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42. 1,4,5,8-Tetraaminoanthrachinon (C.I. Disperse Blue 1)
(CAS-Nr. 2475-45-8)
(BArbBl. 5/98 S. 90)
(Stand:
November 1997)
Grundlage für diese Bewertung ist im wesentlichen das EU-Einstufungsdossier vom 09.08.96. Disperse Blue 1 (DB 1) ist ein Farbstoff, der zur Färbung von Kunstfasern sowie als semipermanenter Haarfarbstoff eingesetzt wird. DB 1 ist ein Feststoff; er wirkt reizend an Haut und Auge.
Genotoxizität:
DB 1 zeigt in den gängigen in vitro-Tests (Ames-Test, Maus-Lymphom-Test, Chromosomenaberrationstest, SCE-Test) eine genotoxische Wirkung auch ohne Zusatz von S9-Mix.
Ein Zelltransformationstest in vitro an Embryonalzellen des Syrischen Hamsters führte zu einem fraglichen Ergebnis; lediglich in der mittleren Dosisgruppe trat ein transformierter Zellverband auf [Litz 1984; zitiert in Haws et al. 1994].
In einem weiteren Zelltransformationstest in vitro an BALB/c-3T3-Zellen erwies sich DB 1 als schwach wirksam [Matthews et al. 19931. Die einmalige oder 5-malige i.p.-Gabe von je 20; 65 bzw. 200 mg DB 1/kg KGW/Tag führte bei Hamstern zu keiner erhöhten Rate an Chromosomenaberrationen oder an Mikronuclei im Knochenmark [Litz 1984; zitiert in Haws et al. 1994].
Ein Mikronucleus-Test an der Maus mit DB 1 verlief ebenfalls negativ.
Kanzerogenität:
Es liegt eine Kanzerogenesestudie des US-NTP an Ratte und Maus vor. Je 50 F 344-Ratten/Geschlecht und Dosisgruppe erhielten für 104 Wochen Futter mit einem DB 1-Gehalt von 0; 1250; 2500 bzw. 5000 ppm, entsprechend einer Wirkstoffaufnahme von 0; 45; 95 bzw. 217 mg DB 1/kg KGW/Tag für Männchen und 0; 56; 111 bzw. 240 mg DB 1/kg KGW/Tag für Weibchen. Bei den Tieren der höchsten Dosisgruppe war das Körpergewicht bei Versuchsende um 13-15 % niedriger als bei den Kontrollen. Die Überlebensrate war bei Männchen ab 2500 ppm und bei Weibchen ab 5000 ppm signifikant erniedrigt. Ab 2500 ppm war bei beiden Geschlechtern die Inzidenz für Harnblasensteine und Harnblasen-Neoplasien deutlich erhöht. Es scheint, daß es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Calculi und der Tumorbildung gibt. Die Inzidenz von Inselzell-Adenomen und Karzinomen des Pankreas war nur bei den Männchen der 5000 ppm-Gruppe signifikant erhöht, sofern die Überlebensrate mit berücksichtigt wurde; sie lag jedoch noch im Bereich der historischen Kontrollen.
Je 50 B6C3Fl -Mäuse/Geschlecht und Dosisgruppe erhielten für 104 Wochen Futter mit einem Gehalt von 0; 600; 1200 bzw. 2500 ppm, entsprechend einer Wirkstoffaufnahme von 0; 112; 239 bzw. 540 mg DB 1/kg KGW/Tag für Männchen und 0; 108; 235 bzw. 520 mg/kg KGW/ Tag für Weibchen. Das Körpergewicht war nur bei den Weibchen der höchsten Dosis deutlich verringert (9 %); die Mortalität blieb unbeeinflußt.
Bei den männlichen Tieren war ab 600 ppm und bei den Weibchen nur in der 600 ppm-Gruppe die Inzidenz an Leberadenomen und -karzinomen erhöht; es zeigte sich jedoch keine klare Dosisabhängigkeit. Die Zahl der alveolären/bronchiolären Adenome und Karzinome war nur bei den Männchen der 2500 ppm-Gruppe erhöht im Vergleich zur Kontrollgruppe; die Inzidenz lag jedoch noch innerhalb des Inzidenzbereichs der historischen Kontrollen.
Von Hunden wurde die 2-jährige Verabreichung eines kommerziellen Haarfärbemittels, enthaltend 0,61 % DB 1, mit dem Futter ohne Symptome vertragen [Wernick et al. 1975].
Reproduktionstoxizität:
Studien mit der Reinsubstanz wurden bisher nicht durchgeführt. Es liegt eine Studie von Wernick et al. (1975) vor, in der ein kommerzielles Haarfärbemittel, enthaltend 0,61 % DB 1, an Ratten (Verabreichung mit dem Futter) und an Kaninchen (Schlundsondenapplikation) verabreicht wurde. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine embryotoxische, teratogene oder fertilitätsmindernde Wirkung des Präparats.
Fazit:
Genotoxizität:
DB 1 zeigt zwar in vitro eine genotoxische Aktivität; die vorliegenden in vivo-Tests verliefen jedoch negativ. Daher erfolgt gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung als mutagen (M:-)
Kanzerogenität:
DB 1 führt bei Ratten beiderlei Geschlechts zu Harnblasentumoren, die offensichtlich erst nach vorheriger Calculi-Bildung und chronischer Entzündung entstehen. Die bei den hochdosierten männlichen Tieren beobachteten erhöhten Inzidenzen an Inselzelltumoren des Pankreas (Ratte) bzw. an Lungentumoren (Maus) liegen zwar noch im Bereich der historischen Kontrolldaten, können aber als Indiz für eine mögliche schwache kanzerogene Wirkung von DB 1 gewertet werden. Die erhöhte Inzidenz an Lebertumoren bei der Maus weist keine klare Dosisabhängigkeit auf und ist daher von fraglicher Relevanz. Insgesamt ergeben sich damit nur schwache Hinweise auf eine kanzerogene Wirkung von DB 1 bei Ratte und Maus.
Daher wird DB 1 gemäß den EU-Einstufungskriterien als krebserzeugend Kategorie 3 (K:3) eingestuft.
Reproduktionstoxizität:
Aufgrund des Fehlens valider Daten kann gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung erfolgen (RF,E:-)
Literatur:
EU-Einstufungsdossier vom 09.08.1996
Haws, L.C., Jackson, B.A., Turnbull, D., Dressler, WE.: Two approaches for assessing human safety of Disperse Blue 1. Regulatory Toxicol. Pharmacol. 19, 80-96 (1994)
Matthews, E.J., Spalding, J.W., Tennant, R.W.: Transformation of BALB/c-3T3 cells: V. Transformation responses of 168 chemicals compared with mutagenicity in Salmonella and carcinogenicity in rodent bioassays. Environ. Health Perspect. Suppl. 101 (Suppl. 2) 347-482 (1993)
Wernick, T., Lanman, B.M., Fraux, J.L.: Chronic toxicity, teratologic, and reproduction studies with hair dyes. Toxicol. Appl. Pharmacol. 32, 450-460 (1975).
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