Der Bundesrat hat in seiner 793. Sitzung am 7. November 2003 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Weiterentwicklung der tierschutzrechtlichen Anforderungen an den Transport von Wirbeltieren zu kommerziellen Zwecken auf der Ebene der Europäischen Union. Eine Zusammenfassung der bisher geltenden Richtlinien und Verordnungen zur Durchführung von Tiertransporten in nunmehr einer Verordnung kann zu mehr Transparenz und zu einer Vereinfachung der Durchführung beitragen. Die Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Überwachungserfahrungen ist sinnvoll.
Der Bundesrat hält insbesondere eine Harmonisierung der Regelungen zur Zulassung von Transportunternehmen und Transportfahrzeugen einschließlich Transportschiffen für den Transport landwirtschaftlicher Nutztiere, eine Verbesserung der Qualifikation der Personen, die mit Tieren umgehen, sowie eine Weiterentwicklung der Regelungen zur Durchführung von Tiertransporten für notwendig.
Er sieht jedoch mit großer Sorge, dass die von der EU vorgeschlagenen Vorschriften insgesamt noch nicht zu einer grundlegenden Verbesserung des Tierschutzes führen werden.
- 2. Er lehnt daher den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zum Schutz von Tieren beim Transport in der vorliegenden Fassung ab und bittet die Bundesregierung, weiterhin nachdrücklich auf eine Begrenzung der absoluten Transportdauer für Schlachttiere auf maximal acht Stunden und eine Streichung der Exporterstattungen hinzuwirken.
- 3. Auch wird eine Zunahme von Missständen für möglich gehalten, wenn für alle Tierarten und Altersgruppen bei Ferntransporten auf eine Entladung und Versorgung an zugelassenen Stationen verzichtet wird.
Der Verbleib der Tiere während der gesamten (verlängerten) Transportzeit im Fahrzeug kann nur dann toleriert werden, wenn sichergestellt wird, dass tatsächlich alle Tiere in einem Fahrzeug Futter und Wasser aufnehmen und in den Standzeiten ruhen können. Ebenso muss gewährleistet sein, dass die hygienischen und klimatischen Mindestanforderungen über die gesamte Dauer eines Ferntransports eingehalten werden können.
- 4. Vor allem die nach dem Verordnungsvorschlag vorgesehenen Ruhepausen nach neun Stunden Fahrtzeit werden die Gesamttransportdauer erheblich verlängern und stehen somit dem Ziel der Verordnung, die Tiere möglichst schnell an ihren Bestimmungsort zu bringen, entgegen. Dabei ist unklar, wie Einstreu und Ausscheidungen der Tiere auf Langstreckentransporten entsorgt werden sollen.
- 5. Eine ausreichende Kontrolle der Tiere während der Pausen muss sichergestellt sein.
- 6. Nach Auffassung des Bundesrates unterstreichen die Schwierigkeiten einer wirksamen Überwachung von Tiertransporten, insbesondere bei grenzüberschreitenden Ferntransporten, die Notwendigkeit, Alternativen zur gegenwärtigen Praxis zu suchen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass die Ressourcen der Mitgliedstaaten vornehmlich dafür verwendet werden, Anreize für eine Umstellung der Transporte lebender Schlachttiere auf Transporte von Fleisch geschlachteter Tiere zu schaffen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darüber hinaus, bei den weiteren Beratungen dafür Sorge zu tragen, dass die Anforderungen der Tierschutztransportverordnung nicht unterschritten werden.
Dieses gilt insbesondere hinsichtlich
- - der Anforderungen an die Zulassung von Transportunternehmen für Kurzstreckentransporte,
- - der Mindesthöhe für Transportbehältnisse für Geflügel sowie der Flächenvorgaben für diese Tiere,
- - des Sachkundenachweises für alle Fahrer von Tiertransportfahrzeugen,
- - der Festlegung von Kriterien für die Transportfähigkeit von Tieren, insbesondere auch von jungen Säugetieren,
- - der Ausweitung des Geltungsbereichs und
- - der Verantwortlichkeit des Transporteurs bis zur ersten Entladung im Drittland.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Überarbeitung mindestens in folgenden Punkten hinzuwirken:
- 7. Unbestritten ist, dass die Belastung der Tiere von der Transportdauer abhängig ist. Durch die vorgesehene Änderung würde es jedoch nicht zu einer Verkürzung, sondern im Einzelfall zu einer wesentlichen Verlängerung der tatsächlichen Transportzeiten kommen, wobei nach oben keine Grenze mehr gesetzt ist. Die Versorgungsintervalle insbesondere bei Straßentransporten sind daher nochmals zu überprüfen.
- 8. Bei Kälber- und gegebenenfalls Schaftransporten dürfte die Sicherstellung der Versorgung eines jeden Einzeltiers auf dem Transportfahrzeug kaum möglich sein. Beim Transport laktierender Rinder ist eine Entladung zum Melken der Tiere erforderlich. Für diese Transporte sind weiterhin Entladungen an geeigneten und zugelassenen Aufenthaltsorten vorzusehen.
- 9. Die Anforderungen an die Ausstattung der Fahrzeuge, auf denen die Tiere während der Ruhephasen verbleiben können, müssen so festgelegt werden, dass tierische Abgänge aufgefangen und den Tieren eine trockene Einstreu während der gesamten Transportdauer zur Verfügung steht. Auch muss sichergestellt sein dass jederzeit eine direkte Zugangsmöglichkeit zu den Tieren gegeben ist.
- 10. Es sind seuchen- und tierschutzrelevante Mindestanforderungen für die Orte festzulegen an denen die Fahrzeuge die 12-stündige Ruhepause durchführen und gegebenenfalls Futter und Wasser nachladen können. Mindestens müssen an diesen Orten Entlademöglichkeiten vorhanden sein, um eventuell während des Transports erkrankte oder verletzte Tiere angemessen versorgen zu können.
- 11. Es ist eindeutig festzulegen, dass der Transport unmittelbar nach der Verladung beginnen muss und die Tiere unabhängig von der Transportdauer am Bestimmungsort unverzüglich zu entladen sind. Dieses gilt insbesondere für Schlachttiertransporte.
- 12. Bei Tiertransporten aus Drittländern ist vorzusehen, dass diese ab dem Versandort im Drittland nachweislich entsprechend den Bestimmungen der Verordnung transportiert wurden.
- 13. Bei der Verladung auf Schiffe aus Drittländern ist vorzusehen, dass diese mindestens den Standards der in der EU zugelassenen Schiffe entsprechen.
- 14. Die Zulassung muss auch für Eisenbahnwaggons eingeführt werden.
- 15. Die vorgeschriebenen Zulassungs- und Meldeverfahren sind ebenso wie die Überwachungs- und Kontrollaufgaben auf ihre Praktikabilität zu überprüfen und möglichst zu vereinfachen. Durch den Wegfall geregelter veterinärbehördlicher Kontrollen der Tiere vor und während des Transports, die vorgesehene Übertragung von Kontrollaufgaben auf den Tierhalter, der unter anderem bescheinigen soll, dass andere Rechtsunterworfene (die Transporteure) die Vorschriften der Verordnung eingehalten haben sowie auf Grund fehlender Präsenz der Kontrollbehörden vor Ort kann eine Zunahme tierschutzrelevanter Vorfälle nicht ausgeschlossen werden.
- 16. Der Verordnungsinhalt ist mit den tierseuchenrechtlichen und einfuhrrechtlichen Vorgaben abzugleichen. So ist z.B. zu prüfen, ob die zwingend vorgesehene Entladung im Rahmen der Einfuhruntersuchung beibehalten werden muss.
- 17. Der Verordnungsinhalt ist so abzufassen, dass praxisgerechte Regelungen getroffen werden, die einem effektiven und effizienten Vollzug Rechnung tragen. Regelungen, die zu einer weiteren Bürokratisierung führen, sind abzulehnen, es sei denn, sie wären für das Wohlergehen der Tiere zwingend erforderlich. Insbesondere sind konkrete Bestimmungen zur Realisierung einer effektiven Plausibilitätskontrolle bei der Transportroutenplanung, zum Austausch von Daten zwischen den Überwachungsbehörden und zu den "Leitlinien für die Gute Praxis von Transporten" aufzunehmen.
- 18. Die vorgesehenen Übergangsfristen sind zu verlängern, da derzeit nur teilweise geeignete technische Lösungen zur Verfügung stehen, um die Anforderungen der Verordnung zu erfüllen.
- 19. Die Bundesregierung wird gebeten, zur Deregulierung und Entbürokratisierung beizutragen und eine weitestgehende Konzentration der unterschiedlichen Genehmigungs- bzw. Erlaubniserfordernisse für die Durchführung von Tiertransporten herbeizuführen.
Begründung
Tiertransportunternehmer, zumal diejenigen, die zugleich Viehhandelsunternehmer sind benötigen für die Durchführung gewerbsmäßiger Tiertransporte eine Vielzahl von Genehmigungen und Bescheinigungen.
Zur allgemeinen Erlaubnis für den gewerblichen Güterkraftverkehr nach § 3 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKV) treten die Erlaubnisse nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b Tierschutzgesetz, § 11 Tierschutztransportverordnung, §§ 15a und 15b Viehverkehrsverordnung und - wenn es sich um innergemeinschaftliches Verbringen bestimmter Tiere handelt - nach § 9 Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung hinzu. Ferner benötigt der Unternehmer eine Sachkundebescheinigung nach § 13 Tierschutztransportverordnung und gegebenenfalls die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Bescheinigungen für das innergemeinschaftliche Verbringen bestimmter Tierarten nach § 8 Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung.
Um den Verwaltungsaufwand der Unternehmer für mehr unternehmerische Handlungsfreiheit zu reduzieren und gleichzeitig Mehrfachprüfungen der Behörden zu vermeiden, erscheint es geboten, die zahlreichen Genehmigungstatbestände aufeinander abzustimmen und soweit möglich zu konzentrieren.
Insbesondere ist zu prüfen, ob § 15b Viehverkehrsverordnung mit den §§ 11 und 13 Tierschutztransportverordnung sowie § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b Tierschutzgesetz mit § 15a Viehverkehrsverordnung abgeglichen werden kann. Da mehrere der Genehmigungstatbestände - ausgehend vom jeweiligen Normzweck - auf Zuverlässigkeit, fachliche Eignung und geeignete Einrichtungen abstellen, ist von weiterem Konzentrationspotenzial auszugehen.
Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, dieses auszuschöpfen.