Europäische Kommission Brüssel, den 5 Mai 2011
Vizepräsident
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
ich danke Ihnen für die Übermittlung der Stellungnahme des Bundesrates zu dem Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (KOM (2010) 537 endgültig). *
In der Stellungnahme werden mehrere allgemeine und spezifische Aspekte der Angleichung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 angesprochen, und es wird vorgebracht, die Kommission habe die Bestimmungen der Artikel 290 und 291 AEUV nicht korrekt angewandt. Der Bundesrat hält auch in den Fällen, in denen der Erlass delegierter Rechtsakte vorgeschlagen wird, eine einheitliche Vorgehensweise der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 für erforderlich.
Bei der Angleichung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 hat sich die Kommission so eng wie möglich an die Bestimmungen der Artikel 290 und 291 AEUV gehalten und sich von den Vorgaben in ihrer Mitteilung zur Umsetzung von Artikel 290 AEUV leiten lassen. Es werden keine zusätzlichen Ermächtigungen über die bereits bestehenden hinaus vorgesehen, da es bei dem Angleichungsprozess insgesamt darum geht, die geltenden Durchführungsbestimmungen zu überprüfen, sie entsprechend den Kriterien der Artikel 290 und 291 AEUV entweder als delegierte Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte zu klassifizieren und die einschlägige Rechtsgrundlage in die Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 einzufügen. Folglich sind alle Bestimmungen, die einheitliche Bedingungen für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 durch die Mitgliedstaaten vorsehen, als Durchführungsrechtsakte eingestuft und die erforderliche Ermächtigung bereitgestellt worden; alle Bestimmungen, die keine wesentliche Ergänzung verschiedener Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 beinhalten, wurden als delegierte Rechtsakte eingestuft und die einschlägige Befugnis übertragen.
An dieser Stelle sei daraufhin gewiesen, dass die Entscheidung, ob der Erlass eines delegierten Rechtsaktes und eines Durchführungsrechtsaktes erforderlich ist, aus Sicht der Kommission grundsätzlich in Übereinstimmung mit den Artikeln 290 und 291 AEUV nach Art der zu erlassenen Vorschrift zu erfolgen hat und sich nicht danach richten darf, ob aus anderweitigen Gründen einem bestimmten Verfahren der Vorzug gegeben werden soll. Mit anderen Worten, die Art der Vorschrift sollte das Erlassverfahren bestimmen und nicht umgekehrt.
Des Weiteren wird die Kommission in der Stellungnahme des Bundesrates aufgefordert, dass in allen Fällen, in denen eine Notwendigkeit einheitlicher Bedingungen für die Durchführung von EU-Rechtsakten besteht, gemäß den Vorgaben des Vertrags von Lissabon (Artikel 291 AEUV) die Festlegungen im Wege von Durchführungsrechtsakten getroffen werden.
Die Kommission stellt kontinuierlich sicher, dass in allen Fällen, in denen geltende Durchführungsvorschriften die einheitliche Anwendung des Basisrechtsaktes durch die Mitgliedstaaten regeln, Durchführungsrechtsakte erlassen werden.
Was die Ähnlichkeit zwischen dem Regelungsverfahren mit Kontrolle im Rahmen des Komitologie-Beschlusses und den Bestimmungen des Artikels 290 AEUV für delegierte Rechtsakte anbelangt, auf die unter Punkt 5 und 7 der Stellungnahme des Bundesrates verwiesen wird, so hat sich die Kommission mit diesem Aspekt in Abschnitt 2.1. ihrer Mitteilung zur Umsetzung von Artikel 290 AEUV befasst. Darin heißt es: "Unter rein redaktionellen Gesichtspunkten entspricht die Definition delegierter Rechtsakte in Artikel 290 Absatz 1 weitgehend der Definition der Rechtsakte, die im Sinne des Beschlusses 1999/468/EG ("Komitologie-Beschluss") unter das Regelungsverfahren mit Kontrolle fallen, das mit Beschluss 2006/512/EG vom 17. Juli 2006 eingeführt wurde. In den beiden Fällen handelt es sich um Rechtsakte von allgemeiner Tragweite zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes.
Ähnliche Kriterien bedeuten aber nicht, dass sie in gleicher Weise angewandt werden. In einem neuen institutionellen Kontext ist der Geltungsbereich delegierter Rechtsakte nicht unbedingt deckungsgleich mit dem Regelungsverfahren mit Kontrolle. Deshalb sollte jede automatische Übernahme vermieden werden."
Daher ist die Kommission nicht mechanisch vorgegangen, wenn zu bewerten war, ob geltende Durchführungsvorschriften unter Durchführungsrechtsakte oder delegierte Rechtsakte fallen, sondern sie war stets bestrebt, die in Artikel 290 und 291 AEUV vorgegebenen Kriterien anzuwenden.
In Bezug auf das nationale Expertenwissen ist festzustellen, dass mit der Angleichung keinesfalls bezweckt wird, die Beteiligungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten einzuschränken, sondern es darum geht, die Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 den Erfordernissen des Vertrags von Lissabon anzupassen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Kommission in Abschnitt 4.2 ihrer Mitteilung zur Umsetzung von Artikel 290 AEUV klar ihre Absicht bekundet hat, "systematisch Sachverständige der nationalen Behörden aller Mitgliedstaaten zu konsultieren, die letztlich für die Durchführung delegierter Rechtsakte verantwortlich sein werden. Eine solche Konsultation wird frühzeitig stattfinden, damit die Sachverständigen einen nützlichen und wirksamen Beitrag leisten können."
In der Stellungnahme des Bundesrates wird auch die für jeden Schwerpunkt der ELER-Förderung vorgesehene Einfügung neuer Artikel abgelehnt, in denen der Kommission die Möglichkeit eingeräumt wird, zur Gewährleistung einer effizienten und gezielten Mittelverwendung sowie eines kohärenten Ansatzes bei der Behandlung der Begünstigten im Wege von delegierten Rechtsakten spezifische Bedingungen festzulegen.
Mit diesen neuen Artikeln soll jedoch die Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden, dass die Kommission bereits in der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 enthaltene Vorschriften erlassen kann, die verschiedene Maßnahmen inhaltlich ergänzen, indem beispielsweise nicht wesentliche Begriffe zur Beschreibung von Maßnahmen, zusätzliche Förderbedingungen oder Bestimmungen definiert werden, welche die Rechte Einzelner berühren und daher nicht in einen Durchführungsrechtsakt einbezogen werden können.
Was die Vorlage von Bewertungen anbelangt, so betreffen die Artikel 27 und 28 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 die Aussetzung von Zwischenzahlungen in Fällen unvollständiger Ausgabenerklärungen oder finanzieller Angaben und bilden nach Auffassung der Kommission keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Aussetzung von Zahlungen bei nicht fristgerechter Vorlage der Berichte über die Halbzeit- und Ex-Post-Bewertungen, die nicht als finanzielle Angaben betrachtet werden können. Daher muss in die Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 eine spezifische Rechtsgrundlage für die Anwendung von Artikel 61 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 aufgenommen werden.
Zur Einbindung des Begleitausschusses ist festzustellen, dass der neue Unterabsatz zu Artikel 78 die bestehende Bestimmung des Artikels 59a der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 in die Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 einbezieht und keine substanzielle Veränderung mit sich bringt. Die "vier Fälle", auf die der Bundesrat verweist, werden bereits in Artikel 59a durch die Formulierung "Änderungen im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung" abgedeckt.
Zur Ausweitung der Natura-2000-Förderung ist zu betonen, dass der Vorschlag - zusätzlich zu den in den Habitat-Richtlinien ausgewiesenen Natura 2000-Agrar- und Waldgebieten - die Förderfähigkeit abgegrenzter Naturschutzgebiete mit umweltspezifischen Beschränkungen vorsieht, was zur Umsetzung von Artikel 10 der Richtlinie 92/43/EWG beiträgt. Um sicherzustellen, dass die Zahlungen weiterhin vor allem für Natura-2000-Standorte verwendet werden, ist es angezeigt, den Umfang der angrenzenden landwirtschaftlichen Fördergebiete auf 5% der gesamten ausgewiesenen (land- und forstwirtschaftlichen) Natura-2000-Gebiete zu begrenzen. Diese Regel gewährleistet sowohl für die Verwaltung als auch für künftige Begünstigte eine transparente und korrekte Bestimmung der Gebiete, die für Zahlungen im Rahmen von Natura 2000 in Betracht kommen.
Im April 2009 legten mehrere Mitgliedstaaten dem Rat 39 Vereinfachungsvorschläge vor. 15 dieser Vorschläge betrafen den Bereich Cross Compliance. Elf davon sind angenommen worden, teilweise mit den nötigen Anpassungen, um sicherzustellen, dass das Cross-Compliance-System nicht gefährdet wird. Die meisten der angenommen Vorschläge sind inzwischen umgesetzt worden, unter anderem durch Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission. Zwei Vorschläge, die Follow-up-Kontrollen bei geringfügigen Verstößen oder eine in Betrieben festgestellte Nichtbeachtung betreffen, die eine Kürzung um weniger als 100 EUR bewirken würde (Deminimis-Regel), konnten noch nicht umgesetzt werden, da hierzu die Verordnung (EG) Nr. 073/2009 des Rates geändert werden müsste. Dies wird nun im Zuge der Änderung der Verordnung (EG) Nr. 073/2009 vorgeschlagen.
Von den neun Vorschlägen, die die ländliche Entwicklung betreffen, sind vier in den vorliegenden Vorschlag eingeflossen: zahlenmäßige Verringerung der Berichte zur Strategiebegleitung, vereinfachtes Follow-up von geringfügigen Verstößen und Deminimis-Verstößen sowie Erleichterung einer mehr maßgeschneiderten Inanspruchnahme von Beratungsdiensten. Darüber hinaus werden in der Neufassung der Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 über Kontrollverfahren bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums (neue Verordnung (EG) Nr. 065/2011) zwei die Kontrollen betreffende Vorschläge berücksichtigt.
Was die übrigen drei Forderungen anbelangt, so arbeitet die Kommission derzeit daran, eine tolerierbare Fehlerquote für die ländliche Entwicklung zu definieren. Auch wurde eine besondere Taskforce gebildet, die in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Ungenauigkeiten bei der Meldung von Fehlerquoten korrigieren soll.
Die beiden anderen Vorschläge betreffend die Genehmigung staatlicher Beihilfen im Rahmen der Programmgenehmigung und die Straffung des Gemeinsamen Begleitungs- und Bewertungsrahmens können nicht umgesetzt werden, solange die Programmplanung in vollem Gange ist.
Erstens, die Genehmigung nicht landwirtschaftlicher Beihilfen im Rahmen von Programmen zur ländlichen Entwicklung ist nicht möglich, da solche Beihilfen nicht in den Geltungsbereich von Artikel 42 des Vertrags fallen. Als praktische Lösung kann die Kommission eine gleichzeitige Bewertung anregen, um sicherzustellen, dass die Genehmigung nicht landwirtschaftlicher Beihilferegelungen erfolgt, bevor die Änderungen des Entwicklungsplans für den ländlichen Raum gebilligt werden. Auch können die Mitgliedstaaten in den meisten Fällen auf die Deminimis-Regelung der Gruppenfreistellungsverordnung zurückgreifen.
Zweitens, das gemeinsame Begleit- und Bewertungssystem für Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums wurde in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten erstellt. Um die Anwendung dieses Systems zu erleichtern, hat die Kommission ein Europäisches Evaluierungsnetz aufgebaut. Mithilfe von Indikatoren soll eine Quantifizierung der Auswirkungen der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums ermöglicht werden. Solche Informationen tragen dazu bei, die Glaubwürdigkeit und Rechenschaftspflicht in der Politik zu erhöhen. Eine Änderung des Systems würde eine Schwächung der ländlichen Entwicklung bewirken sowie die Anstrengungen der Mitgliedstaaten und die bisher erzielten Erfolge beeinträchtigen.
Weitere Beratungen zum Thema Vereinfachung finden innerhalb der Sachverständigengruppe zur Vereinfachung statt, die regelmäßig zusammentritt. Außerdem hat die Kommission eine Studie in Auftrag gegeben, um den Verwaltungsaufwand bei einigen ausgewählten Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung zu untersuchen.
Was die Notwendigkeit kürzerer Laufzeiten für Agrarumwelt- und Tierschutzmaßnahmen anbelangt, so sind nach Auffassung der Kommission häufig längere Zeiträume erforderlich, bis Agrarumweltmaßnahmen auf Ebene der einzelnen Betriebe die angestrebten Umwelteffekte erbringen.
Hinsichtlich der Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer heißt es in Artikel 71 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005, dass sich der ELER nur an der Finanzierung nicht erstattungsfähiger Mehrwertsteuer beteiligen kann, die tatsächlich und endgültig von anderen Begünstigten als den Nicht-Steuerpflichtigen im Sinne des Artikels 13 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zu entrichten ist. Dies schließt Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Stellen aus, die in Bezug auf die Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer als Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten.
Mit der Spezifizierung der förderungswürdigen Begünstigten kommt die Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 dem Sonderbericht Nr. 7/2003 des Rechnungshofs über die Durchführung der Programmplanung für die Strukturfondsinterventionen des Zeitraums 2000-2006 nach, der am 23. Juli 2003 veröffentlicht wurde. Diesem Bericht zufolge müssen die Regeln für die Förderfähigkeit der Mehrwertsteuer im Lichte des komplexen MwSt-Systems präzisiert werden. Generell werden auch die verschiedenen Kompensationssysteme berücksichtigt, die in den Mitgliedstaaten für mehrwertsteuerpflichtige staatliche Einrichtungen gelten; dies macht es schwierig, den Nachweis nicht erstattungsfähiger Mehrwertsteuer zu erbringen.
Ich hoffe, dass hiermit die in der Stellungnahme des Bundesrates vorgebrachten Fragen geklärt werden konnten, und freue mich auf eine Fortführung unseres politischen Dialogs in dieser Sache und über andere Themen.
Mit freundlichen Grüßen Maro efcovic