Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung haftungsrechtlicher Vorschriften des Atomgesetzes und zur Änderung sonstiger Rechtsvorschriften

A. Zielsetzung

B. Lösung

Zu Artikel 1 und 2

Zu Artikel 3 und 4

C. Alternativen

D. Kosten der öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung haftungsrechtlicher Vorschriften des Atomgesetzes und zur Änderung sonstiger Rechtsvorschriften

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 14. März 2008
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 25.04.08

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung haftungsrechtlicher Vorschriften des Atomgesetzes und zur Änderung sonstiger Rechtsvorschriften

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Atomgesetzes

Das Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), das zuletzt durch Artikel 9 Abs. 11 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Strahlenschutzverordnung

Artikel 3
Änderung des Verwaltungskostengesetzes

In § 8 Abs. 4 des Verwaltungskostengesetzes vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821), das zuletzt geändert worden ist durch Artikel 4 Abs. 9 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), wird nach Nummer 7 der Punkt durch ein Komma ersetzt und folgende Nummer 8 angefügt:

Artikel 4
Änderung der Kostenverordnung zum Atomgesetz

Die Kostenverordnung zum Atomgesetz vom 17. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1457), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3463), wird wie folgt geändert:

Artikel 5
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeines

I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt

Der Gesetzentwurf enthält folgende Artikel:

Zu Artikel 1

Artikel 1 enthält im Wesentlichen Änderungen und Ergänzungen des Atomgesetzes, die infolge der Ratifizierung folgender Protokolle notwendig werden:

1. Grundsätze der Haftungsübereinkommen und wesentliche Inhalte der Änderungsprotokolle

Anfang 1998 nahmen die damals 14 Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens im Rahmen einer bei der Kernenergie-Agentur der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eingerichteten Adhoc-Arbeitsgruppe die Arbeiten zur Revision des Übereinkommens auf mit dem Ziel, den Schutz von Opfern nuklearer Unfälle zu verbessern. Zudem wurde eine Anpassung an das Wiener Übereinkommen vom 21. Mai 1963 über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden (BGBl. 2001 II S. 202, 207) in der durch das Protokoll vom 12. September 1997 geänderten Fassung notwendig. Auswirkungen dieser Änderungen sind auf diejenigen Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens zu erwarten, die wie Deutschland gleichzeitig auch Vertragsstaaten des Gemeinsamen Protokolls vom 21. September 1988 über die Anwendung des Wiener Übereinkommens und des Pariser Übereinkommens (BGBl. 2001 II S. 202, 203) sind, denn nach der Rechtslage des Gemeinsamen Protokolls erstrecken sich die Vorteile des einen Übereinkommens jeweils auch auf Geschädigte in Vertragsstaaten des anderen Übereinkommens. 1999 beschlossen die damals elf Vertragsstaaten des Brüsseler Zusatzübereinkommens die Revision auch dieses Übereinkommens mit dem Ziel, die Beträge, die zum Ersatz von nuklearen Schäden zur Verfügung stehen, wesentlich zu erhöhen.

Die Vertragsstaaten unterzeichneten die Änderungsprotokolle zum Pariser Übereinkommen und zum Brüsseler Zusatzübereinkommen auf einer Diplomatischen Konferenz am 12. Februar 2004 in Paris.

Pariser Übereinkommen

Das Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 wurde zuletzt durch das Protokoll vom 16. November 1982 geändert (BGBl. 1976 II S. 310, 311; 1985 II S. 690). Das Übereinkommen enthält materiellrechtliche Regeln über die zivilrechtliche Haftung des Inhabers einer Kernanlage für Schäden, die durch ein nukleares Ereignis verursacht werden. Es wurde mit unmittelbarer Geltung in das deutsche Recht übernommen; in Ergänzung hierzu gelten die §§ 25 ff. des Atomgesetzes.

Dem Pariser Übereinkommen liegen folgende Haftungsgrundsätze zugrunde:

Das Änderungsprotokoll zum Pariser Übereinkommen enthält folgende wesentliche Neuregelungen:

Brüsseler Zusatzübereinkommen

Das Brüsseler Zusatzübereinkommen vom 31. Januar 1963 wurde ebenfalls zuletzt durch das Protokoll vom 16. November 1982 geändert (BGBl. 1976 II S. 310, 318; 1985 II S. 690). Es ist akzessorisch zum Pariser Übereinkommen, d. h. nur ein Vertragsstaat des Pariser Übereinkommens kann auch Vertragsstaat des Zusatzübereinkommens werden. Das Übereinkommen ergänzt das Pariser Übereinkommen durch die Bereitstellung weiterer finanzieller Mittel zur Erhöhung der Entschädigungssummen über den Betrag hinaus, den der haftpflichtige Inhaber einer Kernanlage nach dem Pariser Übereinkommen erbringen muss. Diese zusätzlichen Entschädigungsleistungen stehen nur Geschädigten der Vertragsstaaten des Brüsseler Zusatzübereinkommens zur Verfügung.

Das Brüsseler Zusatzübereinkommen sieht ein dreistufiges Entschädigungssystem vor:

2. Regelungsgegenstand des Gesetzentwurfs

Durch das Änderungsprotokoll ist insbesondere veranlasst:

Unabhängig vom Änderungsprotokoll werden folgende Änderungen vorgenommen:

Die neuen Mindestdeckungssummen des revidierten Pariser Übereinkommens erfordern auch eine Anpassung der Vorschriften für die Ermittlung der Deckungssummen in der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung. Die notwendigen Änderungen werden in einem eigenständigen Rechtsetzungsverfahren vorgenommen.

Zu Artikel 2

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Änderung des § 25 Abs. 5 des Atomgesetzes und zur Aufhebung der Anlage 2 zum Atomgesetz.

Zu Artikel 3 und 4

Mit den Änderungen des Verwaltungskostengesetzes und der Kostenverordnung zum Atomgesetz soll das Bundesamt für Strahlenschutz in die Lage versetzt werden, u. a. Kosten, die durch die Übernahme zusätzlicher Aufgaben infolge der Neufassung der Strahlenschutzverordnung im Jahre 2001 und der Änderung von Vorschriften der Röntgenverordnung im Jahre 2002 entstehen, über die Erhebung von Gebühren vollständig zu refinanzieren.

Zu Artikel 5

Artikel 5 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

II. Bundesgesetzliche Regelung

Die Zuständigkeit für die mit dem Gesetz beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Atomgesetzes und der Strahlenschutzverordnung (Artikel 1 und 2) ergibt sich aus der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe nach Artikel 73 Abs. 1 Nr. 14 des Grundgesetzes.

Die Gesetzgebungskompetenz für die vorgesehene Änderung des Verwaltungskostengesetzes und die Folgeänderungen in der Kostenverordnung zum Atomgesetz (Artikel 3 und 4) liegt beim Bund. Hinsichtlich der Materien, für die der Bund die Sachkompetenz hat (hier nach Artikel 73 Abs. 1 Nr. 14 des Grundgesetzes), folgt die Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsverfahrens als Annex. Die Kompetenz zum Erlass von Gebührenvorschriften folgt der Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsverfahrens.

III. Gesetzesfolgen

1. Finanzielle Auswirkungen

Kosten der öffentlichen Haushalte

Die im Änderungsprotokoll zum Pariser Übereinkommen vorgesehene Erhöhung der Haftung des Inhabers einer Kernanlage auf einen Mindestbetrag von 700 Millionen Euro hat zur Folge, dass auch deutsche Opfer künftig höhere Schadenssummen vom Anlageninhaber eines anderen Vertragsstaates im Falle eines dort eingetretenen nuklearen Ereignisses erhalten. Dies führt gleichzeitig dazu, dass Bundesmittel nach § 38 Abs. 1 des Atomgesetzes (Ausgleich durch den Bund) zu einem geringeren Teil oder gar nicht in Anspruch genommen werden müssen.

Den öffentlichen Haushalten werden durch die Änderung des Verwaltungskostengesetzes und der Kostenverordnung zum Atomgesetz Kosten entstehen, soweit bestimmte Rechtsträger im Sinne des § 8 Abs. 1 des Verwaltungskostengesetzes (z.B. öffentlichrechtlich organisierte Universitäten) Antragsteller in Genehmigungsverfahren nach § 23 der Strahlenschutzverordnung oder nach § 28a der Röntgenverordnung sind. Für die Genehmigung der Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung - einschließlich Röntgenstrahlung - am Menschen in der medizinischen Forschung sind im Jahr 2006 Kostenbescheide mit einem Volumen von ca. 137 000 Euro erlassen worden. Hätte das Bundesamt für Strahlenschutz für alle Verfahren Gebühren erheben können, wären Einnahmen in Höhe von ca. 474 000 Euro erzielt worden (entgangene Einnahmen ca. 337 000 Euro). Im Jahr 2007 wurden 275 Neu- und Änderungsgenehmigungen erteilt. Die Einnahmen betrugen ca. 145 000 Euro; bei vollständiger Refinanzierung hätten die Einnahmen bei ca. 480 000 Euro gelegen (entgangene Einnahmen ca. 335 000 Euro). Mittelfristig sind etwa 300 Verfahren pro Jahr mit einem Kostenvolumen von insgesamt ca. 510 000 Euro zu erwarten.

Bürokratiekosten

Für Wirtschaft, Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürger werden keine Informationspflichten geändert neu eingeführt oder aufgehoben.

Sonstige Kosten

Durch die Anhebung der Haftung des Inhabers einer Kernanlage auf einen Mindestbetrag von 700 Millionen Euro und durch die Erweiterung des territorialen Anwendungsbereichs des Pariser Übereinkommens wird die inländische Wirtschaft nicht mit Kosten belastet. Nach dem Atomgesetz haftet der Inhaber einer Kernanlage bereits heute ohne summenmäßige und territoriale Begrenzung.

Die neuen Mindestdeckungssummen für Beförderungen (80 Millionen Euro) und für Anlagen mit geringem Risiko (70 Millionen Euro) gehen teilweise über das geltende deutsche Recht hinaus. Durch eine eventuell hierdurch verursachte Anhebung von Versicherungsprämien können Anlageninhabern und Beförderern höhere Kosten entstehen die nicht bezifferbar sind. Diesen Kosten steht jedoch ggf. eine ebenfalls nicht bezifferbare Kostenersparnis gegenüber, die sich aus der im Verordnungswege beabsichtigten Angleichung der Haftungs- und Deckungsfreigrenzen an die Entscheidung des Direktionsausschusses vom 18. Oktober 2007 ergeben könnte.

Gemeinnützig anerkannten Forschungseinrichtungen werden durch die Änderung des Verwaltungskostengesetzes und der Kostenverordnung zum Atomgesetz Kosten entstehen soweit sie Antragsteller in Genehmigungsverfahren nach § 23 der Strahlenschutzverordnung oder nach § 28a der Röntgenverordnung sind (siehe Ausführungen unter D).

Auswirkungen auf Einzelpreise und auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

2. Gleichstellungspolitische Auswirkungen

Die gleichstellungspolitischen Auswirkungen wurden gemäß § 2 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes und gemäß § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien anhand der Arbeitshilfe "Gender Mainstreaming bei der Vorbereitung von Rechtsvorschriften" untersucht. Die Prüfung ergab, dass Frauen und Männer weder unmittelbar noch mittelbar unterschiedlich von dem Gesetzentwurf betroffen sind.

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung des Atomgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 2)

Zu Buchstabe a

Die neue Formulierung in Absatz 4 Satz 1 stellt klar, dass, soweit eine Haftung nach dem Pariser Übereinkommen in Verbindung mit dem Atomgesetz in Betracht kommt, für die Anwendung der Vorschriften über die Haftung und Deckung die Begriffsbestimmungen in Artikel 1 Abs. a des Pariser Übereinkommens maßgeblich sind und keine eigenen Definitionen in das Atomgesetz eingeführt werden. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage, die allerdings in der alten Formulierung des Absatzes 4 in Verbindung mit der Anlage 1 zum Atomgesetz nicht deutlich zum Ausdruck kam. Als Folge der ausdrücklichen Verweisung auf die Begriffsbestimmungen des Pariser Übereinkommens kann Absatz 1 der Anlage 1 zum Atomgesetz entfallen.

Die Aufnahme des Begriffs "nuklearer Schaden" in Absatz 4 Satz 1 ist Folge der Einführung dieser Begriffsbestimmung in das Pariser Übereinkommen:

Bisher sah das Pariser Übereinkommen eine Haftung des Inhabers einer Kernanlage für Personenschäden und Schäden an oder Verlust von Vermögenswerten vor. Nach herrschender Meinung umfasst der Begriff "Schaden an oder Verlust von Vermögenswerten" alle Rechtsgüter, die auch nach § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geschützt sind. Dieser Haftungsumfang wird durch den neuen Schadensbegriff im Pariser Übereinkommen nicht geändert. Der neue Schadensbegriff umfasst folgende zusätzliche Tatbestände, die ebenfalls vor dem Hintergrund des Pariser Übereinkommens auszulegen sind:

Der Begriffskatalog wird ferner - ohne inhaltliche Änderung der bisherigen Rechtslage - ergänzt um die Begriffe "Kernbrennstoffe" und "radioaktive Erzeugnisse oder Abfälle", die bislang nur in Absatz 1 Nr. 3 und 4 der Anlage 1 zum Atomgesetz genannt waren.

Artikel 1 Abs. a Ziffer ii des Pariser Übereinkommens bezieht in die Definition des Begriffs "Kernanlage" auch Anlagen ein, die Kernbrennstoffe oder radioaktive Erzeugnisse oder Abfälle enthalten und die vom Direktionsausschuss jeweils bestimmt werden. Eine vergleichbare Regelung enthält Ziffer iii für die Definition "Kernbrennstoffe".

Absatz 4 Satz 2 stellt sicher, dass solche vom Direktionsausschuss bestimmten Anlagen oder Materialien nicht bereits durch die bloße Verweisung in Satz 1 auf die entsprechenden Definitionen des Pariser Übereinkommens Eingang in das Atomgesetz finden, sondern dass hierzu eine ausdrückliche Übernahme durch Gesetz oder Verordnung erforderlich ist.

Artikel 1 Abs. a Ziffer ii des Pariser Übereinkommens ermächtigt die Vertragsparteien zu bestimmen, dass zwei oder mehr Kernanlagen eines Inhabers, die sich auf demselben Gelände befinden, zusammen mit anderen Anlagen auf diesem Gelände, die Kernbrennstoffe oder radioaktive Erzeugnisse oder Abfälle enthalten, als eine Kernanlage behandelt werden. Eine solche Regelung enthielt Absatz 1 Nr. 2 letzter Halbsatz der Anlage 1 zum Atomgesetz. Da die Anlage 1 zum Atomgesetz nunmehr entfällt, wird die Regelung dem Absatz 4 - sprachlich modifiziert - als neuer Satz 3 angefügt.

Der im bisherigen Absatz 4 enthaltene Begriff "Sonderziehungsrechte" fällt fort, da das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds als bisherige Währungseinheit für Entschädigungsleistungen nach dem Pariser Übereinkommen und dem Brüsseler Zusatzübereinkommen durch die Währung Euro abgelöst wurde. Aus diesem Grund kann auch Absatz 2 der Anlage 1 zum Atomgesetz entfallen.

Zu Buchstabe b

Alle Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens und des Brüsseler Zusatzübereinkommens, jeweils in der Fassung der Änderungen von 1964 und 1982, haben die Änderungsprotokolle am 12. Februar 2004 unterzeichnet. Auch die Schweizerische Eidgenossenschaft, die den Übereinkommen bisher nicht angehörte, hat die Protokolle an diesem Tag unterzeichnet. Zum völkerrechtlichen Inkrafttreten bedürfen die Änderungsprotokolle der Ratifizierung; die Angabe der Fundstelle weist auf die Veröffentlichung des deutschen Vertragsgesetzes im Bundesgesetzblatt Teil II hin.

Zu Nummer 2 (§ 4)

Zu Buchstabe a

Gemäß Absatz 3 bisheriger Fassung bedurfte es keiner Deckungsvorsorge, wenn es sich um die Beförderung der in der Anlage 2 zum Atomgesetz bezeichneten Kernbrennstoffe handelte. Anlage 2 zum Atomgesetz wird aufgehoben. Maßgeblich ist künftig die Entscheidung des Direktionsausschusses vom 18. Oktober 2007, die bestimmt, dass Kernbrennstoffe und Kernmaterialien während einer Beförderung und bei der Verwendung außerhalb einer Kernanlage unter bestimmten Voraussetzungen nicht in den Anwendungsbereich des Pariser Übereinkommens fallen (vgl. auch die Ausführungen zu Nummer 25 Buchstabe e). Die Übernahme dieser Entscheidung erfolgt auf der Grundlage des § 12a durch Rechtsverordnung. Die Rechtslage für die Beförderung radioaktiver Materialien stellt sich künftig wie folgt dar:

§ 4 regelt die Genehmigungspflicht und -voraussetzungen für die Beförderung von Kernbrennstoffen. Kernbrennstoffe sind die in § 2 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 definierten radioaktiven Stoffe. Diese umfassen auch, soweit im Schadensfalle eine Haftung nach dem Pariser Übereinkommen in Betracht kommt, Kernbrennstoffe und Kernmaterialien im Sinne des § 2 Abs. 4. Von der Pflicht zur Deckungsvorsorge in Höhe von mindestens 80 Millionen Euro darf bei der Beförderung von Kernbrennstoffen und Kernmaterialien im Sinne der Begriffsbestimmungen des Pariser Übereinkommens nicht befreit werden. Das folgt aus der zwingenden Bestimmung des Artikels 10 des Übereinkommens. Nach nationalem Recht können hingegen niedrigere Deckungssummen für die Beförderung von Kernbrennstoffen oder Kernmaterialien festgesetzt werden, die durch die Entscheidung des Direktionsausschusses wegen des geringen Ausmaßes der mit diesen Stoffen verbundenen Gefahren aus dem Anwendungsbereich des Pariser Übereinkommens herausgenommen worden sind. Bei diesen Stoffen kann es sich um Kernbrennstoffe oder sonstige radioaktive Stoffe im Sinne des § 2 Abs. 1 handeln. Sofern die Menge des spaltbaren Urans und Plutoniums insgesamt 15 Gramm bzw. die Konzentration der spaltbaren Isotope 15 Gramm pro 100 Kilogramm nicht übersteigt, werden sie - mit Ausnahme von verfestigten hochradioaktiven Spaltproduktlösungen - gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 wie sonstige radioaktive Stoffe im Sinne des § 2 Abs. 1 behandelt. Soweit erforderlich, erfolgt die Erteilung der Beförderungsgenehmigung, einschließlich der Festsetzung der Deckungsvorsorge, nach den Vorschriften der Strahlenschutzverordnung; § 4 ist nicht anzuwenden. Zu befördernde Kernbrennstoffe und Kernmaterialien, die die genannten Mengenrichtwerte überschreiten, sind dagegen nach § 4 genehmigungspflichtig.

Die Übernahme der Entscheidung des Direktionsausschusses kann in bestimmten Beförderungsfällen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage auch erstmals zu einer Deckungsvorsorgepflicht führen. Die Entscheidung sieht für Uran 235 restriktivere Haftungs- und Deckungsfreigrenzen vor als die bisherige Anlage 2 zum Atomgesetz, nämlich 290 bzw. 400 Gramm Uran 235 je Sendung und zusätzlich eine Mengenbegrenzung von 15 Gramm Uran 235 pro Versandstück. Künftig fällt somit die Beförderung von relativ kleinen Mengen Uran 235 bzw. Uran, das mit Uran 235 angereichert ist in den Anwendungsbereich des Pariser Übereinkommens und unterliegt somit gemäß Artikel 10 des Übereinkommens der Pflicht zur Deckungsvorsorge in Höhe von mindestens 80 Millionen Euro.

Die neue Regelung wirkt sich ferner auf Fälle aus, in denen Kernbrennstoffe zwischen Staaten, die nicht Vertragsparteien des Pariser Übereinkommens sind, über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befördert werden. Derartige Durchfuhren, die nicht in den Anwendungsbereich des Pariser Übereinkommens fallen, waren bisher von der Pflicht zur Deckungsvorsorge freigestellt, sofern sie unter die Regelung der Anlage 2 zum Atomgesetz fielen. Künftig ist in diesen Fällen nach Absatz 2 Nr. 4 stets Deckungsvorsorge zu treffen. Die Verschärfung der Rechtslage dient der Verbesserung des Schutzes von Personen, die durch ein nukleares Ereignis während der Durchfuhr geschädigt werden. Da hier das Haftungs- und Deckungssystem des Pariser Übereinkommens nicht anwendbar ist, ist die Geltendmachung von Ersatzansprüchen bei einem nuklearen Ereignis, das sich im deutschen Hoheitsgebiet ereignet ohnehin erschwert. Es muss dann wenigstens sichergestellt werden, dass für die Beförderung eine angemessene Deckungsvorsorge vorhanden ist.

Zu Buchstabe b

Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung an die Aufhebung des Absatzes 3 und um eine Änderung als Folge der Ergänzung des Artikels 4 des Pariser Übereinkommens um einen neuen Absatz c; dadurch wurde der bisherige Absatz c zu Absatz d.

Zu Nummer 3 (§ 4a)

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung als Folge der Ergänzung des Artikels 4 des Pariser Übereinkommens um einen neuen Absatz c; dadurch wurde der bisherige Absatz c zu Absatz d.

Zu Buchstabe b

Die Änderungen sind Folge der Umstellung von der bisherigen Höchstsummenregelung auf die Festsetzung einer Mindesthaftungssumme in Artikel 7 des Pariser Übereinkommens und der hiermit verbundenen Klarstellung, dass auch die Festsetzung einer unbegrenzten Haftung, wie sie § 31 Abs. 1 Satz 1 bereits vorsieht, mit dem Übereinkommen vereinbar ist. Da es im Falle einer unbegrenzten Haftung keine Kongruenz zwischen Haftung und Deckung geben kann - eine unbegrenzte Deckung ist nicht möglich -, kann sich die nach Absatz 3 zulässige Erhöhung der Summe nur auf die Deckungsvorsorge beziehen, d. h. auf den Betrag der Versicherung oder der sonstigen finanziellen Sicherheit. In diesem Sinne wird der Wortlaut der Vorschrift präzisiert.

Zu Buchstabe c

Für die Haftungsübernahme nach Absatz 4 gilt das zu Buchstabe b Gesagte entsprechend.

Außerdem wird die Vorschrift durch die Verwendung des Begriffs "nuklearer Schaden" im Singular an den Sprachgebrauch des Pariser Übereinkommens angepasst.

Zu Nummer 4 (§ 4b)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Aufhebung der Anlage 2 zum Atomgesetz (vgl. auch die Ausführungen zu Nummer 2 Buchstabe a).

Zu Nummer 5 (§ 7)

Es handelt sich um die Berichtigung eines Verweisungsfehlers.

Zu Nummer 6 (§ 12a)

Bei den Änderungen handelt es sich um redaktionelle Anpassungen an die heutige Bezeichnung des Direktionsausschusses und an die Aufhebung der Anlagen 1 und 2.

Zu Nummer 7 (§ 13)

Der Tatbestand des § 26 Abs. 1a war bisher § 13 Abs. 2 Nr. 2 zugeordnet. § 26 Abs. 1a erfasst hingegen Fälle, deren Risikopotential mit dem Risikopotential der im Pariser Übereinkommen und im Wiener Übereinkommen geregelten Fälle vergleichbar ist; aus diesem Grund wurde in § 26 Abs. 1a die Möglichkeit des Entlastungsbeweises für den Haftpflichtigen ausgeschlossen. Eine Gleichstellung mit den Fällen der genannten Übereinkommen muss jedoch auch für den Bereich der Deckungsvorsorge erfolgen weshalb sich deren Bemessung künftig nach den Maßstäben der Nummer 1 richtet.

Die Ergänzung der Nummer 1 um den neuen Halbsatz ist Folge der Festsetzung der neuen Mindestsummen in Artikel 7 Abs. a und b des Pariser Übereinkommens. Gemäß dem geänderten Artikel 10 Abs. a und b des Pariser Übereinkommens darf die Deckungsvorsorge den Betrag von 700 Millionen Euro für Kernanlagen, von 70 Millionen Euro für Anlagen geringen Risikos und von 80 Millionen Euro für die Beförderung von Kernmaterialien nicht unterschreiten.

Zu Nummer 8 (§ 15)

Die Änderung ist Folge der Einführung des Begriffs "nuklearer Schaden" in das Pariser Übereinkommen.

Dort, wo der Schadensbegriff nicht oder nicht ausschließlich Schäden i. S. d. Pariser Übereinkommens erfasst, bleibt es bei der bisherigen Bezeichnung "Schaden" (z.B. in § 13 Abs. 5 Satz 2, § 26 Abs. 1, § 32 Abs. 1).

Zu Nummer 9 (§ 25)

Zu Buchstabe a

Die Änderung ist Folge der Einführung des Begriffs "nuklearer Schaden" in das Pariser Übereinkommen.

Zu Buchstabe b

Zu Doppelbuchstabe aa

Es handelt sich um eine redaktionelle, der Terminologie in § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 angepasste Änderung. Die bisherige Umschreibung "Geltungsbereich dieses Gesetzes" wird insbesondere dann gewählt, wenn sich der räumliche Geltungsbereich einer Vorschrift nicht auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckt oder aber darüber hinaus reicht. Das ist hier beides jedoch nicht der Fall.

Zu Doppelbuchstabe bb

Die Änderung in Absatz 2 Satz 4 führt zu einer Aufhebung der Residenz- und Registrierungspflichten als Genehmigungsvoraussetzung für eine Haftungsübernahme durch einen Beförderer anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Hierdurch wird die erforderliche Übereinstimmung mit den europarechtlichen Vorgaben zur Dienstleistungsfreiheit im Bereich der einheitlichen Verkehrspolitik hergestellt.

Der Beschränkung der bisherigen Regelung auf in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Frachtführer oder niedergelassene Spediteure als Voraussetzung für eine wirksame Haftungsübernahme durch den Beförderer stehen die Artikel 49, 70 und 71 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft entgegen. Danach müssen alle auf die Staatsangehörigkeit oder den Sitz abstellenden Diskriminierungen für gebietsfremde, d. h. in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen vermieden oder beseitigt werden (Diskriminierungsverbot). Der Zugang zum Beruf des Beförderers ist nunmehr auf der Grundlage des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft geregelt, sodass kein Raum mehr für gesonderte nationale Zugangsvorschriften besteht.

Zu Buchstabe c

Zu Doppelbuchstabe aa

Die Änderung in Absatz 3 berücksichtigt, dass eine "schwere Naturkatastrophe außergewöhnlicher Art" als bisheriger Grund für einen Haftungsausschluss nach Artikel 9 des Pariser Übereinkommens entfällt, weil Kernanlagen so gebaut und erhalten werden können, dass sie solchen Katastrophen standhalten. Die Neufassung des Artikels 9 des Pariser Übereinkommens ist für die deutsche Rechtslage allerdings ohne Auswirkung, da das Atomgesetz die dort genannten Ausschlussgründe für nicht anwendbar erklärt. Die Änderung ist insoweit rein redaktionell.

Zu Doppelbuchstabe bb

Die Änderung ist Folge der Einführung des Begriffs "nuklearer Schaden" in das Pariser Übereinkommen.

Zu Buchstabe d

Nach Artikel 2 des unrevidierten Pariser Übereinkommens war das Übereinkommen auf nukleare Schäden, die im Hoheitsgebiet eines Nichtvertragsstaates eintraten, nur anwendbar wenn das nationale Recht einer Vertragspartei dies ausdrücklich vorsah.

Von dieser Möglichkeit hatte der deutsche Gesetzgeber mit der bisherigen Regelung in Absatz 4 Gebrauch gemacht. Nachdem durch das Änderungsprotokoll zum Pariser Übereinkommen der territoriale Anwendungsbereich erheblich erweitert wurde (u. a. auf nukleare Ereignisse im Hoheitsgebiet von Nichtvertragsstaaten), bedarf es einer so umfangreichen Abweichungsklausel in Absatz 4 nicht mehr. Vielmehr kann der jetzige Artikel 2 des Übereinkommens unmittelbar für anwendbar erklärt werden, allerdings mit der Maßgabe, dass der Inhaber der Kernanlage auch dann haftet, wenn der nukleare Schaden in einem Anlagenstaat, der nicht Vertragspartei des Übereinkommens ist eingetreten ist und dieser Staat eine Gesetzgebung über die Haftung für nuklearen Schaden in Kraft gesetzt hat, die auf Grundsätzen beruht, die mit denen des Pariser Übereinkommens nicht identisch sind. Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs ist durch Artikel 2 Abs. b des Pariser Übereinkommens gedeckt.

Zu Buchstabe e

Nach dem bisherigen Absatz 5 haftete der Inhaber einer Kernanlage - wegen des geringen Ausmaßes der damit verbundenen Risiken - nicht nach dem Pariser Übereinkommen, sofern der Schaden durch ein nukleares Ereignis verursacht wurde, das auf kleine Mengen von Kernbrennstoffen oder Kernmaterialien zurückzuführen war, die in der bisherigen Anlage 2 zum Atomgesetz bezeichnet waren. Absatz 5 nimmt nunmehr Entscheidungen des Direktionsausschusses in Bezug, die auf Grund der Ermächtigung in Artikel 1 Abs. b des Pariser Übereinkommens getroffen wurden, wonach bestimmte Kernanlagen, Kernbrennstoffe und Kernmaterialien von der Anwendung des Pariser Übereinkommens ausgenommen werden können (vgl. auch die Ausführungen zu Nummer 2 Buchstabe a).

Die Werte der bisherigen Anlage 2 zum Atomgesetz waren teilweise restriktiver als die vom Direktionsausschuss in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2007 festgelegten Freigrenzen, die jedoch ebenfalls ein nach Art und Ausmaß begrenztes Gefährdungspotential repräsentieren. Die - durch Rechtsverordnung vorgesehene - Übernahme der Entscheidung des Direktionsausschusses wird durch die neue Mindesthaftungs- und Deckungssumme für Beförderungen notwendig. Ansonsten würde für die Beförderung relativ kleiner Aktivitäts- und Kernbrennstoffmengen, für die bisher eine Deckungssumme in der Größenordnung von einigen 100 000 Euro festgesetzt wurde künftig - bei unverändertem Risiko - eine Deckungsvorsorge von 80 Millionen Euro bereitgehalten werden müssen. Dies wäre unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlich bedenklich.

Von der neuen Regelung in Absatz 5 in Verbindung mit der Entscheidung des Direktionsausschusses vom 18. Oktober 2007 sind hauptsächlich Beförderungen kleiner bis mittelgroßer Aktivitätsmengen und radioaktiver Strahlenquellen für den wissenschaftlichen, medizinischen und industriellen Anwendungsbereich (z.B. Radiopharmaka, Forschungspräparate, Radiographiequellen, Test- und Prüfstrahler) betroffen. Die Haftung für diese Beförderungen, die den ganz überwiegenden Teil der bundesweiten Beförderungen radioaktiver Stoffe ausmachen, richtet sich nach § 26 oder nach sonstigen Haftungsgrundlagen. Die Deckungsvorsorge wird nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung festgesetzt.

Für die Beförderung von Aktivitäts- und Kernbrennstoffmengen, die über den vom Direktionsausschuss festgesetzten Freigrenzen liegen, gilt künftig die neue Mindestsummenregelung des Pariser Übereinkommens in Höhe von 80 Millionen Euro. Die Anzahl derartiger Beförderungen beläuft sich nach den Erfahrungen der letzten Jahre auf eine Größenordnung von bundesweit etwa 350 - 450 Beförderungen/Jahr und insgesamt etwa 3000 - 4000 beförderte Versandstücke.

Zu Nummer 10 (§ 25a)

Zu Buchstabe a

Die Änderung ist Folge der nunmehr einheitlichen Verwendung des Begriffs "Inland" im Atomgesetz (vgl. die Ausführungen zu Nummer 9 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa).

Zu Buchstabe b

Der Begriff "nuklearer Schaden" in Artikel I Nr. 7 des Brüsseler Reaktorschiff-Übereinkommens von 1962 ist enger als die durch das Änderungsprotokoll zum Pariser Übereinkommen eingeführte Definition und deckt, wie das unrevidierte Pariser Übereinkommen, nur Tod, Körper- und Sachschäden ab. Um Missverständnisse durch die Verwendung gleichlautender Begriffe mit unterschiedlichem Inhalt zu vermeiden, wird im Zusammenhang mit dem Brüsseler Reaktorschiff-Übereinkommen künftig von "Schaden/Schäden" gesprochen.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Buchstabe a verwiesen.

Zu Buchstabe c

Auf die Ausführungen zu Buchstabe b wird verwiesen.

Zu Nummer 11 (§ 26)

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung.

Zu Nummer 12 (§ 27)

Durch die Verweisung auf § 254 BGB war nach dem bisherigen § 27 jede Form eines mitwirkenden Verschuldens des Verletzten bei der Bemessung des Schadensersatzes zu berücksichtigen. Die Verweisung auf das allgemeine Zivilrecht war mit den Verpflichtungen aus dem Pariser Übereinkommen vereinbar, da dieses keine Mitverschuldensregelung enthielt. Artikel 11 des Pariser Übereinkommens räumte den Vertragsstaaten Gestaltungsfreiheit innerhalb der Grenzen des Übereinkommens bezüglich Art, Form und Umfang des Schadensersatzes ein.

Das revidierte Pariser Übereinkommen enthält nunmehr in seinem Artikel 6 Abs. e eine eigene Mitverschuldensregelung, die aus Gründen der weiteren internationalen Rechtsvereinheitlichung dem Artikel IV Abs. 2 des Wiener Übereinkommens entlehnt wurde. Nach der neuen Regelung kann das zuständige Gericht den haftpflichtigen Inhaber einer Kernanlage ganz oder teilweise von seiner Haftung befreien, wenn "sich der nukleare Schaden ganz oder teilweise entweder aus grober Fahrlässigkeit der den Schaden erleidenden Person oder aus einer in Schädigungsabsicht begangenen Handlung oder Unterlassung dieser Person ergibt, ..., wenn das innerstaatliche Recht dies vorsieht, ...".

Aus dem Halbsatz "wenn das innerstaatliche Recht dies vorsieht" folgt, dass Artikel 6 Abs. e des Pariser Übereinkommens eine Kann-Vorschrift ist, die die Vertragsstaaten nicht zu ihrer Übernahme in das nationale Recht verpflichtet. Wenn sie jedoch übernommen wird, und die Bundesregierung hält dies für erforderlich, dann ist der durch die Bestimmung des Pariser Übereinkommens vorgegebene Rahmen zu beachten. Das bedeutet, dass nun nicht mehr jede Verschuldensform berücksichtigt werden darf, sondern nur noch "grobe Fahrlässigkeit und Schädigungsabsicht".

Leichte Fahrlässigkeit des Verletzten befreit den Inhaber einer Kernanlage somit nicht von seiner Haftung. Mit dieser Einschränkung soll der das Übereinkommen beherrschende Grundsatz der ausschließlichen und umfassenden Haftung des Inhabers gestärkt werden; eine Haftungsbefreiung soll nur in eng umrissenen Ausnahmefällen zulässig sein.

Das Begriffspaar "grobe Fahrlässigkeit und Schädigungsabsicht" ("gross negligence and intent to cause damage", "négligence grave et l"intention de causer un dommage") ist eine Kompromissformel, mit der die unterschiedlichen Schuldkonzepte der einzelnen Vertragsstaaten erfasst werden sollten. Das bedeutet, dass die Vertragsstaaten nicht streng an die Wortwahl der Bestimmung gebunden sind. Die dort genannten Schuldformen werden im Atomgesetz mit den Begriffen "grobe Fahrlässigkeit" und "Vorsatz" erfasst. Dabei deckt der Begriff "Vorsatz" alle Vorsatzformen ab.

Der neue § 27 gilt nur für Schadensfälle, auf die das Pariser Übereinkommen anwendbar ist. Sofern bei Schadensfällen eine Haftung nach § 26 in Betracht kommt, gilt die Mitverschuldensregelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Zu Nummer 13 (§ 31)

Zu Buchstabe a

Die Neufassung des Absatzes 2 ist Folge des erweiterten territorialen Anwendungsbereichs des Pariser Übereinkommens und des Brüsseler Zusatzübereinkommens.

Die Übereinkommen sind nunmehr auch auf nukleare Schäden anzuwenden, die in den völkerrechtlich festgelegten Meereszonen eines Vertragsstaates oder an Bord eines in dem Vertragsstaat registrierten Schiffes oder Luftfahrzeugs eintreten. Dementsprechend wird der Wortlaut der Sätze 1 und 2 präzisiert. Die weitere Änderung in Satz 2 ist Folge der Einführung des Begriffs "nuklearer Schaden" in das Pariser Übereinkommen.

Die Reziprozitätsregelung des Absatzes 2 Satz 1 und 2 in der bisherigen Fassung wurde durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 5. März 2001 (BGBl. I S. 326) eingefügt und wird bis auf die genannten Änderungen beibehalten.

Das heißt: Nach Satz 1 haftet der deutsche Inhaber bei Auslandsschäden unbegrenzt nur dann, wenn auch in dem Staat, in dem der Schaden eingetreten ist, im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland eine unbegrenzte Haftung vorgesehen ist. Satz 2 sieht Reziprozität auch im Verhältnis zu den Staaten vor, die ihrerseits gegenüber Geschädigten in der Bundesrepublik Deutschland summenmäßig begrenzt Ersatz leisten. Hier wird die Haftung des Inhabers einer Kernanlage auf den Betrag begrenzt den der andere Staat für die Entschädigung von Opfern in Deutschland vorsieht. Erfasst werden Schäden in Staaten, die Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens und des Brüsseler Zusatzübereinkommens sind, ferner in Staaten, die Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens sind, sofern dessen Anwendung auf in Deutschland erlittene Schäden durch das Gemeinsame Protokoll sichergestellt ist, sowie vorbehaltlich des Satzes 4, in sonstigen Staaten.

Die Reziprozitätsregelung würde für sich genommen allerdings dem neu in das Pariser Übereinkommen eingefügten Artikel 7 Abs. g widersprechen, soweit sie die Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens/Gemeinsamen Protokolls erfasst. Artikel 7 Abs. g sieht zwar vor, dass ein Vertragsstaat des Pariser Übereinkommens gegenüber einem Nichtvertragsstaat den Haftungsbetrag für nukleare Schäden niedriger als die im Übereinkommen nunmehr vorgesehenen Mindestbeträge festsetzen kann wenn der Nichtvertragsstaat keine Leistungen in entsprechender Höhe auf der Grundlage der Gegenseitigkeit gewährt. Diese Reziprozitätsregelung gilt aber nur im Verhältnis zu solchen Nichtvertragsstaaten, auf die das Pariser Übereinkommen gemäß Artikel 2 Abs. a Ziffer iv anwendbar ist. Nicht erfasst sind hingegen die Nichtvertragsstaaten im Sinne des Artikels 2 Abs. a Ziffer ii, d. h. Staaten, die dem Wiener Übereinkommen/Gemeinsamen Protokoll angehören. Die meisten dieser Staaten gewähren jedoch ebenfalls einen deutlich geringeren Schadensausgleich als die im Pariser Übereinkommen festgelegte Referenzsumme, sodass auch hier das Bedürfnis nach einer Reziprozitätsregelung besteht.

Diese Regelungslücke offenbarte sich erst kurz vor Unterzeichnung der Änderungsprotokolle zum Pariser Übereinkommen und zum Brüsseler Zusatzübereinkommen am 12. Februar 2004; inhaltliche Änderungen waren in diesem Verfahrensstadium nicht mehr möglich, ohne dass erhebliche Verzögerungen hätten in Kauf genommen werden müssen.

Eine Reziprozitätsregelung im Verhältnis der Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens/

Gemeinsamen Protokolls war aber auch deshalb nicht ohne weiteres möglich, weil Artikel IV Abs. 2 des Gemeinsamen Protokolls Gleichbehandlung der Geschädigten in Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens und der in Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens/Gemeinsamen Protokolls verlangt. Reziprozität nur gegenüber letzteren wäre eine unzulässige Diskriminierung im Verhältnis zu ersteren.

Eine Gegenseitigkeitsregelung gegenüber Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens/ Gemeinsamen Protokolls ist nur dann zulässig, wenn Reziprozität auch im Verhältnis zu Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens gefordert wird. Im Verhältnis zu diesen ist Gegenseitigkeit bezüglich der Haftungssummen jedoch bis zur Höhe der Referenzsumme von 700 Millionen Euro garantiert, eine Gegenseitigkeitsklausel ist also eine reine Formalität ohne inhaltliche Bedeutung, soweit es um Reziprozität in Bezug auf niedrigere Haftungssummen geht.

Die Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens haben sich am 22. November 2004 auf diese Rechtsauffassung verständigt und beschlossen, den Vertragsstaaten die Möglichkeit einzuräumen, auf der Grundlage eines Vorbehalts im Verhältnis zu anderen Staaten - also ohne Beschränkung auf Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens/Gemeinsamen Protokolls - Haftungssummen festzusetzen, die weniger als 700 Millionen Euro betragen, sofern der andere Staat keine Gegenseitigkeit gewährt. Ein solcher Vorbehalt bedarf gemäß Artikel 18 des Pariser Übereinkommens der Zustimmung aller Vertragsstaaten. Diese haben deshalb eine Gemeinsame Erklärung beschlossen, die den Wortlaut des anzubringenden Vorbehalts festlegt und zugleich die vorweggenommene Zustimmung zu einem solchen Vorbehalt enthält. Die Gemeinsame Erklärung lautet in der englischen Fassung:

Der neue Satz 3 gilt für Schäden an Bord von Schiffen oder Flugzeugen, die sich auf oder über der Hohen See außerhalb von Hoheitsgebieten oder Meereszonen von Staaten befinden. Anwendbar ist die für den jeweiligen Heimatstaat geltende Höchstsummenregelung.

Befinden sich die Fahrzeuge in oder über Hoheitsgebieten oder Meereszonen, so gelten die für die jeweiligen Staaten anwendbaren Vorschriften, im Falle Deutschlands also Absatz 1; bei anderen Staaten gilt die jeweils für diesen Staat anwendbare Höchstsummenregelung. Mit dieser Regelung wird Artikel 2 Abs. a letzter Halbsatz des Pariser Übereinkommens umgesetzt.

Für nukleare Schäden in Staaten, die zum Zeitpunkt des nuklearen Ereignisses in ihrem Hoheitsgebiet oder in ihren völkerrechtlich festgelegten Meereszonen keine Kernanlagen besitzen, wird die Haftungsgrenze aufgehoben, die nach dem bisherigen Absatz 2 Satz 3 bis zum Höchstbetrag nach dem Brüsseler Zusatzübereinkommen reichte. Hintergrund ist die Neuregelung in Artikel 2 Abs. a Ziffer iii des Pariser Übereinkommens, die den territorialen Anwendungsbereich des Übereinkommens u. a. auf solche Staaten ausdehnt, um zu vermeiden, dass dortige Geschädigte unangemessen benachteiligt werden, wenn sie ohne Schadensersatzanspruch gegen den Anlageninhaber des Staates blieben, in dem das nukleare Ereignis eingetreten ist. Auch gegenüber diesen Staaten gilt nunmehr das Diskriminierungsverbot des Artikels 14 Abs. a des Pariser Übereinkommens, d. h. sie werden den Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens gleichgestellt. Dies wird auch im Atomgesetz nachvollzogen (Satz 4), indem die dort festgelegte unbegrenzte Haftung anders als bisher auch gegenüber Geschädigten in Staaten ohne Kernanlagen gilt. Da solche Staaten im Übrigen keine nationale Gesetzgebung zur Nuklearhaftung haben, kann für sie auch das in den Sätzen 1 und 2 verankerte Gegenseitigkeitsprinzip nicht gelten.

Zu Buchstabe b

Die Änderung in Absatz 3 Satz 2 setzt die Neuregelung des Artikels 7 Abs. c des Pariser Übereinkommens um, wonach die Ersatzleistung für Schäden an den Beförderungsmitteln nicht dazu führen darf, dass für den Ausgleich sonstiger Schäden weniger als 80 Millionen Euro zur Verfügung stehen; damit wurde die bisherige Mindestsumme von 5 Millionen SZR erheblich angehoben.

Zu Nummer 14 (§ 32)

Zu Buchstabe a

Der bisherige Absatz 2 bezog sich auf Artikel 8 Abs. b des Pariser Übereinkommens.

Nachdem diese Vorschrift entfallen ist, ist Absatz 2 gegenstandslos und wird daher aufgehoben.

Die bisherige Regelung des Absatzes 4 findet sich nunmehr in dem durch die Schuldrechtsreform neu eingefügten § 203 Satz 1 BGB wieder und konnte somit in Absatz 4 entfallen; hier genügt die allgemeine Verweisung auf die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Absatz 5. § 203 Satz 1 BGB sieht darüber hinaus die Hemmung auch bei Verhandlungen über die den Anspruch begründenden Tatsachen vor. Dies ist für das Atomhaftungsrecht ebenfalls sinnvoll.

Zu Buchstabe b

Die Änderung des Absatzes 3 ist Folge der neuen Verjährungsfrist in Artikel 8 Abs. a des Pariser Übereinkommens bei Klagen wegen Tötung oder Verletzung eines Menschen.

Diese Frist wurde von zehn auf dreißig Jahre verlängert, während die Zehnjahresfrist bei Klagen wegen anderer Schäden unverändert geblieben ist. Es wird klargestellt dass die Vorrangregelung des Absatzes 3 nur solche Ansprüche betrifft, die nicht die Tötung oder Verletzung eines Menschen betreffen. Ein Anspruch wegen eines Sachschadens, der innerhalb der Zehnjahresfrist gerichtlich geltend gemacht wird hat danach keinen Vorrang vor einem Anspruch wegen eines Personenschadens, der erst nach Ablauf von zehn, aber innerhalb von dreißig Jahren geltend gemacht wird.

Zu Nummer 15 (§ 34)

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung in Anpassung an die Terminologie in § 4a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und 4 (vgl. die Ausführungen zu Nummer 3 Buchstabe b).

Zu Nummer 16 (§ 38)

Zu Buchstabe a

Der Regelungsgehalt der bisherigen Absätze 1 und 2 wird in dem neuen Absatz 1 zusammengefasst dessen Wortlaut im Wesentlichen mit dem bisherigen Absatz 2 übereinstimmt. Die Vorschrift ist unter den dortigen Voraussetzungen auf alle Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens oder des Wiener Übereinkommens/ Gemeinsamen Protokolls oder auf Nichtvertragsstaaten anzuwenden. Die differenzierte Regelung des bisherigen Absatzes 1 ist durch die Änderungsprotokolle zum Pariser Übereinkommen und zum Wiener Übereinkommen teilweise gegenstandslos geworden (dies betrifft die Nummern 1, 5 und 6), sofern die Vertragsstaaten die Änderungsprotokolle ratifiziert haben und diese damit für diese Staaten völkerrechtlich verbindlich geworden sind.

Zu Buchstabe b, c und d

Die Änderungen sind Folge der Neufassung des Absatzes 1.

Zu Nummer 17 (§ 40)

Zu Buchstabe a

Hier gelten die Ausführungen zu Nummer 3 Buchstabe b entsprechend. Aus rein sprachlichen Gründen wurde jedoch die Bezeichnung "Bundesrepublik Deutschland" gewählt.

Zu Buchstabe b

Für die von den bisherigen Nummern 3 und 4 erfassten Ausnahmetatbestände ist das Regelungsbedürfnis entfallen. Sowohl Schäden, die durch sonstige Strahlenquellen verursacht werden, als auch Schäden am Beförderungsmittel sind zwingend in die Haftung nach dem Pariser Übereinkommen eingeschlossen; die den Vertragsstaaten durch das Übereinkommen vormals eingeräumte Möglichkeit, diese Sachverhalte von der Haftung auszuschließen, besteht nicht mehr.

Zu Nummer 18 (§§ 40a bis 40c)

Zur Umsetzung des neuen Artikels 13 Abs. h des Pariser Übereinkommens, wonach diejenige Vertragspartei, deren Gerichte im Ereignisfall nach dem Übereinkommen zuständig sind, sicherzustellen hat, dass nur eines dieser Gerichte für Entscheidungen über Schadensersatzklagen zuständig ist, wird eine Regelung in Anlehnung an § 32a der Zivilprozessordnung als neuer § 40a in das Atomgesetz eingefügt.

Durch einen einheitlichen Gerichtsstand soll der Gefahr einander widersprechender Gerichtsentscheidungen, unterschiedlicher Instanzen sowie einer unnötigen und kostenintensiven Beauftragung von Sachverständigen begegnet werden. Angesichts der möglicherweise schwerwiegenden Auswirkungen und Komplexität eines Nuklearunfalls erscheint es hierbei sinnvoll, die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts vorzusehen, und zwar den Vorgaben des Pariser Übereinkommens entsprechend des Landgerichts, in dessen Bezirk entweder das nukleare Ereignis eingetreten ist oder der Sitz des haftpflichtigen Inhabers der Kernanlage liegt (Absatz 1 Satz 1).

Absatz 1 Satz 2 setzt den neuen Artikel 13 Abs. b des Pariser Übereinkommens um, wonach für den Fall, dass ein nukleares Ereignis innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone einer Vertragspartei eintritt, für Klagen wegen eines nuklearen Schadens aus diesem nuklearen Ereignis ausschließlich die Gerichte dieser Vertragspartei zuständig sind. Da die ausschließliche Wirtschaftszone nicht zum deutschen Staatsgebiet gehört und die räumliche Ausdehnung der Gerichtsbezirke jeweils an den Grenzen des Staatsgebiets der Bundesrepublik Deutschland endet, kann die ausschließliche Wirtschaftszone keinen bestehenden Gerichtsbezirken zugeordnet werden. Andere Anknüpfungspunkte wie z.B. der Heimathafen des betreffenden Schiffes oder der Ort, an dem der nukleare Schaden eintritt, würden nach den allgemeinen Vorschriften entweder Gerichtsstände außerhalb oder mehrere Gerichtsstände innerhalb der Bundesrepublik Deutschland begründen. Solche Zuständigkeitsverteilungen wären jedoch mit Sinn und Zweck des Artikels 13 Abs. b und h des Pariser Übereinkommens nicht vereinbar. Daher wird, anknüpfend auch an die obigen Erwägungen zum möglichen Ausmaß eines nuklearen Ereignisses, die örtliche und sachliche Zuständigkeit dem Landgericht Hamburg zugewiesen.

Nach Absatz 2 werden die Länder ermächtigt, für Klagen nach Absatz 1 Satz 1 ein bestimmtes Gericht innerhalb der Landesgrenzen zu bestimmen. Außerdem soll den Ländern mit Absatz 3 die Möglichkeit eingeräumt werden, durch Staatsvertrag eine weitere Konzentration vorzunehmen. Auf diese Weise könnte im Rahmen des föderalen Systems sogar die Zuständigkeit eines einzigen Gerichts bundesweit erreicht werden. Demgegenüber ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, die Zuständigkeit eines Bundesgerichts zu begründen und auf diese Weise eine Konzentration zu erzielen.

Eine weitere Regelung zum ausschließlichen Gerichtsstand enthält der neue § 40b.

Danach ist für Klagen des Inhabers einer Kernanlage oder des Besitzers eines radioaktiven Stoffes gegen den Bund und das zuständige Land auf Freistellung nach § 34 das Landgericht am Sitz der Bundesregierung ausschließlich zuständig. Die Vorschrift stellt eine Ausnahmeregelung zu § 18 der Zivilprozessordnung dar, der bestimmt dass sich der allgemeine Gerichtsstand des Fiskus nach dem Sitz der (in der jeweiligen Sache) vertretungsbefugten Behörde richtet. Da es in der Praxis erfahrungsgemäß schwierig ist, den für die Prozessführung des Fiskus zuständigen gesetzlichen Vertreter zu ermitteln, weil die einschlägigen Vertretungsvorschriften des Bundes- und Landesrechts zahlreich und unübersichtlich sind, erscheint in dem besonderen Fall der Klage auf Freistellung eine Ausnahmeregelung gerechtfertigt.

Der neue § 40c setzt Artikel 13 Abs. g des Pariser Übereinkommens um. Diese Vorschrift bestimmt dass die Vertragspartei, deren Gerichte für Schadensersatzklagen wegen eines nuklearen Schadens zuständig sind, sicherstellt, dass der Staat für die geschädigte Person mit deren Einwilligung Klage erheben kann, wenn die geschädigte Person diesem Staat angehört oder ihren Wohnsitz oder Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Staates hat. Die Klagebefugnis steht nur solchen Staaten zu, auf die sich der Anwendungsbereich des Pariser Übereinkommens (Artikel 2) erstreckt.

Zu Nummer 19 (§§ 56, 57a und 58)

Die genannten Vorschriften sind zwischenzeitlich gegenstandslos geworden und werden daher aus Gründen der Rechtsbereinigung aufgehoben.

Zu Nummer 20 (Anlage 1)

Anlage 1 zum Atomgesetz wird aufgehoben; auf die Ausführungen zu Nummer 1 Buchstabe a wird verwiesen.

Zu Nummer 21 (Anlage 2)

Anlage 2 zum Atomgesetz wird aufgehoben; auf die Ausführungen zu Nummer 2 Buchstabe a, Nummer 4 und Nummer 9 Buchstabe e wird verwiesen.

Zu Artikel 2 (Änderung der Strahlenschutzverordnung)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Änderung des § 25 Abs. 5 des Atomgesetzes und zur Aufhebung der Anlage 2 zum Atomgesetz. Gemäß Artikel 10 des Pariser Übereinkommens ist für Kernmaterialien eine Befreiung von der Pflicht zur Deckungsvorsorge nicht zulässig. Dementsprechend stellte schon die bisherige Regelung des § 18 Abs. 2 sicher, dass die Freigrenzenregelung des Absatzes 1 Nr. 4 nicht auf Beförderungen angewendet wird, für die eine Haftung nach dem Pariser Übereinkommen in Betracht kommt. Diese Regelung wird nunmehr an die erwähnten Änderungen im Atomgesetz angepasst.

Zu Artikel 3 (Änderung des Verwaltungskostengesetzes)

§ 8 Abs. 4 nennt einen Katalog von Bundesbehörden und Bundesanstalten, die gegenüber den in Absatz 1 genannten Rechtsträgern - Bund und Länder - berechtigt bleiben Gebühren zu erheben.

Das Bundesamt für Strahlenschutz ist in den Katalog mit aufzunehmen, weil ihm bei seiner Gründung Aufgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt übertragen wurden für die die Physikalisch-Technische Bundesanstalt bereits Gebühren bei den in Absatz 1 genannten Rechtsträgern erheben durfte. Zudem ist die Zuständigkeit, die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen in der medizinischen Forschung nach der Strahlenschutz- und der Röntgenverordnung zu genehmigen von den Ländern auf das Bundesamt für Strahlenschutz übergegangen.

Dabei erfolgt eine Vielzahl der Genehmigungen gegenüber Behörden bzw. juristischen Personen des Öffentlichen Rechts, die keine vergleichbare Gegenleistung erbringen.

Zu Artikel 4 (Änderung der Kostenverordnung zum Atomgesetz)

Zu Nummer 1 (§ 6)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Aufhebung des § 7 Abs. 1 und 3. Der bisherige § 7 Abs. 2 bleibt inhaltlich unverändert, wird jedoch aus systematischen Erwägungen dem § 6 als neuer Absatz 2 angefügt.

Zu Nummer 2 (§ 7)

Die Aufhebung der Absätze 1 und 3 ist Folge der Ergänzung des Kataloges des § 8 Abs. 4 des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG) um das Bundesamt für Strahlenschutz (siehe die Ausführungen zu Artikel 3).

Die Möglichkeit, künftig Gebühren zu erheben, soll auch gegenüber den als gemeinnützig anerkannten Forschungseinrichtungen bestehen, denn eine Vielzahl von Genehmigungen zur Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen in der medizinischen Forschung wird gerade von solchen Einrichtungen beantragt (im Jahr 2006 wurden in Bayern und Nordrhein-Westfalen ca. 60 Genehmigungsanträge von universitären, als gemeinnützig anerkannten Einrichtungen gestellt).

Um die teilweise erheblichen Verwaltungskosten des Bundesamtes für Strahlenschutz refinanzieren zu können, wird Absatz 1 gestrichen.

Der bisherige Absatz 3 enthielt eine Ausnahme zu § 8 Abs. 4 VwKostG. Hierdurch wurde die Gebührenpflicht der von § 8 Abs. 1 VwKostG erfassten Rechtsträger gegenüber den in § 8 Abs. 4 VwKostG genannten Bundesoberbehörden wieder aufgehoben.

Damit die jetzige Änderung des § 8 Abs. 4 VwKostG nicht ins Leere läuft, wird Absatz 3 gestrichen.

Zu Artikel 5

Artikel 5 sieht unterschiedliche Zeitpunkte für das Inkrafttreten des Gesetzes vor.

Nach Absatz 1 treten Artikel 1 und 2 erst mit der völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Protokolls zur Änderung des Pariser Übereinkommens in Kraft; § 25 Abs. 1 Satz 2 des Atomgesetzes ist insoweit nicht anzuwenden. Folgende Überlegung ist hierfür maßgebend:

Das Änderungsprotokoll enthält Bestimmungen zur Modifizierung der Gerichtsstandsregelung in Artikel 13 dieses Übereinkommens, die die Verordnung (EG) Nr. 044/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen berühren. Artikel 13 des Pariser Übereinkommens sowohl in der ursprünglichen als auch in der geänderten Fassung beruht auf dem Grundsatz der ausschließlichen gerichtlichen Zuständigkeit der Gerichte desjenigen Vertragsstaates, in dessen Hoheitsgebiet das nukleare Ereignis eingetreten ist. Insoweit steht diese Vorschrift im Gegensatz zu den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 044/2001, die mehrere alternative Gerichtsstände für Schadensersatzklagen vorsehen, insbesondere den allgemeinen Gerichtsstand des Mitgliedstaates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, und die besondere Zuständigkeit des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Das Änderungsprotokoll fällt somit hinsichtlich der Gerichtsstandsregelung in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft, da die Mitgliedstaaten nicht berechtigt sind, von den Normen der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 abzuweichen oder mit dritten Staaten Verpflichtungen einzugehen, die diese Normen beeinträchtigen.

Allerdings konnte das Protokoll insoweit nicht durch die Gemeinschaft selbst unterzeichnet und ratifiziert werden, da das Pariser Übereinkommen einer Beteiligung regionaler Organisationen nicht offensteht. Um Artikel 13 gleichwohl in der vorgesehenen Weise zu ändern und so den Grundsatz der ausschließlichen Gerichtsbarkeit als eine der tragenden Säulen des Nuklearhaftungsrechts weiter zu stärken, hat der Rat der Europäischen Gemeinschaft die Mitgliedstaaten, die Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens sind, ausnahmsweise ermächtigt, das Änderungsprotokoll im Interesse der Gemeinschaft zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Dabei hat die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden durch alle Mitgliedstaaten gleichzeitig zu erfolgen. Auf Grund dieser europarechtlichen Besonderheit soll auch das innerstaatliche Inkrafttreten der Artikel 1 und 2 an die völkerrechtliche Verbindlichkeit des Änderungsprotokolls, die mit der gleichzeitigen Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden eintreten wird (vgl. Artikel 20 des Pariser Übereinkommens), geknüpft werden.

Absatz 2 bestimmt eine Viermonatsfrist für das Inkrafttreten der Artikel 3 und 4, d. h. der rechtlichen Grundlagen, die das Bundesamt für Strahlenschutz ermächtigen, für Amtshandlungen Gebühren von bisher gebührenbefreiten Rechtsträgern zu erheben.

->

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
Gesetz zum Pariser Übereinkommen und zum Brüsseler Zusatzübereinkommen; Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung haftungsrechtlicher Vorschriften des Atomgesetzes und der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung und des Chemikaliengesetzes

Der Nationalen Normenkontrollrat hat die beiden Entwürfe eines Gesetzes zum Pariser Übereinkommen und zum Brüsseler Zusatzübereinkommen (Vertragsgesetz) sowie eines Zweiten Gesetzes zur Änderung haftungsrechtlicher Vorschriften des Atomgesetzes und der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung und des Chemikaliengesetzes (Atomrecht-Haftungsnovelle 2007) auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit den vorliegenden Entwürfen werden keine Informationspflichten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung eingeführt, geändert oder abgeschafft.

Der Nationale Normenkontrollrat hat keine Bedenken gegen die Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Prof. Dr. Wittmann
Vorsitzender Berichterstatter