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4,4'-Methylendiphenyldiisocyanat (MDI)
(CAS-Nr.: 101-68-8) und
technisches (sog. "Polymeres") MDI (pMDI)
(CAS-Nr.: 9016-87-9)
als atembare Aerosole
Ausgabe:
Oktober 2000
Stand:
Mai 2000
Einleitung:
Im Zusammenhang mit dem beruflichen Umgang mit Isocyanaten steht die Prävalenz der obstruktiventzündlichen Atemwegserkrankungen (Asthma) an erster Stelle. Die Lungenschädigungen sind zum überwiegenden Teil irritativtoxisch und nur zu einem deutlich geringen Teil (etwa 14%) durch IgE-Reagine vermittelt (Baur, 1990; Marek et al., 1992). Sowohl bei der akuten wie auch der chronischen Toxizität steht die lokale Einwirkung auf den Respirationstrakt ganz im Vordergrund. Nach einmaliger und vor allem wiederholter Exposition gegenüber erhöhten Konzentrationen kann es zu langanhaltenden Atemwegsentzündungen mit entsprechenden reaktiven Veränderungen innerhalb des Atemtraktes kommen. Die Empfindlichkeit des Bronchialsystems gegenüber spezifischen und unspezifischen Stimuli spielt dabei eine herausragende Rolle.
Allen Isocyanaten ist die R-N=C=O-Gruppe gemeinsam, die durch ihre besondere Reaktionsfreudigkeit gegenüber nukleophilen Biopolymeren prädestiniert ist Proteinkonjugate auszubilden, funktionelle Zentren von Enzymen zu inhibieren, transmembranäre Transportprozesse zu beeinflussen oder in höheren Konzentrationen Zellen zu zerstören. Obwohl dieser allgemeine Wirkungs-Charakter allen Isocyanaten gemeinsam ist, bestimmen vornehmlich auch die unterschiedlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften der Isocyanate den Depositions- und Schädigungsort im Respirationstrakt und die Art und Weise wie die jeweilige biologische Struktur auf die Schädigung reagiert, so dass innerhalb des gemeinsamen Wirkungsspektrums einzelne Aspekte quantitativ unterschiedlich zwischen den verschiedenen Isocyanatklassen (Aryl-, Alkyl- oder alicyclische Mono-, Di- bzw. Polyisocyanate) ausgeprägt sein können.
Für die Bewertung des toxischen Potentials der Isocyanate spielen somit die folgenden Aspekte die zentrale Rolle:
Die durch chronische Gewebsirritation ausgelösten entzündlichen lokalen Veränderungen innerhalb des Respirationstraktes spielen bei der Beurteilung von Befunden aus chronischen Onkogenitäts-Inhalationsstudien eine entscheidende Rolle. Konventionelle Kriterien bezüglich der Definition der ,maximal tolerierbaren Dosis', z.B. Körpergewichtsveränderungen, sind für Lungenreizstoffe oft nur von eingeschränkter Relevanz. Beim Design wie auch der Interpretation von chronischen Inhalationsstudien sollten daher pathologisch veränderte funktionelle Endpunkte sowie die jeweiligen Speziesspezifischen, adaptativen Kompensations- oder Dekompensationsmechanismen immer in Beziehung gebracht werden.
Für das respirable MDI-Aerosol läßt sich bezüglich des akuten Atemtraktreizpotentials feststellen, dass die isocyanatinduzierte Schädigung des Respirationstraktes sich im allgemeinen als ein nicht kumulatives, sondern als schwellenkonzentrationsabhängiges Phänomen darstellt (vide supra). Chronische Onkogenitätsuntersuchungen mit Partikelkonzentrationen im deutlich irritativen Bereich, können besonders an der Rattenlunge eine kompensatorisch gesteigerte, autokrine Wachstumsdynamik spezifischer Zellpopulationen zur Folge haben, so dass eine eindeutige Differenzierung von ,mitogenen' und ,mutagenen' Effekten eine wissenschaftliche Herausforderung darstellt. Die vergleichende Bewertung von Testergebnissen mit Isocyanaten aus in vivo und in vitro Untersuchungen wird zudem auch dadurch erschwert, dass die für diese Substanzklasse spezifischen chemischen Reaktionsabläufe milieuspezifisch stattfinden. D.h., manche Testsysteme begünstigen die hydrolytische Zersetzung des Isocyanats, in anderen hingegen wird die Isocanatfunktionalität milieuspezifisch stabilisiert oder durch spezifische Scavengerreaktionen (Konjugation) im Sinne einer nichtenzymatischen Detoxifikationsreaktion eliminiert. Welches System letztendlich die für den Menschen relevanteste Aussage generiert, bedarf einer sehr kritischen, fachlich ausgewogenen Beurteilung und Bewertung.
Diphenylmethan-4,4'-diisocyanat (MDI) - Allgemeine Aspekte:
Monomeres Diphenylmethan-4,4'-diisocyanat (Synonym: Methylendiphenyldiisocyanat; MDI) stellt nur ca, 5 Gew.% der insgesamt produzierten MDI - Mengen weltweit dar. Es wird durch Destillation zusammen mit den monomeren 2,4'- und wenig 2,2'-MDI-Isomeren aus technischem MDI erhalten. Die Isolierung einzelner Isomere aus dem Gemisch ist technisch aufwendig. Das monomere 4,4'-MDI ist bis zum Schmelzpunkt von ca. 39 °C von wachsartiger Konsistenz.
Von erheblicher großtechnischer Bedeutung ist das technische MDI, umgangssprachlich und daher auch hier im weiteren als ,polymeres' MDI, (pMDI) bezeichnet. Es stellt ca. 95 Gew.-% der weltweit verbrauchten MDI-Mengen dar. Mit einem mittleren Molekulargewicht von 350 - 450 Da setzt es sich aus unterschiedlichen Anteilen an monomerem MDI (30 - 80 Gew.%) und dessen oligomeren Homologen zusammen. Die oligomeren Homologen stellen in der Regel 3- bis 6- kernige Verbindungen von über CH2 -Gruppen verknüpften Phenylisocyanatgruppen dar. Eine Rückspaltung von Oligomeren in die Monomeren ist weder in biotischen noch in abiotischen Systemen möglich. pMDI stellt bei Raumtemperatur eine viskose Flüssigkeit dar, die etwa im Bereich von 0 °C zu einem Feststoff mit ebenfalls wachsartiger Konsistenz erstarrt. Der Sättigungsdampfdruck wird im wesentlichen von den monomeren Anteilen bestimmt und wird mit < 0,005 Pa (20 °C) angegeben. Unter diesen Bedingungen ist die Dampfsättigungskonzentration < 50 µg/m3 (5 ppb) (Anon, 1999); d.h., der Dampfdruck aller MDI-Typen ist unter normalen Umgangs-Bedingungen extrem niedrig. Unter Arbeitsplatzbedingungen sind fokal höhere Konzentrationen dagegen nur durch Dispersion (versprühen als Aerosol) oder bei Abkühlung des übersättigten Dampfes (Kondensationsaerosol) möglich. Ein Überblick über die an vielen Arbeitsplätzen gemessenen MDI-Konzentrationen ergab, dass höhere Konzentrationen nur in Ausnahmefällen, z.B. bei Spritzanwendungen oder bei höheren Verarbeitungstemperaturen, örtlich begrenzt zu finden waren (Anon, 1999).
Das technische Produkt kann Spuren an Phenylmonoisocyanat (PhI) enthalten; in heute erhältlichen Produkten liegt der Gehalt jedoch im allgemeinen deutlich unter 0,005 Gew.-% (Greim, 1995). Diesem Umstand ist bei der toxikologischarbeitsmedizinischen Bewertung älterer Studien Rechnung zu tragen, da scheinbar MDI-induzierte Effekte auch durch das flüchtigere und potentere PhI (LC50, Ratte: 22 mg/m3/4 h) verursacht worden sein könnten.
MDI/pMDI weist eine relativ hohe chemische Reaktivität gegenüber Nukleophilen auf. Es ist in Wasser unlöslich, so dass chemische Reaktionen der R-NCO Gruppen im hydrophilen Milieu nur an Grenzflächen ablaufen sofern keine Lösungsvermittler eingesetzt werden. In biologischen Systemen (z.B. Respirationstrakt) begünstigt die Reaktivität der Isocyanatgruppen die kovalente Reaktion mit nieder- und hochmolekularen Nukleophilen. In der Lunge stellt Glutathion (GSH) das quantitativ bedeutsamste Nukleophil dar. Die GSH-Konzentration in den Liningfluids der Lunge beträgt etwa 200-300 µmol/l, die Plasmakonzentration ist demgegenüber deutlich niedriger (< 5 µmol/l) (Kelly, 1999). Die nichtenzymatisch gebildeten S-Glutathionylthiocarbamoyl-Addukte unterliegen einer raschen Transcarbamoylierungsreaktion. Neuere Arbeiten belegen, dass Proteinaddukte durch direkte Transcarbamoylierung und nicht, wie früher angenommen, über das freie Amin entstehen (Lange et al., 1999a; Day et al., 1997). Reaktionen mit zellulären Thiolgruppen können homöostatische Regulationsmechanismen verändern, wobei durch Membranschäden die für Isocyanate charakteristischen, lokalisierten Schädigungen innerhalb des Respirationstraktes auftreten. Entsprechend hängt die Wirkung im biologischen Umfeld/Milieu von den am Eintrittsort stattfindenden spezifischen (Konjugation mit nukleophilen Scavengermolekülen oder Proteinen) wie auch unspezifischen (Polyharnstoffbildung, Hydrolyse) Prozessen statt. Unterschiedliche Eintrittspforten in den Organismus können somit nicht vergleichbare Reaktionsbedingungen zur Folge haben und sekundär unterschiedliche biologische Wirkungen nach sich ziehen. Toxikologische Studien mit nichtinhalativer Verabreichung oder in vitro-Studien machen somit das Auftreten milieuspezifischer Artefakte sehr wahrscheinlich. Entsprechend sind die Studien dieser Kategorie bezüglich potentieller milieuspezifischer Artefakte sehr kritisch zu beurteilen.
Dementsprechend können an unterschiedlichen Körperoberflächen, z.B. an der Haut oder innerhalb des Atemtraktes sehr unterschiedliche Reaktionsabläufe angetroffen werden. In der letztgenannten Matrix sind im Prinzip die folgenden Reaktionen denkbar, und zwar
Bedenkt man die spezifische Ausrüstung des Respirationstraktes (Surfactantsystem, seromuköse Schleimschichten) so sind innerhalb des Respirationstraktes konjugierende Reaktionen wahrscheinlicher als hydrolysierende. Diese Hypothese wird durch Befunde aus tierexperimentellen Studien gestützt. So wurde im Zusammenhang mit MDI/pMDI Aerosol-Inhalationsstudien keine obliterierende Bronchiolitis wie bei den flüchtigen (Di)Isocyanaten festgestellt. Als empfindlichstes biologisches Dosimeter haben sich Alveolarmakrophagen erwiesen, die intrazelluläre Deposite von Reaktionsprodukten des MDI/pMDI aufwiesen. Ob diese Deposite durch Reaktionen der NCO-Gruppen mit den o.g. biochemischen Scavenger- bzw. Surfactantsystemen der Lunge oder durch Polyharnstoffbildung entstanden sind, entzieht sich z.Zt. der wissenschaftlichen Erkenntnis. Vorläufige experimentelle Daten lassen jedoch den Schluß zu, dass die Reaktion mit den genuinen Scavengersystemen der Lunge (GSH, Surfactant) offensichtlich die wesentlichste Rolle spielt; d.h. sich als NO(A)EL-bestimmend darstellen. Isocyanat-GSH-Konjugate wurden auch in extrapulmonalen Kompartimenten nachgewiesen. Alveolarmakrophagen wiesen nach Phagocytose hohe Phospholipidgehalte auf, was auf eine Störung der Surfactanthomöostase hindeutet. Diese Detoxifikationssysteme der Lunge sind induzierbar und weisen eine hohe reaktive Dynamik auf. Es ist anzunehmen, dass durch hohe Expositionsdosen diese Systeme praktisch "austitriert" werden. Dies korrespondiert im Tierexperiment oft mit schwellenkonzentrationsabhängigen Prozessen. Unterschreitet die Dosisrate die Pufferkapazität des Systems, werden keine oder lediglich adaptative Prozesse initiiert. Überschreitet hingegen die Dosisrate diese Pufferkapazität (oder wird die Zeit für die Rekonstitution des Systerns verkürzt) so treten adverse lokale Effekte auf. Diese Interpretation wird zudem durch neuere experimentelle Befunde aus Kurz- und Langzeitinhalations-Studien gestützt. Endpunkte wie pMDI-induzierte Zellproliferation der alveolaren Epithelzellen und Störung der Surfactanthomöostase nach Kurzzeitexposition (Ratte) korrespondieren mit entsprechenden morphologischen Veränderungen nach chronischer Lebenszeitexposition gegenüber vergleichbaren pMDI-Konzentrationen. Dies stützt die Schlußfolgerung, dass bei reaktiven, nicht flüchtigen aerosolisierten Diisocyanaten wie pMDI/MDI die Tagesexpositionsdosis (Dosisrate) wichtiger als die kumulative Gesamtdosis zu sein scheint.
Eine Permeation und Absorption des intakten Isocyanates durch die Haut oder durch die Schleimhäute des Respirationstraktes ist aufgrund der chemischen Reaktionsfähigkeit gegenüber Hydroxyl-, Amin-, Carboxyl- und Mercaptylgruppen als eher unwahrscheinlich anzusehen. Diese Eigenschaft, d.h., Reaktion mit nukleophilen Biopolymeren, begünstigt allerdings die Bildung antigener Determinanten mit sich anschließenden immunologischen Folgereaktionen. Hierbei ist die durch die lokale Entzündung stattfindende Induktion von antikörperproduzierenden Zellen nicht gleichzusetzen mit systemischer Bioverfügbarkeit des Isocyanats. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung dieser von lokalen Reaktionen abhängigen immunologischen Prozesse ist komplex und wird z.Zt. wissenschaftlich kontrovers diskutiert. Experimentelle Daten scheinen jedoch darauf hinzudeuten, dass kurzzeitige Spitzenbelastungen (mit entsprechenden lokal entzündlichen Veränderungen) eine kritische Komponente darstellen. Entsprechend weist MDI/pMDI unter den Testbedingungen der entsprechenden OECD-Guidelinestudien ein haut- und schleimhautreizendes wie auch sensibilisierendes Potential (Haut und Respirationstrakt) auf (Zusammenfassung aller Studien s. Anon., 1999).
Bioverfügbarkeit:
Untersuchungen zur in vitro Bioverfügbarkeit nach dermaler Exposition von radioaktiv markiertem 14C-4,4'-MDI in Aceton (epikutane Applikation von 0,04 mg MD I/cm2 und 4,0 mg MD I/cm2; ohne Occlusion) wurden an der Meerschweinchen-, Ratten- und Humanhaut durchgeführt (Clowes, 1997). Bei allen Hauttypen war der Hauptanteil der Radioaktivität (58 - 91 % der Applikations-Dosis) in der Haut lokalisiert (nach Dekontamination der Hautoberfläche mit 3 % Teepol in Wasser). Während der 54- stündigen epikutanen Exposition der menschlichen Haut fanden sich keine Hinweise auf eine systemische Bioverfügbarkeit. An der Ratten- und Meerschweinchenhaut zeigte sich ein minimales dermales Penetrationspotential.
In einer dermalen in vivo Studie an männlichen Ratten (epikutane Applikation von radioaktiv markiertem 14C -4,4'-MDI in Aceton in Dosierungen von 0,4 mg MD I/cm2 und 4,0 mg MDI/ cm2 ; dies entspricht etwa 14 und 140 mg MDI/kg Körpergewicht) zeigte sich ebenfalls eine minimale Penetration der Radioaktivität. Bei 8-, 24- und 120-stündiger Expositionsdauer betrug die dermal absorbierte Radioaktivität bei der unteren Dosis 0,14, 0,23 und 0,69 %, bei der höheren Dosierung 0,21, 0,66 und 0,88 % (Leibold et al, 1998).
Genotoxizität:
- in vitro
In DMSO gelöstes MDI und pMDI zeigten im Ames-Test an den S. typhimurium-Stämmen TA 98 und TA 100 eine mutagene Wirkung nur in Gegenwart von S9-Mix; MDI und pMDI gelöst in Ethylenglykoldimethylether (EGDME) waren jedoch an TA 98 und TA 100 inaktiv. Es konnte von den Autoren gezeigt werden, dass MDI und pMDI in kommerziellem DMSO mit einem Wassergehalt von 0,03 - 0,04 % instabil sind: Bereits innerhalb von 15 Minuten nach dem Ansetzen der MDI-Lösung in DMSO war der NCO-Gehalt auf weniger als 40 % des Ausgangswertes abgesunken und nach ca. 2 Std. war kein NCO mehr nachweisbar. Der MDA-Gehalt in der Lösung stieg zunächst auf maximal 8,6 % an und ging danach wieder zurück auf 3 %. Demgegenüber waren Lösungen von MDI und pMDI in EGDME über 4 Std. stabil (Herbold et al., 1998; Seel et al., 1999).
Ebenfalls positiv verliefen ein Maus-Lymphom-Test mit Zusatz von S9-Mix (Vehikel DMSO), ein Zelltransformationstest in vitro (+/- S9-Mix; Vehikel DMSO) sowie ein Chromosomenaberrations- und ein Schwesterchromatid-Austausch-Test in vitro (+/- S9-Mix; Vehikel Aceton) (Greim, 1995). Auch diese in vitro-Tests sind aufgrund der für Diisocyanat typischen Reaktivität (s.o.) in vitro-Systemen nur eingeschränkt bewertbar.
Die Inkubation von menschlichen Lungenepithelzellen mit MDI in EGDE führte nur im bereits zytotoxisch wirkenden Konzentrationsbereich (Überlebensrate < 70 %) zu einer deutlichen Zunahme an DNA-Doppelstrangbrüchen. Angesichts dieses Befundes und aufgrund der Größenverteilung der DNA-Fragmente mit einem deutlichen Maximum bei l MBp vermuten die Autoren, dass es sich bei den beobachteten Doppelstrangbrüchen um die Folgen eines enzymatischen Prozesses während der Zell-Lysis handelt und, im Gegensatz zu den im gleichen System getesteten Diepoxiden, nicht um das Ergebnis einer primär genotoxischen Wirkung von MDI (Vamvakas et al., 1998; Vock et al, 1998).
In vitro fand sich nach Inkubation von isolierter Kalbsthymus-DNA mit MDI keine Zunahme von Cross-Links oder DNA-Strang-Brüchen (Peel et al., 1997).
Wie einleitend ausgeführt läßt sich demnach feststellen, dass die Ergebnisse von in vitro Untersuchungen im wesentlichen von lösemittel-/vehikelabhängigen Milieuartefakten bestimmt werden. Demgegenüber konnte kein mutagenes Potential unter Testbedingungen festgestellt werden, die eine artifizielle Zersetzung von MDI zu MDA ausschließen.
- in vivo
Ein Mikronucleus-Test an der Maus mit einmaliger i.p.-Applikation von maximal 200 mg MDI (gelöst in DMSO und suspendiert in Maisöl)/kg KGW verlief negativ (Greim, 1995).
Es liegt das Ergebnis eines weiteren neueren Mikronucleus-Tests an der Brown Norway-Ratte in Form eines Kongress-Abstracts vor. Dabei wurden die Tiere über einen Zeitraum von 3 Wochen einmal wöchentlich für 1 h gegenüber MDI-Aerosol-Konzentrationen von 7 bzw. 113 mg/m3 in einer kleinen Plastikkammer ganzkörperexponiert. Die Aerosolgrößenverteilung (MMAD) wird mit 0,8 µm angegeben, wobei für die gravimetrische Analyse Filter mit 2 µm Porendurchmesser eingesetzt wurden. MDI wurde in dieser Studie als Kondensationsaerosol untersucht wobei MDI auf 125 °C erwärmt wurde. Inwieweit hierdurch unkontrollierbare, hypertherme Bedingungen in der Expositionskammer vorlagen, läßt sich aufgrund der fehlenden physikalischen Charakterisierung der Expositionsatmosphäre nicht bewerten. Die Tötung der Tiere erfolgte am Ende einer einwöchigen Nachbeobachtungszeit. Es wurde eine dosisabhängig erhöhte Mikronucleus-Rate im Knochenmark festgestellt (1,5- bzw. 3-fach erhöhte Mikronuclei-Rate im Vergleich zur Kontrolle) (Siegel et al., 1999). Die Bewertung der Relevanz dieser Befunde ist außerordentlich schwierig, da die vorliegenden Daten erkennen lassen, dass eine eindeutige Differenzierung normochromatischer und polychromatischer Erythrozyten (PCE) offensichtlich nicht gegeben ist. Guidelinestudien fordern zudem ein Abtöten der Tiere 24-h und 48-h nach Applikation, so dass eine Knochenmarkes-Gewinnung 7 Tage nach Expositionsende nur schwer mit der Mikrokernextrusionskinetik der PCE's in Einklang zu bringen ist. Das Fehlen jeglicher historischer Kontrolldaten sowie das Fehlen von Negativ- und Positivkontrollen für clastogene bzw. aneugenetische Effekte machen eine Bewertung der Befunde dieser Studie unmöglich. Hierbei ist anzumerken, dass hypo- /hyperthermische Stress-Effekte, expositionsbedingt oder durch Atemtraktreizung induziert, potentiell Mikronuclei in Folge aneugenetischer Effekte unspezifisch induzieren können.
An Lymphozyten von u.a. gegenüber MDI exponierten Personen konnten weder Chromosomen-Aberrationen noch Schwesterchromatid-Austausche oder Mikronuclei vermehrt nachgewiesen werden (Greim, 1995).
Nach der artefiziellen Exposition ("Occupational Challenge Test") eines beruflich MDI- exponierten Arbeiters gegenüber MDI (0,005 ml/ m3 Luft für 15 min, 0,010 ml/ m3 für 30 min, 0,020 ml/m3 für 15 min; MDI-Konzentrationen wurden kontinuierlich mit einem kalibrierten Monitor-System gemessen; Anmerkung: für aerosolförmige Isocyanate können sich jedoch Abweichungen von den tatsächlichen Konzentrationen ergeben) konnten in den Leukozyten DNA-Schädigungen (Doppelstrangbrüche und Quervernetzungen) detektiert werden. In der Arbeit wird dabei von einer MDI-Dampf-Inhalation gesprochen, obwohl die MDI-Dampfsättigungskonzentration (ca. 0,05 mg/m3 = 0,005 ppm bei 20 °C) zumindest bei der höchsten eingesetzten Konzentration überschritten war (Marczynski et al., 1992). Nach Bewertung der MAK-Kommission ist die in dieser Studie gewählte Methode weder validiert, noch in der Literatur beschrieben. Eine endgültige Bewertung der Befunde ist daher derzeit nicht möglich (Greim 1995).
Bindung an Makromoleküle:
Kennedy und Brown (1998) haben die biochemische und histoautoradiographische Charakterisierung der Radioaktivitätsverteilung nach akuter inhalativer 14C-MDI (ringmarkiert)-Aerosolexposition (monomeres 4,4'-MDI) untersucht. 4 männliche Fischer 344 Ratten pro Gruppe waren den folgenden analytischen Konzentrationen Kopf-Naseexponiert: 0,052 und 0,36 mg MDI/m3. In der 6 mg MDI/m3- Expositionsgruppe wurde unmarkiertes MDI verwendet. Der Mass Median Aero-Dynamik Diameter (MMAD) wird mit 1, 18 µm angegeben.
Alle untersuchten Gewebe zeigten eine detektierbare Radioaktivität wobei in den Atemwegen, im Gastrointestinaltrakt und im Blut die höchsten Aktivitäten gemessen wurden. Die Höhe der Radioaktivität korrelierte direkt mit der Expositionskonzentration und nahm zeitabhängig während der Nachbeobachtungszeit ab. Ein minimales Radioaktivitätsplateau wurde nach 120 Stunden beobachtet. 95-100 % der Plasmaradioaktivität wurde in Proteinfraktionen mit einem Molgewicht von >10 kDa retiniert. SDS PAGE-Analyse der Plasmafraktion größer als 10 kDa zeigten markierte Fraktionen im Bereich von 70 kDa. Die vorliegenden Daten belegen, dass konjugierende Reaktionen des MDI mit den ubiquitär im Respirationstrakt vorliegenden Proteinen die vorherrschende Reaktion darstellten und dass freie Amine oder andere Addukte bzw. Metaboliten mit niedrigerem Molekulargewicht quantitativ keine so bedeutsame Rolle spielten. Die histoautoradiographische Analyse der Atemwege läßt Rückschlüsse auf Bindungen mit spezifischen Oberflächenproteinen des respiratorischen Epithels zu. Bis zur höchsten untersuchten Konzentration wurden keine Veränderungen der Atemwegsmorphologie festgestellt. Dieser Befund ist vergleichbar mit TDI-Untersuchungsergebnissen von Karol et al. (1997) und Lange et al. (1999b). Auch hier wurde berichtet, dass TDI an die zilientragenden Zellen der Atemwege bindet und eine Kolokalisation von TDI mit dem ziliären Tubulin besteht (Anmerkung: heterodimeres freies wie auch mikrotubuläres Tubulin weisen eine hohe Konzentration freier Sulfhydrylgruppen auf).
Die Bildung von Hämoglobinaddukten und Urinmetaboliten nach Exposition von Ratten mit monomerem 4,4'-MDI wurde von Sepai et al. (1995a) beschrieben. Die Basis dieser Studie stellte eine Langzeitinhalationsstudie an weiblichen Wistar-Ratten dar (Hoymann et al., 1995). Endpunkte zum MDI-Metabolismus wurden nach 3 und 12 Monaten untersucht. Die mittleren Expositions-Konzentrationen werden mit 0,0; 0,26; 0,70 und 2,06 mg MDI-Aerosol/m3 (17 h/Tag, 5 Tage/ Woche) angegeben. Das Ziel dieser Untersuchungen bestand darin, Hämoglobinaddukte und Urinmetabolite (nach Totalhydrolyse aller Konjugate des MDI) als integrale Expositionsmarker (Biomonitoring) der inhalativen Expositionskonzentration gegenüberzustellen. Hämoglobinaddukte und die Urinmetabolite MDA und N'-Acetyl-4,4'-methylendianilin (AcMDA) wurden nach saurer Totalhydrolyse in allen Behandlungsgruppen gefunden. Die Dosis-Effekt-Beziehung verhielt sich für Hämoglobinaddukte und Urinmetabolite nichtlinear über den Bereich der untersuchten Konzentrationen. Im Urin wurde nach basischer Extraktion AcMDA and MDA gefunden (Anmerkung: Thiolate wie z.B. GSH-Konjugate neigen im basischen Milieu zur Rückspaltung; ein hydrolysierendes Extraktionsmilieu begünstigt die artifizielle Freisetzung der Aminfunktionalität). Urin-MDA-Konzentrtionen und in geringerem Maße auch die Urin-AcMDA-Konzentrationen, korrelierten mit der Konzentration an Hämoglobinaddukten in allen Behandlungsgruppen. Erwartungsgemäß wurden nach saurer Hydrolyse höhere MDA-Konzentrationen (Summe aus MDA und AcMDA) gefunden als nach basischer Hydrolysis (Anmerkung: Proteinkonjugate werden nur nach saurer Hydrolyse gespalten). Die nach 3 und 12 Monaten ermittelten Befunde unterschieden sich nicht wesentlich. Der von Sepai et al. (1995a) postulierte Mechanismus nimmt eine intermediäre Aminbildung mit nachfolgender Oxidation der Aminogruppe an. Neuere Untersuchungen stützen diesen postulierten Mechanismus der intermediären Aminbildung als Ursache für die Adduktbildung nicht. Transcarbamoylierungsreaktionen (GSH-Shuttle) scheinen hier die bedeutsamere Rolle zu spielen.
Das nach Inkubation von isolierter Rattenleber-DNA mit MDI in Aceton erhaltene Muster an DNA-Addukten war vergleichbar mit dem Adduktmuster in der DNA von Epidermiszellen nach dermaler Applikation von 9 mg MDI auf die geschorene Rückenhaut von weiblichen Wistar-Ratten. Die DNA aus Leber, Niere, Lunge und Harnblase wies keine MDI-Addukte nach dermaler Applikation auf (Vock et al., 1995; Vock u. Lutz, 1995).
In einer weiteren Studie der gleichen Arbeitsgruppe mit dermaler Exposition von MDI an weiblichen Ratten zeigte sich eine starke lokale Bindung an Protein der Epidermis, nicht aber DNA-Addukte in der Epidermis und der Leber (Vock u. Lutz, 1997).
Nach Ganzkörperexposition von weiblichen Wistar-Ratten gegenüber analytisch gemessenen MDI-Aerosol-Konzentrationen von 0,26; 0,69 bzw. 1,99 mg/m3 Luft (MMAD 0,9 µm, 5 Tiere/Gruppe) für ca. 17 Std./Tag, 5 Tage/Woche, 52 Wochen, konnten im olfaktorischen Epithel MDA-DNA-Addukte festgestellt werden (max. 10 Addukt-Nukleotide pro 1010 Nukleotide, 32P-Postlabeling-Methode, Nachweisgrenze 2 Addukte/1010 Nukleotide). In der Lunge, im respiratorischen Epithel des oberen Atemtraktes, in Leber, Harnblase und Niere sowie in peripheren Lymphozyten waren keine DNA-Addukte (weder isocyanatartige noch arylaminartige) nachweisbar (Hoymann et al., 1995; Vock et al., 1996).
Somit kommt es bei in vivo Exposition (Inhalation, dermaler Kontakt) offensichtlich zu lokalen Bindungen von MDI an Makromoleküle in Lokalisationen, die primär mit hohen Konzentrationen der Substanz in Kontakt kommen (Epidermis, olfaktorisches Nasenepithel, nicht sonstiger Atemtrakt und Lunge) und bei denen es sich nach einer neueren Untersuchung vermutlich überwiegend um Proteinbindung (Vock u. Lutz, 1997) und bei den beobachteten DNA-Strangbrüchen um die Folgen eines enzymatischen Prozesses während der Zell-Lyse handelt (vgl. Vamvakas et al., 1998). Der Nachweis von Hb-Addukten weist auf eine Bioverfügbarkeit von MDI bzw. den MDI-freisetzenden Konjugaten (nichtenzymatische Transcarbamoylierungsreaktionen durch den GSH-Shuttle) hin.
Zusammenfassend lassen die vorliegenden Daten nur ein sehr schwaches DNA-Bindungspotential von MDI an direkt exponierten Lokalisationen erkennen. Unter Berücksichtigung der hohen Empfindlichkeit des 32P-Postlabeling-Assays lässt sich feststellen, dass nur eine sehr geringe, wenn überhaupt, Tendenz für die Bildung von nennenswerten DNA-Addukten besteht außer an Lokalisationen, an denen MDI direkt appliziert (Haut) oder in hohen Konzentrationen deponiert (olfaktorisches Epithel in den Turbinalien der Nasenhöhle) wird.
Chronische Toxizität/Kanzerogenität:
- Erfahrungen am Menschen:
In einer Kohorten-Studie an 4.154 Arbeitern, die vor 1987 in 9 verschiedenen Polyuhrethanschaum-Fabriken in Schweden für mind. 1 Jahr beschäftigt waren, wurde die Tumorhäufigkeit und Tumor-Mortalität untersucht. Die Expositionssituation (TDI und/oder MDI-Exposition) wurde retrospektiv qualitativ erfaßt. Vereinzelte Stichproben ab dem Jahr 1965 ergaben analytische TDI-Konzentrationen von durchschnittlich < 100 µg/m3 TDI mit aktuellen Werten von < 20 µg/m3. Maximale TDI-Konzentrationen betrugen bis zu 3 mg/m3. Die entsprechenden MDI-Werte lagen bei ca. 10 µg/m3 mit Spitzenwerten von 0,35 mg/m3. Neben den Isocyanaten waren die Arbeiter auch anderen Chemikalien in nicht quantifizierter Höhe ausgesetzt. Im Vergleich zur schwedischen Sterblichkeitsstatistik ergab sich eine unterproprotionale Sterblichkeit (Standardised Mortality Ratio (SMR) 0,78; 95 % Konfidenzintervall: 0,66-0,93) in den Polyurethanschaumfabriken, wobei diese Untersterblichkeit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tumoren gleichermaßen betraf. Bei der Betrachtung der Tumoren einzelner Organe ergab sich als einziger Befund eine nichtsignifikante Zunahme von Enddarmkrebs (Standardised Incidence Ratio (SIR) 1,66; 95 % Konfidenzintervall: 0,61-3,61) und Non-Hodgkin Lymphom (SIR 1,53; 95 % Konfidenzintervall: 0,42-3,91). Die Bewertbarkeit dieser Studie ist eingeschränkt durch den noch geringen Beobachtungszeitraum, die geringe Mortalität in der Gruppe von 4,5 % und die dadurch noch geringe Fallzahl der verschiedenen Todesursachen und Tumorraten (Hagmar et al., 1993a). Eine lokale Fall-Kontroll-Studie ("Nested Case-Referent-Study") aus dieser Studie ergab lediglich nicht signifikante Assoziationen zur Inzidenz an Tumoren der Prostata und des Dickdarms; wegen der Mischexposition sind Rückschlüsse auf MDI allein nicht möglich (Hagmar et al., 1993b).
Es wurde die Tumorhäufigkeit und Krebssterblichkeit in einer Kohorte, bestehend aus 8.288 Arbeitern aus insgesamt 11 verschiedenen britischen Polyurethanschaum-Produktionsbetrieben, untersucht. Die Personen waren im Zeitraum vom 01.01.1958- 31.12.1979 für mindestens 6 Monate beschäftigt. Isocyanat-Luftkonzentrationen lagen im Bereich von > 4 ppb, 1,5-4 ppb und < 1,5 ppb. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine Assoziation zwischen der Isocyanat-Exposition und der Gesamttumorhäufigkeit (SMR 0,88; 95 % Konfidenzintervall: 0,84-1,00). Eine gesteigerte SMR wurde bei Frauen, nicht aber bei Männern, bei Mortalität durch Pankreaskarzinom (SMR 2,71; 95 % Konfidenzintervall: 1,00-5,95) und Lungenkarzinom (SMR 1,76; 95 % Konfidenzintervall: 1,00-2,85) beschrieben. Gesteigerte Tumorinzidenzen wurde darüber hinaus bei den Frauen bei Larynxkarzinom (3 Fälle; SRR 10,24; 95 % Konfidenzintervall: 2,13-30,24) und Nierenkarzinom (4 Fälle; SRR 4,49; 95 % Konfidenzintervall: 1,22-11,46) beobachtet. Die genannten Tumoren bei den Frauen traten überwiegend bei Raucherinnen auf, so dass ein kausaler Zusammenhang mit den Rauchgewohnheiten zu vermuten ist. Aufgrund des mit maximal 22 Jahren noch geringen Untersuchungszeitraums wird gegenwärtig eine Follow-Up-Studie mit weiteren ca. 800 Fällen durchgeführt, die eine fundiertere Bewertung ermöglichen sollte (Sorahan und Pope, 1993).
Bei einem 47-jährigen Spritzlackierer, der als Nichtraucher über einen Zeitraum von insgesamt 15 Jahren gegenüber isocyanathaltigen Produkten auf TDI- und/oder MDI-Basis beruflich exponiert war, entwickelte sich zunächst nach ca. 5-jähriger Exposition eine Lungenerkrankung, die auf die Isocyanatexposition zurückgeführt wurde. Nach weiteren 10 Jahren Exposition entwickelte sich ein Adenokarzinom in der Lunge. Aufgrund der Mischexposition (Lacke enthalten zahlreiche Stoffe, die als potentiell lungenschädigend anzusehen sind) ist ein ursächlicher Zusammenhang von Lungenerkrankung und analytisch nachgewiesener, spezifischer Isocyanatexposition durch die vorliegenden Daten nicht belegbar (Mortillaro und Schiavon, 1982). Zusammenfassend läßt sich feststellen, dass die berufliche Exposition gegenüber Diisocyanaten mit keinem erhöhten Krebsrisiko in der schwedischen oder britischen Polyurethanindustrie einherging. Nichtsdestoweniger, kontinuierliche Followup-Studien sollten zukünftig ermöglichen, noch fundiertere Aussagen bezüglich dieses Endpunktes machen zu können. Prospektiv angelegte epidemiologische Überwachungsprogramme sollten weiterhin in Betracht gezogen werden, um das Fehlen eines humankanzerogenen Potentials weiter zu erhärten.
- Tierexperimentelle Daten: Inhalation
Eine 2-Jahres-Toxizitäts-/Kanzerogenitätsinhalationstudie wurde mit dem polymeren MDI-Aerosol durchgeführt. Die Studie setzte sich aus 4 Gruppen mit 60 männlichen und 60 weiblichen Wistar-Ratten (Cpb:WU) pro Gruppe zusammen (Reuzel et al, 1994). In jeder Gruppe wurde zusätzlich eine Satellitengruppe mit 10 Ratten/Geschlecht mitgeführt. Die Ratten waren den folgenden Targetkonzentration ganzkörperexponiert: 0; 0,2; 1,0 und 6,0 mg MDI Aerosol/m3 für 6 h/Tag, 5 Tage/ Woche über einen Zeitraum von 1 Jahr für die Satellitengruppen und von 2 Jahren für die Hauptgruppen. Die verwendete Methode entsprach der OECD-Guideline Nr. 453 und der entsprechenden EU-Direktive 87/302/EEC. Die analytisch im Atmungsbereich der Tiere ermittelte mittlere Konzentration des polymeren MDI-Aerosols in den unterschiedlichen Testatmosphären betrug: 0; 0,19; 0,98 und 6,03 mg/m3. 95 % der Partikel wiesen einen aerodynamischen Durchmesser < 5 µm auf; d.h., es lag ein für die Ratte hochrespirables Aerosol vor. Die toxikologisch bedeutsamen Effekte der chronische Exposition von Ratten beschränkten sich auf den Respirationstrakt. MDI-abhängige Effekte wurden in den Nasenhöhlen, der Lunge und in den mediastinalen Lymphknoten festgestellt. Einige dieser Veränderungen lagen bereits nach 1 Jahr vor. Die wesentlichsten Veränderungen bestanden in einem erhöhten Lungengewicht, makroskopisch erkennbaren Farbveränderungen der Lunge und histopathologisch nachweisbaren Veränderungen in der Nasenhöhle und Lymphknoten. Mortalitätsinzidenzen ließen bei männlichen Ratten keine gruppenspezifischen Unterschiede erkennen. Weibliche Ratten zeigten eine reziproke Konzentrationsabhängigkeit der Mortalitätsinzidenzen. Die Anzahl der Tiere mit palpierbaren Massen wies keine Unterschiede zur Kontrollgruppe auf. Behandlungsabhängige Körpergewichtsunterschiede zwischen Kontroll- und Behandlungsgruppen lagen demgegenüber vor. Hämatologische Untersuchungen der Ratten nach 1 Jahr (Tag 357-358) sowie die an den Tagen 360, 366 und/oder 367 durchgeführten biochemischen bzw. klinisch-chemischen Untersuchungen ließen keine behandlungsspezifischen Effekte erkennen. Ebenso waren die nach 1 Jahr durchgeführten Urinuntersuchungen negativ. Die Lungengewichte waren statistisch signifikant erhöht, und zwar bei den männlichen und weiblichen Ratten der 6 mg/m3 - Gruppe (Zwischensektion und terminale Sektion). Am Ende der Studie wurden die folgenden mikroskopisch sichtbaren Veränderungen festgestellt:
Die Bewertung der Ergebnisse dieser Studie ergab einen 'noadverseeffect level' für die chronische Inhalationstoxizität von pMDI von 0,2 mg/m3. Demgegenüber hatte die Exposition von 6 mg/ m3 polymerem MDI ein erhöhtes Auftreten mutmaßlich präneoplastischer und neoplastischer Lungenbefunde zur Folge, die von den Autoren (Reuzel et a1., 1994) wie folgt beschrieben werden: "Regeneration/epithelialization, Type II pneumocyte hyperplasia/bronchiolization, and adenoma formed a continuum. In fact, they all often coexisted and all three contained welldifferentiated Type II pneumocytes".
In einer weiteren Langzeitinhalationsstudie über maximal 2 Jahre, einschließlich Satellitengruppen mit 3-, 12- und 20-monatiger Exposition (Hoymann et al, 1995), wurde die chronische Inhalationstoxizität und Kanzerogenität von monomerem 4,4'- MDI untersucht. In dieser Studie waren weibliche Wistar-Ratten (Crl:[Wi]Br), in Gruppen von 80 Tieren, in 6 m3 Inhalationskammern 17 h/ Tag, an 5 Tagen/Woche den folgenden gravimetrisch ermittelten Durchschnittskonzentrationen exponiert: 0,23; 0,70 und 2,03 mg/m3. Die unterschiedlichen MDI-Testatmosphären wurden mit Hilfe eines Kondensationsaerosolgenerators erzeugt. Die Ratten der Kontrollgruppe waren konditionierter Luft ganzkörperexponiert. Funktionelle Untersuchungen ergaben eine konzentrationsabhängige Beeinflussung der Lungenfunktion mit obstruktivrestriktiven Veränderungen und verminderter CO-Diffusionskapazität. Erhöhte Lungengewichte, entzündliche Reaktionen und eine Vermehrung an Lymphozyten (nicht jedoch von neutrophilen Granulozyten) wurden bei den Ratten der höchsten Gruppe festgestellt. In dieser Gruppe lag eine mäßig retardierte Lungenclearance vor. Eine konzentrationsabhängige interstitielle und peribronchioläre Fibrose mit alveolärer Bronchiolarisation und Proliferationen im Bereich des Alveolarepithels (dieser Befund wurde als präneoplastisch klassifiziert) sowie ein bronchioloalveoläres Adenom (2,03 mg/m3) wurden ermittelt.
Bei der letzteren Studie muss jedoch angemerkt werden, dass in allen Gruppen eine für diesen Rattenstamm untypisch hohe Mortalität als Folge von Hypophysentumoren vorlag, die die Aussagefähigkeit dieser Studie wesentlich einschränkt. Diese Studie ist somit weder geeignet ein tumorinduzierendes Potential von MDI zu belegen, noch zu widerlegen. Hinzu kommt das für den Arbeitsplatz ungewöhnliche Expositionsszenario von 17 Stunden/Tag. Gerade im Zusammenhang mit chemisch reaktiven Stoffen - Stoffen also, die die Detoxifikation beeinflussenden Kofaktoren depletieren bzw. "austitrieren", kann eine 17-stündige arbeitstägliche Exposition den normalen spontanen Regenerations- und Erholungsprozeß nach Kontakt mit reizenden Substanzen wesentlich beeinflussen; zudem lagen in allen MDI-Expositionsgruppen Anzeichen lokaler Atemtraktreizungen vor.
Die Befunde der Langzeitinhalationsstudien lassen somit den Schluß zu, dass konventionelle Endpunkte zur Festlegung der maximal tolerierbaren Dosis (MTD) für primäre Lungenreizstoffe nur wenig geeignet sind. Um einen quantitativen Bezug zwischen akuter und chronischer Atemtraktreizung herstellen zu können, wurden vom International Isocyanate Institute mechanistische Studien initiiert. Die wesentlichsten Ergebnisse und Schlußfolgerungen dieser Studien werden im weiteren dargestellt.
Karzinogenes Potential - Mechanistische Überlegungen:
Die vorliegenden Daten unterstützen eher einen mechanistischen Ansatz, der von der erhöhten Dynamik einer reizinduzierten, d.h. restorativen, Zellproliferation als einer substanzspezifischen Erhöhung der Mutationsrate ausgeht. Das Tumorspektrum (niedrige Malignität), das Fehlen eines lokal invasiven Wachstums sowie das Vorliegen von lediglich mikroskopischen späten Veränderungen gegen Studienende stellen Faktoren dar, die gegen eine direkte MDI-abhängige Induktion von multiplen genetischen Veränderungen, die schließlich zu hochaggressiven Tumorzellen führt, sprechen. Frühere (Reuzel et al, 1994) und neuere Arbeiten (Pauluhn et al., 1999) postulieren den folgenden Pathomechanismus für MDI-assoziierte Lungeneffekte, einschließlich Tumorinduktion: Das initiale Ereignis resultiert aus möglichen Wechselwirkungen mit dem Surfactantsystem und/ oder unterschwelligen zytotoxischen Effekten. Hierbei werden die Typ I Pneumocyten im centriacinären Bereich der Lunge als topographisch kritischste Lokalisation angesehen. Das an dieser Lungenlokalisation abreagierte MDI wird durch Alveolarmakrophagen phagozytiert. Entsprechend stellt die Beladung mit MDI-Reaktionsprodukten (Polyharnstoff und/oder mit dem Surfactantsystem) das empfindlichste , Dosimeter' zum Nachweis der Expositionsintensität dar. Die Überschreitung der , Neutralisationskapazität' des Surfactantsystems kann die Vulnerabilität dieser Region steigern, und zwar durch lokale Reizung und/oder Aktivierung spezifischer Zellen, durch Epitheldenudation oder interstitielle Gewebsreaktionen. Epitheliale (Typ II-Pneumocyten, Clara-Zellen) und interstitielle, fibroproliferative Reparaturmechanismen folgen. Nach chronischer Belastung führen diese adaptativen Reparaturmechanismen zu einer multifokalen, oft überschießenden Bronchiolisation, die bei der Ratte auch als mutmaßlich präneoplastisch angesehen wird. Dieser Befund stellt eine generische Reaktion der Rattenlunge gegenüber Reizstoffen dar, und wird in einem Kausalzusammenhang mit hyperplastischen Typ II-Pneumocyten gesehen, die durch Freisetzung von autokrinen, transformierenden Wachstumsfaktoren die Zellproliferation und Zelldifferenzierung beeinflussen (Friemann et al., 1999).
Eine im Prinzip reversible Hyperplasie und Hypertrophie sowie eine vorübergehend gesteigerte Proliferation von Typ II-Pneumocyten wird als unspezifische Reaktion der Rattenlunge gewertet, da vergleichbare Effekte auch durch Ozon, Stickoxide, chemotherapeutische Agenzien, Bestrahlung oder systemischen Schock beobachtet wurden (Dormans und van Bree, 1995). Beladene und aktivierte Alveolarmakrophagen können ebenfalls als Quelle von Wachstumsfaktoren für sowohl Fibroblasten wie auch Epithelzellen, einschließlich Typ II Pneumocyten, angesehen werden. Die Progression zum Adenom und/oder Adenocarcinom könnte in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer erhöhten Proliferationsrate an dieser topographisch kritischen Region der Rattenlunge stehen. Proliferation erhöht probabilistisch die Möglichkeit, dass durch oxidativen Streß oder wahrscheinlicher, durch Spontanmutationen auftretende Fehler im genetischen Material in der sich rascher teilenden Zelle nicht mehr identifiziert und repariert, sondern klonal fixiert werden (Cohen und Ellwein, 1990; Ames und Gold, 1990). Konzeptionell wird demnach die Mitogenese (Irritation und Proliferation von Zellen an einer topographisch kritischen Lungenlokalisation) als Ursache einer erhöhten Spontanmutagenese gesehen.
Dieser Hypothese folgend, wurden vom International Isocyanate Institute mechanistische Studien initiiert, die zum Teil in publizierter Form vorliegen (Pauluhn, 1999; Pauluhn et al., 1999; Hext et al., 1999). Ratten waren einmalig über 6 h einem respirablen pMDI-Aerosol in Konzentrationen von 0 (Luft-Kontrolle), 0,6; 2,4; 8 und 20 mg pMDI/ m3 Kopf-Naseexponiert. Über einen Zeitraum von 7 Tagen (Sektion 0- und 3-h nach Exposition sowie am 1., 3. und 7. Nachbeobachtungstag) erfolgten Untersuchungen zur bronchoalveolären Lavage (BAL), wobei Untersuchungen zur Störung der Blut-Luft-Schranke wie zur MDI-induzierten Phospholipidbeladung von Alveolarmakrophagen im Vordergrund standen. Veränderungen in der BAL waren am Expositionstag und am 1. Nachbeobachtungstag am stärksten ausgeprägt. Eine zeitliche Exacerbation lag nicht vor. Am Ende der 7-tägigen Nachbeobachtungszeit lagen alle Befunde der MDI-Expositionsgruppen im Bereich der Kontrollgruppe. Biochemische Korrelate einer konzentrationsabhängig ausgeprägten Zytotoxizität (LDH) ließen sich nicht feststellen. Die insgesamt geringgradig erhöhten LDH-Konzentrationen in der Lavageflüssigkeit könnten jedoch auf eine Störung der Integrität von Zellmembranen hindeuten. Die Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE)- Aktivität (Marker für Endothelzellen) und die Proteinkonzentration in der Lavageflüssigkeit belegen eine konzentrationsabhängig erhöhte Extravasation von Plasmaproteinen aus dem Kapillarsystem der Lunge in die Alveolen. Ob diese Erhöhung in einem Kausalzusammenhang mit einer Veränderung der Surfactanthomöostase ("High-Surface-Tension" Lungenödem) oder auf zytotoxische Effekte (Typ I Pneumocyten) zurückzuführen ist, entzieht sich einer quantitativen Deutung. Erstere Hypothese wird jedoch präferiert, da keine schlüssige Verstärkung der Befunde zwischen dem Expositionstag und dem 1. Nachbeobachtungstag feststellbar war. Die höchste Konzentration an Phospholipiden in Alveolarmakrophagen (BALC) wurde am 1. Nachbeobachtungstag, nicht jedoch am Expositionstag festgestellt. Dieser Befund stützt die Hypothese, dass respirables pMDI-Aerosol mit dem Surfactantsystem der Lunge in Wechselwirkung tritt. Möglicherweise werden entstehende pMDI-Phospholipidpräzipitate von den Alveolarmakrophagen phagozytiert. Bezüglich dieser Akutwirkung werden 0,6 mg pMDI/ m3 als NO(A)EL, 2 mg pMDI/ m3 als LO(A)EL angesehen.
Vergleichbare Veränderungen wurden auch am Ende einer Inhalationsstudie mit Wistar-Ratten über 2 Wochen (Exposition 6 h/Woche an mindestens 5 aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche) festgestellt. Die mittlere pMDI-Konzentration betrug 1,1; 3,3 und 13,7 mg/ m3 (MMAD =1,5 µm, GSD = 1,5). Details wurden publiziert (Pauluhn et al., 1999). Die Untersuchungsergebnisse belegen das schwellendosisabhängige Wirkprinzip dieses Isocyanataerosols, nämlich, dass es im Bereich von ca. 1 mg/m3 (bei einer Expositionsdauer von 6 h/Tag) offensichtlich zu einer Zunahme an intraalveolären Phospholipidpräzipitaten (Störung der Surfactantschicht) mit entsprechenden Folge- und/oder restorativen Kompensations-Effekten kommt. Zytotoxische Effekte wurden nur nach 13,7 mg/ m3 ermittelt. Die in der 3,3 mg/m3 - Gruppe erhobenen Befunde reflektieren im wesentlichen die erhöhte Phospholipidaufnahme in phagozytotisch aktiven Zellen.
Ultrastrukturelle Untersuchungen ließen eine Aktivitätserhöhung und Hyperplasie der Typ II-Pneumocyten, vermehrt intralysosomale Einschlüsse in Alveolarmakrophagen und vermehrt intraalveolären Surfactant und Debris in der 13,7 mg/m3-Gruppe erkennen. Hinweise auf eine spezifische Zytotoxizität ergaben diese morphologischen Untersuchungen jedoch nicht. Die Befunde und Schlußfolgerungen dieser 2-Wochen Inhalationsstudie wurden in einer Studie mit vergleichbarem
Design, aber 4-wöchiger Expositionsdauer, von einem anderen Labor (CTL, Manchester) bestätigt (Hext et al., 1999; CTL, 1999). In der CTL-Studie erwiesen sich alle Veränderungen innerhalb einer 30-tägigen Recoveryperiode als vollständig reversibel.
Ab 1,1 mg/m3 war in allen MDI-Expositionsgruppen eine statistisch signifikante Steigerung der Zellproliferationsrate von Epithelzellen (Zellen mit DNS in der S-Phase) im topographisch kritischen Lungenbereich nachzuweisen. Dieser Befund stützt die mechanistische Hypothese der epigenetischen Tumorentstehung; d.h., durch reizende Partikel induzierte überschießende Zellproliferation (Mitogenese) mit entsprechenden speziesspezischen, generischen Folgereaktionen.
Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass die Effektschwellenkonzentrationen (NO(A)EL/LO(A)EL) aus Kurzzeit- und chronischen Inhalationsstudien mit pMDI praktisch übereinstimmen. Abermals ein Befund, der den nichtkumulativen Schwellendosischarakter (Pufferkapazität des Surfactantsystems) der MDI-Wirkung in der Lunge unterstreicht.
Dieses Wirkprinzip macht verständlich, warum Studien mit veränderter "Dosisrate pro Expositionstag" (Konzentration x Expositionsdauer) mit einer Effektverstärkung korrespondieren, die eine Absenkung des NO(A)ELs und LO(A)ELs zur Folge hat und mutmaßlich präneoplastische Veränderungen potenziert. Dies wird auf die längere tägliche Expositionszeit bei gleichzeitig verkürzter Rekonstitutionsphase zurückgeführt. Hoymann et al (1995) postulieren, dass die erhobenen Befunde auch in einem Kausalzusammenhang mit einer angenommenen, intermediären Freisetzung des mutagenen Hydrolyseprodukts MDA gesehen werden könnten. Diese Hypothese läßt sich jedoch nicht mit den vorliegenden mechanistischen Daten in Einklang bringen. Weder die Bildung von S-Thioglutathionylthiocarbamoyl-Konjugaten, noch die in Kurzzeitinhalationsstudien festgestellten Wechselwirkungen mit dem Surfactantsystem stützen diese Hypothese. Ferner wäre zu erwarten gewesen, dass eine lokal fokussierte MDA-Freisetzung, z.B. durch agglomerierte, beladene Alveolarmakrophagen, sowohl die Art wie auch die Topographie der für Lungenreiznoxen stereotypen Veränderungen moduliert hätte. Die Tatsache, dass bei vergleichbaren Tagesdosen die akute und chronische Effektschwelle sich als nahezu identisch darstellen, unterstützt die Schlußfolgerung, dass die Befunde der chronischen Inhalationsstudien ursächlich mit der spezifischen Isocyanatfunktionalität (Irritation) und nicht mit einer postulierten Aminfreisetzung zu sehen sind.
Zusammenfassend läßt sich resümieren, dass die Befunde der chronischen Inhalationsstudien in einem offensichtlichen Kausalzusammenhang stehen und deren Genese von unspezifischen Reizpartikeleffekten und entsprechenden stereotypen Folgereaktionen der Rattenlunge abhängt. Die tierexperimentellen Befunde belegen, dass ab ca. 1 mg pMDI/ m3 (Expositionsdauer 6 h/Tag) eine restorative, nichtspezifische Zellproliferation der Typ II Pneumocyten induziert wird. Die nach Lebenszeitexposition festgestellten pathologischen Veränderungen in der Lunge nach Exposition mit 6 mg/ m3 respirablem pMDI-Aerosol stützen einen nichtgenotoxischen (epigenetischen) Pathomechanismus der Tumorgenese. Reproduktionstoxizität:
Die pränatale Toxizität von polymerem MDI-Aerosol wurde an trächtigen Wistar-Ratten gemäß OECD Prüfrichtlinie No. 414 und EU-Directive 87/302/EEC Teil B untersucht (BASF, 1994). 25 weibliche Ratten (trächtig) pro Gruppe waren den folgenden Targetkonzentrationen ganzkörperexponiert: 0, l, 4 und 12 mg/m , und zwar für 6 h/Tag vom 6. bis 15. Tag post coitum (p.c.). Das pMDI-Aerosol wies einen MMAD im respirablen Bereich auf (1,6 µm < MMAD < 2,8 µm). Die überlebenden Ratten wurden am 20. Tag p.c., d.h., nach einer expositionsfreien Nachbeobachtungszeit von 5 Tagen, getötet. Die Studie wurde in 2 Replikaten mit jeweils 50 % der Tiere durchgeführt.
Die Exposition gegenüber 12 mg/m3 pMDI-Aerosol hatte bei 2 von 25 Tieren substanzinduzierte Todesfälle zur Folge, und zwar am Tag 15 und 18 p.c.. Beginnend mit dem Tag 12 p.c. wiesen einige Tiere eine veränderte Atmung auf, die sich während der Nachbeobachtungszeit als nicht reversibel erwies. Eine signifikante Reduktion der Futter- und Wasseraufnahme, einschließlich verminderte Körpergewichte, wurden festgestellt. Absolute und relative Lungengewichte waren statistisch signifikant erhöht. Die makroskopischen Untersuchungen ergaben bei 3 Ratten kachektische Veränderungen, einige Tiere wiesen eine Dilatation des Gastrointestinaltrakts auf. Die 1- und 4 mg/ m3 exponierten Muttertiere vertrugen die Exposition ohne einen Effekt. Eine isolierte, statistisch signifikant verminderte Futteraufnahme unklarer toxikologischer Relevanz lag in der 4 mg/ m3 -Gruppe vom 6. bis 9. Tag p.c. vor.
Die Geschlechtsverteilung der Feten war in allen Behandlungsgruppen mit der der Kontrolle vergleichbar. Die mittleren Plazentengewichte waren in der 12 mg/m3- Gruppe statistisch signifikant erniedrigt (etwa 6 % versus Kontrolle). Die mittleren Plazentengewichte in den 1- und 4 mg/m3 -Gruppen war demgegenüber nicht beeinflußt. Die mittleren Fetengewichte waren in der 12 mg/m3-Gruppe statistisch signifikant erniedrigt (etwa 10 % versus Kontrolle). Kein Effekt wurde in den 1 - und 4 mg/m3 -Gruppen festgestellt. Die externe Befundung der Feten ergab in den 0, 1 und 12 mg/ m3 -Gruppen Mißbildungen. In der Kontrollgruppe zeigten 1 von 336 untersuchten Feten (0,3 %) bezogen auf 1 von 25 Würfen (4 %) eine Anophthalmie, wohingegen in der 1 mg/ m3 -Gruppe Gaumenspalten in 2 von 338 (0,6 %) Feten (Inzidenz auf den Wurf bezogen: 8,3 %) festgestellt wurden. Darüber hinaus, zeigten sich Anasarca und filiforme Schwänze bei 2 von 279 Feten (0,7 %) bei 2 von 21 Würfen (9,5 %) in der 12 mg/ m3 -Gruppe. Da alle Mißbildungen auch in historischen Kontrolldaten gefunden wurden, werden diese erhobenen Befunde als Spontanbefunde und nicht als MDI-induziert angesehen. Die externe Befundung der Feten ließ in keiner Gruppe eine Zunahme an Variationen erkennen.
Die visceralen Untersuchungen ließen einige Mißbildungen in den 0 und 12 mg/ m3 - Gruppen erkennen, die auch in historischen Kontrolldaten gefunden wurden. Sie werden daher als Spontanbefunde und nicht als MDI-induziert angesehen. Variationen (dilatierter renaler Pelvis und/oder Hydrourether) wurden in allen Gruppen gefunden und stellen häufige Spontanbefunde im verwendeten
Rattenstamm dar. Verschiedene Mißbildungen des Sternums, der Rippen, und/oder der Vertebrae wurde bei 6 von 175 (3,4 %) Feten (bei 4 von 25 Würfen, ca. 16 %) der Kontrollgruppe, bei 11 von 173 (6,4 %) Feten (7 von 24 Würfen = 29 %) der l mg/ m3 -Gruppe, bei 9 von 177 (5,1 %) Feten (8 von 24 Würfen = 33 %) der 4 mg/m 3- Gruppe und bei 10 von 146 (6,8 %) Feten (7 von 21 Würfen = 33%) der 12 mg/ m3 - Gruppe beobachtet. Keine der Skelettmißbildungen ließ eine schlüssige Dosis-Wirkung-Beziehung erkennen. Die Mißbildungen werden somit auf spontane Ereignisse zurückgeführt. Diese Interpretation wird durch die Gegenüberstellung mit historischen Kontrolldaten gestützt. Als induziert wurden Variationen der Rippen, des Sternums und der Clavicula angesehen. Der relative Anteil der Feten/Wurf mit Skelettvariationen und -retardationen war in der 12 mg/ m3-Gruppe statistisch signifikant erhöht (versus Kontrolle). Auch der Vergleich mit historischen Kontrolldaten ließ eine Erhöhung erkennen. Ein Behandlungseffekt wird daher angenommen.
Zusammengefasst ergibt sich somit, dass die wiederholte Exposition trächtiger Wistar Ratten in Konzentrationen von 12 mg pMDI/ m3 während der Gestationstage 6- 15 p.c. (6h/Tag) deutlich maternaltoxische Effekte zur Folge hatte, und zwar Mortalität, Atemtraktreizung, Körpergewichtsreduktion, vermindertes Gewicht des graviden Uterus und erhöhte Lungengewichte. Diese maternaltoxische Konzentration hatte Entwicklungsstörungen (Embryo-/Fetotoxizität) in Form reduzierter Plazenten- und Fetengewichte sowie von Skelettvariationen und -retardationen zur Folge. Unter Berücksichtigung der erhöhten Lungengewichte in dieser Gruppe - selbst nach 5 expositionsfreien Tagen - kann postuliert werden, dass die erhobenen Befunde ursächlich mit unspezifischen maternalen Streßeffekten (sensorische Irritation) wie auch Hypoxämie (Lungenschädigung) zu sehen sind. MDI-induzierte teratogene Effekte wurden bis zur maximal untersuchten Konzentration nicht festgestellt. Damit ergibt sich ein NO(A)EL für maternal und fetotoxische Effekte von 4 mg/ m3. Hinsichtlich teratogener Effekte stellt 12 mg/ m3 einen NO(A)EL dar.
In einer Pilotstudie zur Reproduktionstoxizität gemäß OECD Guideline No. 414, wurden trächtige Wistar Ratten (8 pro Gruppe) pMDI in folgenden mittleren Konzentrationen von 0, 2, 8 und 12 mg/m3 für 6 h/Tag vom 6. bis 15. Gestationstag ganzkörperexponiert (der aerodynamische Durchmesser der meisten Partikel lag zwischen 1,0 und 2,4 µm). Am Gestationstag 21 wurden die Feten durch Kaiserschnitt entbunden.
Die Behandlung wurde klinisch symptomlos und ohne Mortalität vertragen. Vom 6. bis 9. Trächtigkeitstag waren in den 8 und 12 mg/m3-Gruppen die Körpergewichte leicht vermindert (nicht statistisch signifikant versus Kontrolle). Während der gleichen Zeitperiode war die Futteraufnahme in den 8 und 12 mg/m3-Gruppen statistisch signifikant vermindert (versus Kontrolle). In der 12 mg/m3-Gruppe waren die absoluten und relativen Lungengewichte statistisch signifikant erhöht. Makroskopisch erkennbare maternale Organschäden zeigten sich nicht. 1 Ratte der 8 mg/m3-Gruppe erwies sich bei der Sektion als nicht trächtig.
Die mittlere Anzahl an Corpora lutea, Implantationsstellen, frühe und späte Resorptionen und entsprechend Prä- und Postimplantationsverluste wiesen keinen gruppenspezifischen Effekt auf. Die Uterus-, Ovarien- und Fetengewichte waren unauffällig. Jeweils 1 Fetus der 8 und 12 mg/m3-Gruppen zeigte eine Fehlstellung der Hintergliedmaßen. Bei 1 Fetus der Kontrolle zeigte sich eine subkutane Hämorrhagie im Bereich der Hintergliedmaßen und 1 weiterer Fetus dieser Gruppe wies Kümmerwuchs auf (KGW < 75 % der Kontrolle). Weiterhin wurde bei je 1 Fetus der Kontrolle und der 2 mg/m3-Gruppe ein ringförmiger Schwanz beobachtet. Alle diese Befunde wurden nicht als MDI-induziert angesehen. Damit ergibt diese Studie einen NO(A)EL bezüglich der Maternaltoxizität von 8 mg/m3, wobei das erhöhte Lungengewicht diesbezüglich den empfindlichsten Endpunkt darstellt. Der NO(A)EL bezüglich der entwicklungsschädigenden Wirkung wird von den Autoren mit 12 mg/m3 angegeben (Waalkens-Berendsen u. Arts, 1992).
Trächtige Wistar-Ratten (ca. 25 Tiere/Dosisgruppe) wurden vom 6.-15. Tag der Trächtigkeit für 6 Stunden täglich gegenüber monomerem MDI-Aerosol in Konzentrationen von 0 (Luft-Kontrolle), l, 3 und 9 mg/m3 Luft (MMAD 1,1 µm; geometrische Standardabweichung 1,37) ganzkörperexponiert und am 20. Tag der Trächtigkeit getötet. Während der Expositionszeit war die Futteraufnahme bei allen MDI-exponierten Tieren konzentrationsabhängig verringert, normalisierte sich aber wieder nach Beendigung der Expositionphase. Bei den Tieren der 9 mg/m3-Gruppe war das Lungengewicht statistisch signifikant erhöht. In keiner Gruppe konnte einen Einfluß auf die Körpergewichtszunahme der Muttertiere, auf die Plazenten- oder Fetengewichte, auf die Anzahl der Corpora lutea, auf die der Implantationen, auf die der Prä- und Postimplantationsverluste, auf die makroskopischen und viszeralen Anomalien und auf den Ossifikationsgrad festgestellt werden. Ein leichter, statistisch signifikanter Anstieg der Zahl der Würfe mit Feten, die ein asymmetrisch ausgebildetes Brustbein aufwiesen, wurde in der 9 mg/m3-Gruppe festgestellt. Die Inzidenz dieser Variation lag noch im Bereich der biologischen Streuung. Obgleich die biologische Relevanz der Anomalien nach Exposition gegenüber maternaltoxischen Konzentrationen (verminderte Futteraufnahme, erhöhte Lungengewichte) unklar ist und ihre Anzahl innerhalb der biologischen Streubreite liegt, kann ein MDI-induzierter Effekt in der 9 mg/m3-Gruppe nicht vollständig ausgeschlossen werden. Entsprechend wird von den Autoren bezüglich potentieller embryotoxischer Effekte eine Konzentration von 3 mg/m3 als NO(A)EL angesehen (Buschmann et al., 1996).
An trächtigen Wistar-Ratten konnte nach 6-stündiger Ganzkörper-Exposition am 19. Tag der Trächtigkeit gegenüber einer MDI-Aerosol-Konzentration (Monomer) von 20 mg/m3 Luft ein transplazentarer Übergang von MDI-Folgeprodukten festgestellt werden (Nachweis als MDA nach saurer Totalhydrolyse). Unmittelbar nach Expositionsende erfolgte eine Entnahme von maternalem Blut, Amnionflüssigkeit, Feten und Plazenten. Die Autoren dieser Studie beschreiben einen transplazentalen Übergang von MDI oder seiner "Zersetzungsprodukte". Da die MDA-Analyse nach saurer Totalhydrolyse erfolgte, ermöglicht diese Studie keine Differenzierung von MDI, MDI-Konjugaten oder MDA. Relativ zu den Konzentrationen im maternalen Plasma hetrug die Konzentration in der Plazenta 66,4 %, in den Feten 42,4 % und in der Amnionflüssigkeit 13,6 % (Bartsch et al., 1996).
Dieser Befund steht in Einklang mit dem Potential, Protein- bzw. GSH-Konjugate zu bilden. Beide stellen de facto Expositionsmarker dar, die in allen perfundierten Geweben wiedergefunden werden sollten. Aufgrund des rudimentär ausgeprägten Fremdstoffmetabolismus im Embryo bzw. Feten wird diesem Befund keine spezifische pathodiagnostische Relevanz beigemessen. Diese Schlußfolgerung wird durch Ergebnisse der Studien zur Reproduktionstoxizität gestützt, die zeigen, dass reizinduzierte Effekte auf die maternale Atmung ausschlaggebend für das Ergebnis dieses Studientyps sind.
Zusammengefasst ergeben die Untersuchungen zur Embryotoxizität/Teratogenität keine Hinweise auf ein spezifisches entwicklungsschädigendes Potential. Soweit Effekte festgestellt wurden so lagen diese ausschliesslich im maternaltoxischen Bereich. Auf der Basis der Kurzzeitinhalationsstudien zum Pathomechanismus von respirablem MDI-Aerosol wie auch der Lungengewichtsbestimmungen, die bei den trächtigen Ratten erst nach einer ca. 5-tägigen expositionsfreien Nachbeobachtungszeit erfolgten, kann davon ausgegangen werden, dass die im maternaltoxischen Bereich beobachteten unspezifischen embryo-/fetotoxischen Effekte wahrscheinlich durch unspezifischen Streß (sensorische Irritation) und/oder durch direkte Lungenschädigung mit einhergehender Hypoxämie induziert wurden.
Zusammenfassung, Bewertung und Schlußfolgerungen: Genotoxizität:
Reaktive Chemikalien können solvolysebedingt in in vitro Systemen artifizelle Testbefunde ergeben; d.h., eine testmilieuspezifische, hydrolytische Zersetzung reflektiert nicht das unter in vivo Bedingungen (Respirationstrakt) vorherrschende konjugierende Reaktionsmuster. Damit lassen die vorliegenden Daten keine definitiven Schlußfolgerungen zum mutagenen Potential von MDI zu. Obgleich die vorliegenden in vivo Daten kein schlüssiges genotoxisches Potential erkennen lassen, sind aufgrund der potentiellen, mutmaßlichen Freisetzung des mutagenen MDA weitere wissenschaftliche Daten unter expositionsrelevanten in vivo Bedingungen zu generieren, um diesen Endpunkt abschließend bewerten zu können.
Aufgrund der vorliegenden Daten erfolgt gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung (M: -).
Chronische Toxizität/Kanzerogenität:
Die tierexperimentellen Studien wie auch die vorliegenden Humandaten belegen in konsistenter Form, dass der Respirationstrakt das einzige Targetorgan darstellt. Obwohl in einer limitierten Anzahl von exponierten Individuen isocyanatspezifische Antikörper als Evidenz einer Exposition herangezogen wurden, lag keine erhöhte Prävalenz neoplastischer Veränderungen in dieser Subpopulation vor. Die vorliegenden umfangreichen epidemiologischen Daten ergeben keine schlüssigen Anhaltspunkte für eine humankanzerogene Wirkung von MDI-Aerosol.
Chronische Daten zur Inhalationstoxizität liegen nur an einer Spezies, nämlich der Ratte, vor. Die eine Studie wurde mit dem monomeren MDI-Aerosol, die andere wurde mit ca. 50 %igem monomeren MDI-Aerosol mit zusätzlichen Anteilen an höheren homologen Oligomeren, dem technischen (sog. polymeren) MDI, durchgeführt. Nach dosimetrischer Adjustierung (Berücksichtigung der unterschiedlichen Expositionszeiten von 6 und 17 Stunden/Tag) lassen sich keine Effekte postulieren, die zweifelsfrei durch höhere Oligomerenanteile hervorgerufen worden wären. Die vorliegenden Daten stützen einen mechanistischen Ansatz, der von der erhöhten Dynamik einer reizinduzierten, d.h. restorativen, Zellproliferation ausgeht. Das Tumorspektrum (niedrige Malignität), das Fehlen eines lokal invasiven Wachstums sowie das Vorliegen von lediglich mikroskopischen späten Veränderungen gegen Studienende stellen Faktoren dar, die gegen eine direkte MDI-abhängige Induktion von multiplen genetischen Veränderungen sprechen. Untersuchungen zur Genotoxizität in entsprechenden Kurzzeituntersuchungen stützen diese Beurteilung. Der für MDI-Aerosol postulierte Pathomechanismus für mutmaßlich präneoplastische Veränderungen, einschließlich der sehr geringen Inzidenz an Lungentumoren, liegt eine generische Reaktion der Rattenlunge gegenüber Reizstoffen zugrunde, die zudem nur dann induzierbar ist, wenn die "funktionell maximal verträgliche Dosis" deutlich überschritten wird. Hier scheint die chronisch gesteigerte Aktivierung und Proliferation von Typ II-Pneumocyten als die wichtigste, unspezifische Reaktion der Rattenlunge im Vordergrund zu stehen. Die nach chronischer Belastung adaptativ gesteigerten Reparaturmechanismen können somit zu einer multifokalen, oft überschießenden Bronchiolisation bis hin zu mutmaßlich präneoplastischen Differenzierung führen. Konzeptionell wird daher die Mitogenese (Irritation und Proliferation von Zellen an einer topographisch kritischen Lungenlokalisation) als Ursache einer mutmaßlich erhöhten Spontanmutagenese angesehen.
Ein solcher Mechanismus kommt bei der Ratte nur dann zum Tragen, wenn Expositionskonzentrationen eingesetzt werden, die bereits nach akuter 6-stündiger Exposition bei der Ratte zu einer Verdreifachung der Lavage-ACE-Aktivität (Durchlässigkeit der Blut-Luft-Schranke) oder vorübergehenden Phospholipiddeposition in Alveolarmakrophagen führt (durch MDI-Konjugation präzipitierte Surfactantbestanteile). Nach 2-wöchiger Exposition gegenüber 3,3 mg pMDI/m3 Luft lag eine Verneunfachung der Zellproliferationsrate vor (DNS-Labelling in der S-Phase). Die vorliegenden Daten zum Pathomechanismus stützen daher die Hypothese einer schwellenkonzentrationsabhängigen, nichtgenotoxischen Pathogenese. Die präneo-/neoplastischen Befunde aus den chronischen Inhalationsversuchen werden a priori als für den Menschen von eingeschränkter Relevanz angesehen, da diese Effekte nur in Konzentrationsbereichen induzierbar waren, die bereits nach akuter Exposition deutliche Effekte zur Folge hatten.
Die vorliegenden experimentellen Befunde lassen bezüglich der präneo-/neoplastischen Wirkung weder einen MDI-spezifischen Mechanismus, noch eine modulierende Wirkung potentieller Abbauprodukte des MDI's erkennen. Alle Befunde traten lokal an einer Lokalisation stärkster (bio)chemischer Beanspruchung auf. Aus den vorliegenden epidemiologischen Studien ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine humankanzerogene Wirkung von MDI; allerdings ist der Beobachtungszeitraum noch zu kurz, um eine abschließende Bewertung vornehmen zu können.
Angesichts dieser Datenlage erfolgt gemäß den EU-Einstufungskriterien eine Einstufung von MDI und von pMDI als krebserzeugend Kategorie 3 (C: 3).
Reproduktionstoxizität/Fertilität:
Zur Frage der fertilitätsmindernden Wirkung von MDI liegen keine spezifischen Studien vor; aus Studien mit wiederholter Exposition ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine derartige Wirkung. Daher erfolgt gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung (RF: -).
Reproduktionstoxizität/Entwicklung:
In einzelnen Studien an Ratten traten leichte embryotoxische Effekte (Variationen) im Bereich maternaler Toxizität (verringerter Futterverbrauch, erhöhtes Lungengewicht) auf. Das erhöhte Lungengewicht bewirkt eine irritativbedingte Störung der Lungenfunktion, die als Ursache unspezifischer Wachstumsdefekte (durch maternalen Streß und/oder Hypoxämie induziert) angesehen werden.
Daher erfolgt gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung (RE: -).
Zur Frage der Beibehaltung des MAK-Werts für MDI/pMDI:
Gegenwärtig gilt für MDI als atembares Aerosol ein MAK-Wert von 0,005 ml/m3 (= 0,05 mg/m3) mit Spitzenbegrenzung nach Kategorie 1 (Überschreitungsfaktor =1) (TRGS, 1996). Bei Einhaltung dieses Grenzwertes ist mit keinen Atemwegsbeschwerden und auch nicht mit einer Induktion von bronchialen Überempfindlichkeitsreaktionen oder einer Bildung spezifischer Antikörper zu rechnen (Greim, 1995).
Bei Ratten wurden nach chronischer Exposition präneoplastische/neoplastische Veränderungen in der Lunge gefunden. Alle vorliegenden Befunde stützen einen epigenetischen, durch chronische Zellproliferation induzierten Pathomechanismus. Ein solcher Mechanismus kommt bei der Ratte nur dann zum Tragen, wenn Expositionskonzentrationen eingesetzt werden, die bereits nach akuter 6-stündiger Exposition bei der Ratte zu einer Verdreifachung der Lavage-ACE-Aktivität oder Phospholipiddepositionen in Alveolarmakrophagen führen. Zudem wurde nach 2- wöchiger Exposition gegenüber 3,3 mg pMDI/m3 Luft eine Verneunfachung der Zellproliferationsrate festgestellt. Somit läßt sich folgern, dass die an der Ratte in diesem bereits atemtraktreizenden Konzentrationsbereich (120 x MAK-Wert, 6- stündige Exposition/Tag) induzierten Läsionen mit adapativ erhöhter Zellproliferationsdynamik, für den Menschen keinen Befund von toxikologischer Relevanz darstellen. Beim Umgang mit MDI am Arbeitsplatz wird die Induktions-/Auslöseschwellenkonzentration bezüglich potentieller asthmogener und anderer entzündlicher Effekte am Respirationstrakt als expositionslimitierend bewertet, Dies entspricht der derzeitigen Basis MAK-Luftgrenzwertes. Insgesamt ergeben die vorliegenden neueren experimentellen Befunde keine Anhaltspunkte, den derzeitigen MAK-Luftgrenzwert für atembares MDI-Aerosol zu modifizieren.
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