3. Der Bundesrat hat indessen erhebliche Bedenken hinsichtlich der in Titel III in Verbindung mit Titel I vorgesehenen Bestimmungen über Transparenz- und Informationsanforderungen und hinsichtlich der in Titel IV in Verbindung mit Titel I enthaltenen Vorschriften zu Rechten und Pflichten der Nutzer und Anbieter von Zahlungsdienstleistungen, soweit diese neben dem grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr auch rein innerstaatliche Zahlungsvorgänge umfassen.
Wie der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zu dem Konsultationspapier, welches dem Richtlinienvorschlag zu Grunde liegt, ausgeführt hat - BR-Drucksache 950/03(Beschluss) vom 13. Februar 2004 -, können diese Bestimmungen allenfalls auf Artikel 95 EGV gestützt werden. Danach kann der Rat Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erlassen, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben. Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH darf diese Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden, dass sie dem Gemeinschaftsgesetzgeber eine allgemeine Kompetenz zur Regelung des Binnenmarkts gewährt. Vielmehr muss ein auf der genannten Rechtsgrundlage erlassener Rechtsakt tatsächlich den Zweck haben, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern, wofür die bloße Feststellung von Unterschieden zwischen den Rechtsordnungen nicht genügt (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2000 - Deutschland ./. Parlament und Rat Tabakwerberichtlinie - Rs. C-376/98, Slg. 2000, I-8419, Rnr. 83 f.; Urteil vom 10. Dezember 2002 - British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco - Rs. C-491/01, 2002, I-11355, Rnr. 60 ff.). Dabei ist zu prüfen, ob die Maßnahme tatsächlich zur Beseitigung von Hemmnissen des freien Warenverkehrs und der Dienstleistungsfreiheit oder aber von Wettbewerbsverzerrungen beiträgt (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2000, a.a.O., Rnr. 95, Urteil vom 10. Dezember 2002, a.a.O., Rnr. 60).
Die Regelung rein nationaler Zahlungsvorgänge kann naturgemäß nicht zu einer Beseitigung von Hemmnissen für den freien - grenzüberschreitenden - Kapitalverkehr führen, so dass insoweit Artikel 95 EGV keine ausreichende Stütze für die Richtlinie darstellt. Die Kommission legt im Anschluss an die Konsultation lediglich Erkenntnisse vor, die dafür sprechen, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der Zahlungsverkehrssysteme in den Mitgliedstaaten zu erheblichen Kosten und Hindernissen für grenzüberschreitende Zahlungen und den grenzüberschreitenden Zugang zu Zahlungsdiensten führt. Dies mag zu einer ausreichenden Kompetenz für eine Harmonisierung der - zahlenmäßig bei weitem geringeren - grenzüberschreitenden Zahlungen führen, rechtfertigt aber keine Regelung rein nationaler Vorgänge. Zwar dürfte vieles dafür sprechen, ein für grenzüberschreitende Zahlungsdienste und Zahlungen geltendes System, soweit es sich bewährt, gegebenenfalls in modifizierter Form für den nationalen Zahlungsverkehr zu übernehmen, um die Geltung unterschiedlicher Zahlungssysteme für ein und dasselbe Untenehmen zu vermeiden. Es ist aber nicht ersichtlich, weshalb die Entscheidung hierüber nicht den Mitgliedstaaten überlassen werden könnte.
Kompetenzrechtliche Bedenken bestehen insbesondere auch gegen die in Artikel 2 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Erstreckung des Anwendungsbereichs auf Zahlungsvorgänge, bei denen einer oder mehrere Dienstleister ihren Sitz außerhalb der Gemeinschaft haben. Damit werden mittelbar Drittstaatsangehörige in den Anwendungsbereich der auf Grund der Richtlinie von den Mitgliedstaaten zu treffenden Regelungen einbezogen, so dass der räumliche Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts überschritten sein dürfte.
Soweit in Artikel 75 Regelungen über die außergerichtliche Streitbeilegung beabsichtigt sind, könnte nur Artikel 65 EGV als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Der allenfalls in Betracht kommende Kompetenztitel des Artikels 65 Buchstabe c EGV bezieht sich indessen nur auf gerichtliche Verfahren. Dass die außergerichtliche Streitbeilegung nicht der Regelungskompetenz der EG unterliegt, erkennt im Übrigen auch der Vertrag über eine Verfassung für Europa an; in dessen Artikel III-269 Abs. 2 Buchstabe g soll erst eine derartige Grundlage geschaffen werden.
Soweit rein innerstaatliche Zahlungsvorgänge geregelt werden sollen, bestehen auch unter den Gesichtspunkten von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit (Artikel 5 Abs. 2 und 3 EGV) nicht unerhebliche Bedenken gegen den Vorschlag. Die Kommission konstatiert in der dem Vorschlag zu Grunde liegenden Mitteilung "Ein neuer Rechtsrahmen für den Zahlungsverkehr im Binnenmarkt" (BR-Drucksache 950/03 (PDF) S. 5) selbst, dass die Mitgliedstaaten über effiziente Zahlungssysteme und -instrumente verfügen und der Zahlungsverkehr auf einzelstaatlicher Ebene rasch, sicher und kostengünstig abgewickelt werde. Dass sich an dieser Erkenntnis im Rahmen der Konsultation etwas geändert hätte, ist nicht ersichtlich. Es ist daher nicht erkennbar, weshalb insoweit ein Bedürfnis für eine Regelung auf Gemeinschaftsebene bestehen sollte.
Auch die vorgesehene Regelung über die außergerichtliche Streitbeilegung dürfte nicht mit dem Subsidiaritäts- und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar sein, soweit sie rein innerstaatliche Sachverhalte betrifft. Ob und inwieweit Mechanismen der außergerichtlichen Streitbeilegung für Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem innerstaatlichen Zahlungsverkehr erforderlich sind, hängt in weitem Umfang von der Ausgestaltung des jeweiligen gerichtlichen Systems ab und sollte daher den Mitgliedstaaten überlassen bleiben.