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62. N,N-Dimethylacetamid
(CAS-Nr. 127-19-5)

(BArbBl. 9/1999 S. 80)
Ausgabe: September 1999
(Stand: Mai 1999)



Reproduktionstoxizität/Fertilität:

Caujolle et al., 1970 [1] beschreibt zwei Studienansätze für die Untersuchung von DMAC:

a) für eine "immediate and delayed acute toxicity" [einmalige i.p. Gabe an männliche Ratten (Stamm Berkenhout) und Mäuse (Swiss-Strain)); Nachvollziehbare Angaben zur Dosierung fehlen; vermutlich wurden 7,3 g/kg an Ratten und 8,0 g/kg an Mäuse verabreicht.

Für Mäuse findet sieh keine substanzspezifizierte Beschreibung von Befunden. Ratten wiesen 4 Tage nach Substanzgabe Hodenbefunde auf (testikuläre Atrophie; Fehlen von Spermatozoen im.NH-Lumen; Epithelläsionen der Hodenkanälchen mit Defektreifung der Spermatozyten; Desquamation von unreifen Zellelementen; Vorliegen mehrkerniger Riesenzellen). Bei einem Drittel der überlebenden Tiere waren Hodenatrophie und Spermienreifungsstörungen reversibel.

b) im 2. Studienansatz für "chronie toxicity" wurde DMAC über 6 Wochen täglich i.p. (132 mg/kg) an männliche Ratten verabreicht. Hodenbefunde wurden nicht berichtet.

Aufgrund mangelhafter Dokumentation von Methode und Ergebnissen dieser nicht Guideline-konformen Studie, können keine Rückschlüsse auf eine mögliche fertilitätsbeeinträchtigende Wirkung von DMAC gezogen werden. Abgesehen davon wurde mit der i.p. Gabe ein unphysiologischer und gemäß heutigen Guidelines unüblicher Applikationsweg gewählt; die "Limitdose" von 1000 mg/kg ist um den Faktor 7 -8 überschritten.

In einer Inhalationsvorstudie (Valentine et al., 1997 [2]) wurden 35 Tage alte, d.h. juvenile männliche Crl:CD-l Mäuse (10 Tiere/Gruppe) 10 Tage mit DMAC exponiert (30, 100, 310, 490 und 700 ppm entspr. 0,10, 0,36, 1,12, 1,77 bzw. 2,53 mg/l 6 h/Tag, 5 Tage/Woche). 5 Tiere/Gruppe dienten als Recoverygruppen, die 14 Tage nach der letzten Substanzexposition getötet wurden. Effekte waren in Dosierungen ab 310 ppm zu beobachten.

310 ppm: keine klinischen Befunde; marginale Befunde an den Hoden bei 2/5 Tieren (geringgradige Hodenatrophie, Oligospermie, Degeneration der Hodenkanälchen); Hodengewichte um 15 % (nicht statistisch signifikant) gegenüber der Kontrolle erniedrigt; Recovery-Tiere zeigten keine Befunde mehr. In der "EPA submission" von DuPont, 1989 [13] wird die testikuläre Hodenatrophie als möglicher Spontanbefund in Mäusen bezeichnet. Die von den Autoren als "minimal lesions" bezeichneten Befunde, die in 2 von 5 Mäusen bei einer Konzentration von 310 ppm beobachtet wurden, könnten daher gemäß der Autoren mögliche "background changes" repräsentieren. Gemäß EPA submission wichen die Hodengewichte der mit ≤ 310 ppm behandelten Tiere nicht von denen der Kontrollen ab.

Dagegen werden in der vorliegenden Publikation (Valentine et al., 1997 [2]), die von einigen der Mitautoren 8 Jahre nach der EPA submission verfaßt wurde, die histopathologischen Befunde der 310 ppm Gruppe als minimaler Effektlevel für Hodenschädigungen interpretiert. Obwohl Hodenatrophien gemäß der Autoren auch spontan auftreten können, wird diese Bewertung unter dem Aspekt der Konzentrationsabhängigkeit, basierend auf der qualitativen Vergleichbarkeit der Hodenbefunde (s.u.) bei 310, 490 und 700 ppm gewählt.

490 und 700 ppm: Hodenbefunde (nekrotische Veränderungen am Keimepithel (nur bei verstorbenen und vorzeitig getöteten Tieren), sowie Hodenatrophie, Tubulusatrophien, Oligospermie) traten zusammen mit klinischen Befunden und Mortalität auf (700 ppm → 8/10 gestorben und/oder getötet; 490 ppm → 2/10 Tieren getötet). Darüberhinaus lagen Organgewichtsveränderungen (Hoden↓ , Leber- Lunge↓ ), Veränderungen am Blutbild und histopathologische Veränderungen an Leber, Knochenmark, lymphoiden Organen und der Nebenniere vor. Recovery-Tiere: 700 ppm ein überlebendes Tier ohne Anzeichen für Regeneration der Hodenveränderungen. 490 ppm Hinweise auf Regeneration der Hodenbefunde; Lebergewichte und Hodengewichte waren nach der Recovery weiterhin statistisch signifikant verändert.

Zur Abklärung der beschriebenen Befunde wurden ergänzende Inhalationsstudien an adulten (geschlechtsreifen) männlichen Mäusen und Ratten (Crl:CD) in Dosierungen von 52, 150, 300 und 480 ppm ohne Recovery durchgeführt. Eine Bestimmung der testikulären Spermienzahl erfolgte, ergab jedoch keine Abweichungen zu den Kontrolltieren. Effekte traten nur in der 480 ppm Gruppe auf und waren bei den Ratten auf eine signifikant reduzierte Körpergewichtsentwicklung beschränkt. Hodengewichte und Hodenhistologie waren ohne Befund. Die Mäuse der 480 ppm Gruppe zeigten erniedrigte Hodengewichte, geringgradige bilaterale Degeneration und Atrophie der Tubuli seminiferi (3/9 Tieren).

Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Vor- und der Ergänzungsstudie wird durch die Tatsache, daß Tiere unterschiedlichen Alters eingesetzt wurden relativiert. Junge Tiere sind im Vergleich zu adulten Tieren i.d.R. empfindlicher gegenüber Allgemeintoxizität und können eine große biologische Variabilität der Hodenentwicklung zeigen.

In einer Inhalationsstudie an Ratten (Crl:CD?, Angabe zum Tierstamm fehlt) von Kelly et al., 1984 [3] wurden männliche und weibliche Ratten (je 10 Tiere/Geschlecht/Gruppe; Angabe aus Kinney et al., 1993 [4], Kennedy, 1986 [5], Fairhurst et al., 1992 [9]) 10 mal (6h/Tag, 5 Tage/Woche) mit DMAC in Konzentrationen vdm 100, 288 und 622 ppm exponiert. Die Hälfte der Tiere/Gruppe diente als Recovery. Aufgrund von Mortalität (3 Tiere starben, 2 Tiere wurden getötet) wurde die Behandlung der obersten Dosierung an Tag 4 abgebrochen. Es fanden sich multiple Organläsionen in Leber, Thymus, Milz, Knochenmark, Gastrointestinaltrakt (Angabe aus (Valentine et al., 1997 [2], Kennedy, 1986 [5], Fairhurst et al., 1992 [9]) und Nasenschleimhautreizungen; letztere wurden bis in die niedrigste Dosierung beobachtet und erwiesen sich als nicht reversibel in den Recovery-Tieren aller behandelter Gruppen. 288 ppm führten zu einer Leberhypertrophie. Nach Angaben der Autoren lagen zwei Wochen später Leberhypertrophien bei den Recovery-Tieren der 622 und 288 ppm zusammen mit Hodenatrophie vor.

Aufgrund widersprüchlicher Aussagen zum zeitlichen Auftreten der Hodenbefunde bzw. zur Reversibilität der Leberbefunde in der Sekundärliteratur (Fairhurst et al., 1992 [9], Kennedy, 1986 [5]; Anm.: Kennedy ist Mitautor der Kelly-Veröffentlichung), Valentine et al., 1997 [2]) können die von Kelly gemachten Angaben nicht schlüssig interpretiert werden. Abgesehen davon findet sich ein Hinweis auf eine C. kutscheri-Infektion der Tiere (Kinney et al., 1993 [4]).

Eine Inhalationsstudie (Kinney et al., 1993 [4]) an je 15 männlichen Ratten (Crl:CD) pro Gruppe wurde in Konzentrationen von 10, 30, 100 und 300 ppm durchgeführt. Die Dosisgruppen wurden jeweils 3, 6 oder 12 h/ Tag an 5 Tagen/Woche über 2 Wochen gegenüber DMAC exponiert. 5 Tiere pro Gruppe wurden nach 14 tägiger Recovery getötet. Ein Tier der 300 ppm Gruppe mit 12 h Exposition verstarb nach der 7. Exposition, alle anderen Tiere waren klinisch o.B. Es fanden sich Leberläsionen (hepatozelluläre Hypertrophie, fettähnliche Vakuolisierung des Zytoplasmas und Randstellung von hepatozellulären Zytoplasmabestandteilen) sowie verminderte Körpergewichtsentwicklung bei 300 ppm. Nach der Recovery fanden sieh die Leberbefunde in schwächerer Form bei 3/5 Tieren.

Die histopathologische Untersuchung der Hoden sowie deren Gewichtsbestimmung erbrachte keine substanzbedingten Veränderungen; somit fand sieh kein Hinweis auf eine fertilitätsbeeinflussende Wirkung von DMAC.

In zwei von DuPont durchgeführten subakuten Studien (2-Wochen Studien) an Ratten (Crl:CD) finden sich nach inhalativer oder oraler Exposition Hinweise auf eine Beeinflussung der Hodengewichte und/ oder der Spermatogenese (Kennedy and Sherman, 1986 [14]). Nach inhalativer Exposition von 4 männlichen Tieren gegenüber einer Konzentration von 2100 ppm (entspr. 7,7 mg/l), 6 h]Tag, für 10 Tage wurden nach der letzten Exposition 2 Tiere getötet und untersucht, die übrigen 2 Tiere wurden nach einer 11 tägigen Recovery getötet. Die Exposition führte zu Mortalität (1/4 Tieren) und Körpergewichtsverlusten Bei allen Tieren wurden verkleinerte Hoden sowie inaktive Spermatogenese beobachtet. Die pathologische Untersuchung ergab Hinweise auf "Entkräftung" der Tiere. Die neunmalige orale Applikation von 450 mg/kg KGW der Substanz als 10 % wässrige Lösung per Schlundsonde an 6 Ratten (Crl:CD), führte zu signifikant reduzierter Körpergewichtsentwieklung (40% niedriger im Vergleich zur Vehikel-Kontrolle). In 2 von 3 Tieren, die direkt nach der letzten Behandlung getötet Wurden, fand sieh eine inaktive Spermatogenese in 50 % der Hodenkanälchen und eines der Tiere zeigte eine Atrophie der Hepatozyten. Nach einer 11 -tägigen Recoveryperiode lagen bei den verbleibenden 3 Tieren keine histopathologischen Befunde vor.

Im Hinblick auf die Inhalationsstudie, in der lediglich 4 Tiere eingesetzt wurden, von denen eines verstarb, kann aufgrund der geringen Tierzahl keine Aussage hinsichtlich einer vermeintlichen Hodentoxizität der Substanz getroffen werden. Eine Methodenbeschreibung für die Untersuchung der Spermatogenese fehlt, so daß die Validität dieser Ergebnisses nicht nachvollzogen werden kann.

Die eingesetzte Tierzahl in der subakuten oralen Toxizitätsstudie, ist ebenfalls zu gering, um eindeutige Rückschlüsse hinsichtlich einer möglichen Hodentoxizität von DMAC ziehen zu können. Abgesehen davon trat eine inaktive Spermatogenese nur im Zusammenhang mit systemischer Toxizität (drastischer Einfluß auf die Körpergewichtsentwicklung und damit auf die Proteinsynthese) auf.

In Kennedy und Shermann [14] findet sieh auch ein Verweis auf eine subchronische Fütterungsstudie (je 6 weibliche und männliche Ratten (Crl:CD)), in der DMAC in einer Konzentration von 1000 ppm (entsprechend ca. 60 mg/kg/Tag, Angabe aus Kennedy, 1986 [5]) verabreicht wurde. Die Tiere waren klinisch ohne Befund, Organgewichtsbestimmung und Histologie (den Hoden einschließend) ergaben keine substanzbedingten Effekte.

In einer von Wang, 1989 [6] durchgeführten Fertilitätsstudie an Ratten (Sprague Dawley), wurden 12 männliche Tiere /Gruppe, 6 h/Tag und 5 Tage/Woche mit Dosierungen von 40, 116 und 386 ppm inhalativ behandelt.

Nach einer Gesamtzahl von 69 Expositionen (ca. 15 Wochen) konnten außer signifikant erhöhten Lebergewichten in der mittleren und hohen Dosierung keine Befunde erhoben werden. Histologisch wiesen die Lebern keine Veränderungen auf. Nach Verpaarung mit unbehandelten weiblichen Tieren ergaben sieh keine Hinweise auf eine Fertilitätsminderung. Bei der Gewichtsbestimmung und der histologischen Untersuchung der Hoden konnten keine behandlungsbedingten Veränderungen festgestellt werden. Einzelne Tiere wiesen Hodenatrophien auf, die in gleicher Häufigkeit in den Kontrolltieren und den Tieren der obersten Dosis zu beobachten waren.

Es liegt eine bewertbare Reproduktionsstudie (1-Generation) vor, in der beide Geschlechter, 10 männliche und 20 weibliche Tiere/Gruppe (Crl:CD-Ratten) inhalativ Dosierungen von 31, 101 und 291 ppm ausgesetzt wurden (Ferenz und Kennedy, 1986 [7]). Zusätzlich wurden jeweils eine Gruppe männlicher Tiere und eine Gruppe weiblicher Tiere einer Atmosphäre mit 291 ppm DMAC ausgesetzt, das jeweils andere Geschlecht der entsprechenden Gruppe blieb unbehandelt. Die Exposition erfolgte 6 h/Tag, 5 Tage/Woche (10 Wochen premating; dann 7 Tage/Woche mating, gestation, lactation).

Männliche Tiere wurden nach 63 Expositionen, weiblichen Tiere nach 89 - 104 Expositionen (nach der Laktation) aus der Untersuchung genommen. Organe (Leber, Hoden) wurden gewogen und asserviert. Histopathologie wurde nicht durchgeführt.

Männliche Jungtiere der 291 ppm Gruppe (beide Elternteile behandelt) und der Gruppe, in der nur Muttertiere mit 291 ppm DMAC behandelt wurden, zeigten signifikant erniedrigte KGW an Tag 21 p.p.. Makroskopie und Organgewichtsbestimmung ergaben keine substanzbedingten Befunde (in der 291 ppm Gruppe, in der beide Elternteile behandelt wurden, traten signifikant erhöhte Lebergewichte auf). Die nach Guideline-Vorgaben zu untersuchenden Fertilitätsparameter waren in allen Gruppen unverändert.

Eine 1-Generationsstudie an Ratten (Charles River albino rats) mit DMAC nach dermaler Applikation [8], die von "BIOTEST Laboratories" durchgeführt wurde, liegt nur unvollständig (Teilauszug) vor.

Die Studie erlaubt keine Bewertung einer fertilitätsbeeinträchtigenden Wirkung.

Ein Sekundärzitat aus Fairhurst et al., 1992 [9] beschreibt einen "sperm abnormality test" an 10 Mäusen/Gruppe nach inhalativer Exposition von 20 und 700 ppm DMAC über 7h/Tag über 5 aufeinanderfolgende Tage. Die Spermien, die 5 Wochen nach der Expositionsperiode untersucht wurden, wiesen keine signifikanten Veränderungen im Vergleich zu den Kontrolltieren auf.

Die Studie erlaubt keine abschließende Interpretation hinsichtlich einer fertilitätsbeeinträchtigenden Wirkung von DMAC.

In einer chronischen Toxizitäts-/Kanzerogenitätsstudie (Malley et al., 1995 [10]) wurden Ratten und Mäuse (Crl:CD) beiderlei Geschlechts inhalativ mit 25, 100 oder 350 ppm DMAC für 6 h/Tag und 5 Tage/ Woche exponiert. Die Ratten jeweils 87 männliche und 87 weibliche Tiere/Gruppe wurden 2 Jahre, die Mäuse je 78 männliche und 78 weibliche Tiere/Gruppe wurden über einen Zeitraum von 18 Monaten behandelt. Bei den Ratten fand eine Interim-Tötung nach 12 Monaten statt.

Bei den weiblichen Mäusen der 350 ppm Gruppe fanden sich erhöhte Lebergewichte. Zentrilobuläre Einzelzell-Nekrosen fanden sich bei den männlichen Tieren der 100 und 350 ppm sowie bei den weiblichen Tieren der 350 ppm Gruppe. Befunde an den Hoden lagen nicht vor.

Die Ratten zeigten nach 24 Monaten erniedrigte Körpergewichte und/ oder verminderte Körpergewichtsentwicklung in der 350 ppm Gruppe. Die Lebergewichte der mit 100 und 350 ppm behandelten Tiere sowie die Nierengewichte der männlichen Ratten der 350 ppm Gruppe waren erhöht. Bei 100 und 350 ppm fanden sieh histopathologische Befunde in der Leber (fokale zystische Degeneration, biliäre Hyperplasie, Peliosis, Pigmentakkumulation), die männlichen Tiere der 350 ppm Gruppe zeigten außerdem Nierenläsionen (chron. progress. Nephropathie). Die für die 350 ppm Gruppe beschriebenen verkleinerten Hoden und die in der Publikation nicht weiter beschriebenen histologischen Veränderungen in Hoden und Nebenhoden dieser Dosisgruppe werden von den Autoren als Sekundäreffekte der Nephropathie angesprochen. Eine mechanistische Betrachtung der Zusammenhänge zwischen Nieren- und Hodenbefunden wird jedoch nicht gegeben. Zum Interim-Tötungszeitpunkt nach 12 Monaten wiesen die männlichen Ratten keine Veränderungen (Organgewicht/Histologie) an den Hoden auf. Dagegen zeigten v.a. die weiblichen Tiere der 100 und 350 ppm Gruppen zu diesem Zeitpunkt erhöhte absolute und relative Lebergewichte, jedoch ohne histologisches Korrelat.

Da die Hodenbefunde erst am Ende der Studie (nach 24 Monaten) auftraten, könnte es sieh auch um altersbedingte, physiologischerweise auftretende Veränderungen handeln. Aufgrund der unvollständigen Beschreibung der Hodenbefunde kann keine Aussage zu einer möglichen fertilitätsbeeinflussenden Wirkung von DMAC gemacht werden. Auch aus der in der Anlage befindlichen Tabelle 2, in der Inzidenzen für makroskopische und histologische Befunde in Hoden und/oder Nieren aufgeführt werden, läßt sieh ohne weitere Angaben, keine Aussage darüber treffen, ob es sich bei den Hodenveränderungen um direkt substanzbezogene oder sekundär toxische Effekte handelt. Um eine Korrelation zwischen Nephropathie und Hodenveränderungen herstellen zu können, wären Angaben zu der Frage wieviele der 20 Tiere, die eine schwere, chronische Nephropathie zeigten, bilaterale Veränderungen an den samenführenden Tubuli, bzw. eine Oligospermie aufwiesen, nötig. Für einen ggf. durch die reduzierte Körpergewichtsentwicklung ausgelösten Effekt, stellt sich die Frage wie stark die reduzierte Körpergewichtsentwicklung der Tiere, die Hodenveränderungen aufwiesen, ausgeprägt war.

In einer 24 Monate Kanzerogenitätsstudie (Monsanto, 1990 [11]), erhielten 140 Ratten/ Gruppe (Long Evans) Dosierungen von 100, 300 und 1000 mg DMAC/kg KGW mit dem Trinkwasser.

Im vorliegenden Pathologieteilbericht werden die Ergebnisse der Makroskopie und der histologischen Untersuchungen lediglich der Kontrolltiere und der Tiere der obersten Dosisgruppe beschrieben. Angaben zur klinischen Befundung werden nicht gemacht. In Sekundärliteratur (DuPont, Haskell Laboratory, Internal DMAC Review, 1988) finden sieh Angaben zur Klinik, aus denen hervorgeht, daß in der niedrigen und mittleren Dosierung eine leichte Reduktion der mittleren Körpergewichte (in der niedrigen Dosis ab der 61. Studienwoche signifikant reduziert) und hinsichtlich der Organgewichte signifikant erhöhte Lebergewichte sowie erhöhte Nierengewichte in der 300 mg/kg Gruppe vorlagen. Die Tiere der obersten Dosierung wiesen deutlich erniedrigte mittlere Körpergewichte und Körpergewichtszunahme auf.

Die Lebergewichte waren signifikant und die Nierengewichte waren nach 6 und 24 Monaten erhöht. Die Nebennierengewichte der männlichen Tiere waren in allen Gruppen nach 6 Monaten erhöht.

Im Pathologieteilbericht beschriebene histopathologische Befunde traten in der Leber, der Milz, den Ovarien (Zysten) sowie den Hoden und der Prostata auf. Die beobachteten Hodenveränderungen in Form von verkleinerten Hoden und Degeneration und Atrophie des Keimepithels fanden sich auch in den Kontrolltieren. Ein stärker ausgeprägter Schweregrad der Veränderungen lag laut der Autoren bei den Tieren der oberen Dosisgruppe vor, die im Lauf der Studie verstarben oder getötet werden mußten, sowie bei den regulär nach 12 und 24 Monaten getöteten Tieren. Die Tiere, die nach 6 Monaten getötet wurden, wiesen in der Kontrolle und der hohen Dosierung keine voneinander abweichenden Hodenbefunde auf. Angaben zu historischen Kontrolldaten fehlen. Bei den nach 12 und 24 Monaten getöteten Tieren könnte es sich ebenfalls um altersbedingte Veränderungen an den Gonaden handeln. Für diese Annahme sprechen die aus Tabelle 3 (s. Anlage) ersichtlichen, mit zunehmender Studiendauer zunehmenden Inzidenzen von Hodenveränderungen in allen Versuchsgruppen. Der stärker ausgeprägte Schweregrad, der bei verstorbenen und in moribundem Zustand getöteten Tieren zu beobachten war, könnte in entsprechend ausgeprägter Allgemeintoxizität begründet sein. U.a. aus diesem Grund sind die Angaben, die in Tab. 3 zur Inzidenz von Hodenveränderungen in allen Tieren der Versuchsgruppen gemacht werden, unzulässig, da Befunde von moribund getöteten und vorzeitig verstorbenen Tieren mit denen der regulär getöteten Tiere zusammengefaßt werden. Die Prostatabefunde (Sekretmenge ↓ , Atrophie) werden von den Autoren als Folgeerscheinung der Hodenbefunde gewertet. Die Inzidenz von Ovarialzysten war bei den regulär getöteten Tieren der obersten Dosisgruppe abgesehen von der Tötung nach 24 Monaten vergleichbar mit den Kontrolltieren. Eine abschließende, schlüssige Interpretation der genannten Befunde ist anhand der Angaben aus dem Pathologie-Teilbericht nicht möglich.

In einer mangelhaft dokumentierten Langzeitstudie an Hunden (je 2 Tiere/Gruppe) wurde DMAC dermal in Konzentrationen von 94 und 298 mg/kg für 6 Monate und in Dosierungen von 943 und 3772 mg/kg KGW für 6 Wochen (täglich an 5 Tagen/Woche) appliziert (Horn, 1961 [12]). Für die Inhalationstoxizität wurden 2 Hunde/Gruppe und je 20 Ratten/Gruppe Konzentrationen von 40, 64, 103 und 195 ppm für 6 h/Tag und 5 Tage/Woche für 6 Monate ausgesetzt. Befunde an den Hoden wurden weder nach dermaler noch nach inhalativer Exposition der Ratten oder der Hunde beschrieben.

Bewertung der fertilitätsbeeinträchtigenden Wirkung:

Das Auftreten von Hodenbefunden in subakuten Studien an Ratte und/ oder Maus (Befunde in Dosierungen ≥ 300 ppm inhalativ) ist mit z.T. erheblichen Anzeichen für systemische Toxizität bis hin zu Mortalität und/oder Lebertoxizität verbunden. In der Literatur findet sich lediglich ein Hinweis [2] für das Auftreten von "marginalen Hodenbefunden" ohne das Vorliegen von Anzeichen systemischer Toxizität. Diese an juvenilen Mäusen gemachte Beobachtung ließ sich bei vergleichbarer Dosierung weder in adulten Mäusen noch in adulten Ratten reproduzieren.

Die Hodenveränderungen sind zumeist nach 11-14 tägiger Recovery reversibel.

In einer 1-Generationsstudie und einer Fertilitätsstudie (Inhalation, Ratte) konnten in Dosierungen bis zu 400 ppm keine Befunde hinsichtlich Hodenveränderungen und/oder Fertilitätsminderung bei dieser Spezies beobachtet werden. Studien zur fertilitätsbeeinträchtigenden Wirkung bei Mäusen liegen nicht vor.

Die in den Kanzerogenitätsstudien beobachteten Effekte auf die Gonaden männlicher Ratten, traten nur in Kombination mit systemischer Toxizität bzw. Lebertoxizität in den obersten Dosierungen auf (≥ 350 ppm inhalativ). Abgesehen davon könnte es sich bei dem mit "verkleinerte Hoden (Hodenatrophie)" beschriebenen Befund, und den damit verbundenen Veränderungen am Keimepithel, um typische altersbedingte Veränderungen handeln, die am Ende einer Langzeitstudie (24 Monate) an Ratten auch in den Tieren der Kontrollgruppen zu beobachten sind. Für diese Annahme sprechen die der Tabelle 3 (s. Anlage) zu entnehmenden, in allen Versuchsgruppen mit der Studiendauer zunehmenden Inzidenzen für Hodenveränderungen. Bei Mäusen fanden sich in chronischen Versuchen bei vergleichbaren Konzentrationen (Malley et al., 1995 [10]), die in subakuten Studien zu Hodenveränderungen führten (Valentine et al., 1997 [2]), keine Hodenbefunde.

In einer älteren Langzeitstudie (6-monatige Inhalation oder dermale Applikation) an Hunden, fand sich kein Hinweis auf eine Beeinflussung der Gonaden.

Reproduktionstoxizität/Entwicklungsschädigung:

Die entwicklungsschädigende Wirkung von N,N-Dimethylacetamid ist beim Kaninchen und bei der Ratte belegt [15,16]. Im Inhalationsversuch an Kaninchen kam es zu einer erhöhten Inzidenz an Herzfehlbildungen ohne gleichzeitige Anzeichen einer maternalen Toxizität. Bei der Ratte traten nach oraler Gabe vermehrt fetale Mißbildungen auf. Dabei handelte es sich zwar um eine Dosis im bereits maternaltoxischen Bereich, die fetalen Effekte sind aber nicht als Sekundärfolge der systemischen Toxizität anzusehen. Nach dermaler Applikation kam es bei Ratten vermehrt zu Skelettvariationen.

Fazit:

Reproduktionstoxizität/Fertilitätsminderung:

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß in der einzigen relevanten Fertilitätsstudie, in der ausreichend hoch dosiert wurde, keine fertilitätsbeeinflussenden Wirkungen auftraten.

Für die Veränderungen am Hoden, die in chronischen bzw. Kanzerogenitätsstudien auftraten, ist unter Berücksichtigung altersbedingter Effekte eine eindeutige causale Zuordnung der Befunde nicht möglich.

Aufgrund der sich aus den zitierten Studien ergebenden schwachen Verdachtsmomente für eine hodenschädigende Wirkung, erfolgt gemäß den EU-Einstufungskriterien eine Einstufung in die Kategorie 3 (RF: 3).

Reproduktionstoxizität/Entwicklungsschädigung:

Aufgrund dieser Datenlage wird gemäß den EU-Einstufungskriterien N,N-Dimethylacetamid eingestuft in die Kategorie 2 (RE: 2).

Bei Einhaltung des geltenden Luftgrenzwertes von 10 ppm (35 mg/m3 Überschreitungsfaktor 4) [17] ist mit einer fruchtschädigenden Wirkung nicht zu rechnen.

Literatur:

[1] Caujolle et al., Arzneim. Forsch. 20, 1242 (1970)

[2] Valentine et al., Inhalation Toxicology, 9:141-156, 1997 (DuPont Studie)

[3] Kelly et al., The Toxicologist, 4:65, 1984 (Abstract! zu einer DuPont Studie)

[4] Kinney et al., Drug and Chemical Toxicology, 16 (2), 175-194, 1993

[5] Kennedy G. L., CRC Crit. Rev. Toxicol., 17, 129, 1986

[6] Wang G. M., Journal of Toxicology and Environmental Health, 27:297-305, 1989

[7] Ferenz R. L. and Kennedy G. L., Reproduction study of Dimethylacetamide following inhalation in the rat, Fundam. Appl. Toxicol., 7, 132-137, 1986

[8] One Generation Reproduction and Teratology Study with DMAC in Albino Rats, 1973 (Studie durchgeführt von "BIOTEST Laboratories" für Monsanto)

[9] Fairhurst S. et al., N,N-Dimethylacetamide: Criteria document for an occupational exposure limit, HMSO C20, 1992

[10] Malley et al., Fundam. Appl. Toxicol., 28, 80-93, 1995

[11] A Twenty-Four Month Oral Toxicity/Carcinogenicity Study in Rats of N,N-Dimethylacetamide administered in distilled water (Pathology report), 1990 (Studie durchgeführt von "Bio/dynamics Inc." für Monsanto)

[12] Horn H. J., Toxicol. Appl. Pharmacol., 3, 12-24, 1961

[13] DuPont: Letter to EPA: "For your information" submission; 2.10.1989

[14] Kennedy G.L. and Sherman H., Drug Chem. Toxicol., 9(2), 147-170, 1986

[15] Greim, H. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: N,N-Dimethylacetamid (Kapitel MAK-Werte und Schwangerschaft). WILEY-VCH, Weinheim 1990

[16] Giavini, E., Sullivan, F.M.: Review of the reproductive toxicity of N,N-dimethylacetamide. Unveröffentlichte Stellungnahme vom 27.11.1997

[17] TRGS 900. BArbBl. Nr. 10 (1996).

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