941. Sitzung des Bundesrates am 29. Januar 2016
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Kulturfragen (K), der Rechtsausschuss (R) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Bundesrat nimmt das Arbeitsprogramm der Kommission "Jetzt ist nicht Zeit für Business as usual" für das Jahr 2016 zur Kenntnis. Er begrüßt dabei, dass sich das Arbeitsprogramm - wie angekündigt - in Kontinuität zum Vorjahr an den zehn politischen Prioritäten der "Juncker-Kommission" orientiert.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die Möglichkeit zur Vorlage des Arbeitsprogramms 2016 der Kommission Stellung zu nehmen. Er begreift die Mitteilung nicht als verwaltungstechnische Vorhabenplanung, sondern vielmehr als politisches Programm.
- 3. Der Bundesrat unterstützt nachdrücklich die Konzentration des Arbeitsprogramms 2016 auf 23 Schlüsselinitiativen im Bereich der zehn Prioritäten. Er begrüßt, dass darüber hinaus abermals in Erwägung gezogen wird, konkrete Gesetzgebungsvorschläge zurückzunehmen oder zu ändern und REFIT-Maßnahmen zur Überprüfung der Qualität bestehender EU-Vorschriften anzugehen.
- 4. Aus Sicht des Bundesrates ist der Ansatz der Kommission, sich auf die Themen von strategischer Bedeutung zu konzentrieren, ein wichtiger Beitrag, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU zu festigen bzw. zurückzugewinnen.
- 5. Die frühzeitigen Ankündigungen ermöglichen aus Sicht des Bundesrates auch allen am Rechtsetzungsverfahren direkt und indirekt Beteiligten sowie allen Mitgestaltern im europäischen Mehrebenensystem, rechtzeitig zu einer Positionierung zu finden und ihre Anliegen frühzeitig entsprechend einzubringen.
- 6. Der Bundesrat würdigt das Bemühen der Kommission, Transparenz zu gewährleisten und über ihr Handeln Rechenschaft abzulegen. Dass sich die Kommission bemüht, ihre Prioritäten an den jeweils aktuellen Herausforderungen und Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger auszurichten, ist ein unterstützenswerter Ansatz. Auch ist aus Sicht des Bundesrates zu begrüßen, dass - vor allem in den Bereichen mit dem größten Handlungsbedarf - ein größeres Augenmerk auf die Durchsetzung der europäischen Rechtsvorschriften gelegt wird.
- 7. Wie bereits beim Arbeitsprogramm 2015 (Stellungnahme des Bundesrates vom 6. März 2015 (BR-Drucksache 628/14(B) ) bittet der Bundesrat die Kommission, im Sinne eines bürgernahen und transparenten EU-Rechtsetzungsprozesses die im Arbeitsprogramm angekündigten Maßnahmenpakete durch konkrete Initiativen zu unterlegen und diese sowie den Zeitplan für die Umsetzung des Arbeitsprogramms der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
- 8. Eine detaillierte, abschließende Bewertung wird der Bundesrat vornehmen, wenn die Kommission die Konkretisierungen ihrer Vorschläge vorlegt.
REFIT - Programm gesellschaftlich gestalten
- 9. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich das von der Kommission weiterhin angestrebte Ziel, einen Abbau des bürokratischen Aufwandes und der damit verbundenen Kosten zu erreichen. Gleichzeitig fordert der Bundesrat die Kommission erneut auf, bei den Ermittlungen zu "Bürokratiekosten" nicht nur die [kurzfristigen] Auswirkungen auf Unternehmen, sondern auch auf die Verwaltung {und die gesamte Gesellschaft} [sowie die Aufwendungen für den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt] zu berücksichtigen. Wie etwa bei der für das Jahr 2016 geplanten Evaluierung und Durchführung von Folgemaßnahmen zu den Vorschriften im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz müssen {{neben der Wertschätzung eines hohen sozialen Standards sozialer Sicherheit für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger selbst auch}} die positiven Auswirkungen eines funktionierenden Sozialschutzes auf Wettbewerb und Wachstum einbezogen werden.
- 12. Der Bundesrat betont die Bedeutung des bewährten Prinzips des Sozialen Dialogs mit den Sozialpartnern auf europäischer Ebene und bekräftigt den Wunsch, dass von diesem Prinzip auch im REFIT-Programm nicht abgewichen wird.
- 13. Der Bundesrat wiederholt seine Auffassung, dass Maßnahmen der besseren Rechtsetzung nicht bezwecken dürfen, bestehende [oder künftige] Standards im Umwelt-, Natur-, {Tier-}, Verbraucher-, Gesundheits-, Arbeits- und Sozialschutz sowie im Arbeitsrecht oder bei der Bürgerbeteiligung in Frage zu stellen. Er verweist darauf, dass die Frage der Standardsetzung innerhalb der geregelten EU-Rechtsetzungsverfahren zu klären ist.
- 15. Der Bundesrat macht wiederholt deutlich, dass mit dem REFIT-Programm kein Abbau von bestehenden Standards im Umwelt-, Natur-, [Tier-,] Verbraucher-, Gesundheits- und Sozialschutz sowie im Bereich der Bürgerbeteiligung einhergehen darf.
- 16. Der Bundesrat kritisiert, dass die Kommission den entscheidenden Schritt versäumt, die immer komplexeren, unübersichtlichen europäischen Strukturen zur Verwaltung und Kontrolle der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, die einen erheblichen Anteil am EU-Budget ausmachen, dem REFIT-Programm zu unterziehen. Stattdessen begnügt sich die Kommission lediglich kursorisch mit Teilbereichen.
- 17. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Kommission den entscheidenden Schritt versäumt, die immer komplexeren, unübersichtlichen europäischen Strukturen zur Verwaltung und Kontrolle der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, die einen erheblichen Anteil des EU-Budgets ausmachen, dem REFIT-Programm zu unterziehen.
- 18. Im Übrigen verweist der Bundesrat auf seine früheren Stellungnahmen zum REFIT-Programm der Kommission (BR-Drucksache 272/14(B) vom 10. Oktober 2014, BR-Drucksache 718/13(B) vom 19. Dezember 2013 und BR-Drucksache 771/12(B) vom 1. Februar 2013).
Andere Dinge in Angriff nehmen - Die Dinge anders angehen
- 19. Der Bundesrat begrüßt den Anspruch der Kommission, Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit zu finden. Um diesem Ziel gerecht zu werden, ist es notwendig, Arbeitskraft gebündelt und konzentriert einzusetzen. Der Bundesrat weist aber darauf hin, dass die Herausforderungen nur gemeistert werden können, wenn alle wesentlichen Teilaspekte berücksichtigt werden. Die Konzentration auf die großen Fragen darf nicht zu einer einseitigen, voreingenommenen Betrachtungsweise führen.
- 20. Der Bundesrat bedauert, dass - wie bereits im Arbeitsprogramm für das Jahr 2015 - auch im aktuellen Arbeitsprogramm die für die Regionen in der EU wichtigen Felder wie Regional- und Sozialpolitik, Landwirtschaft, Verkehr, Forschung, Innovation, Umwelt- und Verbraucherschutz nicht als eigenständige Prioritäten erwähnt, sondern lediglich als "Unterthemen" aufgefasst werden.
- 21. Der Bundesrat bedauert, dass - wie bereits im Arbeitsprogramm für das Jahr 2015 - auch im aktuellen Arbeitsprogramm die für die Regionen in der EU wichtigen Felder wie die Arbeits- und Sozialpolitik, nicht als eigenständige Prioritäten erwähnt, sondern lediglich als "Unterthemen" aufgefasst werden.
- 22. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass nachhaltige Lösungen gefunden werden müssen. Dazu müssen alle Auswirkungen der einzelnen Lösungsvorschläge aus allen Blickwinkeln geprüft werden. Dazu gehört unter anderem der Verbraucherschutz. Bleibt man dahinter zurück und schiebt Bedenken beiseite, wird sofortiger Korrekturbedarf provoziert. Eine voreingenommene Herangehensweise riskiert die Vergrößerung der Herausforderung oder gar die Schaffung neuer Probleme.
- 23. Der Bundesrat fordert die Kommission auf, den Verbraucherschutz im Rahmen ihrer Prioritäten als wesentlichen Teilaspekt entschlossen zu verfolgen sowie zusätzliche Initiativen zum Verbraucherschutz zu prüfen und zu initiieren.
EU-Haushalt
- 24. Ein verantwortungsvoller und effektiver Einsatz von Haushaltsmitteln sowohl in der EU als auch in den Mitgliedstaaten ist Voraussetzung dafür, dass die Herausforderungen unserer Zeit bewältigt werden können.
- 25. Der Bundesrat nimmt die Pläne der Kommission, bei der Halbzeitüberprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens eine Strategie für einen "ergebnisorientierten EU-Haushalt" vorzuschlagen, zur Kenntnis.
- 26. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Absicht bekundet, [EU-Haushaltsmittel ergebnisorientiert zu verwenden sowie] Spielräume für Vereinfachungen und wirksamen Mitteleinsatz zu nutzen.
- 28. Hierdurch sollen nach Aussage der Kommission neue Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen geschaffen werden. Diese Überprüfung darf jedoch nicht mittelbar dazu führen, dass europäische Förderprogramme wie das Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport "Erasmus+" sowie das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation "Horizont 2020" [gekürzt oder inhaltlich] zu stark an wenigen thematisch engen Prioritäten ausgerichtet werden. Diese Programme profitieren gerade von der Vielfalt ihrer Themenstellungen.
- 30. Neue Herausforderungen sind grundsätzlich durch mittel- bis langfristige Anpassungen innerhalb des EU-Haushalts - und bei dringendem Bedarf kurzfristig durch Umschichtungen im Haushalt - zu bewältigen. Eine EU-Steuer wird abgelehnt.
Neue Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen Bildung
- 31. Der Bundesrat begrüßt den Ansatz der Kommission, die Mitgliedstaaten weiterhin in ihren Anstrengungen zu unterstützen, Menschen wieder in Arbeit zu bringen und die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen zu beschleunigen. Eine gute [Berufs]Ausbildung für junge Menschen ist die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit.
- 32. Das Modell des dualen Ausbildungssystems sollte hierbei in den Blick genommen werden.
- 33. Insoweit haben sich in den letzten Jahren die Vorteile des dualen Ausbildungssystems deutlich gezeigt. Der Bundesrat spricht sich deshalb gegen alle Vorhaben der Kommission aus, die dieses System schwächen könnten.
- 34. Die Kommission stellt in ihrem Arbeitsprogramm eine Europäische Agenda für neue Kompetenzen in Aussicht, welche unter anderem der Förderung der Entwicklung von Kompetenzen, der beruflichen Bildung und Hochschulbildung sowie sogenannter "Lebenskompetenzen", die für eine aktive Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger erforderlich sind, dienen soll. Der Bundesrat weist anlässlich der Ankündigung der Kommission, dass diese Agenda auch legislativer Art sein soll, auf die durch die Artikel 165 und 166 AEUV eng gesteckten kompetenziellen Grenzen hin. Die Kompetenz für die Ausgestaltung der Bildungsinhalte und ihre Weiterentwicklung liegt ausschließlich bei den Mitgliedstaaten, in Deutschland bei den Ländern. Im Bildungsbereich kommt der EU lediglich eine unterstützende Rolle unter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und der Freiwilligkeit der europäischen Bildungskooperation und unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung zu.
- 35. Die Agenda für neue Kompetenzen soll nach den Plänen der Kommission auch die gegenseitige Anerkennung von Kompetenzen behandeln. Der Bundesrat weist darauf hin, dass mit der Berufsanerkennungsrichtlinie bereits ein Instrument für Anerkennungsfragen besteht, das in den Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Zudem finden sich in den Mitgliedstaaten selbst weitere Instrumente für die Feststellung der Gleichwertigkeit der von der Richtlinie nicht erfassten Qualifikationen, die erfolgreich angewendet werden. Vor diesem Hintergrund erachtet der Bundesrat die Schaffung weiterer Instrumente in diesem Bereich weder als erforderlich noch als zielführend und warnt darüber hinaus erneut vor einer Vermischung von Anerkennungs- und Transparenzinstrumenten. Insbesondere der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) ist ein reines Übersetzungsinstrument ohne legislativen Charakter, das auf freiwilliger Implementierung beruht und keine Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten besitzt.
- 36. Der Bundesrat begrüßt die Erklärung der EU-Bildungsminister vom 17. März 2015 zur Förderung von staatsbürgerlicher Bildung und der gemeinsamen Werte von Freiheit, Toleranz und Nichtdiskriminierung. Angesichts der Ereignisse in den vergangenen Monaten - islamistische Terroranschläge und Bedrohungen auf dem Territorium der EU - kommt der Vermittlung und Weitergabe der gemeinsamen europäischen Werte besondere Bedeutung zu. Bei den Bildungsinitiativen 2016 sollten daher verstärkt Maßnahmen für eine integrative Bildung aufgenommen werden.
- 37. Der Bundesrat begrüßt, dass neben Wachstum und Beschäftigungsfähigkeit nunmehr verstärkt auch andere Aspekte wie Wertevermittlung auf europäischer Ebene in den Fokus gelangen. Er erinnert jedoch daran, dass Bildung kein bloßes Instrument zur Erreichung dieser Zwecke darstellt und ein auf Bildung als Wirtschaftsfaktor verengter Fokus dem deutlich umfassenderen Bildungsanspruch in den Ländern, der auf die personale, kognitive und soziale Bildung des Einzelnen abzielt, nicht gerecht wird. Der Eigenwert von Bildung muss auch im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit im Blick behalten werden und darf nicht einem Verständnis weichen, welches Bildung an ihrem Mehrwert für europäische Prioritäten misst.
- 38. Die aktuelle Erfahrung terroristischer Bedrohung in Europa hat abermals deutlich gemacht, dass Wertevermittlung sowie die Bekämpfung von Intoleranz, Diskriminierung und Radikalisierung bedeutende Aufgaben darstellen. Hierbei kann die europäische Zusammenarbeit auch im Bildungsbereich einen echten Mehrwert leisten, indem sie junge Menschen aus unterschiedlichen Staaten zusammenbringt und für diese Völkerverständigung unmittelbar erfahrbar macht. Der Bundesrat stellt jedoch mit großem Bedauern fest, dass bei der Umsetzung des Programms "Erasmus+" verstärkt große Projekte mit vermeintlich systemischen Wirkungen gefördert werden und die persönlichen Begegnungen im Rahmen kleinerer Projekte insbesondere im Schulbereich in den Hintergrund geraten. Die Fernwirkung dieser kleineren Projekte ist vielleicht nicht messbar, für die Entwicklung des Einzelnen jedoch von unschätzbarer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die Kommission abermals auf, der strukturellen Benachteiligung kleinerer Projekte, insbesondere im schulischen Bereich, im Programm "Erasmus+" entgegenzuwirken, und weist darauf hin, dass die Bewilligungsquote von reinen Schulpartnerschaften nicht weiter zurückgehen darf, sondern erhöht werden muss.
Geschlechtergleichstellung
- 39. Der Bundesrat begrüßt, dass im Arbeitsprogramm der Kommission für das Jahr 2016 die Geschlechtergleichstellung als Priorität aufgegriffen wird und unterstützt die Schwerpunktsetzung auf die Work-Life-Balance erwerbstätiger Eltern und das Ziel einer höheren Erwerbsbeteiligung der Frauen.
- 40. Durch die Annahme der Richtlinie über Frauen in Leitungsorganen von Unternehmen wird ein wichtiger Impuls für die Schaffung von Arbeitsplätzen, Wachstum und Investitionen gesetzt werden. Die Vorgaben der Richtlinie werden zur Nutzung des gesamten Potentials in einer sich ändernden Gesellschaft führen. Deshalb fordert der Bundesrat die Bundesregierung nachdrücklich auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben.
- 41. Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass die Kommission die praktischen Arbeiten zur Förderung der Geschlechtergleichstellung fortführt, und bedauert, dass es ab dem Jahr 2016 keine europäische Geschlechtergleichstellungstrategie geben wird. Er hält es für wichtig, dass nachhaltige Aktivitäten in den Bereichen
- - Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit, - Verringerung des Einkommens- und Rentengefälles und dadurch Bekämpfung der Armut von Frauen,
- - Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Entscheidungsprozessen,
- - Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt sowie Schutz und Unterstützung der Opfer und - Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der Rechte der Frau weltweit,
wie sie in dem Commission Working Staff Document "Strategic engagement for gender equality 2016-2019", SWD(2015) 278 final vom 3. Dezember 2015 aufgeführt sind, entfaltet werden.
- 42. Der Bundesrat erachtet insbesondere legislative Tätigkeiten im Bereich der Geschlechtergleichstellung für notwendig, wobei die Kodifizierung der EuGH-Rechtsprechung zur Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern aus Gründen der Rechtssicherheit dringlich ist, um eine einheitliche Anwendung zu fördern.
Gemeinsame Agrarpolitik
- 43. Der Bundesrat begrüßt die Ankündigung der Kommission, Vereinfachungen im Verwaltungsaufwand im Bereich der Landwirtschaft anzugehen. Er betont, dass Entlastungen für Landwirtinnen und Landwirte und Verwaltungen dringend erforderlich und möglich sind, ohne die politisch beschlossene Grundausrichtung der Reform in Frage zu stellen. Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, dass die Kommission bislang nur sehr verhalten Initiativen zur Vereinfachung der GAP ergriffen hat, obwohl seitens der Mitgliedstaaten seit Frühjahr 2015 Vorschläge zur Vereinfachung vorliegen.
- 44. Im Rahmen der Überprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2014 bis 2020 soll unter anderem die Gemeinsame Agrarpolitik betrachtet werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung insbesondere bei der Erstellung des Bewertungsberichts, die Länder umfassend einzubeziehen.
- 45. Der Bundesrat betont die besondere Verantwortung der Landwirtschaft für den Erhalt vielfältiger und artenreicher Biotope. Bereits im Vorfeld der 2017 anstehenden Halbzeitbewertung der GAP-Reform wird sich der Bundesrat dafür einsetzen, dass die derzeit geltenden Regelungen zum "Greening" in der Weise fortentwickelt werden, dass diese künftig wirksam zum Erhalt der biologischen Vielfalt im ländlichen Raum beitragen. Neben der Erhöhung des Anteils ökologischer Vorrangflächen von derzeit fünf auf sieben Prozent sollte die naturschutzfachliche Wirksamkeit der jetzt möglichen Maßnahmen selbst auf den kritischen Prüfstand gestellt werden, da insbesondere die Anerkennung von Zwischenfrucht-Anbauflächen keinen nennenswerten naturschutzfachlichen Mehrwert gegenüber der bisher ausgeübten Praxis mit sich bringt.
Tierschutzstrategie
- 46. Der Bundesrat bedauert, dass das Arbeitsprogramm der Kommission keine Fortführung der Tierschutzstrategie 2012 bis 2015 vorsieht. Er weist darauf hin, dass nicht alle darin enthaltenen Punkte bislang umgesetzt sind. Er hält insbesondere die Schaffung eines an den wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierten anspruchsvollen EU-Tierschutz-Rahmenrechts mit EU-weit einheitlichen Standards für notwendig. In der im Jahr 2012 veröffentlichten Tierschutzstrategie wurde unter anderem ein umfassende Regelungen enthaltender EU-Rechtsrahmen angekündigt. Hierzu sollten die zersplitterten Einzelregelungen (zum Beispiel Legehennen-Richtlinie, Sauen-Richtlinie, Ferkelkastration, et cetera) in diesen EU-Rechtsrahmen überführt werden.
- 47. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission überein, dass eine nachhaltige Zukunft zu gestalten bedeutet, auch Bedrohungen für die Umwelt zu antizipieren und abzuwenden. In diesem Zusammenhang wird die Ankündigung der Kommission begrüßt, die Mitgliedstaaten weiterhin dabei zu unterstützen, das Problem der Antibiotikaresistenz anzugehen und einen Beitrag zu den weltweit in dieser Hinsicht unternommenen Anstrengungen zu leisten. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass bei der Novellierung des EU-Tierarzneimittelrechts und des EU-Arzneimittelfutterrechts diesem Anspruch Rechnung getragen wird.
Milchmarkt
- 48. Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben der Kommission, den Bericht über die Funktionsweise des Milchmarktes bereits im kommenden Jahr vorzulegen. Angesichts der angespannten Situation auf dem Milchmarkt besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf, da sich viele Milcherzeugerinnen und Milcherzeuger in einer existenzbedrohenden Situation befinden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass alle bestehenden Milchmarktkriseninstrumente zur Stützung der Erzeugerpreise bestmöglich genutzt und neue entwickelt werden. Hierbei sind auch weitere Instrumente zur Marktentlastung auf allen Ebenen, wie Versicherungslösungen, kurzfristige Herauskaufaktionen, oder zu einer flexiblen Angebotsregulierung zu prüfen.
- 49. Insbesondere die Weiterentwicklung der EU-Marktbeobachtungsstelle zu einem effizienten Frühwarnsystem für sich abzeichnenden Preisverfall muss nun kurzfristig umgesetzt werden.
Gentechnik
- 50. Der Bundesrat bedauert, dass die Kommission bislang keinen Vorschlag zur Verbesserung des europäischen Zulassungsverfahrens für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) vorgelegt hat. Die Kommission kann weiterhin Anträge zum Anbau, zur Einfuhr und zur Verarbeitung neuer gentechnisch veränderter Organismen zulassen, auch wenn sich eine deutliche Mehrheit der Mitgliedstaaten dagegen ausspricht. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Risikoanalyse nicht ausschließlich von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit erfolgen soll und die Kommission nicht ohne Zustimmung der Mitgliedstaaten (GVO) zulassen kann. Ferner sollte nach Ansicht des Bundesrates das Zulassungsverfahren so verändert werden, dass Umweltbelange stärker als bisher Berücksichtigung finden.
- 51. Der Bundesrat bedauert, dass viele der mit der Neuordnung des europäischen Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel 2009 beabsichtigten Fortschritte bislang nicht oder nur unzureichend realisiert wurden. Weder konnten Fortschritte bei der Stärkung des Vorsorgeprinzips erzielt werden noch wurde die Harmonisierung der Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln zwischen den Mitgliedstaaten erkennbar verbessert. In der praktischen Umsetzung des Zulassungsverfahrens fehlen nach wie vor Bewertungsmaßstäbe für die neu aufgenommenen Kriterien "Biodiversität" und "endokrine Disruptoren"; eine Anwendung des Substitutionsverfahrens ist nicht erkennbar. Die mit der zonalen Zulassung erhoffte verbesserte Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln insbesondere in kleinen Kulturen des Obst- und Gemüsebaus steht weiterhin aus. Der Bundesrat bittet die Kommission, ihre Anstrengungen zur praktischen Umsetzung der geltenden Regelungen zu verstärken und in gleicher Weise auch auf die Zulassungsbehörden der Mitgliedstaaten einzuwirken.
Ein vernetzter digitaler Binnenmarkt
- 52. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission darin überein, dass eine florierende digitale Wirtschaft positive Effekte auf die Märkte und Beschäftigung haben kann.
- 53. Der Bundesrat würdigt daher die Bemühungen der Kommission, einen voll funktionsfähigen digitalen Binnenmarkt in Europa noch während der Amtszeit der "Juncker-Kommission" zu schaffen. Zur besseren Ausschöpfung europäischer Wachstums- und Innovationspotentiale und im Interesse der Sicherung der Zukunftsfähigkeit Europas ist der Bundesrat der Auffassung, dass digitale Schranken und Hindernisse für den freien Datenverkehr soweit sinnvoll und möglich abgebaut werden müssen. Bereits bewährte Daten- und Verbraucherschutzstandards, wie sie beispielsweise bereits in den deutschen Ländern bestehen, dürfen dabei jedoch nicht abgesenkt oder ausgehöhlt werden. Der Ausbau einer modernen und interoperablen Infrastruktur sowie die Förderung von Innovationen und Unternehmergeist sollten dabei ebenso im Mittelpunkt der Bemühungen stehen wie der Schutz geistigen Eigentums und der Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahme vom 10. Juli 2015 (Drucksache 212/15(B) ).
- 54. Der Bundesrat kritisiert jedoch, dass sich die Kommission auf die Erwähnung der positiven Effekte des digitalen Binnenmarktes beschränkt. Gefahren und Nachteile für Verbraucherinnen und Verbraucher werden nicht explizit genannt. Daher fordert der Bundesrat die Kommission auf, neue Initiativen und Entwicklungen an einem hohen Verbraucherschutzstandard auszurichten.
Eine robuste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzpolitik Umwelt-, Natur- und Klimaschutz
- 55. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in ihrem Arbeitsprogramm 2016 den Klimawandel und die Verknappung der Ressourcen als eine der größten Herausforderungen unserer heutigen Gesellschaft anerkennt. Die Ankündigung der Kommission, ein hohes Umweltschutzniveau zu ihren ehrgeizigen politischen Zielen aufzunehmen, wird ausdrücklich begrüßt.
- 56. Der Bundesrat spricht sich mit Nachdruck dafür aus, dass Umwelt-, Natur- und Klimaschutz einen entscheidenden Schwerpunkt der EU-Politik bilden und sich im Rahmen der Umsetzung des Arbeitsprogramms 2016 der Kommission widerspiegeln müssen.
- 57. Der Bundesrat stellt fest, dass die Themenfelder Umwelt- und Naturschutz sowie Klimaschutz und Nachhaltigkeit nicht in dem erforderlichen Maße von der Kommission als eigenständige Ziele ihrer Politik verfolgt werden, sondern ausschließlich den wirtschaftspolitischen Prioritäten des Arbeitsprogramms zugeordnet wurden mit dem Ziel, insbesondere auf Synergien zwischen Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung zu setzen. Nach Auffassung des Bundesrates stellt eine hohe Umweltqualität jedoch ein eigenständiges Ziel dar und bedarf einer eigenständigen Agenda. Dies steht nach Auffassung des Bundesrates nicht im Widerspruch zu einer Realisierung von Synergieeffekten.
- 58. Der Bundesrat stellt in diesem Zusammenhang fest, dass das Arbeitsprogramm 2016 keinen Hinweis auf die Umsetzung des Allgemeinen Umweltaktionsprogramms der Union für die Zeit bis 2020 (7. Umweltaktionsprogramm) enthält.
- 59. Er weist darauf hin, dass das für die Zeit 2013 bis 2020 beschlossene 7. Umweltaktionsprogramm weiterhin den Rahmen für ein nachhaltiges Wachstum und dauerhaften Wohlstand in der EU bildet. Darin werden der Erhalt und die Verbesserung des Naturkapitals sowie der Schutz der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger vor umweltbedingten Belastungen zu prioritären Zielen der Union erklärt.
- 60. Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, im Arbeitsprogramm eine eigene Rubrik zur umfassenden und zügigen Umsetzung des 7. Umweltaktionsprogramms vorzusehen. Hierbei sind unter anderem Bemühungen zur umfassenden Einhaltung der Luftqualitätsvorschriften der Union und Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung an der Quelle dringend erforderlich. Insbesondere ist die schnelle Umsetzung eines neuen, an den realen Fahrbedingungen orientierten Typprüfverfahrens für Kfz erforderlich.
- 61. Dies erscheint auch insofern als sachgerecht, als die Kommission selbst feststellt, dass der Klimawandel und die Verknappung der natürlichen Ressourcen zu den größten Herausforderungen unserer heutigen Gesellschaft zählen und ein hohes Umweltschutzniveau zu den "ehrgeizigen politischen Zielen" des Arbeitsprogramms gehört. Dies muss sich auch in den angestrebten Legislativakten wiederfinden.
Nachhaltigkeitsstrategie für Europa
- 62. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich, dass die Kommission beginnen will, die "künftige Nachhaltigkeit Europas zu sichern" und dies als Priorität in ihr Arbeitsprogramm aufnimmt.
- 63. Der Bundesrat bedauert jedoch, dass die Kommission den Bedarf für eine neue europäische Nachhaltigkeitspolitik im Arbeitsprogramm nur im Kontext der Priorität "Neue Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen" artikuliert.
- 64. Der Bundesrat bemängelt insbesondere, dass die Relevanz ökologischer Nachhaltigkeit nach 2020, insbesondere in Bezug auf die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs), die die Vereinten Nationen im September 2015 verabschiedeten, lediglich erwähnt wird. Die Kommission versäumt es allerdings, ein Konzept mit konkreten Schritten zur Realisierung dieser Ziele vorzulegen. Im gesamten Arbeitsprogramm tauchen die Wörter Naturschutz, Biodiversität oder Bodenschutz nicht auf. Dies ist umso erforderlicher, als man sich unter europäischer Führung auf dem Pariser Klimagipfel zwar auf Ziele geeinigt hat, die jetzige Herausforderung aber in den konkreten Umsetzungsschritten liegt.
- 65. Er fordert die Kommission daher erneut auf, einen dem Querschnittscharakter des Leitprinzips der nachhaltigen Entwicklung gemäß Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des EUV angemessenen strategischen Rahmen für die nachhaltige Entwicklung zu schaffen. So wird die EU befähigt, ihrer Verantwortung für eine vorbildliche Umsetzung der neuen internationalen Nachhaltigkeitsziele nachzukommen. Sollte dies nicht gelingen, wird die EU an internationaler Glaubwürdigkeit verlieren.
- 66. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass Bürgerinnen und Bürger von einer gesunden Umwelt profitieren. Der Bundesrat mahnt allerdings an, die Lasten im Zusammenhang mit der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft auf allen Schultern zu verteilen. Kosten dürfen nicht einseitig von der Wirtschaft an Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden. Auch die Wirtschaft muss ihren Teil beitragen.
- 67. Der Bundesrat schlägt vor, dass ein neuer strategischer Rahmen für nachhaltige Entwicklung über eine neue EU-Nachhaltigkeitsstrategie oder über eine glaubwürdige Verankerung des Leitprinzips der nachhaltigen Entwicklung und der 17 internationalen Nachhaltigkeitsziele in einer weiterentwickelten "Europa 2030"-Strategie geschaffen werden könnte. Damit würde eine gute Basis für die Nachhaltigkeitsbemühungen der Mitgliedstaaten und auch der Regionen in der EU gelegt. Für die Koordination und Umsetzung dieses neuen strategischen Rahmens sind - anders als bei der bisherigen EUNachhaltigkeitsstrategie - entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Natura 2000
- 68. Für das Jahr 2016 sieht die Kommission die Folgemaßnahmen der Evaluierung der EU-Naturschutzrichtlinien vor. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang erneut auf seine Stellungnahme vom 10. Oktober 2014 (BR-Drucksache 272/14(B) ), in der er sich gegen den Abbau von bestehenden Standards im Umwelt-, Verbraucher-, Gesundheits- und Sozialschutz ausgesprochen hat. Er nimmt die am 20. November 2015 im Rahmen des Überprüfungsprozesses vorgestellten Ergebnisse der Evaluationsstudie für den Fitness-Check der Vogelschutz- und Habitat-Richtlinie, die keine Notwendigkeit für eine Änderung der Richtlinien ergeben haben, zur Kenntnis. Vor diesem Hintergrund und angesichts der bestehenden Defizite beim Erhalt der biologischen Vielfalt spricht sich der Bundesrat dafür aus, dass der bestehende Rechtsrahmen der EU-Naturschutzrichtlinien gesichert werden sollte. Für eine Änderung des Rechtsrahmens wird keine Notwendigkeit gesehen.
- 69. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission fortwährend die Wirksamkeit ihres Handelns und die Zeitgemäßheit ihrer Regulierungsansätze überprüfen will. Der Bundesrat weist jedoch in Bezug auf den Fitness-Check von Natura 2000 (Vogelschutz- und Habitat-Richtlinie) darauf hin, dass eine solche Prüfung auch zu dem Ergebnis führen kann, dass keine Veränderungen im Sinne einer "Vereinfachung" erforderlich sind.
- 70. Anstelle einer "Vereinfachung" sind aus Sicht des Bundesrates vermehrte Anstrengungen zur Umsetzung und Zielerreichung erforderlich. In diesem Sinne sollte der Folgeprozess des Fitness-Checks gestaltet werden. Ziel muss es sein, neue Impulse für eine wirkungsvolle Naturschutzpolitik zu geben. Neben dem Klimawandel ist der fortschreitende Verlust der biologischen Vielfalt die größte umweltpolitische Herausforderung. Dabei zeigt die Halbzeitbewertung der Biodiversitätsstrategie, dass erhebliche Anstrengungen erforderlich sein werden, um das Ziel, den anhaltenden Verlust von Arten und Biotopen bis 2020 zu stoppen, noch zu erreichen.
Schutz der Umweltmedien Wasser, Luft und Boden
- 71. Der Bundesrat stellt fest, dass viele Legislativakte Einfluss auf die Zielerreichung anderer Legislativakte haben. So stellen beispielsweise zu großzügig gewählte Grenzwerte für Quecksilberemissionen von Industrieanlagen in der IED-Richtlinie eine erhebliche Erschwerung des Erreichens der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie mit Blick auf die Schwermetallbelastung von Oberflächengewässern dar. Daher bittet der Bundesrat die Kommission darum, zukünftig mögliche Interferenzen zwischen verschiedenen Rechtsetzungsvorhaben stärker zu berücksichtigen und diese Betrachtung in die Erwägungsgründe mit aufzunehmen.
- 72. Mit Blick auf die Erreichung der EU-Luftqualitätsziele begrüßt der Bundesrat insbesondere, dass die Kommission den seit 2013 laufenden Prozess zur Novellierung der NEC-Richtlinie nun als vorrangig zu verfolgenden Vorschlag betrachtet. Hier bittet der Bundesrat ausdrücklich darum, mögliche negative Einflussfaktoren der Landwirtschaft beispielsweise im Bereich von Ammoniakemissionen auf die Zielerreichung der NEC-Richtlinie zu berücksichtigen und hierfür Lösungsvorschläge zu unterbreiten, ohne aber die Ziele der Richtlinie selbst in Frage zu stellen.
- 73. Neben der NEC-Richtlinie sollen 2016 ebenfalls die Verordnungsvorschläge für Schadstoffemissionen von Straßenfahrzeugen bzw. von nicht für den Verkehr bestimmten mobilen Geräten und Maschinen zu einem Abschluss gebracht werden. Der Bundesrat spricht sich bei beiden Verordnungsvorschlägen sowie beim Komitologieverfahren zu den Prüfmethoden bei Kfz-Emissionen für ambitionierte Grenzwerte und die schnellstmögliche Einführung von realistischen Prüfverfahren aus. Ohne wirkungsvolle Minimierung von Schadstoffemissionen an der Schadstoffquelle werden die Ziele der Richtlinie "über Luftqualität und saubere Luft für Europa" nicht zu erreichen sein.
- 74. Mit Blick auf das Ziel, bis 2020 flächendeckend einen guten aquatischen Zustand aller Gewässer zu erreichen, bittet der Bundesrat, insbesondere unter Bezugnahme auf die zunehmende Verschmutzung von Gewässern mit Arzneimitteln, um die Vorlage einer Strategie, wie diesem zu begegnen ist. Gemäß der Richtlinie über prioritäre Stoffe im Bereich der Wasserpolitik hätte eine solche Strategie bereits 2015 vorgelegt werden müssen. Er fordert die Kommission dazu auf, in einer solchen Strategie auch darzulegen, wie etwaige Maßnahmen finanziert werden können, beispielsweise durch die Inverantwortungnahme der Inverkehrbringer problematischer Stoffe.
- 75. Der Bundesrat stellt fest, dass das Thema "Mikroplastik in Binnengewässern" neben "Mikroplastik in den Meeren" zunehmend an Relevanz gewinnt. Global betrachtet stammen etwa 80 Prozent der Einträge aus landseitigen Quellen, vieles wird davon über die Binnengewässer in die Meere transportiert. Vor diesem Hintergrund wird das Thema im Arbeitsprogramm vermisst. Eine europaweite Strategie zur Minimierung der Mikroplastikeinträge in die Gewässer sollte entwickelt werden.
- 76. Der Bundesrat begrüßt, dass die erfolglosen Bemühungen zum Erlass einer Bodenrichtlinie beendet wurden, da so Raum geschaffen wird, um neue Lösungswege zu beschreiten. Der Bundesrat fordert die Kommission auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und auch für dieses bislang als letztes noch nicht reguliertes Umweltmedium Vorschläge zum Schutz zu erarbeiten.
Kreislaufwirtschaftsstrategie
- 77. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission am 2. Dezember 2015 ein Vorschlagspaket zur Kreislaufwirtschaft vorgelegt hat. Er wird den Vorschlag in der weiteren Beratung insbesondere dahingehend prüfen, ob auf dieser Grundlage ein echter europäischer Binnenmarkt für die Wiederverwendung von Wertstoffen und Ressourcen geschaffen wird und ob durch die Vorschläge eine Abkehr von der Linearwirtschaft möglich ist.
- 78. Er hält hierfür verbindliche Vorgaben für alle Mitgliedstaaten für erforderlich. Diese sollten sich beispielsweise auf ein europaweites Deponieverbot oder auf Vorgaben zur Verringerung der thermischen Verwertung von Abfällen beziehen.
- 79. Der Bundesrat weist zudem darauf hin, dass der beste Weg für einen schonenden Ressourceneinsatz ist, Abfälle erst gar nicht entstehen zu lassen. Daher fordert der Bundesrat die Kommission dazu auf, den gesamten Lebenszyklus eines Produktes zu betrachten - von der Beschaffung über die Produktion bis hin zum Verbrauch. Er bittet die Kommission daher, Vorgaben zum Produktdesign (Ökodesign-Richtlinie) auch auf die abfallpolitischen Effekte hin zu prüfen.
- 80. Auf Grund der Warenverkehrsfreiheit im europäischen Binnenmarkt lassen sich produktbezogene, abfallpolitische Anforderungen beispielsweise an die Gestaltung von Verpackungen national nicht verbindlich vorschreiben. Vor dem Hintergrund einer steigenden Menge an Verpackungsabfällen, die auf Grund der Gestaltung der Verpackung nicht recyclingfähig sind und daher nur thermisch verwertet werden können, bittet der Bundesrat die Kommission zu prüfen, wie diesem den abfallpolitischen Zielen entgegenstehenden Zustand begegnet werden kann.
Energieunion
- 81. Der Bundesrat begrüßt die Anstrengungen der Kommission zur Etablierung einer europäischen Energieunion.
- 82. Nach Auffassung des Bundesrates muss in diesem Zusammenhang eine europäische Energiewende - also die Abkehr von fossilen und atomaren Energieträgern - primäres Ziel sein. So kann langfristig das energiepolitische Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Kosteneffizienz und Umweltverträglichkeit bestmöglich erreicht werden. Der Bundesrat begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Kommission 2016 einen Großteil der im Fahrplan für die Energieunion vorgesehenen Einzelmaßnahmen vorlegen möchte. Eine Energieunion, die lediglich als Einkaufsgemeinschaft für fossile Brennstoffe und insbesondere Gas konzipiert ist, lehnt der Bundesrat ab.
- 83. Zur Verwirklichung einer robusten Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzpolitik kündigt die Kommission weitere Initiativen im Rahmen der Energieunion an. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Umsetzung des Energie- und Klimapakets 2030 als zentrale Priorität benennt.
- 84. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Energieversorgung Europas sicherstellen und dessen Importabhängigkeit verringern möchte. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Beschleunigung der Energiewende und eine Erhöhung der Energieeffizienz nicht einseitig auf Kosten und zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher gehen dürfen. Aktivitäten der Kommission sollten auch die Auswirkungen auf den Datenschutz und das Preisniveau berücksichtigen. Diese Auswirkungen sollten transparent für alle Verbraucherinnen und Verbraucher sein.
- 85. Der Bundesrat erachtet [die Ankündigung] eines Vorschlags zur Lastenteilung für nicht unter das Emissionshandelssystem (ETS) fallende Bereiche wie den Gebäudesektor, die Landwirtschaft und die Dekarbonisierung des Verkehrs von besonderer Bedeutung. Dies kann einen bedeutenden Beitrag zur Dekarbonisierung und zum Klimaschutz leisten.
86. Hauptempfehlung des U:
Der Bundesrat ist ferner der Auffassung, dass die ermutigenden Ergebnisse des Klimagipfels in Paris auch ihren Niederschlag in den europäischen Energie- und Klimazielen finden müssen. Er fordert die Kommission daher dazu auf, die bestehenden Zielmarken von 27 Prozent erneuerbare Energien, 40 Prozent Emissionsminderung und 27 Prozent Effizienzsteigerung bis 2030 zu überprüfen und ambitioniert anzuheben. Damit diese Ziele in allen Mitgliedstaaten verankert werden, ist nach Auffassung des Bundesrates ein verbindlicher "Governance-Rahmen" mit nachvollziehbaren und überprüfbaren Verpflichtungen der Mitgliedstaaten erforderlich.
87. Hilfsempfehlung des U:
Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen der Kommission im Rahmen der UNFCCC Klimakonferenz in Paris 2015 und unterstreicht in diesem Zusammenhang die Bedeutung von verbindlichen, vergleichbaren und nachprüfbaren Treibhausgasemissionsreduktionszusagen aller Staaten im Rahmen der UNFCCC. Das Abkommen der Weltklimakonferenz in Paris hat mit dem Ziel den Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad, möglichst weniger als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, ein deutliches Signal gesetzt. Um dieses erreichen zu können, ist eine entsprechende Anpassung der europäischen Ziele dringend erforderlich.
- 88. Zu einer wirkungsvollen CO₂-Minderungsstrategie gehört insbesondere eine effektive und schnell wirksame Reform des Emissionshandels. Die Reform sollte alle Sektoren zu verstärktem Klimaschutz verpflichten und Schieflagen im EU-Binnenmarkt verhindern. Der Bundesrat begrüßt als nächsten Schritt, dass noch in dieser Handelsperiode eine Marktstabilitätsreserve eingeführt werden soll; die Einführung sollte jedoch früher als 2019 erfolgen.
- 89. Im Zusammenhang mit der Überprüfung der Energie- und Klimaziele, vor dem Hintergrund der Ergebnisse von Paris, bittet der Bundesrat die Kommission ebenfalls, die derzeitig gültigen Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien dahingehend zu überprüfen, ob sie dazu geeignet sind, Investitionen in den zur Zielerreichung erforderlichen Sektoren anzureizen. Der Bundesrat fordert die Kommission deshalb auf, die geplante Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie zu nutzen, um die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen neu zu justieren. Nach Auffassung des Bundesrates sollte dabei die Festlegung auf Ausschreibungen hinterfragt und der Spielraum für die Anwendung von Einspeisetarifen mit Einspeisevorrang vergrößert werden. Dazu sollten bereits in der für den Sommer 2016 angekündigten Initiative zur Energieeigenversorgung verbindliche und harmonisierte Deminimis-Regelungen eingeführt werden, die Bürgergenossenschaften und Kommunen erlauben, beispielsweise kleinere neue Windparks und den Ersatz durch Windkraftanlagen neueren Typs (Retrofitting bzw. Repowering) von den Ausschreibungsanforderungen auszunehmen.
- 90. Der Bundesrat stellt fest, dass trotz zahlreicher Vorschläge der Kommission insbesondere bei der Steigerung der Energieeffizienz bislang erhebliche Defizite zu verzeichnen sind. Er begrüßt daher ausdrücklich, dass Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz einer von fünf Schwerpunkten der Arbeit der Kommission sein sollen. Er wird sich aktiv in die anstehende Novellierung wichtiger Rechtsakte wie der Energieeffizienz-Richtlinie, der Gebäuderichtlinie, der Energieverbrauchskennzeichnung und der Ökodesign-Richtlinie einbringen.
- 91. Der Bundesrat spricht sich auch vor dem Hintergrund des in Paris vereinbarten Klimaziels nachdrücklich dafür aus, auf die Förderung von Öl und Gas aus unkonventionellen Quellen zu verzichten. Soll das 2-Grad-Ziel erreicht werden, müssen zwei Drittel der bestehenden fossilen Energiereserven im Boden verbleiben. Diese Tatsache steht im Widerspruch zur geplanten Förderung von Öl und Gas aus unkonventionellen Quellen.
- 92. Nach Auffassung des Bundesrates steht auch die Förderung der CCS-Technologie, insofern als sie zur Speicherung von CO₂ aus Verbrennungsprozessen der Energiewirtschaft dienen soll, im Widerspruch zu dem in Paris vereinbarten Klimaziel.
- 93. Der Bundesrat betont zudem, dass eine wirkliche Energiewenkarbonisierung ohne Atomkraft heißt. Die klimapolitischen Ziele der Energieunion dürfen nicht die Legitimation für eine Kehrtwende zur Atomkraft mit ihren erheblichen Risiken bieten. Weil radioaktive Strahlung keine Grenzen kennt, liegt hier eine besondere Verantwortung der EU. Zudem ist Atomkraft nicht wirtschaftlich. Ohne massive staatliche Beihilfen und oftmals versteckte Subventionen wäre die Atomkraft nicht überlebensfähig. Der Bundesrat kritisiert daher die Subventionen für Atomenergie und fordert die Kommission auf, die Entscheidung der vorherigen Kommission zu Hinkley Point III zu revidieren und für einen Beihilferahmen zu sorgen, der staatliche Beihilfen für die Atomkraft ausschließt. Das schon 2003 gemachte Versprechen der Kommission, die Atomkraftwerksbetreiber zur vollen Zahlung ihrer Risiko- und Nachfolgekosten zu verpflichten, sollte eingelöst werden.
Horizont 2020
- 94. Es wird entschieden kritisiert, dass die Mittelaufwendungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz im Forschungsbereich bisher erheblich hinter den Mittelaufwendungen für die nukleare Energieforschung zurückgeblieben sind. Hier muss es eine deutliche Trendwende geben. Dazu müssen im aktuellen Forschungsrahmenprogramm "Horizont 2020" die Forschungsmittel im Bereich der Atomforschung, die sich im Zeitraum von 2014 bis 2020 im Rahmen der EURATOM-Programme auf über zwei Milliarden Euro belaufen, in Zukunftstechnologien wie erneuerbare Energien und Effizienz umgeschichtet werden. Davon ausgenommen werden dürfen nur solche Forschungsmittel, die zum Ausstieg aus der Kernenergie, zur nuklearen Sicherheit und zum Strahlenschutz verwendet werden.
Ein vertiefter und fairerer Binnenmarkt mit gestärkter industrieller Basis
- 95. Der Bundesrat sieht - wie die Kommission - den Binnenmarkt als einen einzigartigen Trumpf der europäischen Integration an. Allerdings sollte der Binnenmarkt weiter ausgebaut und an die sich wandelnden Anforderungen angepasst werden. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Bundesrat die Absicht der Kommission ein Paket zur Arbeitsmobilität vorzulegen, mit dem der Missbrauch bei der Arbeitskräftemobilität gestoppt werden soll.
- 96. Der Bundesrat stimmt auch mit der Kommission überein, dass der Binnenmarkt das Fundament der europäischen Wirtschaft bildet. Es gilt dessen volles Potenzial freizusetzen. Aus Sicht des Bundesrates muss ein fairer Binnenmarkt aber auch einen fairen Ausgleich zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Unternehmerinnen und Unternehmern beinhalten.
- 97. Verbraucherschutz darf nicht nur aus der Unternehmerperspektive betrachtet werden. Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren nicht automatisch vom Binnenmarkt und wirtschaftlichem Wachstum. Sie bedürfen des Schutzes vor Übervorteilung und einseitiger Bevorzugung wirtschaftlicher Interessen.
- 98. Der Bundesrat betrachtet die Schwerpunktsetzung im Rahmen des faireren Binnenmarktes kritisch. Das Arbeitsprogramm der Kommission lässt keine hinreichende Berücksichtigung des Verbraucherschutzes erkennen. Nur zwei der 22 Maßnahmen der Binnenmarktstrategie bezwecken direkt den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Auch diese Maßnahmen sprechen nur relativ kleine Verbrauchergruppen an. Die Maßnahme zur partizipativen Wirtschaft richtet sich ausdrücklich nur an ein Drittel aller Verbraucherinnen und Verbraucher.
- 99. Auch die Absicht, die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen zu erleichtern, wird vom Bundesrat begrüßt. Allerdings müssen die Maßnahmen, die hierzu ergriffen werden, echte Handelshemmnisse beseitigen. Sinnvolle Regulierungen, die unter anderem vor allem aus Gründen der Markttransparenz, der Qualitätssicherung und des Verbraucherschutzes bisher getätigt wurden, müssen erhalten bleiben. Dies gilt vor allem für den Wachstumsbereich der freien Dienstleistungen in Deutschland.
- 100. Soweit die Kommission "weitere Fortschritte in Richtung einer fairen, effizienten und wachstumsfreundlichen Unternehmensbesteuerung" anstrebt, wird auf die Stellungnahme des Bundesrates vom 25. September 2015 (BR-Drucksache 296/15(B) ) verwiesen.
- 101. Der Vorschlag der Kommission für einen stufenweisen Ansatz zu einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage erscheint aus pragmatischen Erwägungen gangbar. Ziel muss allerdings weiterhin die Umsetzung des Gesamtkonzepts bleiben.
- 102. Hinsichtlich der OECD-Empfehlungen zu BEPS sieht der Bundesrat die Notwendigkeit einer zügigen Umsetzung. Die von der Kommission angekündigte Richtlinie mit Mindeststandards im Rahmen des "Base Erosion und Profit Shifting (BEPS)" - sogenannten "Anti-BEPS-Richtlinie" - ist eng mit den entsprechenden OECD-Empfehlungen abzustimmen. Die nationale Umsetzung darf dadurch nicht erschwert werden.
- 103. Der Bundesrat unterstützt das Anliegen der Kommission, Verwaltungsaufwand für grenzüberschreitend tätige Unternehmen zu verringern, wobei dies nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der übrigen Unternehmen führen darf. Darüber hinaus unterstützt der Bundesrat auch das Anliegen der Bundesregierung, dass die nationalen Haushalte in Deutschland nicht beeinträchtigt werden und die EU-vertraglich festgelegte Zuständigkeit der Mitgliedstaaten gewahrt bleibt. Eine vertiefte und fairere Wirtschafts- und Währungsunion
- 104. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission umfassende Diskussionen und eine EU-weite Konsultation und Debatte zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion in Gang setzen will.
- 105. Unabdingbar ist, Verwaltungsaufwand und bürokratische Lasten zielgerichtet zu minimieren und keine neuen kostenträchtigen administrativen Strukturen zu errichten.
Vor diesem Hintergrund wird insbesondere die von der Kommission vorgeschlagene Einrichtung nationaler Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit abgelehnt. Der Bundesrat sieht in den bisherigen Überlegungen zu den Aufgaben solcher Ausschüsse keinen Nutzen im Sinne des Ziels einer besser abgestimmten europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik.
- 106. Ferner lehnt der Bundesrat die Einführung eines vergemeinschafteten europäischen Einlagensicherungssystems ab. Er ist der Auffassung, dass es vorrangige Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, die Abwicklungsrichtlinie BRRD und die Einlagensicherungsrichtlinie DGSD vollständig und fristgerecht umzusetzen.
- 107. Bei allen Vorschlägen wird darauf zu achten sein, dass das Nobailout-Gebot nicht ausgehöhlt wird und ein Gleichlauf zwischen einerseits Kontrolle, das heißt wirtschafts- und fiskalpolitischen Befugnissen, und andererseits Haftung gewahrt bleibt.
- 108. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission eine europäische Säule sozialer Rechte errichten will. Er weist darauf hin, dass die Kommission in der Beschäftigungs- und Sozialpolitik lediglich eine koordinierende Rolle im Rahmen der europäischen Beschäftigungsinitiative hat und behält sich vor zu den konkreten Vorschlägen der Kommission dezidiert Stellung zu nehmen.
- 109. Der Bundesrat vermisst im Arbeitsprogramm der Kommission eine [konkrete] Untersetzung der angekündigten "Sozialen Säule" und hofft, dass dies noch folgen wird. Auch im Lichte des Berichtes der 5 Präsidenten sowie der Halbzeitbilanz und der Konsultation zur Europa-2020-Strategie sollte dabei definiert werden, was das europäische Sozialmodell ausmacht, und es sollten die Wege dorthin aufgezeigt werden. [Der Bundesrat erwartet eine frühzeitige Einbeziehung der Länder bei den anstehenden Konsultationen zur Ausgestaltung der "Sozialen Säule".]
- 110. Aus Sicht des Bundesrates sollte die Kommission hierbei gesetzgeberisch insbesondere folgende Punkte in den Blick nehmen: einen einheitlichen, europaweiten Referenzwert zur Ableitung des jeweiligen existenzsichernden Mindestlohnniveaus in den Mitgliedstaaten, gemeinsame Mindeststandards im Bereich der sozialen Grundsicherung zur Sicherstellung eines angemessenen Lebensstandards bei gleichzeitiger Förderung des Zugangs zum Arbeitsmarkt insbesondere für Menschen mit Vermittlungshemmnissen, gemeinsame Empfehlungen für Sozial- und Bildungsausgaben gemessen am BIP und unter Einbeziehung der Gesamtbevölkerungszahl der einzelnen Mitgliedstaaten sowie gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit am selben Ort bei gleichen Rechten und fairen Arbeitsbedingungen. Der Bundesrat stimmt damit im Grundsatz mit den Empfehlungen überein, welche das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 20. November 2012 als Zielsetzung für einen Sozialpakt für Europa unterbreitet hatte.
- 111. Der Bundesrat betont dabei die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips: So dürfen europäische Mindeststandards nationale Standards nicht unterlaufen. [Die durch den Lissabon-Vertrag vorgegebene Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten ist zu wahren. Nationale Besonderheiten sind ebenso zu beachten wie die Befugnis der Mitgliedstaaten, die Grundprinzipien ihres Systems der sozialen Sicherheit selbst festzulegen.] Bewährte nationale Sozialsysteme in Europa müssen beibehalten werden, jedoch werden europaweite gemeinsame Standards benötigt, um die nationalen Sozialsysteme zu schützen und so zu entwickeln, dass sie im Sinne der sozialen Konvergenz möglichst allen Menschen zugutekommen. Ein vernünftiges und ausgewogenes Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten
- 112. Der Bundesrat nimmt die besondere prioritäre Einstufung des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP für 2016 in ihrem Arbeitsprogramm zur Kenntnis.
- 113. Er weist in diesem Zusammenhang auf die von den Mitgliedstaaten bereits im Verhandlungsmandat vorgegebenen Vorkehrungen zum Erhalt der hohen EU-Standards und des Regulierungsspielraums hin. Er nimmt auch die gegenüber der Öffentlichkeit kommunizierten Erläuterungen der Kommission sowie die von dieser und der Bundesregierung angestrebten Schutzvorkehrungen in Bereichen wie der öffentlichen Daseinsvorsorge, Umwelt- und Verbraucherschutz, der Kultur- und Medienvielfalt wie auch der Bildung zur Kenntnis. Der Bundesrat erwartet, dass die von der Kommission angekündigten Schutzmechanismen in das Abkommen entsprechend eingearbeitet werden.
- 114. Der Bundesrat begrüßt daher das Bemühen der Kommission um mehr Transparenz und öffentlichen Dialog in Bezug auf die Verhandlungen zu TTIP, hält jedoch die Informationslage zum Stand und den Inhalten der Verhandlungen weiterhin für unzureichend.
- 115. Der Bundesrat erkennt den Einsatz der Kommission für eine faire und ausgewogene Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten (USA) und für eine Reform des Investitionsschutzes auch im Rahmen von TTIP an.
- 116. Der Bundesrat hält einen Investitionsschutzmechanismus mit den USA jedoch weiterhin für entbehrlich und verweist insoweit auf die Entschließung des Bundesrates vom 11. Juli 2014 (BR-Drucksache 295/14(B) ).
- 117. Der Bundesrat befürwortet die Einrichtung eines dauerhaften, multilateral legitimierten und rechtstaatlichen internationalen Handelsgerichtshofes, der mit unabhängigen, staatlich finanzierten Berufsrichtern besetzt ist, über eine Berufungsinstanz verfügt und dem Prinzip der Öffentlichkeit unterliegt. Im Rahmen der Investor-Staat-Streitbeilegung muss das Prinzip der Rechtstaatlichkeit oberste Priorität haben. Insoweit bekräftigt der Bundesrat seine Stellungnahme vom 18. Dezember 2015 (BR-Drucksache 500/15(B) ).
- 118. Der Investitionsschutz darf das demokratische Recht der Parlamente zur Gesetzgebung und zum Erlass von Regelungen im öffentlichen Interesse in keiner Weise beeinträchtigen. Dies muss uneingeschränkt auch für diejenigen Abkommen gelten, die aktuell bereits im Verhandlungs- oder Ratifizierungsprozess stehen.
- 119. Vor dem Hintergrund der Verhandlungen mit den USA über einen reformierten Investitionsschutzmechanismus weist der Bundesrat auf die Notwendigkeit hin, auch die im Wirtschafts- und Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) enthaltenen Regelungen zum Investitionsschutz zu überarbeiten.
- 120. Der Bundesrat unterstützt die Bemühungen der Kommission um eine verbesserte Transparenz der Verhandlungen. Er befürwortet die von der Kommission beabsichtigte engere Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament, den Mitgliedstaaten und ihren nationalen Parlamenten sowie der Zivilgesellschaft als einen wichtigen Schritt. Der Bundesrat erwartet, dass die Kommission geeignete Instrumente, wie zum Beispiel die Veröffentlichung der Verhandlungsmandate und die Durchführung von öffentlichen Konsultationen und Dialogveranstaltungen, auch in Zukunft nicht nur bei ausgewählten Verhandlungen, sondern generell und durchgängig im Rahmen der bilateralen Handelsagenda und im Rahmen des multilateralen Systems der Welthandelsorganisation einsetzt.
- 121. Der Bundesrat mahnt an, dass das in der EU geltende Vorsorgeprinzip durch eine verstärkte internationale Zusammenarbeit in Regulierungsfragen nicht abgeschwächt und eine Weiterentwicklung von EU-Standards nicht behindert werden darf. Insoweit bekräftigt der Bundesrat seine Entschließung vom 7. Juni 2013 (BR-Drucksache 464/13(B) ). Eine Informations- oder Kooperationspflicht zwischen der Kommission und Drittstaaten über geplante Gesetzes- und Regulierungsinitiativen im Rahmen der regulatorischen Kooperation, bevor das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten informiert wurden, lehnt der Bundesrat ab.
- 122. [Der Bundesrat sieht die geplante Ausgestaltung der regulatorischen Zusammenarbeit kritisch und mahnt an, dass] das europäische Vorsorgeprinzip unangetastet bleiben muss. Außerdem dürfen Rechtsetzungsverfahren und Rechtsetzungsbefugnisse auf der europäischen, nationalen und der regionalen Ebene nicht beeinträchtigt werden. Auch das Primat der Europäischen Grundrechtecharta und des europäischen Primärrechts müssen ebenso wie Grundrechte, die in den Verfassungen der Mitgliedstaaten garantiert sind, gewahrt bleiben. Arbeitnehmerrechte, öffentliche Daseinsvorsorge und Datenschutz sowie die Wahrung der hohen europäischen und nationalen Arbeits-, Gesundheits-, Sozial-, Verbraucher- und Umweltstandards dürfen nicht zur Disposition stehen.
- 123. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung dazu auf, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass es zu keiner Absenkung von Standards, insbesondere in den Bereichen Umwelt-, Tier-, Klima- und Verbraucherschutz, kommt.
- 124. Der Bundesrat stellt klar, dass die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme, die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge einschließlich sozialer Dienstleistungen, unabhängig davon, ob diese öffentlich oder privat finanziert sind, und Leistungen der sozialen Sicherheit in TTIP und auch in anderen internationalen Handelsabkommen unangetastet bleiben müssen. Der Politikspielraum sowie die Definitions- und Organisationshoheit für die genannten Bereiche müssen für die Mitgliedstaaten in vollem Umfang erhalten bleiben.
- 125. Der Bundesrat geht weiter davon aus, dass es sich bei TTIP um ein sogenanntes Gemischtes Abkommen handelt.
- 126. Der Bundesrat begrüßt ferner die Vorlage einer neuen EU-Handelsstrategie, die die Kommission mit Beschluss vom 15. Oktober 2015 vorgelegt hat. Er verweist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahmen zur Handelsstrategie, im Besonderen BR-Drucksache 500/15(B) sowie im Speziellen auf die Entschließungen auf BR-Drucksache 464/13(B) und BR-Drucksache 295/14(B) zum Themenkomplex TTIP.
- 127. Eine neue Handelspolitik Europas muss Antworten finden auf die mit dem zunehmenden globalen Wettbewerb verbundenen Gefahren eines Wettlaufs sozialer und ökologischer Standards nach unten sowie einer Entkopplung weniger entwickelter Staaten vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt. Die europäische Handelspolitik muss sich insofern in den Dienst der Verwirklichung einer fairen Welthandelsordnung stellen und das multilaterale System der Welthandelsorganisation (WTO) revitalisieren.
- 128. Aus Sicht des Bundesrates kann die steigende Zahl bilateraler und multilateraler Abkommen Umwelt- und Verbraucherschutzstandards gefährden und zu Lasten dritter Staaten und Wirtschaftsräumen gehen. In diesem Zusammenhang warnt der Bundesrat vor einem möglichen Diskriminierungsbzw. Deregulierungswettbewerb, der zu Lasten wirtschaftlich schwächerer Staaten mit geringer Verhandlungsmacht ausgetragen würde.
- 129. Der Bundesrat sieht wie die Kommission Handelspolitik als wertebasiertes politisches Instrument an, das nachhaltige Entwicklung, Menschenrechte und verantwortungsvolles Regierungshandeln fördern kann. Der Bundesrat weist daher darauf hin, dass die dafür erforderlichen Regulierungen nicht in erster Linie als Handelshemmnis betrachtet werden sollten. [Der Bundesrat vertritt daher die Auffassung, dass hohe europäische Standards gewahrt bleiben sollen. Schutzniveaus, zum Beispiel für Verbraucherinnen und Verbraucher, Umwelt, Gesundheit und öffentliche Daseinsvorsorge, dürfen nicht zur Disposition stehen.]
- 130. Der Bundesrat unterstützt die Bemühungen der Kommission um Kohärenz der Politikfelder. Die europäische Handelspolitik kann nur dann nachhaltig wirken, wenn sie verzahnt wird mit den internen Politiken sowie mit der Außen-, Menschenrechts-, Nachhaltigkeits- und Entwicklungspolitik. Dabei ist die Unterstützung der in völkerrechtlich verbindlichen Abkommen sowie Vereinbarungen der Vereinten Nationen formulierten Ziele und Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte und Umweltschutz durch die Handelspolitik der EU von herausgehobener Bedeutung. Insoweit bekräftigt der Bundesrat seine Stellungnahme vom 18. Dezember 2015 (BR-Drucksache 500/15(B) ).
- 131. Der Bundesrat begrüßt gleichzeitig die Zusage der Kommission, dass Handelsabkommen keine Verpflichtung der Staaten zur Privatisierung von Dienstleistungen enthalten und einer Ausweitung des Spektrums der Dienstleistungen, die der Staat der Öffentlichkeit anbietet, nicht entgegenstehen werden.
Auf gegenseitigem Vertrauen fußender Raum des Rechts und der Grundrechte
- 132. Der Bundesrat fordert nicht zuletzt nach den neuerlichen Anschlägen von Paris eine Optimierung der Politik der inneren Sicherheit innerhalb der EU. Hierzu müssen die innerhalb der Strategie der inneren Sicherheit enthaltenen wichtigen Maßnahmen umgesetzt werden. Dies betrifft insbesondere jene zur Bekämpfung des Terrorismus sowie zur Zerschlagung internationaler krimineller Netzwerke.
- 133. Der Bundesrat begrüßt die Fortschritte in der EU auf dem Gebiet des Datenschutzes.
- 134. Der Bundesrat weist auf die Notwendigkeit hin, dass wichtige Rechtsetzungsverfahren schnellstmöglich abgeschlossen werden müssen, um die grenzüberschreitende Arbeit der Strafermittlungs- und Verfolgungsbehörden zu erleichtern. Hierzu gehören insbesondere das EU-Passagierdatenregister (EU-PNR) oder die EU-Datenschutzrichtlinie. In beiden Fällen dürfen Sicherheit und Datenschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden, ohne jedoch die Arbeit von Polizei und Justiz unverhältnismäßig zu erschweren.
- 135. Der Bundesrat misst dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung hohe Bedeutung bei. Er mahnt zu einer strikten Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung, auch im Verhältnis zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern und Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Hin zu einer neuen Migrationspolitik
- 136. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass die Bewältigung des anhaltenden Flüchtlings- und Migrationsstromes die derzeit größte Herausforderung für die EU darstellt. Er begrüßt, dass die Kommission dazu einen breitgefächerten Ansatz von politischen Maßnahmen und Instrumenten einsetzen will. Der Bundesrat empfiehlt mit Blick auf eine stärkere Koordinierung der betroffenen Politikbereiche die Einrichtung dauerhaft angelegter und alle relevanten Entscheidungsebenen berücksichtigender Strukturen auf europäischer Ebene.
- 137. Der Bundesrat bedauert, dass - zu Lasten des sich aus der derzeitigen Situation ergebenden Potentials einer umfassenden Neugestaltung der Migrationspolitik mit dem Ziel einer proaktiven Steuerung der Zuwanderung - restriktive Maßnahmen, wie das Grenzmanagement an den EU-Außengrenzen, in den Vordergrund treten {und humanitäre Aspekte nur am Rande erwähnt werden}.
- 138. Der Bundesrat ist der festen Überzeugung, dass die Ursachen der Migration stärker betrachtet und den betroffenen Menschen langfristige Perspektiven in ihren Herkunftsländern eröffnet werden müssen. Dies wird dem Schutzbedürfnis der Menschen, die sich regelmäßig aus existenziellen Notlagen auf den Weg nach Europa begeben, gerecht und stellt ein [deutliches] Bekenntnis zu den {unverzichtbaren} Menschenrechten dar. In diesem Zusammenhang kommt auch den - von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedeten - neuen globalen "Zielen für nachhaltige Entwicklung" (Sustainable Development Goals - SDGs) ein großer Stellenwert zu. Dabei sind insbesondere stärkere Anstrengungen bei der Armutsbekämpfung, dem Aufbau nachhaltiger Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen und der Förderung demokratischer Transformation und Stabilität notwendig. Zur Schaffung einer langfristigen und verlässlichen Perspektive ist eine zielgerichtete Koordinierung der Aktivitäten der internationalen, nationalen und interregionalen Organisationen vorzusehen.
- 139. Der Bundesrat begrüßt die Ankündigung der Kommission, die Dublin-Verordnung zu überarbeiten [und hält dabei die Einführung eines dauerhaften verpflichtenden Verteilungsschlüssels, der eine ausgewogenere Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedstaaten sicherstellt, für geboten].
- 140. Er erachtet die faire Lastenverteilung [zwischen den Mitgliedstaaten, welche durch ein quotales System unter Berücksichtigung familiärer und humanitärer Belange erreicht werden kann,] als Kernelement eines auf gesamteuropäischer Solidarität beruhenden Konzeptes.
- 141. Ein solches Zusammenwirken schließt die Frage einer solidarischen Beteiligung aller Mitgliedstaaten bei der Aufbringung der Kosten der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden und die Aufnahme von Flüchtlingen aus den internationalen Kriegs- und Krisengebieten, beispielsweise entsprechend dem BIP und der Gesamtbevölkerung, ein.
- 142. Notwendig ist dabei ein umfassenderes System gesamteuropäischer Solidarität, bei dem alle Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung gerecht werden. Ziel eines solchen Systems muss es sein, auch für die Hauptaufnahmestaaten von Flüchtlingen, im Bedarfsfall echte Entlastungsmöglichkeiten zu schaffen. Eine einseitige Verteilung zu Lasten einiger weniger Mitgliedstaaten kann so abgemildert und den Bürgerinnen und Bürgern Europas verdeutlicht werden, dass Solidarität in Europa kein bloßes Lippenbekenntnis ist.
- 143. Der Bundesrat betont die Notwendigkeit sicherzustellen, dass nach der erfolgten Verteilung eine unmittelbar anschließende ungesteuerte Sekundärmigration verhindert wird, denn Verteilungsmechanismen machen nur dann Sinn, wenn Flüchtlinge hiernach nicht in andere Mitgliedstaaten weiterreisen. Die europäische Ebene ist hierbei gefordert, geeignete und praktikable Lösungen zu finden und umzusetzen.
- 144. Der Bundesrat unterstützt die von der Kommission beabsichtigte Einrichtung eines für die Mitgliedstaaten verbindlichen strukturierten Systems für die Neuansiedlung. Dabei sollten die persönliche Situation der Betroffenen wie Sprachkenntnisse, berufliche Fähigkeiten und familiäre Verbindungen sowie Möglichkeiten der Familienzusammenführung stärkere Berücksichtigung finden.
- 145. Der Bundesrat unterstützt die von der Kommission beabsichtigte Einrichtung eines für die Mitgliedstaaten verbindlichen strukturierten Systems für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen. Dabei sollten die persönliche Situation der Betroffenen wie Sprachkenntnisse, berufliche Kompetenzen und Fähigkeiten sowie Möglichkeiten der Familienzusammenführung stärkere Berücksichtigung finden.
- 146. Der Bundesrat bekennt sich zur zentralen Bedeutung eines effektiven Schutzes der EU-Außengrenzen sowie zum Schengen-Besitzstand als eine der größten Errungenschaften der EU. Um eine unmittelbare Gefährdung des Schengen-Systems zu vermeiden, sind gemeinsame Maßnahmen der Mitgliedstaaten jetzt essentiell. Die im Schengen-Besitzstand unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehenen Einreisekontrollen an besonders belasteten Binnengrenzen können in diesem Zusammenhang geeignete Mittel zur Regulierung temporärer Überlastungen sein.
- 147. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Bundesrat den Vorschlag der Kommission für einen europäischen Grenz- und Küstenschutz.
- 148. Der Bundesrat begrüßt die Ankündigung der Kommission, ein neues Konzept für die legale Migration vorzustellen.
- 149. Europa kann von qualifizierten Personen, die die EU als Flüchtlinge erreichen, profitieren. Gleichwohl besteht ein Bedarf am Zuzug insbesondere hochqualifizierter Personen, die nicht als Flüchtlinge kommen, fort.
- 150. In diesem Rahmen sollten auch Möglichkeiten der EU zur Migration außerhalb der sogenannten Blue Card entwickelt werden. Gerade die angesichts des demographischen Wandels immer bedeutsamer werdende Gewinnung dringend benötigter Fachkräfte verdeutlicht anschaulich die Chancen, welche sich aus der Migration ergeben.
- 151. Entsprechende Vorschläge müssen jedoch genau darauf überprüft werden, ob sie den Bedürfnissen der Arbeitsmärkte sowie der gesellschaftlichen Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der Mitgliedstaaten tatsächlich entsprechen.
- 152. Der Bundesrat erachtet eine Ausrichtung der bestehenden Förderinstrumente auf die Aspekte der umfassenden Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der Integration in Arbeit und Ausbildung für wichtig und befürwortet eine Ausweitung der entsprechenden Instrumente.
- 153. Der Bundesrat empfiehlt, Maßnahme- und Förderprogramme, die arbeitsmarktpolitisch, ausbildungspolitisch oder im Hinblick auf die Erlangung und Anerkennung von Berufs- und Studienabschlüssen positiv im Sinne einer erfolgreichen Integrationspolitik wirken, zu verstetigen. Diese sollen sich an der anhaltend stark unterschiedlichen Wirtschaftskraft in den einzelnen europäischen Regionen und Mitgliedstaaten orientieren.
Eine Union des demokratischen Wandels
- 154. Der Bundesrat lehnt die Ausweitung des EU-Transparenzregisters auf die Regionen und damit die deutschen Länder ab. Er verweist auf seine Entschließung vom 7. November 2014 (BR-Drucksache 456/14(B) ) und fordert, die bisherige Ausnahmeregelung für subnationale Behörden beizubehalten und bei einer künftigen Überarbeitung die deutschen Länder ganz aus dem Anwendungsbereich des Transparenzregisters zu nehmen. Auch in ein geplantes interinstitutionelles Transparenzregister, das in Rat, Kommission und Europäischem Parlament einheitlich zur Anwendung kommen soll, sind nach Ansicht des Bundesrates die Landesregierungen bzw. Landesvertretungen vor dem Hintergrund der Eigenstaatlichkeit der Länder und den Mitwirkungsmöglichkeiten an der europapolitischen Willensbildung und Rechtsetzung nicht einzubeziehen.
- 155. Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen der Kommission, den Dialog mit den nationalen Parlamenten zu intensivieren.
- 156. Darüber hinaus muss auch ein Dialog über die zukünftige Zusammenarbeit und Entwicklung in der EU geführt werden.
- 157. Das Ansinnen der Kommission, den Bürgerdialog weiter auszubauen, findet vom Grundsatz her die volle Unterstützung des Bundesrates. Konkrete Maßnahmen bleiben abzuwarten.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 158. Der Bundesrat übermittelt die Stellungnahme direkt an die Kommission [und das Europäische Parlament].
B
- 159. Der Gesundheitsausschuss, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Verkehrsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.