Der Bundesrat hat in seiner 906. Sitzung am 1. Februar 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt im Grundsatz die Mitteilung zu einem Blueprint zum Schutz der europäischen Wasserressourcen. Er nimmt die umfassende Bewertung der bisherigen EU-Politik zum Schutz der europäischen Wasserressourcen durch die Kommission zur Kenntnis. Der Blueprint für den Schutz der europäischen Wasserressourcen hat zum Ziel, die Probleme zu beseitigen, die Aktionen zum Schutz der europäischen Gewässer behindern. Der Bundesrat begrüßt insbesondere den ganzheitlichen Ansatz zur europäischen Wasserbewirtschaftung und zum Gewässerschutz als wichtigen Baustein einer ambitionierten europäischen Umweltpolitik. Demnach sind noch erhebliche Anstrengungen erforderlich, um die europäischen Wasserressourcen für künftige Generationen zu erhalten bzw. nachhaltig zu verbessern. Hierzu können die im Blueprint skizzierten Lösungsmöglichkeiten und -vorschläge beitragen, insbesondere die in der Wasserrahmenrichtlinie definierten Ziele zu erreichen.
- 2. Zudem muss eine größere Konsistenz von Richtlinien unterschiedlicher Rechtsbereiche geschaffen werden.
Hier ist insbesondere die Landwirtschaftspolitik zu nennen. Allein die Ausdehnung der als gefährdet ausgewiesenen Gebiete gemäß Nitratrichtlinie wird hier keinen Fortschritt bringen. Es bedarf an dieser Stelle einer grundlegenden Veränderung zur Reduzierung des Eintrags von Nährstoffen in die Gewässer, insbesondere in das Grundwasser.
- 3. Der Bundesrat sieht es als sehr positiv an, dass zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die Berichterstattungszyklen im Bereich des Wasserrechts weiter harmonisiert werden sollen und die weitere Einbeziehung und erforderlichenfalls gezielte Änderung der relevanten Vorschriften (Wasserrahmenrichtlinie, Nitrat-Richtlinie, Richtlinie über kommunale Abwässer) vorgeschlagen wird.
- 4. Der Bundesrat steht der bereits in anderem Zusammenhang geäußerten Absicht der Kommission ablehnend gegenüber, eine Verschärfung der für das gesamte Umweltrecht der EU geltenden Kontroll- und Überwachungsvorschriften, bei denen die Kommission die Wasserwirtschaft als einen der wichtigsten Zielbereiche ansieht, herbeizuführen. Diese Aktivitäten sind mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht zu vereinbaren und führen zu einer nachhaltigen Steigerung des bürokratischen Aufwands, der nicht im Verhältnis zu dem damit für den Schutz der Umwelt Ereichbaren steht.
- 5. Die Mitteilung macht deutlich, dass für eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung qualitative und quantitative Aspekte gleichermaßen Berücksichtigung finden müssen. Die Ziele der Wasserrahmenrichtline als auch der Hochwasserrisikomanagementrichtlinie können nur erfüllt werden, wenn für die aquatischen Ökosysteme sauberes Wasser in ausreichender Menge vorhanden ist. Die Bedeutung der Verfügbarkeit von Wasser wird als wichtiges Thema anerkannt, zumal sich Wasserknappheit und Trockenheit infolge des Klimawandels weiter verschärfen werden. Allerdings sind die Verhältnisse europaweit differenziert zu betrachten und in Deutschland nicht mit denen Südeuropas zu vergleichen. Daher begrüßt der Bundesrat ausdrücklich die Feststellung, dass sich das Wasserdargebot innerhalb der EU regional sehr unterschiedlich präsentiert, weshalb im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip keine Einheitslösung vorgeschlagen wird. Insbesondere ist es aus Sicht des Bundesrates erforderlich, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht dazu führen, dass es zu pauschalierten Vorgaben zur Verringerung des Wasserverbrauchs kommt.
- 6. Der Bundesrat hält es allerdings für wenig zielführend, dass in der Mitteilung die Absicht geäussert wird, wasserwirtschaftliche Probleme einzelner Mitgliedstaaten (z.B. illegale Wasserentnahmen in Spanien, Wasserknappheit und Dürre in Südeuropa) als Anlass für europaweite Aktivitäten zu nehmen. Ebensowenig wird der Vorschlag unterstützt, den Mitgliedstaaten für Einzugsgebiete "Wasserkonten" vorzugeben, die Auskünfte über die Wasserzu- und -abflüsse geben. Diese Fragestellungen sind typischerweise vor Ort zu ermittelnde Bewirtschaftungsgrundlagen und sind von Grund auf nicht geeignet für Maßnahmen auf der Ebene der Kommission.
- 7. Der Bundesrat sieht die besondere Schwerpunktsetzung der Kommission auf ökonomische Instrumente bei der Erreichung der Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie und zur Steigerung einer effizienteren Wassernutzung kritisch. Insbesondere lässt die Kritik der Kommission, dass nur 49 Prozent der Bewirtschaftungspläne zur Förderung einer effizienteren Wassernutzung eine Änderung der Gebührenpolitik vorsehen, und nur 40 Prozent Maßnahmen zur Verbesserung der Verbrauchsmessung beinhalten, völlig außer Acht, dass z.B. in Deutschland eine flächendeckende Verbrauchserfassung erfolgt, durch Abwasserabgabe, Wasserentnahmeentgelte und Kommunalabgabengesetze bereits ein engmaschiges und wirksames System der verursacherbezogenen Kostenanlastung rechtlich implementiert ist und daher kein Anlass besteht, in Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie Instrumente zu ändern oder weiter zu verbessern.
- 8. Der Bundesrat steht der monetären Bewertung von Ökosystemleistungen aufgeschlossen gegenüber. Allerdings ist der Ökosystemleistungs-Ansatz nicht Inhalt der Regelungen der Wasserrahmenrichtlinie.
Insofern geht die Absicht der Kommission, einen CIS-Leitfaden zur weiteren Umsetzung des Konzepts der Zahlung für Ökosystemleistungen zu entwickeln, über die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie für die Implementierung ökonomischer Instrumente hinaus, und ist im Rahmen des Prozesses zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie daher abzulehnen.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher darauf hinzuwirken, dass der Vorschlag der Kommission im Blueprint, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten im Rahmen des CIS-Prozesses (Common Implementation Strategy; gemeinsame Umsetzungsstrategie) zur Wasserrahmenrichtlinie einen Leitfaden zum Wasserhandel zu entwickeln, nicht umgesetzt wird.
Der Blueprint enthält zu diesem Vorschlag folgende Erläuterung (Abschnitt 2.3 letzter Absatz vor Tabelle 3 der Vorlage):
"Sechstens ist auch der zumeist außerhalb der EU praktizierte Wasserhandel ein Instrument, das dazu beitragen könnte, die Wassereffizienz zu verbessern und das Wasserstressproblem zu beseitigen, sofern eine nachhaltige Obergrenze für die Wassernutzung festgelegt und angewendet wird. Der Wasserhandel ist mit einem relativ hohen Verwaltungsaufwand verbunden und grundsätzlich nur für Wassernutzer in einem bestimmten Einzugsgebiet sinnvoll. Die Einführung eines derartigen Systems ist auf EU-Ebene zwar wenig nützlich, die Kommission schlägt aber dennoch die Entwicklung eines CIS-Leitfadens vor, um die Entwicklung des Wasserhandels in Mitgliedstaaten zu unterstützen, die einen solchen Handel anstreben."
Ein "CIS-Leitfaden zum Wasserhandel" würde letztlich die Privatisierung von Wasserressourcen ins Spiel bringen und unterstützen. In Deutschland (wie in Europa im Allgemeinen) ist Wasser ein öffentliches Gemeingut. Laut Präambel der Wasserrahmenrichtlinie (Erwägungsgrund 1) ist Wasser "keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss".
In Deutschland ist die öffentliche Wasserversorgung als Aufgabe der Daseinsvorsorge im Wasserhaushaltsgesetz und als Aufgabe in kommunaler Zuständigkeit und Verantwortung in den Gemeindeordnungen verankert. Grundwasser, die beste und in Deutschland die wichtigste Trinkwasserressource, ist nach dem deutschen Wasserrecht nicht eigentumsfähig. Grundwassernutzungen können nur nach dem Bewirtschaftungsermessen der zuständigen Fach- und Rechtsbehörden wasserrechtlich gestattet werden. Dadurch - und nur dadurch - können ein nachhaltiges Wasserressourcenmanagement, ein sparsamer Umgang mit dem nutzbaren Wasserdargebot und eine Bewahrung des guten mengenmäßigen Zustands im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie gewährleistet werden. Jede wasserrechtliche Gestattung für eine Wasserentnahme erfordert einen begründeten Nachweis des Bedarfs und der sparsamen Verwendung. Ein Handel oder eine Versteigerung von Wasserrechten wäre mit dem deutschen Wasserrecht und einer nachhaltigen Wasserpolitik nicht vereinbar.
Die Kommission selbst (siehe obiges Zitat) sieht nur einen allenfalls begrenzten
Sinn in einer Privatisierung von Wasserrechten bzw. Wasserressourcen. Die inhaltliche Verbindung von Privatisierung und Wassereffizienz im Blueprint ist vor dem Hintergrund weltweit ausgiebiger Diskussionen bestenfalls als zweifelhaft zu bezeichnen.
Im Übrigen wäre die Einführung eines Wasserhandels und der dafür nötigen rechtlichen Änderungen eine politische Entscheidung der Mitgliedstaaten in eigener Zuständigkeit. Eine Empfehlung zur Unterstützung des Wasserhandels in Form eines europäischen CIS-Leitfadens ist daher abzulehnen und wäre nicht kohärent mit der bisherigen EU-Wasserpolitik.
- 10. Die Förderung der Wassereffizienz in Gebäuden hat auch hygienische Aspekte in der Trinkwasserinstallation zu beachten. Dabei sind negative Effekte auf die öffentliche Abwasser- und Wasserversorgungsinfrastruktur zu vermeiden.
- 11. Bei der Wiederverwendung von Wasser sind die Aspekte der Gesundheitsvorsorge sowie des Boden- und Grundwasserschutzes angemessen zu berücksichtigen. Der geplante Leitfaden zur Festlegung ökologisch erforderlicher Mindestwassermengen sollte die unterschiedlichen geografischen, klimatischen und hydrologischen Randbedingungen ausreichend abbilden.
- 12. Das Erreichen eines guten Zustandes aller Oberflächen- und Grundwasserkörper verlangt erhebliche finanzielle Anstrengungen der Länder. Der Bundesrat befürwortet daher, dass für bestimmte Wasserrahmenrichtlinien-Maßnahmen auch Mittel aus dem EU-Haushalt, europäische Fonds wie Struktur- und Kohäsionsfonds oder die GAP-Fonds, zur Finanzierung herangezogen werden können. Die vorgeschlagene Bindung von 20 Prozent der EU-Haushaltsmittel zur Einbeziehung von Klimaaspekten in den mehrjährigen Finanzrahmen kann ebenfalls dazu beitragen, wasserbezogene Maßnahmen im Zusammenhang mit der Klimaanpassung stärker zu fördern. Soweit die Vorschläge der Kommission zur Ökologisierung der GAP realisiert werden sollten, ist darauf zu achten, dass durch geeignete Maßnahmen wie Pufferstreifen entlang von Gewässern auch ein wirksamer Beitrag zur Förderung der Wasserrückhaltung und ökologischen Aufwertung der Wasserkörper geleistet werden kann.
- 13. Der Bundesrat vermisst eine adäquate Würdigung des Fortschreitens der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in den Mitgliedstaaten durch die Kommission. Der deutlich gestiegene Umsetzungsstand der Richtlinie trägt bereits heute nicht unerheblich zum Schutz der Wasserressourcen bei.
- 14. Der Bundesrat lehnt zum gegenwärtigen Zeitpunkt neue Legislativvorschläge oder sonstige rechtliche Initiativen im Gewässerbereich ab. Der Schwerpunkt sollte vielmehr auf der EU-weit vergleichbaren Umsetzung bereits bestehender Richtlinien liegen, insbesondere was die Maßnahmen, die Ausnahmenregelungen, das Monitoring und das Reporting anbetrifft. Zudem ist eine engere Abstimmung der Bewirtschaftungspläne nach der Wasserrahmenrichtlinie mit den ersten Hochwasserrisikomanagementplänen anzustreben.
- 15. Die Verringerung von Hochwasserrisiken durch vorrangig "grüne Infrastruktur" bedarf insbesondere im Hinblick auf vorhandene Siedlungsstrukturen und historisch gewachsene Kulturlandschaften eines hinreichenden gesellschaftlichen Konsenses, der im Zusammenhang mit der Hochwasserrisikomanagementplanung herbeigeführt werden soll. Bei der Weiterentwicklung der "grünen Infrastruktur" ist eine Verlagerung nachteiliger Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu vermeiden. Wasserwirtschaftliche Anlagen können bei zweiseitigem Betrieb entscheidend dazu beitragen, den Landschaftswasserhaushalt zu regulieren und eine Vereinbarkeit zwischen Wasserrückhalt und Erfordernissen der Bevölkerung und Landwirtschaft zu ermöglichen.
- 16. Die Mitteilung liefert keine ausreichenden Antworten zu den mit der Überarbeitung der Richtlinie zu Umweltqualitätsnormen für prioritäre Stoffe einhergehenden Herausforderungen. Zur Verschärfung von Vorschriften für Arzneimittel im Zusammenhang mit der Erweiterung der Stoffliste für prioritäre Substanzen verweist der Bundesrat noch einmal auf seine Stellungnahme vom 30. März 2012 (BR-Drucksache 056/12(B) ). Danach ist auf Grund der Vorgaben des Richtlinienvorschlags bei der Überwachung zusätzlicher prioritärer Stoffe in den Ländern mit höheren Kosten als bisher zu rechnen. Eventuell notwendig werdende Maßnahmen zur Erreichung der Anforderungen der Richtlinie, wie zum Beispiel eine eventuell erforderliche "4. Reinigungsstufe" bei kommunalen Kläranlagen, würden hierbei erhebliche zusätzliche Kosten für Kommunen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher verursachen. Ferner würde die vorgesehene Vorgehensweise zu bestimmten, ubiquitär verbreiteten Substanzen dazu führen, dass sich in Deutschland die Oberflächengewässer in der Bewertung des chemischen Zustands massiv verschlechtern, da flächenhaft die Umweltqualitätsnormen selbst in ökologisch einwandfreien Gewässern überschritten werden. Erfolge bei der Minimierung von lokalen Schadstoffeinträgen in die Gewässer würden dadurch konterkariert. Maßnahmen wären in Zukunft schwerer durchsetzbar und in der Öffentlichkeit kommunizierbar, da mit ihnen keine Verbesserung des chemischen Zustands erreicht werden könnte. Eine separate Darstellung der ubiquitären Stoffe ist zur Lösung der Problematik nicht ausreichend.
- 17. Es gibt zurzeit nur einen rein additiven Ansatz zwischen Stoffrecht, Industrieemissionsrichtlinie und Wasserrahmenrichtlinie. Bei Überschreiten einer Umweltqualitätsnorm gemäß der Richtlinie "prioritäre Stoffe" ist bisher nur unter REACH eine Überprüfung der Zulassung vorgesehen. Es gibt zurzeit keine Rückkopplung mit der Pflanzenschutzmittel-, Arzneimittel- oder Biozidzulassung. Diese wäre unbedingt erforderlich.
- 18. Nicht zuletzt ist die Feststellung der Notwendigkeit einer Fortentwicklung und eines Ausbaus des Wasserinformationssystems für Europa (WISE) prinzipiell zu begrüßen. Es bedarf jedoch einer genauen Prüfung im Detail, damit dies nicht mit einem erhöhten und zusätzlichen Verwaltungs- und Berichtsaufwand einhergeht, der materiell keine Fortschritte bringt. Daher sind die Mitgliedstaaten bei der Weiterentwicklung von WISE zwingend zu beteiligen, damit WISE für alle einen Nutzen bringt und nicht ein "Datenfriedhof" wird.
- 19. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.