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35. Benzoylchlorid
(CAS-NR.: 98-88-4

(BArbBl. 5/98 S. 77)
(Stand: November 1997)


Benzoylchlorid (BOC) wirkt ätzend an Haut und Schleimhäuten. In wäßriger Lösung zerfällt BOC rasch in Benzoesäure und HCl. Nach oraler Gabe wird BOC von der Ratte rasch resorbiert und innerhalb von 48 Stunden zu 90 % mit dem Urin und 2 % mit den Faeces ausgeschieden. Nach 72 Stunden waren noch 1,5 % der Dosis im Körper verblieben, vorwiegend lokalisiert in Fettgewebe, Leber und Niere. Als Metaboliten finden sich im Um Benzoesäure und Hippursäure; die Halbwertszeit von BOC im Blut beträgt bei der Ratte 1,5 Stunden. Nach subkutaner Injektion von radioaktiv markiertem BOC waren nur Spuren in Um und Faeces auffindbar; der Hauptteil der Radioaktivität war noch nach 3 Tagen an der Injektionsstelle nachweisbar, wahrscheinlich bedingt durch Reaktion von BOC mit nucleophilen Gruppen im Gewebe [1,9].

Genotoxizität:

Alle bisher durchgeführten Genotoxizitätstests (Ames-Tests, Rec-Assays, Mikronucleus-Test) erbrachten negative Resultate, wenn man von einem fraglichen schwach positivem Befund an TA 100 absieht [1].

Im Ames-Test war BOC an den Escherichia coli-Stämmen WP2 B/r try und WP2 try hcr bis zur höchsten getesteten Konzentration von 3,6 µmol (= 500 µg)/Platte sowohl mit als auch ohne Zusatz von Rattenleber-S9-Mix nicht mutagen. Ein Rec-Assay an Bacillus subtilis H 17 und M 45 verlief bis zur höchsten geprüften Konzentration von 0,7 Itmol (= 98 µg)!Disk ebenfalls negativ [1,2].

In einer anderen Arbeit wird von den Autoren angegeben, daß BOC im Ames-Test an Salmonella typhimurium TA 98 ohne Zusatz von S9-Mix mutagen war. Aus der Tabelle 2 der Publikation geht aber hervor, daß BOC bis zur höchsten getesteten Konzentration von 10 µmol (= 1400 µg)/Platte bei TA 98 negativ und bei TA 100 schwach mutagen war (nur bei 1400 µg/Platte) bei gleichzeitiger leichter bakterientoxischer Wirkung (ab 140 µg/Platte) [1,3].

Ebenfalls negativ verliefen ein Mutagenitätstest an den S. typhimunum-Stämmen TA 98, TA 100, TA 1535, TA 1537,.TA 1538, C 3076, D 3052 und G 46 sowie an den E. coli-Stämmen WP 2 und WP2 uvrA- (Konzentrationsbereich ca. 0,1-1000 µg/ml) [1,4], ein AmesTest mit Präinkubation an den S. typhimurium-Stämmen TA 98, TA 100, TA 1535 und TA 1537 mit und ohne Zusatz von S9-Mix (max. 3600 µg/Platte) [5] und ein Reversionstest an E. coli H/r30R und Hs30R [6].

Im Mikronucleus-Test an der Maus konnte nach einmaliger Schlundsonden-Applikation von 1750 mg BOC/kg KGW keine clastogene Wirkung im Knochenmark nachgewiesen werden [5].

Kanzerogenität:

Zur Frage der kanzerogenen Wirkung von BOC liegen sowohl dermale als auch Inhalationsstudien an Mäusen vor, die jedoch alle den heutigen Anforderungen nicht genügen.

Je 10 weibliche ICR-Mäuse (3 Wochen alt)/Dosisgruppe erhielten dreimal wöchentlich für 4 Wochen, gefolgt von zweimal wöchentlich bis zur Tötung nach 9,8 Monaten, dermale Applikationen von je 10 µd Benzol (Vehikel-Kontrolle), 10 µl BOC (ca. 600 mg/kg KGW) bzw. 10 µl 50 %iges BOC in Benzol (ca. 300 mg/kg KGW). In einem weiteren Versuch erhielten je 20 weibliche ICR-Mäuse (7 Wochen alt) zweimal wöchentlich über einen Zeitraum von 50 Wochen dermale Applikationen von je 2,3 µl BOC in 22,7 µl Benzol bzw. 25 µl Benzol (Vehikel-Kontrolle) und wurden nach 82 Wochen getötet. Die Tumor-Inzidenzen sind in der nachfolgenden Tabelle 1 zusammengestellt.

Tabelle 1: Tumorinzidenzen bei ICR-Mäusen nach dermaler Gabe von Benzoylchlorid [7]

Tumortyp

Tumortragende Tiere

  Kontrolle 10µl Benzol 5 µl BOC in Benzol 10 µl BOC unverdünnt Kontrolle 25 µl Benzol 2,3 µl BOC in Benzol
Hautpapillom 0 1/10 0 0 0
Hautkarzinom 0 1/10 0 0 2/20
Lungenadenom 0 0 3/10 2/20 5/20
Tiere mit Tumoren 0 2/10 3/10 2/20 7/20

Es traten bei den mit BOC behandelten Tieren vermehrt Papillome und Karzinome der Haut sowie Lungenadenome auf im Vergleich zu den Kontrollen, die Unterschiede waren jedoch nicht statistisch signifikant [7].

30 männliche ICR-Mäuse wurden gegenüber einer bei 50 °C gesättigten BOC-Atmosphäre für je 30 min/Tag an 2 Tagen/Woche über 5 Monate ganzkörperexponiert. Nach 6 und nach 10 Monaten erfolgten Zwischensektionen, die restlichen Tiere wurden nach 14 Monaten, die Kontrolltiere bereits nach 12 Monaten, getötet. Die Tumorinzidenzen sind in der Tabelle 2 zusammengestellt. Angaben zur Expositionskonzentration sind nicht enthalten. Von den 30 mit BOC behandelten Tieren starb 1 innerhalb von 5 Monaten und 1 Tier bis zum 10. Monat. Bei der Zwischensektion nach 6 Monaten wurden bei 7/8 Tieren teilweise Haarausfall und Hautentzündungen sowie leichte adenomatöse Proliferationen des Epithels im Atemtrakt, jedoch keine Lungentumoren, festgestellt. Nach 10 Monaten wurden bei 2/10 Tieren Hautpapillome und nach 14 Monaten wurden bei 3/7 Tieren Lungentumoren (1 Adenom, 2 Adenokarzinome) registriert. An sonstigen systemischen Effekten wurden in einigen Fällen entzündliche Veränderungen der Lymphdrüsen, der Leber und der Milz sowie eine leichte Keratose und Hyperplasie der Magenschleimhaut beobachtet. In der Kontrollgruppe wurden nur bei der Tötung der Tiere zu Versuchsende nach 12 Monaten bei 3/24 Tieren gutartige Lungentumoren festgestellt; Hauttumoren traten nicht auf.

Tabelle 2: Tumorinzidenzen bei ICR-Mäusen nach Ganzkörper-Exposition gegenüber Benzoylchlorid [8]

Tumortyp

Tumortragende Tiere


Kontrolle

Ges.Inz.

 

Korr.Inz.

Benzoylchlorid

Ges.Inz.

 

Korr.Inz

Hautpapillom 0 0 2/28 (7,1 %) 2/13 (15,4 %)
Lungenadenom 3/30 (10 %) 3/24 (12,5 %) 1/28 (3,6 %) 1/7 (14,3 %)
Lungenadenokarzinom 0 0 2/28 (7,1 %) 2/7 (28,6 %)
Tiere m. Lungentumor 3/30 (10 %) 3/24 (12,5 %) 3/28 (10,7 %) 3/7 (42,9 %)
Tiere mit Tumoren 3/30 (10 %) 3/24 (12,5 %) 5/28 (17,9 %) 5/20 (25 %)

Es kam somit bei den mit BOC behandelten Tieren vermehrt zur Bildung von Hautpapillomen und Adenokarzinomen der Lunge im Vergleich zur Kontrolle; die Unterschiede waren jedoch nicht signifikant. Aufgrund des sehr späten Auftretens der Lungentumoren war bedingt durch die vorherigen Zwischensektionen die Zahl der ausreichend lange nachbeobachteten Tiere äußerst gering, was die Bewertung des Ergebnisses insgesamt sehr erschwert [8].

In einem Lungentumor-Induktionstest an 10 männlichen und 10 weiblichen Strain A-Mäusen hatte die i.p.-Injektion von insgesamt 158 mg BOG/kg KGW (Applikation der MTD dreimal wöchentlich über einen Zeitraum von maximal 8 Wochen, Tötung der Tiere 24 Wochen nach der 1. Injektion) keinen Einfluß auf die Lungentumor-Rate (0,21 ± 0 11 Lungentumoren/Maus, Maisöl-Kontrolle: 0,13 ± 0,08). 6/20 Tieren der BOC-Gruppe und 4/20 Tieren der Maisöl-Kontrolle starben vor dem Versuchsende. Wegen der aufgrund starker Toxizität nur vergleichsweise niedrigen Dosierung und angesichts der geringen effektiven Tierzahl ist der Versuch nur bedingt bewertbar [10].

Reproduktionstoxizität:

Zur Frage der Reproduktionstoxizität von Benzoylchlorid liegen keine Daten vor.

Sensibilisierung:

Zur Frage der sensibilisierenden Wirkung liegen weder tierexperimentelle Daten noch Humanbefunde vor.

Fazit:

Genotoxizität

Benzoylchlorid zeigt weder in vitro noch im Mikronucleus-Test in vivo eine genotoxische Wirkung, wahrscheinlich bedingt durch die rasche Hydrolyse zu Benzoesäure und HCl. Daher erfolgt gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung als Mutagen (M.:-).

Kanzerogenität

Die vorliegenden Studien zur Frage der kanzerogenen Wirkung von Benzoylchlorid sind aufgrund methodischer Mängel (zu geringe Tierzahlen, zu kurze Versuchsdauer) nicht bewertbar. Die bei Mäusen nach dermaler und nach inhalativer Exposition festgestellten nicht signifikant erhöhten Inzidenzen von Tumoren der Haut und der Lunge im Vergleich zur Kontrolle sind zudem möglicherweise durch die starke lokale Reizwirkung von Benzoylchlorid bedingt. Das negative Ergebnis des Lungentumor-Induktionstests an Strain A-Mäusen mit i.p.-Verabreichung kann als Hinweis auf eine fehlende systemische Kanzerogenität von Benzoylchlorid gewertet werden. Kanzerogenitätsstudien mit einer anderen Tierart wurden bisher nicht durchgeführt. Aufgrund der nicht bewertbaren Kanzerogenitätsbefunde an Mäusen und angesichts der Tatsache, daß sich aus den bisher durchgeführten Versuchen zur Genotoxizität keine Hinweise auf eine genotoxische Wirksamkeit der Substanz ergeben haben, erfolgt gemäß den EU-Einstufüngskriterien keine Einstufung (K:-)

Reproduktionstoxizität

Wegen fehlender Daten ist gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung möglich (RFE:-)

Sensibilisierung:

Wegen fehlender Daten ist gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung als sensibilisierend möglich.

Literatur:

[1] Greim, H. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: α-Chlortoluole. VCH, Weinheim (1992)

[2] Yasuo, K., Fujimoto, S., Katoh, M., Kikuchi, Y., Kada, T.: Mutagenicity of benzotrichloride and related compounds. Mutation Res. 58, 143-150 (1978)

[3] Chiu, C.W., Lee, L.H., Wang, C.Y., Bryan, G.T.: Mutagenicity of some commercially available nitro compounds for Salmonella typhimurium. Mutation Res. 58. 11-22 (1978)

[4] McMahon, R.E., Gline, J.C., Thompson, C.Z.: Assay of 855 test chemicals in ten tester strains using a new modification of the Ames test for bacterial mutagens. Cancer Res. 39, 682-693 (1979)

[5] BG Chemie: Toxikologische Bewertung Nr. 55: Benzoylchlorid. Heidelberg (1990)

[6] Kawazoe, Y., Kato, M.: Antimutagenic effect of isocyanates and related compounds in Escherichia coli. GANN 73, 255-263 (1982)

[7] Fukuda, K., Matsushita, H., Sakabe, H., Takemoto, K.: Carcinogemcity of benzyl chloride, benzal chioride, benzotrichloride and benzoylchloride in mice by skin application. GANN 72, 655-664 (1981)

[8] Yoshimura, H., Takemoto, K., Fukuda, K., Matsushita, H.: Experimental carcinogenesis of die chemicals relating to benzoyl chloride production. Ochanomizu Med. J. 29, 69-81 (1981)

[9] ACGIH: Documentation of TLV`s: Benzoylchloride (DRAFT; 09.11.95)

[10] Theiss, J.C., Shimkin, M.B., Poirier, L.A.: Induction of pulmonary adenomas in strain A mice by substituted organohalides. Cancer Res. 39, 391-395 (1979).

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