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Begründung zur Bewertung von Stoffen als sensibilisierend
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18. Zuckmückenhaltiger Staub

(BArbBl. 1/98 S. 56)



Vorkommen:

Chironomidae sind eine Familie nichtstechender Mücken (Ordnung: Diptera) mit weltweiter Verbreitung. Ihre Larven leben in sauerstoffarmen Gewässern und enthalten hochgradig polymorphe Hämoglobine für Sauerstoffspeicherung und -transport [15]. Kontakt besteht einerseits in wasserreichen Gebieten, in denen Chironomidae in großen Schwärmen auftreten (z.B. in Japan, Sudan, Wisconsin) [5, 6, 7, 9, 15, 16, 17, 18], andererseits im Rahmen der Verwendung und Verarbeitung der Mückenlarven als Fischfutter. Mückenlarven werden vor allem als Trockenfutter in der Fischzucht in Deutschland häufig verwendet, so daß Fischfutterfabrikarbeiter, Zoohändler und Hobbyaquarianer exponiert sind [11, 13].

Arbeitsmedizinische und experimentelle Daten:

Am besten untersucht ist die Art Chironomus thummi, die zwölf homologe Hämoglobine (Chi t 1-9) exprimiert. 1978 wurden die ersten zwei Fälle einer Allergie gegen Chironomus thununi beschrieben [3]. In weiteren Studien an insgesamt 2119 Personen (siehe Tabelle 1) zeigte sich, daß etwa 20 % der exponierten Personen von einer Typ-I-Sensibilisierung betroffen sind. In dem Kollektiv aus Deutschland, das auch beruflich exponierte Personen enthält, sind sogar 33 % sensibilisiert. Patienten mit einer durch Chi 1-9 induzierten Soforttypreaktion leiden überwiegend an Rhinitis und Konjunktivitis, aber auch an Bronchialasthma und Urtikaria. Dabei besteht eine enge Korrelation zwischen klinischen Symptomen, Haut-Prick-Tests und spezifischen IgE-Antikörpern (bestimmt mittels EAST oder RAST). Im bronchialen Provokationstest zeigte sich, dass weniger als 10 ng des Allergens bereits eine asthmatische Reaktion auslösen können [11]. Weiterhin ließ sich ein Dosis-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Expositionsstärke einerseits und spezifischem IgE und Symptomen andererseits nachweisen. Bei einem (geschätzten) Allergenkontakt von bis zu 5 mg/Monat zeigte sich ein Anteil von 18 % Sensibilisierter im Vergleich zu etwa 40 % Sensibilisierter bei höhergradigen Expositionen. Zu extrem hoher Exposition kommt es dabei vor allem im Rahmen beruflicher Tätigkeit (Fischfutterfabrik). Innerhalb der Erkrankten sind außerdem hohe IgE-Spiegel (>17,5 kU/I) überwiegend in den stärker exponierten Kollektiven festzustellen. Die Dauer der Exposition scheint dabei keine wesentliche Rolle zu spielen [12, 13].

Im Hinblick auf die Expositionsermittlung ist auch zu beachten, daß Studien mit 33 Chironomidenarten und Seren aus Europa, Japan und Amerika belegen, daß eine immunologische Kreuzreaktivität nahezu aller Familien besteht [8, 14].

Bewertung:

Zuckmücken-Hämoglobine stellen strukturell, immunologisch und klinisch sehr genau untersuchte Allergene dar. Zahlreiche Studien belegen, dass etwa 20 % der exponierten Personen sensibilisiert sind. Dies gilt sowohl für den Kontakt mit den Mücken als auch den Larven; letztere sind vor allem im beruflichen Bereich relevant. Für den Umgang mit Larven wurde festgestellt, dass eine Exposition gegenüber mehr als 5 mg des Allergens Chi t 1-9 pro Monat mit einem erhöhten Anteil Sensibilisierter sowie gravierenderen Symptomen (Asthma) einhergeht.

Literatur:

  1. Adachi, Y. et al.: Landesweite Intrakutan-Tests mit Zuckmückenextrakt bei Kindern mit Asthma bronchiale in Japan. Arerugi 1990; 39: 670-677
  2. Baur, X.; Liebers, V.: Insect hemoglobins (Chi t I) of the Diptera genus Chironomus are relevant environmental, occupational and hobby-related allergens. Int Arch Occ Environ Health 1992; 64: 185- 188
  3. Baur X, Ziegler: Detection of potent insect antigens for humans: Hemoglobins (erythrocruorin) of chironomids. Naturwissenschaften 1980; 67: 365-367
  4. Ferro, G.; Corbetta, L.; Mander, A.; Pesiri, P.; Gamba., E.: Sensitivityto chironomids in the lagoon of Venice. Allergy 1993; 48: 181
  5. Gad el Rab, M.; Kay, A. B.: Widespread imniunoglobulin E-mediatod hypersensitivity in the Sudan to the "green nimitti" midge, Cladotanytarsus lewisi (Diptera: Chironomidae). I. Diagnosis by radioallergosorbent test. J Allergy Clin Immunol 1980; 66: 190-197
  6. Ito, K.; Myamoto, T.; Shibuya, T.: Skin test and radioallergosorbent test with extracts of larval and adult asthmatic patients of the metropolitan area of Tokyo. Anti Allergy 1986; 57: 199-204
  7. Kagen, S.; Yunginger, J.; Johnson, R.: Lake fly allergy: Incidende of chironomid sensitivity in an atopic population. J Allergy Clin Immunol 1984; 73 (abstr): 187
  8. Kampen van, V.; Chen, Z.; Mazur, G.; Raulf, M.; Baur, X.: Epitop mapping of the insect allergen Chi t I component III with monoclonal antibodies. Mol Immunol 1994; 31;15:1133-1 140
  9. Kino, T.; Chihara, J.; Fukuda, K.; Sasaka, X.; Shogaki, Y.; Oshima, S.: Allergy to insects in Japan. High frequency of IgE antibody response to insects (moth, butserfly, caddis fly and chironomid) in patients with bronchial asthma and immunochemical quantitation of the insect-related airborne particles smaller than 10 um in diameter. J Allergy Clin Immunol 1987; 79:857-866
  10. Knüsel, J.; Wütherich, B.: Aquarium-Allergie: Fischfutter, auch ein häusliches Allergen. Schweiz med Wochenschr 1983; 113: 658-662
  11. Liebers, V.; Baer, X.: Chironomidae haemoglobin Chi t I - characterization of an important inhalant allergen. Clin Exp Allergy 1994; 24: 100-108
  12. Liebers, V.; Raulf-Heimsoth, M.; Hoemstein, M.; Czuppon, A.; Baur. X.: Allergien am Arbeitsplatz -Dosis-Wirkungsbeziehung der spez. IgE-Bildung und CD23-Expression. Dokumentationsband über die Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V., 33. Jahrestagung in Wiesbaden vom 10. bis 13. Mai 1993, Gentner Verlag Stuttgart; 62 1-624
  13. Liebers, V.; Homstein, M.; Baur, X.: Humoral immune response to the insect allergen Chi t I in aquarists and fish food factory workers. Allergy 1993; 48: 236-239
  14. Nagano, T.; Okano, M.; Ono, T.; Masuda, Y.: Analysis of antigenic determinants shared by two different allergens recognized by human T cells: house dust mite (Dermatophagoides pteronyssinus) and chironomid midge (Chironomus yoshimatsui). Allergy 1992; 47: 554-559
  15. Osmulski, P.; Leyko, W.: Structure, function and physiological role of Chironomus haemoglobin. Comp Biochem Physiol 1986; 85B: 701-722
  16. Sasa, M.: House dust mite and chironomid midges in Japan; in Myamoto T. ed.: Int Symp Mite and midge allergy. Tokyo 1988; 1-21
  17. Schou, C.; Enksson, N.; Löwenstein, H.: IgE-binding of Chironomid-allergic patients. Allergy Clin Immunol News, Suppl. 1991; Hogrete & Huber Publishers Toronto (abstr.)
  18. Tee, R.; Cranston, P.; Dewair, M.; et al.: Evidence for haemoglobins as common allergenic determinants in IgE mediated hypersensitivity to chironomids (non-biting midges). Clin Allergy 1985; 15: 335-343

Tabelle 1 Untersuchungen zur Sensibilisierung durch Chironomidae. Im Durchschnitt sind 20 % der exponierten Personen sensibilisiert. TOP

Autor   Untersuchungs-
gruppe(n)
(n)
LandChironomidae ArtExposition
gegenüber
Untersuchung mittels  
Prick-Test
(n)
IgE Antikörper Bestimmung (n)Sensi-
bilisierte
(n)
Knüset J. et al. (1983)[10]8ErwachseneDeutschlandC. thummniLarven848
Schau C. et al. (1991)[17]71ErwachseneSchwedenC. thummiMücken717155
Tee R.D. el al. (1985)[18]26ErwachseneSchwedenC. lewisi
C thummi
Mücken
.
26512
Adachi Y. et al. (1990)[1]718KinderJapanC. plumosusMücken7180200
Ferro G. et al. (1993)[4]680ErwachseneItalienC. salinariusLarven680036
Baur X. et al. (1992)[2]290ErwachseneDeutschlandC. thummiLarven9529095
Baur X. et al. (1992)[2]94erwachsene AtopikerItalienC. thummiMücken0949
Baur X. et al. (1992)[2]229erwachsene AtopikerJapanC. thumrniMücken022910
Baur X. et al. (1992)[2]3klinisch sensibilisierte ErwachseneWisconsinC. thummiMücken333
Gesamt 2119     1601
(75,5%)
696
(32,8%)
428
(20,2%)