zurückFrame öffnen

Nr. 54: 2-Nitrotoluol
(CAS-Nr.: 88-72-2)

(BArbBl. 8/1999 S. 48)
Ausgabe: Juli 1999
Stand: Mai 1998


2-Nitrotoluol ist ein Methämoglobinbildner [1].

2-Nitrotoluol wird über den Magen-Darm-Trakt, die Lunge sowie in geringerem Maße auch über die Haut resorbiert. Im Stoffwechsel von Ratten wird 2-Nitrotoluol an der Methylgruppe oxidiert zu 2-Nitroben-zoesäure bzw. zu 2-Nitrobenzylälkohol. 2-Nitrobenzylalkohol wird anschließend mit Glutathion konjugiert oder aber glukuromert, mit der Gallenflüssigkeit sezerniert, im Darm nach bakterieller Nitroreduktion rückresorbiert und in der Leber u. a. sulfatiert zu 2-Aminobenzylsulfat. Die Exkretion der Metaboliten erfolgt überwiegend mit dem Um und ist nach 72 Stunden weitgehend abgeschlossen [1].

Die akute Toxizität von 2-Nitrotoluol ist gering; bei den Vergiftungssymptomen stehen zentralnervöse Effekte und Methämoglobinbildung mit Begleitsymptomen im Vordergrund. Die Substanz wirkt nicht reizend an Haut und Auge [1].

Die wiederholte orale Gabe hat bei der männlichen Ratte Schädigungen von Leber, Hoden und Nebenhoden zur Folge; Milz- und Nierenveränderungen treten bei männlichen und weiblichen Ratten auf. So führte die 90-tägige Fütterung bei männlichen F344-Ratten ab 106 mg/kg KGW/Tag zu einer a2m-Globulin-Nephropathie sowie zu einer Fibrose der Milzkapsel. Ab 204 mg/kg KGW/Tag traten Leberschädigungen und ab 405 mg/kg KGW/Tag Hodendegenerationen auf; die Weibchen waren weniger empfindlich. Bei B6C3F1 Mäusen hatte die 90-tägige Gabe von > 223 mg/kg KGW/Tag mit dem Futter Degenerationen und Metaplasien des Riechepithels zur Folge [1].

Genotoxizität:

Mit Ausnahme eines Ames-Tests mit S9-Mix und Norharman sowie eines Rec-Assays und eines Schwesterchromatid- Austauschtests verliefen alle in vitro-Gentoxizitätstests negativ (Ames-Tests, Chromosomenaberrationstests, UDS-Tests; mit und ohne Zusatz von S9-Mix). Bei der unter in vivo-Bedingungen festgestellten genotoxischen Wirkung (UDS-Test und kovalente Bindung an Makromoleküle in der Rattenleber einschließlich der DNA) spielen von der Darmflora gebildete Metaboliten (besonders 2-Aminobenzaldehyd) als Vorstufen für reaktive Metaboliten eine entscheidende Rolle [1].

Kanzerogenität:

In der 90-Tage-Fütterungsstudie wurden bei 3/10 (30 %) der männlichen F 344-Ratten der 353 mg/kg KGW/Tag-Gruppe Mesotheliome der Tunica vaginalis der Nebenhoden festgestellt. Bei den Männchen der 696 mg/kg-Gruppe traten keine Mesotheliome, sondern nur als präneoplastisch eingestufte Hyperplasien an der gleichen Lokalisation bei 2/10 Tieren (20 %) auf. Bei weiblichen Ratten sowie bei männlichen und weiblichen B6C3F1-Mäusen kam es unter den gewählten Versuchsbedingungen zu keiner Tumorbildung [1,2].

Im Tumorinitiations-Test an der SENCAR-Maus zeigte 2-Nitrotoluol eine schwache tumorinitiierende Wirkung nach einmaliger dermaler Applikation von 240 mg/Tier (ca. 12000 mg/kg KGW) gefolgt von 30-wöchiger TPA-Applikation (Promotionsphase) [1]. Im Lungentumor-Induktionstest an Strain A/Jax-Mäusen wurde ein dosisabhängiger, aber statistisch nicht signifikanter Anstieg der Lungentumor-Inzidenzen festgestellt nach i.p.-Injektion von 50 - 250 mg/kg KGW/Tag, dreimal wöchentlich über 8 Wochen [1]. Da für die Bildung reaktiver 2-Nitrotoluol-Metaboliten wahrscheinlich die darmbakterielle Nitroreduktion ausschlaggebend ist, erscheint die in diesen Tests mit parenteraler Verabreichung gefundene nur schwache kanzerogene Wirkung durchaus plausibel.

Das strukturverwandte o-Toluidin hat sich ebenfalls als genotoxisch und als kanzerogen bei Ratte und Maus erwiesen [3]. In der Kanzerogenesestudie des NCI [4], durchgeführt an je 20 (Kontrollgruppe) bzw. je 50 F344-Ratten und B6C3F1-Mäusen pro Dosis und Geschlecht mit o-Toluidin-Hydrochlorid-Gehalten von 0; 3000 und 6000 ppm (Ratten; ca. 200 bzw. 400 mg/kg/Tag) bzw. 0; 1000 und 3000 ppm (Mäuse; ca. 140 bzw. 420 mg/kg/Tag) im Futter, wurden bei den männlichen Ratten neben anderen Tumoren ebenfalls Mesotheliome der Tunica vaginalis der Nebenhoden festgestellt (siehe Tabelle 1); präneoplastische Veränderungen an dieser Lokalisation werden im Bericht jedoch nicht erwähnt.

Tabelle 1: Inzidenz an Mesotheliomen bei männlichen Ratten nach 2-jähriger Fütterung mit o-Toluidin-Hydrochlorid [4].

 Zahl der Tiere mit Mesotheliomen (%)
Mesotheliome der Tunica vaginalisMesotheliome in anderen OrganenTiere mit Mesotheliomen
Kontrolle0/20 (0 %)0/20 (0 %)0/20 (0 %)
3000 ppm12/50 (24 %)5/50 (10 %)17/50 (34 %)
6000 ppm6/49 (12 %)3/49 (8 %)9/49 (18 %)

Die Frage, ob die durch o-Toluidin-Hydrochlorid induzierten Mesotheliome wie bei 2-Nitrotoluol bereits nach 90-tägiger Behandlung aufgetreten sind, läßt sich anhand des NCI-Berichts nicht beantworten, da dieser Tumortyp nicht letal ist und da auch keine Zwischensektionen durchgeführt wurden. In der Dosisfindungsstudie an je 5 Tieren pro Spezies, Geschlecht und Dosis, die allerdings nur eine 7-wöchige Behandlungszeit mit 1000 - 50000 ppm im Futter, gefolgt von einer einwöchigen Nachbeobachtungszeit, umfaßte, wurden bei der Nekropsie keine Tumoren festgestellt; histopathologische Untersuchungen wurden an diesen Tieren nicht durchgeführt. Der Grund für die - wie auch im Versuch mit 2-Nitrotoluol - fehlende Dosisabhängigkeit der Mesotheliom-Inzidenz bei den männlichen Ratten ist unklar; allerdings könnte beim o-Toluidin-Hydrochlorid der sprunghafte Anstieg der Mortalität nach der 60. Behandlungswoche eine Rolle spielen. Kein Männchen der 6000 ppm-Gruppe überlebte bis zur 101. Woche; in der 3000 ppm-Gruppe lebten beim Versuchsende nach 104 Wochen noch 25 % der Männchen [4].

Es wurde inzwischen auch eine vergleichende Toxizitäts- und Kanzerogenesestudie mit 2-Nitrotoluol und mit o-Toluidin-Hydrochlorid an männlichen F344/N-Ratten durchgeführt. Dazu erhielten je 60 Tiere Futter mit einem Gehalt an 2-Nitrotoluol bzw. o-Toluidin-HCl von je 5.000 ppm (ca. 330 mg/kg KGW/Tag) für maximal 26 Wochen. Nach 13 Wochen wurde an je 20 Tieren eine Zwischensektion durchgeführt und jeweils weitere 20 Tiere wurden ohne Testsubstanzverabreichung weitergehalten (Stop-Exposure). Die Kontrollgruppe umfaßte 30 Tiere (jeweils 10 für Zwischensektion, Stop-Exposure und 26 Wochen). Zusätzlich wurden 60 Tiere mit einer Antibiotika-Lösung behandelt (tägliche Gabe von je 20 mg Tetracyclin-HCl, 40 mg Neomycinsulfat und 4 mg Nystatin für 14 Tage), um so den Einfluß der Darmflora auf die Toxizität und Kanzerogenität von 2-Nitrotoluol studieren zu können; 20 Tiere davon dienten als Kontrolle und die restlichen 40 Tiere erhielten für 13 Wochen 5.000 ppm 2-Nitrotoluol im Futter. Die Hälfte der behandelten und der Kontroll-Tiere wurde am Ende der Behandlungszeit, die jeweils andere Hälfte der Tiere nach 13 Wochen Nachbeobachtung getötet (Stop-Exposure).

Alle behandelten Tiere wiesen eine signifikant verminderte Körpergewichtszunahme (> 10 % im Vergleich zur Kontrolle) auf. Sowohl 2-Nitrotoluol (NT) als auch o-Toluidin-HCl (OT) führten bereits nach 13 Wochen Behandlungszeit zu histologischen Veränderungen an Leber (Vakuolisierung, Hyperplasie/NT, Pigmentablagerung/OT), Milz (hämatopoetische Zellproliferation, Pigmentablagerung, Milzkapselfibrose, Thrombose/OT, Kongestion/OT), Niere (Regeneration, Hyalintröpfchen-Ansammlung/NT, Pigmentablagerung/ OT) und Hoden/Nebenhoden (Degeneration). Nur bei den mit o-Toluidin-HCl behandelten Tieren traten außerdem Hyperplasien des Übergangsepithels in der Harnblase auf, die sich jedoch in der Stop-Exposure-Gruppe als reversibel erwiesen haben. Die Tumorinzidenzen sind in der nachfolgenden Tabelle 2 zusammengestellt [5].

Tabelle 2: Tumorinzidenzen bei männlichen Ratten nach 13- bis 26-wöchiger Fütterung mit 2-Nitrotoluol (NT) bzw. o-Toluidin-HCl (OT) [5]

 Zahl der Tiere mit Tumoren (%)
Hoden/NebenhodenLeber/Gallengang 
MesotheliomHyperplasieCholangiokarz.HyperplasieTiere mit Tumoren
Kontrolle 13 Wochen0/10 (0)0/10 (0)0/10 (0)2/10 (20)0/10 (0)
Kontrolle * 13 Wochen0/10 (0)0/10 (0)0/10 (0)0/10 (0)0/10 (0)
NT/5000 ppm 13 Wochen0/20 (0)0/20 (0)0/20 (0)0/20 (0)0/20 (0)
NT*/5000 ppm 13 Wochen2/20 (10)2/20 (10)0/20 (0)0/20 (0)2/20 (10)
OT/5000 ppm 13 Wochen0/20 (0)0/20 (0)0/20 (0)1/20 (5)0/20 (0)
Kontrolle 13 Wochen #0/10 (0)0/10 (0)0/10 (0)4/10 (40)0/10 (0)
Kontrolle* 13 Wochen #0/10 (0)0/10 (0)0/10 (0)4/10 (40)0/10 (0)
NT/5000 ppm 13 Wochen #5/20 (25)2/20 (10)2/20 (10)0/20 (0)7/20 (35)
NT*/5000 ppm 13 Wochen #8/20 (40)1/20 (5)0/20 (0)0/20 (0)8/20 (40)
OT/5000 ppm 13 Wochen #2/20 (10)0/20 (0)0/20 (0)5/20 (25)2/20 (10)
Kontrolle 26 Wochen0/20 (0)0/10 (0)0/20 (0)4/10 (40)0/20 (0)
NT/5000 ppm 26 Wochen7/20 (35)2/20 (10)1/20 (5)0/20(0)8/20 (40)
OT/5000 ppm 26 Wochen0/20 (0)1/20 (5)0/20 (0)10/20(50)0/20 (0)
*) Tiere mit veränderter Darmflora
#) 13-Wochen-Behandlung + 13 Wochen Recovery (Stop Exposure)

Bei mit 2-Nitrotoluol behandelten Tieren wurden in der Leber Glutathion-S-transferase (Placenta-Typ)-positive Foci festgestellt, die sich auch im Stop-Exposure-Experiment kaum zurückbildeten. Auch o-Toluidin-HCl führte nach 26-wöchiger Verabreichung zu solchen Leberfoci.

Wie bereits in der weiter oben dargestellten 13-Wochen-Studie [2] an männlichen Ratten gezeigt, führt 2-Nitrotoluol zur Bildung von Mesotheliomen des Hodens/Nebenhodens bei sehr kurzer Latenzzeit. Auch die Behandlung mit o-Toluidin-HCl hat eine frühe Entstehung von Mesotheliomen an dieser Lokalisation zur Folge, wenn auch mit deutlich geringerer Häufigkeit. Die zusätzlich beobachtete Bildung von Cholangiokarzinomen nach 2-Nitrotoluol-Gabe ist wohl als Folge der deutlichen Lebertoxizität der Substanz anzusehen. Die Zusatzstudie an Ratten mit veränderter Darmflora weist darauf hin, daß die kanzerogene Wirkung des 2-Nitrotoluols wohl nicht nur auf die Umwandlung in o-Toluidin durch darmbakterielle Nitroreduktion beruht. Allerdings hatte die Antibiotika-Behandlung der Ratten nicht zur quantitativen Eliminierung der anaeroben Darmflora geführt, so daß die Ergebnisse dieser Zusatzstudie nur von sehr begrenzter Aussagekraft sind.

Im Rahmen einer Studie zur chronischen Toxizität und Reproduktionstoxizität erhielten je 10 Wistar-Ratten pro Geschlecht und Dosisgruppe 0 (Olivenöl-Kontrolle) bzw. 200 mg 2-Nitrotoluol (gelöst in Olivenöl)/kg KGW/Tag an 5 Tagen pro Woche über insgesamt ca. 6 Monate mit der Schlundsonde. Nach 3 Monaten wurden je 5 behandelte Männchen mit 5 unbehandelten bzw. behandelten Weibchen sowie je 5 unbehandelte Männchen mit je 5 unbehandelten oder behandelten Weibchen gepaart und die Tiere für weitere ca. 3 Monate weiterbehandelt.

Es traten keine klinischen Vergiftungssymptome und keine Todesfälle auf; das Körperwachstum blieb unbeeinflußt. Der Gesamthämoglobingehalt war bei den behandelten Tieren um ca. 10 % erniedrigt und der Methämoglobingehalt lag 48 Stunden nach der Applikation bei 1,07 % des Gesamthämoglobingehalts. Die Serumaktivitäten der Enzyme Cholinesterase (m/w), Kreatinphosphokinase (m), Alaninaminotransferase (w) und Aldolase (w) waren erhöht und die der Isocitratdehydrogenase (m) und der alkalischen Phosphatase (w) waren erniedrigt. Bei der Sektion wiesen alle behandelten Männchen Vergrößerungen und morphologische Veränderungen der Milz auf. Bei 7 von 9 weiblichen und bei 3 von 8 männlichen behandelten Tieren wurden Nierenschädigungen (Tubulidilatationen und Hyalintröpfchen-Ansammlungen) festgestellt; Schädigungen der Testes traten nicht auf. 2-Nitrotoluol hatte keinen Einfluß auf die Fertilität der Tiere und bei den Jungtieren traten keine Organveränderungen auf [1].

Im Rahmen einer 13-Wochen-Fütterungsstudie an F344-Ratten und an B6C3F1-Mäusen erhielten je 10 Tiere pro Spezies, Geschlecht und Dosisgruppe Futter mit einem 2-Nitrotoluol-Gehalt von 0-10.000 ppm (tägliche Substanzaufnahme: maximal 694 (Ratte) bzw. 1712 (Maus) mg/kg KGW/Tag). Ab 5.000 ppm (ca. 350 mg/kg KGW/Tag) kam es bei den männlichen Ratten zu Hodendegenerationen bei gleichzeitig verminderter Spermienzahl und -motilität und bei den weiblichen Ratten zu einer Verlängerung des Zyklus. Diese Dosierung liegt bereits im deutlich toxischen Bereich (Methämoglobinbildung mit Begleitsymptomen, leber- und nierentoxische Effekte). Bei männlichen Mäusen der 10.000 ppm-Gruppe (ca. 1536 mg/kg KGW/Tag) war die Spermienmotilität ebenfalls verringert. Auch hierbei handelt es sich um eine bereits systemisch toxisch wirkende Dosierung (Riechepithel-Schädigungen, Lebergewichtserhöhung) [1].

Im Rahmen einer Screening-Studie zur Reproduktionstoxizität erhielten männliche und weibliche CD-Ratten über einen Zeitraum von insgesamt ca. 10 Wochen (2 Wochen vor der Paarung, 2 Wochen Paarungszeit, 20 Tage Trächtigkeit und 21 Tage nach dem Werfen der Jungen) tägliche Gaben von 0; 50; 150 bzw. 450 mg 2-Nitrotoluol (gelöst in Maisöl)/kg KGW mit der Schlundsonde. 3 von 12 Weibchen der 450 mg/kg-Gruppe starben direkt nach dem Werfen der Jungtiere; sie wiesen tote Implantate in den Uteri auf. Ab 150 mg/kg war bei den Männchen das relative Organgewicht von Nebenhoden, Samenvesikeln und Prostata dosisabhängig erniedrigt und bei 450 mg/kg auch das Hodengewicht vermindert. Bei den Jungtieren aller Dosisgruppen war das Wachstum ab dem 4. oder 8. Tag Post partum dosisabhängig verzögert. Ab 50 (m) bzw. ab 150 (w) mg/kg KGW wirkte 2-Nitroto-luol bei den Elterntieren toxisch (erhöhte Organgewichte von Leber, Niere und Milz; verringerte Futteraufnahme und Körpergewichtszunahme) [6].

Fazit:

Genotoxizität:

2-Nitrotoluol zeigt unter in vivo-Bedingungen nach oraler Gabe eine genotoxische Wirkung (DNA-Schädigung; DNA-Bindung). Gemäß den EU-Einstufungskriterien erfolgt daher eine Einstufung in die Kategorie 3 (M: 3).

Kanzerogenität:

2-Nitrotoluol wirkt bereits im 90 Tage-Fütterungsversuch an männlichen Ratten bei einer Dosis von 353 mg/kg KGW/Tag deutlich kanzerogen unter Bildung von Mesotheliomen des Nebenhodens. Die Tatsache, daß das strukturverwandte o-Toluidin (Legaleinstufung in Carc. 2) in chronischen Fütterungsversuchen bei männlichen Ratten ab einer Dosis von ca. 200 mg/kg KGW/Tag ebenfalls Mesotheliome des Nebenhodens hervorruft, deutet auf einen gemeinsamen Mechanismus der Tumorentstehung hin. Dies konnte durch eine neue vergleichende 26-Wochen-Studie mit 2-Nitrotoluol und o-Toluidin-HCl weitgehend bestätigt werden. Weiterhin liegen 2 Kurzzeit-Kanzerogeneseversuche an Mäusen mit schwach positivem Ergebnis vor, was auf eine kanzerogene Wirkung von 2-Nitrotoluol an einer 2. Spezies hinweist. Da die im Säugerstoffwechsel gebildeten Folgeprodukte von 2-Nitrotoluol sich als genotoxisch erwiesen haben, ist ein genotoxischer Mechanismus der Tumorbildung anzunehmen. Gemäß den EU-Einstufungskriterien wird 2-Nitrotoluol daher in die Kategorie 2 (C: 2) eingestuft.

Reproduktionstoxizität/Fertilität:

In verschiedenen Studien wurde gezeigt, daß 2-Nitrotoluol im parental toxischen Dosisbereich bei der Ratte (ab ca. 150 mg/kg KGW/Tag) zu Schädigungen der Hoden und Nebenhoden bei gleichzeitig verringerter Spermienzahl und -motilität sowie zu einer Verlängerung des Zyklus bei den Weibchen und bei der Maus (ab ca. 1530 mg/kg KGW/ Tag) zu verringerter Spermienmotilität führt. Eine Beeinträchtigung der Fertilität konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Da die Effekte an männlichen Ratten bereits bei vergleichsweise niedrigen Dosierungen auftreten und ein Kausalzusammenhang mit den systemischtoxischen Effekten nicht erkennbar ist, wird 2-Nitrotoluol gemäß den EU-Einstufungskriterien in Kategorie 3 (RF: 3). eingestuft.

Reproduktionstoxizität/Entwicklungsschädigung:

Gezielte Studien zur Teratogenität von 2-Nitrotoluol liegen nicht vor.

In einem Screening-Versuch an Ratten wurde gezeigt, daß das Wachstum der Jungtiere nach vorheriger in utero-Behandlung deutlich verzögert ist. Allerdings ist auch dieser Befund als sekundärer Effekt aufgrund der systemisch-toxischen Wirkung des 2-Nitrotoluols bei den Elterntieren anzusehen. Insgesamt erfolgt daher gemäß den EU-Einstufungskriterien keine Einstufung (RE: -).

Literatur:

[1] Henschler, D. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: 2-Nitrotoluol. Verlag Chemie, Weinheim (1993)

[2] Dunnick, J.K.; Elwell, M.R. u. Bucher, J.R.: Comparative toxicities of o-, m-, and p-nitrotoluene in 13-week feed studies in F344 rats and B6C3F1 mice. Fundam. Appl. Toxicol. 22,411-421 (1994)

[3] Henschler, D. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: o-Toluidin, -Hydrochlorid. Verlag Chemie, Weinheim (1986)

[4] National Cancer Institute (NCI): Bioassay of o-toluidine hydrochloride for possible carcinogenicity. Technical Report Series No. 153 (1979)

[5] National Toxicology Program (NTP): NTP technical report on comparative toxicity and carcinogenicity studies of o-nitrotoluene and o-toluidine hydrochloride (CAS-Nos. 88-72-2 and 636-21-5) administered in feed to male F344/N rats. NTP Toxicity Report Series No. 44 (NIH Publication 96-3936) (1996)

[6] Huntingdon Research Centre: Ortho-nitrotoluene (ONT). A preliminary screening test for reproductive toxicity. Unveröffentlichter Bericht Nr. BFS 59/931307 (1994); zitiert in: SIDS Initial Assessment Profile (1994), Seite 34.

UWS Umweltmanagement GmbHweiter.Frame öffnen