Der Bundesrat hat in seiner 829. Sitzung am 15. Dezember 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat lehnt diesen Vorschlag einer EU-Rahmenrichtlinie für den Bodenschutz aus folgenden grundsätzlichen Erwägungen ab.
- 2. Der Bundesrat ist hierzu der Auffassung, dass
- - der Vorschlag der Kommission eine Überregulierung darstellt, die dem Ziel der besseren Rechtsetzung auf EU-Ebene widerspricht,
- - bereits bestehende, bewährte nationale oder regionale Bodenschutzkonzepte nicht in Frage gestellt werden dürfen und der Freiraum der Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer Bodenschutzpolitik gewahrt bleiben muss,
- - zusätzlicher Verwaltungsaufwand und unverhältnismäßige Berichts- und Kartierungspflichten in jedem Fall vermieden werden müssen. Der Bundesrat schätzt zudem ein, dass durch die Einführung der EU-Bodenschutzrichtlinie sowohl erhebliche einmalige als auch dauerhafte zusätzliche Personal- und Sachkosten auf die Verwaltungen zukommen, insbesondere auch infolge unverhältnismäßiger Berichts- und Kartierungspflichten;
- - der Vorschlag der Kommission nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist.
Nationale Regelungen für den Bodenschutz können wesentlich besser als eine EU-Rahmenrichtlinie den großen regionalen Unterschieden in Europa Rechnung tragen und daher besteht grundsätzlich kein Bedarf für eine allgemein verbindliche spezifische Richtlinie der EU zum Bodenschutz.
Der Vorschlag berücksichtigt auch nicht ausreichend die unterschiedlichen Vorprägungen (Industrialisierung, Siedlungsdichte etc.) in den Mitgliedstaaten.
Nach Auffassung des Bundesrates können die im Vorschlag aufgeführten Gründe zu Gunsten EU-weiter Regelungen zum Bodenschutz nicht überzeugen. Gerade Boden hat wegen seiner Immobilität eine zu vernachlässigende grenzüberschreitende Wirkung. Die in der Vorlage genannten Beispiele für grenzüberschreitende Wirkungen, wie z.B. durch Flusswasser weggespülte Erosionsfrachten, die in einem anderen Land "Dämme blockieren" und "Infrastruktureinrichtungen schädigen" können, sind besser bilateral zu regeln. Auch die Begründung zur Richtlinie, dass bereits andere Umweltbereiche, wie z.B. Luft oder Wasser, bereits gemeinschaftlich geregelt und daher auch der Bodenschutz geregelt werden müsse, kann nicht überzeugen, da gerade wegen der bereits bestehenden gemeinschaftlichen Regelungen Schädigungen des Bodens durch Wechselwirkungen mit Luft und Wasser ausgeschlossen werden. Zudem wird der Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie das ursprünglich verfolgte Hauptanliegen zur Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen durch EU-weite Standards verfehlen, da solche mangels Konsens nicht aufgenommen wurden.
- 3. Die im Rahmen der EU-Initiative zur besseren Rechtsetzung geforderte Folgenabschätzung wurde zwar vorgenommen, dabei werden aber nicht vergleichbare Kosten gravierender Bodenprobleme im Mittelmeerraum (z.B. Versalzung, Wüstenbildung) dem zusätzlichen Verwaltungsaufwand etwa in Nord- oder Mitteleuropa (z.B. für Altlastenerfassung) gegenübergestellt. Nach einer ersten Abschätzung kommen durch die Einführung der EU-Bodenschutzrichtlinie erhebliche einmalige und dauerhafte zusätzliche Personal- und Sachkosten auf die Landes- und vor allem die Kommunalverwaltungen zu. Bestimmende Kostenfaktoren stellen die Erstellung des Verzeichnisses sowie die Intensivierung der behördlichen Sachverhaltsermittlung durch die Kreisordnungsbehörden zur Einhaltung des Kommissions-Zeitplans und die Institutionalisierung des "Berichts über den Zustand des Bodens" im Grundstücksverkehr dar.
- 4. Sollte sich die Einführung neuer europäischer Regelungen zum Bodenschutz angesichts eindeutiger Mehrheiten im Europäischen Parlament und im Rat nicht verhindern lassen, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass künftige EU-Regelungen sich auf einheitlichem Niveau und zur Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen an den in Deutschland bestehenden und bewährten Standards ausrichten.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung ferner, für den Fall, dass der Richtlinienvorschlag von der Kommission weiterverfolgt wird, bei den Beratungen auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass die organisatorischen, finanziellen und personellen Belastungen für die Länder auf das Nötigste begrenzt werden.
Insbesondere wären nach Auffassung des Bundesrates folgende Änderungen zwingend erforderlich:
- - Die nationalstaatliche Verantwortung für das Erreichen von Umweltstandards unter Einbeziehung der Haftung und Verantwortung der Verursacher von Bodenbelastungen und Eigentümer muss oberste Priorität haben. Das heißt, es ist klarzustellen, dass auch bei Anwendung des Verursacherprinzips nicht nur der Verursacher, sondern auch weitere Pflichtige zur Haftung herangezogen werden können.
- - Die Instrumente zum Erreichen von Umweltstandards müssen den Nationalstaaten überlassen werden. Forderungen, wie zum Beispiel nach der Abgrenzung von Risikogebieten und die Aufstellung diesbezüglicher Maßnahmenprogramme in der Richtlinie, werden abgelehnt, da die mit Anhang I vorgeschriebenen Mindestkriterien nur mit zusätzlichem Personal- und Finanzaufwand verfügbar gemacht werden können und im Hinblick auf die Zielsetzung nicht geeignet sind. Die in Kapitel II genannten potenziellen Gefahren weisen starke regionale Unterschiede auf, so dass Bewertungen auf lokaler Ebene durchzuführen sind. Zudem wird der Finanzaufwand in der Folgenabschätzung erheblich unterschätzt.
- - Der Bundesrat stellt fest, dass die Aufnahme der Nummern 3, 4, 5 im Anhang II der Richtlinie (Flughäfen, Häfen, ehemalige Militärstandorte) einen Systembruch beinhalten. Die hier genannten Gebiete stellen nicht aus sich heraus eine Gefahr für den Boden dar. Allein die dort ausgeführten Tätigkeiten weisen ein Gefährdungspotenzial auf. Er bittet deshalb die Bundesregierung, bei der Beratung der Richtlinie im Rat dafür Sorge zu tragen, dass ausschließlich Tätigkeiten als Anknüpfungspunkt für die Einordnung nach Anhang II festgelegt werden.
- - Die Forderung der EU nach nationalen Finanzierungsmodellen für die Altlastensanierung wird abgelehnt. Die existierenden spezifischen regionalen Modelle in Deutschland haben sich in der langjährigen Praxis bewährt. Sie dürfen durch EU-Vorgaben nicht behindert werden.
- - Anlagen zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU)-Anlagen (und andere) dürfen nicht pauschal als potenziell kontaminierte Standorte betrachtet und veröffentlicht werden.
- - Der Richtlinienvorschlag enthält eine Reihe von Erfassungs- und Berichtspflichten sowie Vorgaben zur Aufstellung von möglicherweise SUP (Strategische Umweltprüfung) -pflichtigen Plänen und Programmen, die mit den geltenden nationalen Regelungen in Deutschland nicht im Einklang stehen und zu einem erheblichen zusätzlichen Aufwand im Vollzug führen. Die EU-Regelungen müssen auf Berichtspflichten und SUP-pflichtige Pläne und Programme weitestgehend verzichten.
- - Eine Beteiligung der Öffentlichkeit sollte sich darüber hinaus auf die in der Umweltinformationsrichtlinie geregelten Fälle beschränken.
- - Der Bundesrat lehnt es ab, dass für die Ausgestaltung der konkreten Anforderungen zur EU-Richtlinie, insbesondere bezüglich der Festlegung der Kriterien für die Risikobewertung bei Bodenkontaminationen, auf einen Ausschuss gemäß Beschluss 1999/468/EG (Komitologie) zurückgegriffen werden soll, bei dem keine ausreichende Beteiligung gewährleistet ist.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Rahmen der Beratungen des Richtlinienvorschlags,
- - bei der Kommission darauf zu drängen, sich im vorgenannten Sinne auf EU-weite Grundsätze und konkrete Ziele zu beschränken, um einheitliche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen,
- - sich nachdrücklich dafür einzusetzen, dass keine neuen europäischen Regelungen zum Bodenschutz erlassen werden.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Länder in weitere Verhandlungen zeitnah einzubinden.
- 8. Der Bundesrat beabsichtigt, eine weitere Stellungnahme abzugeben, die sich detailliert mit dem Richtlinienvorschlag auseinandersetzen wird.
- 9. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme der Kommission.