Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 6. Dezember 2005 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).
Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 1. Dezember 2005 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Hinweis: vgl. Drucksache 364/05 (PDF) = AE-Nr. 051248
Vom Umdruck des fremdsprachigen Anhangs ist abgesehen worden, er wird als Folgedokument an die Länder verteilt.
ÜBERSICHT
Dieses Arbeitspapier listet die Prioritäten der Europäischen Kommission (nachfolgend: "die Kommission") im Bereich der Finanzdienstleistungspolitik bis zum Jahr 2010 auf. Ein über die konkreten Aufgaben und Tätigkeiten ist Gegenstand von Anhang I.
Die Konsultation zum entsprechenden Grünbuch1 hat eine breite Unterstützung dieser politischen Prioritäten zu Tage gebracht. In dieses Weißbuch sind ebenfalls die Ergebnisse des "Meinungsaustausches zur Finanzdienstleistungspolitik 2005 -2010" vom 18. Juli 20052 und parallele Initiativen wie der Bericht über die Finanzintegration des Ausschuss für Finanzdienstleistungen3, die Schlussfolgerungen des ECOFIN-Rates vom 11. Oktober 2005 sowie der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments zum aktuellen Stand der Integration der EU-Finanzmärkte4 eingeflossen. Eine entsprechende Folgenabschätzung ergänzt dieses Papier und ist Gegenstand von Anhang II.
Die Zielsetzungen der Finanzdienstleistungspolitik der Kommission für die nächsten fünf Jahre sind :
- - eine dynamische Konsolidierung der Fortschritte auf dem Weg zu einem integrierten, offenen, inklusiven, wettbewerbsfähigen und wirtschaftlich efizienten europäischen Finanzmarkt;
- - Beseitigung der verbleibenden wirtschaftlich bedeutenden Hindernisse, so dass Finanzdienstleistungen erbracht und Kapital zu den niedrigstmöglichen Kosten frei in der EU zirkulieren können, und dies vor dem Hintergrund eines efizienten Aufsichtsniveaus und einer efizienten Regulierung auf dem Gebiet der Wohlverhaltensregeln, die wiederum zu einem hohem Maß an Finanzstabilität sowie an Vorteilen für die Verbraucher und des Verbraucherschutzes führen;
- - Umsetzung, rechtliche Durchsetzung und kontinuierliche Bewertung des bestehenden Rechtsrahmens, rigorose Anwendung der Agenda zur "guten Gesetzgebungspraxis" bei künftigen Initiativen;
- - Verbesserung der aufsichtlichen Zusammenarbeit und Konvergenz in der EU, Vertiefung der Beziehungen zu anderen globalen Finanzplätzen und Stärkung des europäischen Einflusses weltweit.
Die dynamische Konsolidierung ist das "Leitmotiv" des Kommissionsansatzes, bei dem es sich um einen Ansatz handelt, der praktisch und ehrgeizig ist und den Anliegen der Interessengruppen Rechnung trägt.
Weissbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005-2010
1. DYNAMISCHE Konsolidierung der Finanzdienstleistungen
Die Finanzmärkte spielen für das Funktionieren der modernen Volkswirtschaften eine ausschlaggebende Rolle. Je integrierter sie sind, desto effizienter ist die Allokation der wirtschaftlichen Ressourcen und desto nachhaltiger wird die wirtschaftliche Leistung sein. Die Vollendung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen stellt deshalb einen ausschlaggebenden Bestandteil des wirtschaftlichen Reformprozesses5 von Lissabon dar und ist für die globale Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union von grundlegender Bedeutung.
Die Integration des Europäischen Finanzmarktes wurde durch den Aktionsplan für Finanzdienstleistungen ("Financial Services Action Plan" 1999-2005 (FSAP)) voran getrieben. Seine eigentliche Philosophie hat sich als solide erwiesen: So hat sich die Leistung der Finanzdienstleistungsbranche erhöht und der FSAP hat zu einer verstärkten Liquidität, mehr Wettbewerb, einer fundierten Rentabilität und einer erhöhten Finanzstabilität geführt, und dies trotz zahlreicher externer Turbulenzen. Mit der weiteren Umsetzung der FSAP-Maßnahmen in den kommenden Jahren werden diese positiven Folgen nur noch verstärkt werden.
Allerdings darf man bei den Bemühungen nicht nachlassen. Das europäische Finanzdienstleistungsgewerbe verfügt über ein großes bislang nicht ausgeschöpftes Wachstumspotenzial im Bereich der Wirtschaft und der Beschäftigung. Die EU-Märkte für langfristige Sparprodukte müssen dringend effizienter gestaltet werden. Auch muss für Europas größte strukturelle wirtschaftliche Herausforderung, d.h. sein enormes Defizit auf dem Gebiet der Altersversorgung, eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden werden. Der Binnenmarkt für Privatkundendienstleistungen ist ebenfalls bei weitem noch nicht vollendet. Nicht zuletzt bedarf es auch eines besser funktionierenden Risikokapitalmarktes zur Förderung neuer und innovativer Unternehmen und zur Belebung des Wirtschaftswachstums.6
So gesehen sind der Konsolidierungsprozess, die Fertigstellung noch nicht beendeter Maßnahmen, die Verstärkung der aufsichtlichen Zusammenarbeit und Konvergenz sowie die Beseitigung der noch bestehenden wirtschaftlich bedeutenden Hindernisse die Schwerpunkte der Kommissionspolitik für die nächsten fünf Jahre.
2. Gute Gesetzgebungspraxis
Die Kommission wird eine in höchstem Maße offene, transparente und nachweisgestützte Politik auf der Grundlage der doppelten Verpflichtung von offenen Konsultation und Folgenabschätzungen betreiben, um die Ausarbeitung solider Vorschriften sicherzustellen, die für den EU-Finanzdienstleistungssektor und die Verbraucher einen Mehrwert darstellen.
2.1. Offene und transparente Konsultationen
Offene Konsultationen (auch mit den Interessengruppen) werden weiterhin eine zentrale Rolle spielen und vor der Abfassung von Rechtsvorschriften durchzuführen sein. Die Kommission wird auch in Zukunft die auf die Konsultationen erhaltenen Antworten veröffentlichen sowie praktische Zusammenfassungen und Feedback-Erklärungen abfassen.
2.2. Folgenabschätzungen
Jeder neue Kommissionsvorschlag wird von nun an mit Folgenabschätzungen einhergehen. Sie werden jedes Thema abdecken und die zweckmäßigste Option ermitteln. Im Mittelpunkt werden dabei die Kosten und Nutzen stehen, die vor dem Hintergrund breit angelegter wirtschaftlicher, sozialer und umweltgebundener Aspekte bestimmt werden, sowie gegebenenfalls die Auswirkungen auf die Finanzstabilität, die reibungslose Funktionsweise der Märkte und den Verbraucherschutz.
Wann immer es möglich ist, werden die Folgenabschätzungsansätze vor ihrer Veröffentlichung mit den einschlägigen Interessengruppen abgestimmt werden. Auf Einzelfallbasis wird die Kommission auch prüfen, ob die technischen Durchführungsmaßnahmen in Stufe 2 ebenfalls der Folgenabschätzung bedürfen.
Überdies erwartet die Kommission vom Europäischen Parlament und vom Rat, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen und die Qualität der Gemeinschaftsvorschriften verbessern, indem sie bei der Anbringung wichtiger Änderungen an den Kommissionsvorschlägen ebenfalls Folgenabschätzungen vorlegen7. Bislang war dies nicht der Fall und diese Vorgehensweise stellt ein schwaches Glied in der Kette der "guten Gesetzgebungspraxis"8 dar.
2.3. Umsetzung und rechtliche Durchsetzung
Bedauerlicherweise liegt die Umsetzungsquote des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten innerhalb der vereinbarten Fristen recht niedrig9. Die Mitgliedstaaten müssen ihren echten Willen unter Beweis stellen und für eine fristgemäße Umsetzung sorgen. Die Mechanismen der rechtlichen Durchsetzung müssen weiter verstärkt und zwischen den Mitgliedstaaten ausgebaut werden. Diese gemeinsame Verantwortung ist eine größere Herausforderung für die 25 Mitgliedstaaten der EU, die bald noch um eine weitere Länder erweitert werden wird.
Die Kommission wird eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die weiteren Fortschritte zu überwachen, eine korrekte Umsetzung sicherzustellen und weitere regulatorische Zusätze, d.h. das so genannte "Goldplating", zu vermeiden. Auch wird die Kommission regelmäßig ihre Online-Tabelle zur Umsetzung des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen aktualisieren und Hyperlinks zu den Umsetzungsvorschriften der Mitgliedstaaten einbauen. Der globale Stand der Umsetzung wird zudem Gegenstand des jährlichen Fortschrittberichts auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen sein10.
Die Workshops zur Umsetzung der Rechtsvorschriften, in denen die Mitgliedstaaten und die europäischen Regulierungsbehörden mitarbeiten, werden weiterhin ein Forum zur Ausarbeitung eines Konsenses für die Umsetzung bestimmter EG-Vorschriften und zur Lösung von Problemen in ihrem Vorfeld darstellen. Die Kommission wird zusammenfassende Vermerke zu den entsprechenden Arbeiten veröffentlichen und erforderlichenfalls auch zusätzliche Auslegungsleitlinien erstellen.
Diese praktische Vorgehensweise wird eine wirksame Überwachung erleichtern. Im Falle einer fehlerhaften Umsetzung wird die Kommission unverzüglich Vertragsverletzungverfahren einleiten. Die Interessengruppen haben immer wieder die Notwendigkeit einer ausreichenden Frist für die Umsetzung der Rechtsvorschriften hervorgehoben. Die Kommission stimmt dem zwar zu, aber in dem Maße, wie sich die Stufe-2-Maßnahmen weiter entwickeln, sollten die Umsetzungsarbeiten sowohl auf legislativer als auch auf technischer Umsetzungsebene (Stufe 1 und Stufe 2) soweit wie möglich parallel folgen.
2.4. Expost-Bewertung
Eine grundlegende Frage besteht darin, ob die Vorschriften tatsächlich ihr Ziel erreichen. Die Kommission wird jährlich den allgemeinen Stand der Finanzintegration in ihrem Bericht über die Integration der Finanzmärkte ("Financial Integration Monitor" - FIM)11 überprüfen. Zudem wird die Interinstitutionelle Beobachtungsgruppe12 ihren Beitrag im Rahmen der Bewertung des Lamfalussy-Prozesses in allen Finanzdienstleistungsbereichen13 leisten.
Eine Expost-Bewertung des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen sowie aller neuen Legislativmaßnahmen stellt eine Toppriorität der Kommission für die nächsten fünf Jahre dar. Bis 2009 will die Kommission eine vollständige wirtschaftliche und rechtliche Bewertung sämtlicher Maßnahmen des Aktionsplans14 für Finanzdienstleistungen zum Abschluss gebracht haben. Im Laufe von 2007-200815 soll eine Studie lanciert werden und eine Bewertung aller Schlüsselmaßnahmen soll rund vier Jahre nach Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfrist einer Maßnahme erfolgen.
Sollte sich im Laufe der Zeit nach sorgfältiger Bewertung und Analyse zeigen, dass bestimmte Rechtstexte keine Wirkung gezeitigt haben, werden sie im Rahmen des Legislativverfahrens16 geändert oder aufgehoben.
2.5. Vereinfachung, Kodifizierung und Klärung
Gemeinschaftliche und nationale Umsetzungsvorschriften zu den Finanzdienstleistungen müssen als ein einheitlicher Rechtskorpus funktionieren. Auch wenn die Kommission versucht hat, die Rechtsvorschriften des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen so einfach und kohärent wie möglich zu halten, besteht noch Verbesserungsbedarf. Deshalb wird die Kommission sektorale und sektorübergreifende Konsistenzprüfungen durchführen, bei denen die entsprechenden Rechtsvorschriften auf die Gewährleistung einer terminologischen und wirkungseffizienten Kohärenz abgeklopft werden. Die Überprüfung der rechtlichen Kohärenz wird notwendigerweise auch mit der Analyse der Ansätze der Mitgliedstaaten einher gehen, um besser zu verstehen, wie das Gemeinschaftsrecht in der Praxis angewandt wird und um den für die Märkte unabdingbaren Grad an rechtlicher Kohärenz tatsächlich zu gewährleisten. Der natürliche Ausgangspunkt für diese 'Übung' ist das Gemeinschaftsrecht, allerdings mit sofortigem Augenmerk auf seine Umsetzung und Anwendung in den Mitgliedstaaten.
Die auf mehrere Jahre angelegten Kommissionsarbeiten werden mit den nachfolgend genannten Schritten eingeleitet:
- - Leichter Zugang zum Gemeinschaftsrecht: Dieser soll durch eine Zusammenführung der einschlägigen Gemeinschaftsinstrumente im Internet17 erfolgen, und zwar in einer Form, die sowohl die Spezialisten als auch die Bürger insgesamt anspricht;
- - Die erste sektorale Konsistenzprüfung wird im Wertpapierbereich erfolgen. Zu diesem Zweck soll eine Gruppe aus Marktteilnehmern und Marktsachverständigen eingesetzt werden, die die Kommission bei der Analyse der Hauptprobleme unterstützt. Ähnlich wird bereits in der Gruppe 'Rechtssicherheit" der Kommission vorgegangen, die sich mit grenzübergreifenden Wertpapierrechten und -transfers beschäftigt.
- - Die derzeitige Vielfalt und Häufung der Informationen, die einem Nutzer von Finanzdienstleistungen zu erbringen sind, kann sowohl die Dienstleister als auch die Nutzer verwirren. 2008 soll eine breit angelegte Studie lanciert werden, mittels deren mögliche Inkonsistenzen und unangemessene Informationsanforderungen im bestehenden EG-Recht überprüft werden sollen.
- - Diese Unsicherheit ist vor allem im Bereich der gemeinsamen Anlagen akut. Hier gelten sektorale und transversale Bestimmungen parallel zu den verbliebenen lokalen Vorschriften für Werbung. Aus einem Feedback der Branche kann der Schluss gezogen werden, dass diese Situation die wirksame grenzübergreifende Vermarktung von Investmentfonds behindert. Unsicherheit besteht auch dahingehend, ob der Promoter oder Vertreiber des Fonds beim Vertrieb oder bei der Erbringung von Dienstleistungen für die Anleger zur Verantwortung gezogen werden kann. Zur Klärung einiger dieser Fragen wird die Kommission im Laufe des Jahres 2006 eine Mitteilung bzw. Empfehlung heraus geben. Diese Arbeiten könnten als Ausgangspunkt für vergleichbare Arbeiten in anderen Bereichen dienen.
- - Im Zusammenhang mit dem Versicherungsprojekt Solvenz II wird derzeit eine umfassende Kodifizierung durchgeführt. Ohne das bestehende Gemeinschaftsrecht neu auszuhandeln, werden sechzehn Versicherungsrichtlinien in einer einzigen neuen EG-Versicherungsrichtlinie zusammen geschmolzen. Dies könnte als Beispiel für ähnliche Kodifizierungsinitiativen in anderen Finanzdienstleistungsbereichen heran gezogen werden.
- - Sollte darüber hinaus eine unkorrekte Umsetzung des Gemeinschaftsrechts entdeckt werden, wird die Kommission angemessene Maßnahmen ergreifen, zu denen auch Vertragsverletzungsverfahren zählen, um ein konsistentes und wirksames EU-Regelwerk sicherzustellen.
2.6. Nutzer von Finanzdienstleistungen: Input, Informations- und Abhilfemaßnahmen
Das FIN-USE-Forum für Finanzdienstleistungsnutzer spielt eine sehr wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Sicht der Nutzer zur Entwicklung der EG-Politik einzuholen18. Außerdem wird die Kommission eine angemessene Repräsentierung der Nutzer in allen künftigen Beratungsgremien gewährleisten.
Da sich der öffentliche Sektor allmählich aus der Finanzierung einiger Aspekte der sozialen Systeme zurückzieht, bedarf es eines erhöhten Bewusstseins und der direkten Einbeziehung der Bürger in Finanzfragen. Zur Stärkung der Nachfrageseite und zur Förderung einer guten Auswahl der Anlageprodukte, z.B. für die Altersversorgung, ist es wichtig, die Transparenz und Vergleichbarkeit dieser Finanzprodukte sowie das diesbezügliche Verständnis der Verbraucher zu erhöhen. Auch wenn die Hauptzuständigkeit für die Unterrichtung der Verbraucher selbstverständlich bei den Mitgliedstaaten verbleibt, kann sich die Kommission nicht nur darauf beschränken, einen europaweiten Meinungsaustausch zu Informationsmaßnahmen im Finanzbereich, zur Fortbildung der Verbraucher und zu Wohlverhaltenspraktiken zu fördern, sondern sie muss auch gemeinsame Projekte erleichtern. Zu diesem Zweck soll Anfang 2007 eine Konferenz anberaumt werden.
Um weiterhin das Bewusstsein hinsichtlich der Entwicklungen im Finanzdienstleistungsbereich unter den Verbrauchern zu stärken, beabsichtigt die Kommission die Veröffentlichung eines regelmäßig erscheinenden "Newsletter", in dem schwerpunktmäßig auf die relevantesten Nutzer- bzw. Verbraucheraspekte ihrer laufenden Arbeiten eingegangen wird. Darüber hinaus ist die Einrichtung einer permanenten Gruppe von Verbrauchervertretern aus ganz Europa geplant, die sich vor allem mit Finanzdienstleistungsfragen beschäftigen soll, die für die Verbraucher von besonderer Bedeutung sind. Auch sollen die regelmäßigen Kontakte mit UNI-Europa, der die Beschäftigten der Finanzdienstleistungssektoren vertritt, fortgesetzt werden.
FIN-NET19 spielt für die Nutzer und Verbraucher eine wichtige Rolle, wenn es um den einfachen Zugang zu außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren in grenzübergreifenden Fällen geht20. Derzeit überdenkt die Kommission die Rolle von FIN-NET mit Blick auf eine weitere Maximierung der Effizienz dieses Systems. Überdies wird die Kommission Nachforschungen hinsichtlich der nationalen Abhilfesysteme im Bereich der Finanzdienstleistungen anstellen, um etwaige Lücken aufzudecken.
2.7. Weitere Stärkung der Interaktionen mit anderen politischen Bereichen
Diesbezüglich steht die maximale Nutzung politischer Synergien zwischen den Finanzdienstleistungen und anderen politischen Bereichen im Mittelpunkt. In den nächsten fünf Jahren soll die bereits enge Zusammenarbeit mit anderen politischen Bereichen, wie insbesondere dem Wettbewerb (sektorspezifische Untersuchungen21), der Verbraucherpolitik (Verbraucherschutz, Vertragsrecht22) und der Steuerpolitik weiter ausgebaut werden.
Aus einer jüngsten Erhebung der Kommission zu den Hindernissen für die grenzübergreifende Konsolidierung23 in Europa geht hervor, dass die Diskriminierung und Unsicherheiten bezüglich der Steuervorschriften die wesentlichen Hemmnisse für die Integration der Finanzdienstleistungen sind, insbesondere aber Mehrwertsteuerauslagen im Zusammenhang mit Umstrukturierungen24. Die Kommission beabsichtigt, nach einer breit angelegten Konsultation mit allen Interessengruppen einen Gesetzgebungsvorschlag zur Anpassung der Mehrwertsteuerregeln im Finanzdienstleistungsbereich an die Entwicklung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen25 vorzulegen. Die Erhebung zeigte auch Handlungsbedarf in anderen politischen Bereichen, die die Kommission vielleicht in Angriff nehmen möchte26.
3. Dierichtigen EG-Regulierungs- und Aufsichtsstrukturen
3.1. Dafür sorgen, dass der Lamfalussy-Prozess funktioniert
Die Finanzmarktintegration in der EU beschleunigt sich. Zwar werden bestimmte Sparten des Privatkundengeschäfts ihre lokale Ausrichtung behalten, doch sind die Firmen - auch wenn sie die physische Präsenz vor Ort wahren - zunehmend bestrebt, EU-weite Skalenerträge zu erzielen: durch zentrale Zusammenlegung von Risikomanagement und Back Offices, durch grenzübergreifende Zusammenschlüsse und durch Nutzung des Internets. Die Regulierungs- und Aufsichtsstrukturen in der EU müssen also angepasst - und die Regulierungskosten wo immer möglich gesenkt werden. Im Mittelpunkt des EG-Regulierungs- und Aufsichtskonzepts im Finanzdienstleistungsbereich steht der vierstufige Lamfalussy-Prozess27, der breite Unterstützung findet und allgemein als Erfolg gesehen wird. Durch ihn sind die Entscheidungsprozesse und Aufsichtsstrukturen sehr viel effizienter und flexibler geworden.
Kernziel der Kommissionspolitik ist es, diesen Prozess konsequent einzuhalten und ihn im Laufe der kommenden fünf Jahre auszubauen, um sein Potenzial maximal zu nutzen. Zentrale regulierungspolitische Inhalte sind:
(1) die Diskussion um die Reform des Ausschusswesens, der besonders große Bedeutung zukommt;
(2) die Verbesserung der Rechenschaftspflicht und der Transparenz des Prozesses insgesamt, auch gegenüber dem Europäischen Parlament und dem Rat, wobei den bestehenden institutionellen Grenzen ebenso Rechnung getragen werden muss wie der Tatsache, dass die Ausschüsse der nationalen Aufsichtsbehörden als Beratungsgremien der Kommission fungieren;
(3) der Ausbau der sektorübergreifenden Zusammenarbeit bei der Regulierung einer wachsenden Zahl von sektorübergreifenden Aspekten des Finanzgeschäfts;
(4) die Gewährleistung, dass die Agenda zur guten Gesetzgebungspraxis auf allen vier Stufen des Lamfalussy-Prozesses eingehalten wird, um gute Regelsetzung sowie konsequente Um- und Durchsetzung sicherzustellen. Ungeachtet der guten Arbeit der Ausschüsse der Stufe 3, die diese trotz anerkanntermaßen knapper Ressourcen geleistet haben, wäre es nach Auffassung der Kommission sinnvoll, wenn die Empfehlungen dieser Ausschüsse, die die Regulierungskosten erheblich erhöhen können, außerdem noch durch ein Panel von Wirtschaftsexperten auf Auswirkungen und Verhältnismäßigkeit hin überprüft würden;
(5) die Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern, um Standards nach Möglichkeit weltweit anzunähern.
3.2. Künftige Aufgaben der Aufsichtspolitik
Die Aufsichtsbehörden müssen im Hinblick auf Zusammenarbeit und Informationsaustausch stärker in die Pflicht genommen werden. Die Zusammenarbeit im Krisenfall muss gesichert sein.
In den kommenden fünf Jahren stellen sich unter anderem folgende Aufgaben:
(1) Die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Behörden des Herkunfts- und des Aufnahmemitgliedstaats muss geklärt und optimiert werden, da sich das Integrationstempo beschleunigt und man in der Lage sein muss, Spillover-Effekte zu meistern (3.2.1).
(2) Die Möglichkeiten für die Übertragung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf andere Behörden müssen geprüft werden, wobei sichergestellt sein muss, dass die Aufsichtsbehörden über alle nötigen Informationen verfügen und sich gegenseitig vertrauen (3.2.2.).
(3) Die Aufsicht muss effizienter werden, indem doppelte Berichts- und Informationspflichten vermieden werden (3.2.3).
(4) Die Zusammenarbeit muss konsequenter und zügiger erfolgen, und es muss eine echte EU-weite Aufsichtskultur entstehen (3.2.4).
3.2.1. Mehr Klarheit in Bezug auf Rolle und Aufgaben der Aufsichtsbehörden im Herkunfts- bzw. Aufnahmemitgliedstaat
Das durch den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung unterstützte Konzept von Herkunftsmitgliedstaat und Aufnahmemitgliedstaat sowie die Aufsicht auf konsolidierter Basis bilden das Herzstück des EG-Aufsichtswesens. Spillover-Effekte müssen effizient bewältigt werden - z.B. wenn ein EU-weit tätiger Konzern oder ein für das System bedeutendes Institut zusammenbricht, das zwar nur in einem Mitgliedstaat tätig ist, dessen Mutterkonzern aber von der Behörde eines anderen Mitgliedstaats beaufsichtigt wird28.
Jede Entwicklung der EU-Aufsichtsstrukturen, die eine Abkehr von den derzeitigen Regelungen darstellen würde, wäre von der politischen und finanziellen Rechenschaftspflicht her problematisch, insbesondere wenn sie eine Unterstützung aus öffentlichen Mitteln erfordern würde. Die Kommission befürwortet einen evolutiven Ansatz, der nachweisliche Probleme anspricht, das richtige Gleichgewicht zwischen effizienterer und konsolidierter Aufsicht herstellt und die Stabilität des Finanzsystems EU-weit sichert.
Zum Schutz der Verbraucher sind auch Einlagensicherungssysteme von großer Bedeutung. Die weiteren Arbeiten in diesem Bereich müssen darauf abzielen, dass die bestehenden Regelungen auch im grenzübergreifenden Kontext wirksam funktionieren und mit anderen Regelungen, z.B. über Refinanzierungsinstitute der letzten Instanz oder die Finanzierung von Finanzkrisen, vereinbar sind. Die Kommission wird die wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang untersuchen und 2006 eine Mitteilung zum Thema vorlegen.
3.2.2. Möglichkeiten für die Übertragung von Aufgaben und Zuständigkeiten auf andere Aufsichtsbehörden
Nach den aktuellen Bankrechtsvorschriften können Aufsichtsbehörden schon heute die gesamte Zuständigkeit für die Beaufsichtigung einer Tochtergesellschaft an die für die Muttergesellschaft zuständige Aufsichtsbehörde abgeben. Diese Möglichkeit wurde in der Praxis bislang jedoch noch nicht genutzt. Ebenso können nach den Rechtsvorschriften im Wertpapierbereich, beispielsweise zu Marktmissbrauch und Emissionsprospekten, bestimmte Aufgaben auf eine andere Regulierungsbehörde übertragen werden. Allerdings kann noch mehr getan werden, um den Informationsaustausch zu verbessern und eine wirksamere Durchführung der Aufsicht sicherzustellen29.
Alltägliche grenzübergreifende Streitigkeiten zwischen Aufsichtsbehörden könnten in entsprechenden Schlichtungsverfahren rasch und effizient beigelegt werden. Dadurch würde die Konvergenz der Aufsichtspraxis zunehmen30.
3.2.3. Praktische Schritte für eine efizientere Aufsicht
Durch doppelte Berichtspflichten entstehen grenzübergreifend tätigen Konzernen unnötige Kosten. Sie müssen durch straffere einheitliche Berichtspflichten ohne einzelstaatliche Zusatzauflagen abgelöst werden. Die International Financial Reporting Standards (IFRS), die Richtlinie über Märkte für Finanzdienstleistungen (MiFID) und die Entwicklung neuer Aufsichtsvorschriften für Banken und Versicherungsunternehmen bieten die einmalige Gelegenheit, die Berichtsstandards zu rationalisieren.
Nach Auffassung der Kommission ist es an der Zeit, auf wirklich einheitliche Daten- und Berichtspflichten sowie gegebenenfalls gemeinsame Datenbanken hinzuarbeiten. Die Ausschüsse der Stufe 3 sollten nun daran gehen, vereinfachte einheitliche Daten- und Berichtsformate auszuarbeiten, die durch einen echten Informationsaustausch zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden gestützt würden. Die Kommission geht davon aus, dass hierdurch schon 2008 erhebliche Effizienzgewinne erzielt werden könnten. Ab 2009 müsste es dann für alle Banken, Versicherungsunternehmen und großen Wertpapierfirmen in der EU möglich sein, sämtliche Berichtspflichten zu erfüllen, indem lediglich ein komplettes Berichtspaket an die auf konsolidierter Ebene zuständige Aufsichtsbehörde übermittelt wird.
3.2.4. Eine europäische Aufsichtskultur
Um die Entscheidungs- und Durchsetzungspraxis - insbesondere bei internationalen oder sektorübergreifenden Konzernen - zu vereinheitlichen, sollte in den kommenden fünf Jahren mit Ehrgeiz daran gearbeitet werden, gemeinsame Kontrollen, Peer Reviews31 und praktische Maßnahmen wie Personalaustausch, gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen von Aufsichtsbehörden sowie Austausch von Informationen und Knowhow, auszubauen.
4. AKTUELLE und künftige Rechtsetzungsinitiativen (2005-2010)
4.1. Laufende Vorhaben
4.1.1. Privatkundenbankgeschäft
Im Bereich des Privatkundenbankgeschäfts wurden bereits drei große Initiativen auf den Weg gebracht:
- 2006 wird ein Weißbuch zum Thema Hypothekarkredite veröffentlicht, das die für die Integration des EU-Hypothekarkreditmarkts notwendigen und wirtschaftlich gerechtfertigten Initiativen vorstellt.
- Am 10. Oktober 2005 wurde ein geänderter Vorschlag für eine Verbraucherkredit-Richtlinie vorgelegt, der einen echten Binnenmarkt für Verbraucherkredite schaffen und den Verbraucherschutz verbessern soll32.
- Der Vorschlag für eine Zahlungsverkehrsdienstleistungsrichtlinie wird den Wettbewerb stärken und für mehr Klarheit bei den Rechten und Pflichten von Nutzern und Anbietern sorgen. Die Initiative wird die Bemühungen der Branche um einen einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraum (SEPA) bis zum Jahr 2010 unterstützen und voranbringen. Bis 2007 will die Kommission prüfen, welche weiteren Maßnahmen erforderlich sein könnten, um die termingerechte und erfolgreiche Verwirklichung des SEPA sicherzustellen.
4.1.2. Solvabilität II
Im Zuge des Projekts "Solvabilität II" sollen die EG-Vorschriften für die Regulierung und Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen überarbeitet werden. Geplant ist unter anderem die Einführung von risikoorientierten Solvabilitätsanforderungen für Versicherungsunternehmen. Die Berechnung der Passiva von Versicherungsunternehmen (technische Rückstellungen) soll stärker harmonisiert werden, wobei eine konvergentere Aufsichtspraxis angestrebt wird.
Das weithin unterstützte Vorhaben steht in engem Zusammenhang mit internationalen Entwicklungen im Bereich Rechnungslegung, Aufsicht und Versicherungswissenschaft und wird auch den maßgeblichen Entwicklungen im Rahmen von Basel II Rechnung tragen.
Die Kommission will ihren Vorschlag in Form eines einzigen Textes Mitte 2007 vorlegen; vervollständigt werden soll das Regelwerk dann durch Maßnahmen, die im Komitologieverfahren auf der Ebene 2 verabschiedet werden.
4.1.3. Überprüfung der Regelungen für qualifizierte Beteiligungen
Im Finanzsektor können Investitionen, Fusionen und Übernahmen durch die Aufsichtsbehörden blockiert werden. In diesem Zusammenhang gibt es eindeutige Forderungen nach mehr Klarheit, Transparenz und Offenheit in Bezug auf die Überprüfung qualifizierter Beteiligungen durch die Aufsichtsbehörden. Die Kommission und die Ausschüsse der Aufsichtsbehörden (CEBS und CEIOPS) haben die Überarbeitung von Artikel 16 der Bankenrichtlinie und Artikel 15 der Versicherungsrichtlinie und die Arbeiten an der Festlegung gemeinsamer Aufsichtskriterien bereits aufgenommen. Der Vorschlag für die Banken dürfte Mitte 2006 vorgelegt werden; die Arbeiten für den Versicherungssektor werden sich in das Projekt "Solvabilität II" einfügen.
4.1.4. Clearing und Abrechnung
Die grenzübergreifende Clearing- und Abrechnungsinfrastruktur ist erheblich kostenaufwändiger als entsprechende inländische Einrichtungen, ihr Sicherheits- und Effizienzstandard jedoch erheblich niedriger. Grund für die hohen Kosten grenzübergreifender Transaktionen sind technische, rechtliche und steuerliche Hemmnisse33. Auch gibt es bislang keine regulatorischen Rahmenvorschriften auf EU-Ebene.
Die Kommission hat in ihrer Mitteilung von 2004 die Auffassung vertreten, dass eine Rahmenrichtlinie erforderlich sein könnte, damit sich eine leistungsfähige, sichere und kostengünstige grenzübergreifende Clearing- und Abrechnungsindustrie entwickeln kann. Zwecks Prüfung entsprechender Möglichkeiten führt die Kommission eine sehr gründliche Konsultation und eine Folgenabschätzung durch. Wenn diese abgeschlossen sind, wird die Kommission im Laufe von 2006 unter Berücksichtigung jedweder neuer Entwicklungen am Markt entscheiden, wie sie weiter vorgehen und ob sie einen förmlichen Vorschlag vorlegen wird.
4.2. Aktuelle Überlegungen
4.2.1. Beseitigung ungerechtfertigter Hemmnisse für die grenzübergreifende Konsolidierung
Die Kommission hat die potenziellen Hemmnisse für grenzübergreifende Investitionen und wirtschaftliche Rationalisierung in Europa untersucht3. Außerdem hat sie Untersuchungen angestellt, inwieweit die im Vertrag verankerte Kapitalverkehrsfreiheit geachtet wird35. Die vollständige oder zumindest teilweise Beseitigung ungerechtfertigter Hindernisse wird die Wettbewerbsfähigkeit der Finanzbranche und der Wirtschaft insgesamt erhöhen - und das Wachstum sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern. Die Folgemaßnahmen dürften 2006 anlaufen (siehe auch 4.1.3).
4.2.2. E-Geld-Richtlinie
Die E-Geld-Richtlinie wird derzeit einer Bewertung unterzogen. Es gibt Anzeichen dafür, dass sie keine hinreichende Rechtssicherheit geschaffen und die Marktentwicklung möglicherweise gehemmt hat. Der betreffende Bericht mit entsprechenden politischen Empfehlungen soll im Frühjahr 2006 veröffentlicht werden.
4.2.3. Sicherungssysteme für Versicherungen
Die Kommission wird 2006 entscheiden, ob sie entsprechende Rechtsmaßnahmen vorschlägt.
4.2.4. Haager Wertpapierübereinkommen
Die vom Rat angeforderte rechtliche Bewertung bestimmter Aspekte des Haager Wertpapierübereinkommens36 wird dem Rat eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob er den aktuellen Vorschlag der Kommission, das Übereinkommen zu unterzeichnen, annehmen soll.
4.2.5. Freiwillige Instrumente
Konsultationen haben ergeben, dass Machbarkeit und Nutzen freiwilliger Instrumente ("26. Regelung") im Finanzdienstleistungsbereich weithin mit Skepsis betrachtet werden. Die Befürworter müssen ihre Argumente sowie die praktische Durchführbarkeit und die Vorteile solcher Instrumente genauer erläutern. Die Kommission steht dem Gedanken weiterhin offen37, ist jedoch noch nicht davon überzeugt, dass freiwillige Instrumente den Marktteilnehmern signifikanten Nutzen bringen können.
4.3. Bereiche, in denen derzeit keine neuen Rechtsvorschriften geplant sind
In folgenden Bereichen sind derzeit keine neuen Rechtsvorschriften geplant: Rating-Agenturen, Finanzanalysten, Maßnahmen der Stufe 2 zur Richtlinie über Übernahmeangebote mit Vorgaben für die Angebotsunterlagen und Kapitalvorschriften für geregelte Märkte. Die Kommission hält die heutigen Anforderungen (bzw. die geplanten Anforderungen z.B. im Rahmen der MIFID-Maßnahmen der Stufe 2) für ausreichend und die Mitgliedstaaten für besser positioniert bzw. die Selbstregulierung durch die Marktteilnehmer für besser geeignet, auf Marktentwicklungen mit den richtigen Zusatzmaßnahmen zu reagieren.
4.4. Künftige Initiativen
Die Kommission hat zwei Bereiche ermittelt, in denen zielgerichtete fundierte Initiativen Vorteile für die EU-Wirtschaft bringen könnten: Investmentfonds und Finanzdienstleistungen für Privatkunden. Die Arbeiten in diesen Bereichen werden einem "Bottom-up"-Ansatz folgen, auf gründlichen Konsultationen aufbauen, mit dem Markt gehen und dem Zusammenspiel neuer Initiativen mit den bestehenden Rechtsvorschriften Rechnung tragen.
4.4.1. Investmentfonds
Die regulatorischen Rahmenbedingungen der EU müssen der Fondsbranche, die derzeit ein Vermögen von über 5 Billionen Euro verwaltet, die Möglichkeit geben, solide strukturierte und gut verwaltete Anlagen aufzubauen, die möglichst hohe Renditen erbringen und gleichzeitig der Finanzkraft und der Risikobereitschaft des einzelnen Anlegers entsprechen, wobei Letzterem alle Informationen zur Verfügung stehen müssen, die er für die Bewertung der Risiken und Kosten benötigt.
Die Arbeiten zur Gewährleistung einer konsistenten Umsetzung der OGAW-Rechtsvorschriften sind schon ein gutes Stück vorangekommen; dabei geht es unter anderem um einen besser funktionierenden OGAW-"Pass", mehr Klarheit bei den Beschränkungen für die Anlagetätigkeit und eine stimmigere Umsetzung der bestehenden OGAW-Vorschriften in einzelstaatliches Recht.
Im Grünbuch der Kommission vom Juli 2005 über den Ausbau des europäischen Rahmens für Investmentfonds werden die bestehenden Rahmenvorschriften für OGAW38 im Lichte der aktuellen Entwicklungen in der Investmentfondsbranche bewertet.
Die Reaktionen auf das Grünbuch39 und die laufenden Arbeiten werden die Kommission in die Lage versetzen, eine eindeutige und fundierte Haltung zu Inhalt und Form etwaiger weiterer Maßnahmen einzunehmen. Die Auffassungen der Kommission sollen in einem Weißbuch vorgestellt werden, das in der zweiten Jahreshälfte 2006 veröffentlicht werden soll.
4.4.2. Finanzdienstleistungen für Privatkunden: Bankkonten und Kreditvermittler
Weitere Maßnahmen sind notwendig, um die fragmentierten Märkte für Privatkunden-Finanzdienstleistungen zu öffnen. Die Kommission wird einen zielgerichteten, auf Konsultationen beruhenden Ansatz verfolgen, bei dem sämtliche Marktteilnehmer in allen Phasen in die Politikgestaltung einbezogen werden. Nach Auffassung der Kommission müssen für folgende Bereiche des Privatkunden-Finanzdienstleistungsgeschäfts weitere Überlegungen angestellt werden:
Für die meisten Verbraucher ist das Bankkonto der Schlüssel zu Finanzdienstleistungen und den entsprechenden Märkten. Ein Konto wird für die Bürger immer wichtiger, um am Markt und an der Gesellschaft teilhaben zu können - erst recht bei elektronischen Zahlungen im einheitlichen Zahlungsverkehrsraum. Bei allen Arten von Konten (Girokonten, Sparkonten, Wertpapierkonten) müssen ungerechtfertigte Hindernisse40 beseitigt, die Auswahl für den Verbraucher vergrößert und der Wettbewerb zwischen den Anbietern verstärkt werden.
Die Kommission wird eine Expertengruppe aus Vertretern der Branche und der Nutzer einrichten, die die bestehenden Probleme bei der Nutzermobilität (z.B. Eröffnung eines Kontos in einem anderen Mitgliedstaat (auch über das Internet), Kontoschließungsgebühren und Überweisungen zwischen Banken) ermitteln und prüfen soll, ob ein standardisiertes Bankkonto als Option Vorteile hätte. Die Ergebnisse der Expertengruppe dürften Anfang 2007 vorliegen. Die Kommission wird prüfen, was aus Sicht der Branche für weitere Initiativen spricht, wobei sie auf den im Wettbewerbsbereich laufenden Marktanalysen aufbauen will41. Ohne dem Ergebnis des Legislativverfahrens zur Verbraucherkreditrichtlinie vorgreifen zu wollen, hält die Kommission weitere Untersuchungen im Bereich der Kreditvermittlung für erforderlich. Die Kommission wird eine Studie in Auftrag geben, deren Ergebnisse 2008 vorliegen sollen und die Aufschluss über die geltenden einzelstaatlichen Vorschriften und über die Probleme durch unterschiedliche oder sich überschneidende Regelungen geben soll. Dabei werden auch die bisherigen Erfahrungen mit den bestehenden Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Versicherungs- und Wertpapiervermittlung berücksichtigt.
5. Die Internationale Dimension
Standards und Best-Practice-Empfehlungen werden heute zunehmend weltweit festgelegt, beispielsweise für die Rechnungslegung, die Abschlussprüfung und die Eigenkapitalausstattung von Banken. Angesichts der Größe des EU-Markts und der Erfahrenheit Europas damit, berechtigte Forderungen nach einheitlichen Regeln auf pragmatische Weise mit den unterschiedlichen Bedürfnissen ungleicher Märkte, Kulturen und Akteure in Einklang zu bringen, muss die EU bei der Standardsetzung auf internationaler Ebene eine führende Rolle spielen.
Die EU hat den offensten Finanzmarkt der Welt, was sich zunehmend als Stärke erweist. Die durch den freien Kapitalverkehr gestützte Einführung des Euro setzt weltweite Standards für Offenheit und Transparenz. Andere Länder sollten diesem Beispiel folgen. Die EU hat sich ohne Vorbehalte auf eine ehrgeizige Öffnung der weltweiten Finanzdienstleistungsmärkte verpflichtet. Diese Verpflichtung wird in den GATS-Verhandlungen der WTO im Rahmen der Doha-Runde und in anderen Handelsrunden vorangetrieben.
Der Ansatz der Kommission für den Regulierungsdialog - Informationsaustausch, Ermittlung von Problempotenzialen in einem frühen Stadium des Dialogs und Suche nach allseits akzeptablen Lösungen - findet breite Unterstützung. Die Kommission wird den erfolgreichen Finanzmarktdialog zwischen EU und USA daher weiter vertiefen und die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, die Privatwirtschaft und andere Stakeholder dabei auch in Zukunft genauestens auf dem Laufenden halten.
Darüber hinaus will die Kommission den Dialog und die Zusammenarbeit in Finanzsektorfragen mit anderen Ländern wie Japan, China, Russland und Indien ausweiten, wobei den Prioritäten der Branche soweit wie möglich Rechnung getragen werden soll.
Auch in internationalen Gremien muss die EG stark vertreten sein und im Kampf gegen Betrug bei Unternehmen und im Wirtschaftsleben allgemein, gegen Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Steuerumgehung, Korruption und andere Missstände mit einer Stimme sprechen. Zusammenarbeit und Informationsaustausch müssen wirkungsvoll sein, auch mit Offshore-Finanzzentren. Die europäische Koordinierung in internationalen Foren wie Basler Ausschuss, IAIS, IOSCO und UNIDROIT muss im Vorfeld entsprechender Zusammenkünfte verstärkt werden, um die europäische Verhandlungsposition klar abzustecken. Darüber hinaus muss der Kommission die Teilnahme am Forum für Finanzstabilität ermöglicht werden, von dem sie derzeit ohne guten Grund ausgeschlossen ist.
6. MONITORING
Die Kommission wird alljährlich einen ausführlichen Bericht über die Fortschritte in den angesprochenen Bereichen veröffentlichen.
1 Grünbuch zur Finanzdienstleistungspolitik 2005-2010, veröffentlicht am 3. Mai 2005. Es bleibt eine gültige Referenz für die getroffenen politischen Entscheidungen. S.: http://europa.eu.int/comm/internal_market/finances/docs/actionplan/index/green_en.pdf . Bei der öffentlichen Konsultation gingen bis zum I. August 2005 150 Beiträge ein. Ein Feedback-Dokument wurde gleichzeitig zu diesem Papier veröffentlicht.
2 S.: http://europa.eu.int/comm/internal_market/finances/docs/actionplan/infosession/results_en.pdf .
3 Bericht zur Erörterung durch die EU- Finanzminister am 2. Juni 2004, nur zur begrenzten Einsicht.
4 S.: http://www.europarl.eu.int/meetdocs/2004_2009/documents/PR/553/553131/5531Ien.pdf .
5 "Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung: Das Lissabon-Programm der Gemeinschaft", KOM (2005) 330 endg., 20.7.2005, S.: http://europa.eu.int/growthandjobs/pdf/COM2005_330_en.pdf und "Zusammenarbeit für Wachstum und Beschäftigung - Nächste Schritte in der Umsetzung der neu gestalteten Lissabon-Strategie" , SEK (2005) 622/2, 29.4.2005, S: http://europa.eu.int/growthandjobs/pdf/SEC2005_622_en.pdf .
6 Auch wenn die Festlegung der Prioritäten für weitere initiativen auf dem Gebiet des Risikokapitals nicht in den Anwendungsbereich dieses Weißbuches fällt, so ist sie doch von immenser Bedeutung und wird eine klare Priorität der Kommission in den nächsten fünf Jahren sein.
7 S.: " interinstitutionelle Vereinbarung - Bessere Rechtsetzung" (ABl. C 321/I 31.12.2003) und die Schlussfolgerungen des Rates "Wettbewerbsfähigkeit" zur "Besseren Rechtsetzung" (9501/05).
8 Bislang hat die Kommission fast 80 Folgenabschätzungen erstellt, wohingegen das Europäische Parlament und der Rat nur eine Folgenabschätzung vorgelegt haben. Keinerlei Folgenabschätzung wurde indes zu eigenen Legislativinitiativen der Mitgliedstaaten in den Bereichen Justiz und inneres beigebracht.
9 S.: http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/finances/actionplan.
10 Der nächste Fortschrittsbericht ist für Januar 2006 geplant.
11 S.: http://europa.eu.int/comm/internal_market/finances/crosssector/index_en.htm#monitor.
12 S.: http://europa.eu.int/comm/internal_market/finances/crosssector/index_en.htm#interinstitutional.
13 Der Lamfalussy-Prozess findet im Bank-, im Versicherungs- und Altersversorgungssektor sowie im Wertpapierbereich und auf die OGAW Anwendung. Horizontale Fragen wie Corporate Governance, Wirtschaftsprüfung und Rechnungslegung fallen grundsätzlich nicht unter den Lamfalussy-Prozess, es sei denn, initiativen in diesen Bereichen sind ausdrücklich auf die Finanzdienstleistungssektoren ausgerichtet.
14 Betroffen sind nicht jene Maßnahmen, deren Umsetzungsfrist nach 2005 liegt.
15 Zur Vorbereitung dieser Arbeiten plant die Kommission die Abhaltung eines Workshops mit Wirtschaftsexperten im Herbst 2006.
16 Aus der Konsultation zum Grünbuch ging nicht klar hervor, ob bereits Handlungsbedarf besteht.
17 Mit Hyperlinks zu den nationalen Umsetzungsvorschriften. S.: 2.3.
18 S.: http://europa.eu.int/comm/internal_market/finservicesretail/finuse_en.htm
19 S.: http://europa.eu.int/comm/internal_market/finservicesretail/finnet/index_en.htm .
20 Die Zahl der Fälle steigt stetig an (2001: 335; 2002: 601 und 2003: 796).
21 Am 13. Juni 205 beschloss die Kommission, Untersuchungen in den Finanzdienstleistungssektoren in den Bereichen Privatkundengeschäfte und Unternehmensversicherung durchzuführen. Diese Untersuchungen sollen zeigen, ob der Wettbewerb (insbesondere der grenzübergreifende Wettbewerb) in diesen Sektoren zufriedenstellend funktioniert.
22 Die Kommission entwickelt einen gemeinsamen Referenzrahmen als instrument zur Verbesserung der Kohärenz des europäsichen Vertragsrechts.
23 S.: http://europa.eu.int/comm/internal_market/finances/docs/crosssector/mergers/crossborderconsolidation_en.pdf .-results_en.pdf : B.I.2.
25 Mitteilung: "Der Beitrag der Steuer- und Zollpolitik zur Strategie von Lissabon".
26 im Bereich der investmentfonds stellt die Behandlung von Fonds-Fusionen als einen "Steuertatbestand" das größte Hindernis auf dem Weg zur Rationalisierung der 'überbevölkerten' Fonds-Landschaft dar.
27 Siehe: http://europa.eu.int/rapid/pressReleasesAction.do?reference=iP/02/195&format=HTML&aged=1&language=DE&guiLanguage=en.
28 Die Kommission plant eine Studie über das Liquiditätsmanagement von Banken und die aufsichtsrechtlichen Anforderungen der Mitgliedstaaten.
29 2007 soll eine Konferenz zum Thema Aufsichtskonvergenz stattfinden.
30 Die Verfahren müssten freiwillig sein und auf einer gemeinsamen Auffassung der Pflicht zur Zusammenarbeit beruhen. Gleichzeitig gilt es, die Geheimhaltungsvorschriften einzuhalten und die Grenzen des europäischen institutionellen Rahmens zu respektieren.
31 die veröffentlicht werden könnten.
32 S.: http://europa.eu.int/comm/consumers/cons_directive/2ndproposal_de.pdf .
33 Die so genannten "Giovannini-Hemmnisse". Die Kommission wird ihre Arbeit an der Beseitigung der Hindernisse für den grenzübergreifenden Clearing- und Abrechnungsverkehr mit Unterstützung der verschiedenen Ausschüsse (CESAME, FiSCO) fortsetzen.
34 S.: http://europa.eu.int/comm/internal_market/finances/crosssector/index_en.htm#obstacles; siehe außerdem Abschnitt 2.7.
35 S.: http://europa.eu.int/comm/internal_market/capital/docs/communication_en.pdf .
36 Das Haager Wertpapierübereinkommen ist ein multilateraler Vertrag über Rechtskollisionen bei intermediärverwahrten Wertpapieren.
37 in ihrer Mitteilung "Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands" vom Oktober 2004 hat die Kommission eine Folgenabschätzung solcher freiwilligen instrumente in Aussicht gestellt.
38 Siehe: http://europa.eu.int/comm/internal_market/securities/ucits/index_de.htm .
39 Die Reaktionen werden im Herbst 2006 veröffentlicht.
40 über die im Zusammenhang mit der Zahlungsverkehrsinitiative bereits angesprochenen Aspekte hinaus.
41 Siehe 2.7.