2. Im Übrigen nimmt der Bundesrat im Folgenden nur hilfsweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu einzelnen Bestimmungen Stellung:
- - Es fehlt in der vorgeschlagenen Richtlinie eine unmissverständliche Aussage, dass kein Rechtsanspruch der Drittstaatsangehörigen auf Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis geschaffen wird.
- - Der Arbeitnehmerbegriff der vorgeschlagenen Richtlinie und der daraus folgende in Artikel 3 niedergelegte Geltungsbereich sind zu weit gefasst:
Arbeitnehmer im Sinne der vorgeschlagenen Richtlinie sind demnach nicht nur Drittstaatsangehörige, die zum Zwecke der (abhängigen) Beschäftigung eingereist sind, sondern ausweislich der Erläuterungen der Kommission (S. 9 f.) "auch Personen, die ursprünglich für andere Zwecke zugelassen wurden und auf Grundlage gemeinschaftlicher oder nationaler Bestimmungen ebenfalls Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten haben (wie Familienangehörige, Flüchtlinge, Studenten, Forscher)". Ebenfalls, wenn auch nicht explizit von der Kommission angeführt, könnten nach der vorgeschlagenen Definition auch Selbständige als Arbeitnehmer gelten und unter den Geltungsbereich der Richtlinie fallen. Auch dürften Personen mit erfasst sein, deren beschäftigungsbezogener Aufenthalt, wie etwa bei Au pair, nur relativ kurz angelegt ist, sie aber nicht den Saisonarbeitnehmern zuzurechnen sind.
Dieser ausufernde und unscharfe Arbeitnehmerbegriff steht nicht nur im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH (zum Beispiel hinsichtlich Studenten und Selbständigen). Er regelt damit zumindest auch implizit den Arbeitsmarktzugang von allen zu verschiedenen Zwecken in einem Mitgliedstaat aufhältigen Drittstaatsangehörigen im nationalen Recht und modifiziert damit die nationalen Vorschriften. Die Regelungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt unterfallen aber wie festgestellt der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Dies wird auch hier nicht ausreichend beachtet.
- - Durch eine neue Kategorie von "Arbeitnehmern aus Drittstaaten" würden die von dem Richtlinienvorschlag mit erfassten Gruppen der Familienangehörigen, Flüchtlinge, Studenten und Forscher ebenfalls als Arbeitsmigranten dargestellt werden können. Dies entspricht weder der politischrechtlichen Konzeption des Zuwanderungsrechts in Deutschland noch den bisherigen europäischen Vorstellungen.
- - Der Bundesrat hält die in Artikel 5 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags enthaltene Vorgabe einer zu kurzen Bearbeitungsfrist für nicht sachgerecht und bittet um einen angemessenen Zeitraum von mindestens zwei Monaten. Er weist darauf hin, dass sich aus dieser Bestimmung keinesfalls Genehmigungsfiktionen oder Schadensersatzansprüche zu Lasten des Staates ergeben dürfen.
- - Der Bundesrat geht davon aus, dass die in Artikel 8 des Richtlinienvorschlags festgelegten Verpflichtungen keine Abweichungen vom innerdeutschen Rechtsbehelfsverfahren nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen (insbesondere auch zur Bestandskraft von Verwaltungsakten) und der VwGO zur Folge haben und daher insoweit keine Änderungen dieser Bestimmungen veranlasst sind. Er bittet die Bundesregierung, dies in geeigneter Weise sicherzustellen.
- - Es fehlt eine Klarstellung, dass jedwede Beschränkungen oder Befristungen einer beruflichen Tätigkeit entsprechend den nationalen Bestimmungen möglich bleiben. Unklar ist auch, wie weit der Begriff der "genehmigten Tätigkeiten", auf deren Ausübung nach Artikel 11 Buchstabe d ein Recht bestehen soll, reicht.
- - Auch das in Artikel 11 Buchstabe a unbeschränkt enthaltene Recht auf Wiedereinreise in den betreffenden Mitgliedstaat ist als nicht gebotene Gleichstellung mit den Rechten der Daueraufenthaltsberechtigten viel zu weitgehend.
3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für die Streichung des Bezugs auf die Richtlinie 2005/36/EG - etwa in Erwägungsgrund 15 in Verbindung mit Artikel 12 Abs. 1 Buchstabe d der Drittstaaten-Richtlinie - einzusetzen. Die Richtlinie 2005/36/EG zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen kann nicht für Drittstaatsangehörige in der gleichen Weise wie für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats zur Anwendung kommen.
Die Anerkennung akademischer Grade von Drittstaatsangehörigen liegt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bzw. ist Gegenstand bilateraler und multilateraler Abkommen außerhalb der EU-Zuständigkeit. Qualifikationen, die ein Drittstaatsangehöriger in einem EU-Mitgliedstaat erworben hat, können auch schon heute nach den jeweils einschlägigen nationalen Regelungen anerkannt werden. Die Anerkennung von Qualifikationen, die ein Drittstaatsangehöriger in einem Drittstaat erworben hat, sollte daher zunächst in nationaler Zuständigkeit verbleiben.
Die vorgesehene umfangreiche Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/36/EG würde zudem gegen das dort verfasste Prinzip der Gegenseitigkeit verstoßen. Grundlage der EU-Anerkennungsrichtlinie ist das gegenseitige Vertrauen darin, dass berufliche Qualifikationen in den EU-Staaten in der Regel auf einem gleichwertigen Niveau erworben werden. Für Unterschiede sieht die Richtlinie 2005/36/EG in Artikel 14 "Ausgleichsmaßnahmen" vor, die in diesem Umfang finanziell und kapazitätsmäßig von den Mitgliedstaaten für Drittstaatsangehörige nicht angeboten werden können.
Letztlich ist zu beachten, dass der Termin für die Umsetzung der Richtlinie der 20. Oktober 2007 war und derzeit einige Mitgliedstaaten noch dabei sind, diese in nationales Recht umzusetzen (vgl. Artikel 63). Die Mitgliedstaaten, insbesondere die zwölf neu beigetretenen, verfügen noch über keinerlei Erfahrungen mit der umfangreichen Anerkennungsrichtlinie 2005/36/EG. Erweitert man deren Anwendungsbereich nun vorzeitig, müssten die Mitgliedstaaten diese umgehend erneut in nationales Recht umsetzen.
Bei einer globalen Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/36/EG auf Drittstaatsangehörige wird nicht zuletzt auch das Risiko für den Endverbraucher hinsichtlich Gesundheit und Sicherheit verstärkt. Dies ist bereits jetzt ein Schwachpunkt der Richtlinie 2005/36/EG.