-Werte (Biologische Arbeitsplatztoleranzwerte) in der TRGS 903 nicht genannt werden, bleibt die Entscheidung darüber, ob gelegentliche und/oder geringfügige Berührung eines Stoffes mit der Haut als "unmittelbarer Hautkontakt" im Sinne der GefStoffV zu gelten hat, der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Beurteilung des Sachverhaltes (Einstufung des Stoffes, Dauer, Konzentration, Häufigkeit des Kontaktes, Beschaffenheit der Haut) überlassen.
Hilfestellung geben dabei stoffspezifische Regelungen über die Auslöseschwelle in gesonderten TRGS oder in Einzelfällen die Beantwortung spezieller Anfragen durch den AGS.
4 Überschreitung der Auslöseschwelle
4.1 Stoffe mit MAK
Die Auslöseschwelle ist unabhängig von der Raumluftkonzentration überschritten bei unmittelbarem Hautkontakt mit Stoffen, die in der TRGS 900 (Grenzwerte in der Luft am Arbeitsplatz) mit "H" gekennzeichnet sind.
Geringfügiger oder kurzfristiger Hautkontakt, der nach arbeitsmedizinischer Beurteilung nicht zu biologischen Veränderungen führt, ist ausgenommen.
4.2 Stoffe mit BAT-Wert
Bei unmittelbarem Hautkontakt mit Stoffen nach Nummer 4.1, für welche BAT-Werte festgelegt wurden (TRGS 903), ist die Einhaltung des BAT-Wertes zu prüfen. In diesen Fällen ist die Auslöseschwelle überschritten, wenn der BAT-Wert nicht eingehalten wird.
4.3 Krebserzeugende Stoffe (systemische krebserzeugende Wirkung nach Hautresorption und krebserzeugende Wirkung auf die Haut selbst, vgl. Nummer 1)
Bei unmittelbarem Hautkontakt ist unabhängig von der Raumluftkonzentration eine Überschreitung der Auslöseschwelle anzunehmen.
Geringfügiger oder kurzfristiger Hautkontakt, der nach arbeitsmedizinischer Beurteilung nicht zu biologischen Veränderungen führt, ist ausgenommen.
4.4 Stoffspezifische Werte nach § 28 Abs. 2 GefStoffV
Für einzelne Stoffe können Aussagen über die Auslösung von Maßnahmen im Sinne von Nummer 5 in stoffspezifischen TRGS niedergelegt werden.
4.5 Sonstige hautresorptive Stoffe
Bei allen übrigen gefährlichen Stoffen und ihren Zubereitungen, die durch die Haut aufgenommen werden können, ist in der Regel von einer Überschreitung der Auslöseschwelle auszugehen, wenn beim Umgang mit den Gefahrstoffen ein unmittelbarer Hautkontakt besteht.
5 Zusätzliche Maßnahmen bei Überschreitung der Auslöseschwelle
5.1 Bei systemisch wirkenden Stoffen ohne krebserzeugende Wirkung
- Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen (§ 28 in Verbindung mit Anhang VI GefStoffV und BGV A4)
- Beschäftigungsbeschränkungen (§ 15b Abs. 3, 4, 6, 8 GefStoffV)
- Mitteilung an die betroffenen Arbeitnehmer und die Betriebs- und Personalräte (§ 21 Abs. 2 GefStoffV), Unterrichtung der Arbeitnehmer gemäß § 20 GefStoffV.
5.2 Bei krebserzeugenden Stoffen
- Persönliche Schutzausrüstung (§ 19 Abs. 5 i.V. mit § 36 Abs. 5 und § 15a Abs. 4 GefStoffV)
- Mitteilung an die betroffenen Arbeitnehmer und die Betriebs- und Personalräte (§ 21 Abs. 2 GefStoffV), Unterrichtung der Arbeitnehmer gemäß § 20 GefStoffV
- Beschäftigungsbeschränkungen ( § 15a und § 15b Abs. 4 und 7 GefStoffV)
- Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen (§ 28 in Verbindung mit Anhang VI GefStoffV und BGV A4)
- Arbeitszeitregelungen § 15a Abs. 5 GefStoffV).
6 Bedingungen, bei denen eine erhöhte Gefährdung zu erwarten ist
Bei den in der GefStoffV geforderten Maßnahmen sollten die im folgenden genannten Bedingungen bei Hautkontakt mit Gefahrstoffen berücksichtigt und den Beschäftigten ausdrücklich bekanntgemacht werden.
- Physikalische Bedingungen
- Bei Arbeiten in Hitze, bei Wärmestrahlung oder bei körperlicher Arbeit ist durch die vermehrte Hautdurchblutung mit einer erhöhten Gefährdung zu rechnen.
- Bei Arbeit in feuchtem Milieu oder bei starker Luftfeuchtigkeit ist wegen der vermehrten Aufnahme durch die gequollene Hornschicht der Haut mit einer erhöhten Gefährdung zu rechnen.
- Bei Hautkontakt mit Gefahrstoffen und anschließendem Luftabschluß (z.B. bei Verschmutzungen unter Gummihandschuhen) ist eine erhöhte Gefährdung anzunehmen.
- Bei Hautkontakt mit Gefahrstoffen bei oder nach einer Tätigkeit, die erfahrungsgemäß eine mechanische Schädigung der Haut mit Mikrotraumen verursacht, ist von einer erhöhten Gefährdung auszugehen.
- Chemische Bedingungen
- Bei gleichzeitiger oder vorheriger Einwirkung entfettender Substanzen auf die Haut (Seifen, Tenside, Lösemittel) ist von einer erhöhten Gefährdung auszugehen, da eine Entfettung der Haut eine vermehrte Aufnahme bedingen kann.
Bei gleichzeitiger oder vorheriger Einwirkung fetthaltiger Substanzen verschiedener Feuchtebindung (Kosmetika, Arbeitsschutzprodukte) kann durch Quellung der Hornschicht oder Förderung der Löslichkeit von Gefahrstoffen eine verstärkte Aufnahme durch die Haut erfolgen.
- Bei Vorliegen eines in Fett oder Wasser unlöslichen Stoffes in gelöster Form (z.B. in Lösemittel, wie Alkohol, Aceton) ist eine Gefährdung anzunehmen.
Besonderheiten bestehen bei bestimmten Tätigkeiten im Gesundheitswesen.
- Biologische Bedingungen
- Die Resorption von Stoffen durch die Haut kann durch akute chronische entzündliche Veränderungen der Haut (Irritationsdermatosen.
Ekzeme, Mykosen, Schuppenflechte) erhöht werden.
Die gleichzeitige Einwirkung von Stoffen oder Zubereitungen, die die Haut direkt schädigen, d.h. ätzend (R 34, R 35) reizend (R 38), sensibilisierend (R 43) oder subtoxisch kumulativ wirken, kann die Aufnahme von systemisch wirkenden Stoffen durch die Haut verstärken.
- Bei gleichzeitiger lokaler Einwirkung durchblutungsfördernder Substanzen ist von einer erhöhten Gefährdung auszugehen.
- Bei Hautkontakt eines Stoffes mit Körperarealen, an denen eine verstärkte Aufnahme stattfindet (alle Regionen außer Handflächen und Fußsohlen), ist entsprechend den regionalen Verhältnissen eine erhöhte Gefährdung gegeben.
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