879. Sitzung des Bundesrates am 11. Februar 2011
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzungen der Kommission, angesichts der grundlegenden Herausforderungen für den Datenschutz durch Globalisierung und technologische Entwicklung die EG-Datenschutzrichtlinie von 1995 zu überarbeiten, um die Rechte des Einzelnen zu stärken, den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen zu verringern und ein einheitlich hohes Schutzniveau in und außerhalb der EU zu gewährleisten.
- 2. Der Bundesrat begrüßt dabei insbesondere das mit der Mitteilung der Kommission verfolgte Anliegen, den Datenschutz in der EU unter Achtung des Grundrechts auf den Schutz personenbezogener Daten zu modernisieren und an die technischen Entwicklungen anzupassen. Zusätzlicher bürokratischer Aufwand für Unternehmen sollte bei der Fortentwicklung der Regelungen über den Datenschutz allerdings soweit wie möglich vermieden werden.
- 3. Der Bundesrat erinnert an die Entschließung des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes vom 9. Juli 2010 (BR-Drucksache 259/10(B) ), in der ebenfalls gefordert wird, das Datenschutzrecht unter Berücksichtigung der Auswirkungen neuer Technologien (z.B. soziale Netzwerke) fortzuentwickeln, die Transparenz bei der Datenverarbeitung zu verbessern und die Anforderung an die Wirksamkeit von Einwilligungen zu präzisieren.
- 4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Erhebung, Speicherung, Nutzung und Übermittlung von personenbezogenen Daten unter dem Gesichtspunkt des Binnenmarkts nicht mit dem grenzüberschreitenden Austausch von Waren und Dienstleistungen gleichgestellt werden kann. Personenbezogene Daten stehen als Informationen über natürliche Personen unter einem besonderen Schutz. Im Gegensatz zu Waren kann derjenige, der sie erzeugt und speichert, nicht ohne Weiteres frei über sie verfügen. Hinzu kommt, dass die betroffene Person auch bei einer Einwilligung in eine bestimmte Nutzung ihrer Daten sich nicht vollständig ihrer Verfügungsrechte über diese Daten begibt und das Recht haben muss, insbesondere nach Wegfall des vereinbarten Nutzungszwecks einer weiteren Verwendung der Daten zu widersprechen.
- 5. Der Bundesrat unterstützt die Überlegung der Kommission, die Eigenkontrolle im Unternehmen durch eine Stärkung der unabhängigen betrieblichen Datenschutzbeauftragten und die Einführung von Verfahrensbeschreibungen auszubauen, da damit das in Deutschland etablierte Modell der internen Datenschutzkontrolle, das die Verantwortung der Unternehmen für die Datenverarbeitung betont, aufgegriffen und gestärkt wird.
- 6. Der Bundesrat bittet, in Zusammenhang mit der Verbesserung internationaler Datentransfers auch den Erfordernissen international organisierter Konzernstrukturen Rechnung zu tragen, um rechtssichere Regelungen für Datenschutz und Datenverkehr in verbundenen Unternehmen zu schaffen.
- 7. Der Bundesrat fordert die Kommission auf, im Zusammenhang mit der Novellierung der EG-Datenschutzrichtlinie auch die sehr weitgehende Datenübermittlung in Artikel 23 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 über europäische Statistiken und die darauf gestützte Verordnung (EU) Nr. 520/2010 zur Regelung des Zugangs zu vertraulichen Daten für wissenschaftliche Zwecke zu überarbeiten, um ein einheitlich hohes Datenschutzniveau und einen nahtlosen, kohärenten und wirksamen Schutz auf europäischer Ebene zu gewährleisten.
- 8. Den Vorstellungen der Kommission zur Änderung der Datenschutzvorschriften in den Bereichen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen steht der Bundesrat [in Teilen] kritisch gegenüber.
- 9. Der Bundesrat verweist zu den von der Kommission angedachten Prüfungsabsichten für den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zunächst auf die Umsetzung der Stellungnahme des Bundesrates zum Vorschlag für einen Rahmenbeschluss vom 25. November 2005 (BR-Drucksache 764/05(B) ).
- 10. Demnach darf die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten weder zu Absenkungen noch zu Anhebungen des deutschen Datenschutzniveaus führen.
- 11. Die Regelungen müssen auf grenzüberschreitende Sachverhalte begrenzt werden, eine Ausweitung auf die innerstaatliche Datenverarbeitung muss unterbleiben und es muss den besonderen Anforderungen und Spezifika der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen ausreichend Rechnung getragen werden.
- 12. Das Vorhaben, eine Einbeziehung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in den Anwendungsbereich der allgemeinen EU-Datenschutzbestimmungen auch bei einer rein innerstaatlichen Datenverarbeitung zu prüfen, stößt auf erhebliche Bedenken. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist ein maßgeblicher Bestandteil des Strafverfahrens. Die Zielsetzung der Kommission, diesen Aspekt des innerstaatlichen Strafverfahrens den EU-Datenschutzbestimmungen zu unterwerfen, würde in letzter Konsequenz zu einer Harmonisierung von Teilen des Strafverfahrensrechts der Mitgliedstaaten führen. Die Kompetenz der EU zum Erlass von Vorschriften für den Datenschutz nach Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 AEUV umfasst das Handeln der Mitgliedstaaten jedoch nur im Rahmen von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen. Die eingeschränkten Kompetenzen der EU zum Erlass von Richtlinien für das Strafverfahren (Artikel 82 Absatz 2 AEUV) begrenzen daher auch die datenschutzrechtliche Kompetenz der EU für diesen Sachbereich. Dies steht einer Harmonisierung der rein innerstaatlichen Datenverarbeitung im Strafverfahren entgegen. Die von der Kommission angenommenen praktischen Schwierigkeiten bei einer rechtlichen Unterscheidung zwischen der innerstaatlichen Datenverarbeitung und dem grenzüberschreitenden Austausch von personenbezogenen Daten können keine Erweiterung der bestehenden Kompetenzen begründen.
- 13. Diese Ausführungen gelten entsprechend für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich des Polizeirechts.
Sofern sich unter Berücksichtigung des Gesamtkonzepts Bedarf für eine Fortschreibung des bestehenden Rechtsrahmens für die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit ergeben sollte, wäre die Prüfung der Überarbeitung der bestehenden bereichsspezifischen Regelungen vorzuziehen, um sowohl den schutzwürdigen Interessen der Bürgerinnen und Bürger als auch den mit der Aufgabenwahrnehmung verbundenen Besonderheiten angemessen Rechnung tragen zu können.
- 14. Der Bundesrat kündigt gegen die Einführung eines Verfahrens zur Sicherstellung einer einheitlichen Datenschutz-Praxis im Binnenmarkt unter der Zuständigkeit der Kommission und gegen die Überlegungen zum Übergang auf eine Verordnungsregelung erhebliche Vorbehalte unter Subsidiaritätsgesichtspunkten an.
- 15. Der Bundesrat weist vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung vom 9. März 2010 (Rs. C-518/07) und der von der Kommission angekündigten Vorschläge zur Stärkung, Präzisierung und Harmonisierung der Rechtsstellung und der Befugnisse der nationalen Datenschutzbehörden darauf hin, dass bei einer Datenschutzaufsichtsbehörde für den nichtöffentlichen Bereich, die ihre Aufgabe in "völliger Unabhängigkeit" von staatlicher Aufsicht im Sinne der Rechtsprechung des EuGH ausübt, Defizite in der durch das allgemeine Demokratieprinzip gebotenen parlamentarischen Verantwortung der Regierung entstehen und damit auch eine Schwächung des Datenschutzes verbunden ist. Auch die Überlegungen der Kommission zur Einführung eines Verfahrens zur Sicherstellung einer einheitlichen Praxis im Binnenmarkt zeigen, dass völlig unabhängige und damit auch der Einflussnahme durch die Kommission entzogene nationale Kontrollstellen keinen effektiven und kohärenten Datenschutz in allen Mitgliedstaaten gewährleisten können.
Der Bundesrat bittet deshalb, in künftigen Vorschlägen zur Überarbeitung der Europäischen Datenschutzrichtlinie die Unterscheidung nach dem Datenschutz im öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich aufzunehmen und das Erfordernis der Unabhängigkeit der Kontrollstellen dahingehend zu präzisieren, dass die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich "von den zu kontrollierenden Stellen" unabhängig sein müssen.
- 16. Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob eine Modifizierung des Rechts zur Anrufung der Kontrollstelle bei bestimmten Fallgruppen ein geeignetes Mittel zur Stärkung der nationalen Datenschutzbehörden sein kann. Beispielsweise könnte den Kontrollstellen in einfach gelagerten Fällen, in denen die Rechte der Betroffenen offensichtlich nur geringfügig beeinträchtigt werden, das Recht eingeräumt werden, Petenten zunächst an den betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu verweisen oder ihnen aufzugeben, ihre Rechte selbst wahrzunehmen, wo dies mit einfachen Mitteln möglich und zumutbar ist.
- 17. Der Bundesrat steht auch der Einführung eines Klagerechts für Datenschutzbehörden und Verbände ablehnend gegenüber. Den für die Kontrolle der Einhaltung der Datenschutzvorschriften zuständigen Behörden sind hoheitliche Befugnisse gesetzlich zugewiesen, die es ihnen ermöglichen, bei Verstößen unmittelbar gegenüber Dritten tätig zu werden ( § 38 Absatz 5 BDSG) und Anordnungen erforderlichenfalls durch Maßnahmen des Verwaltungszwangs durchzusetzen. Die Anrufung eines Gerichts ist daher überflüssig.
Die Einführung einer Verbandsklage kommt aus Sicht des Bundesrates wenn überhaupt allenfalls insoweit in engen Grenzen in Betracht, als die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Verursacher datenschutzrechtlicher Rechtsverletzungen effektiver gestaltet werden soll. Die Einführung einer Verbandsklage im öffentlichrechtlichen Bereich ist aus grundsätzlichen systematischen Erwägungen abzulehnen, da ein solches Klagerecht dem elementaren Grundsatz des nationalen Verwaltungsprozessrechts widerspricht ( § 42 Absatz 2 VwGO), wonach regelmäßig nur eine Verletzung eigener subjektiver Rechte geltend gemacht werden kann. Für eine solche Regelung besteht auch kein Bedürfnis, da sich jeder Betroffene und auch jeder Verband bei Verdacht eines Verstoßes gegen Datenschutzvorschriften an den zuständigen Datenschutzbeauftragten wenden kann.
- 18. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass jede Einführung einer Verbandsklage zu Friktionen mit dem System des individuellen Rechtsschutzes, welches den meisten nationalen Rechtsordnungen zugrunde liegt, führt, bei denen genau geprüft werden muss, ob und inwieweit sie notwendig sind, um Individualrechte bzw. die objektive Rechtsordnung ausreichend zu schützen.
Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich der von der Rechtsverletzung Betroffene typischerweise in einer im Vergleich zum Rechtsverletzer schwächeren Position befindet und daher nicht in der Lage ist, seine Rechte selbst geltend zu machen oder wenn für den einzelnen Betroffenen kein genügender Anreiz besteht, mit einer Unterlassungsklage gegen eine Verletzung seiner Rechte vorzugehen. So liegt es etwa bei der Verletzung verbraucherschutzrechtlicher Normen. In einem derartigen Fall ist die Verbandsklage sinnvoll und im Übrigen im deutschen Recht auch vorgesehen (vgl. § 2 Absatz 1 Satz 1 UKlaG).
Beim Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen liegt eine derartige Konstellation indessen nicht ohne Weiteres auf der Hand. Datenschutzrecht gilt nicht nur im Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher, sondern auch für die Rechtsbeziehungen zwischen Unternehmern und je nach Art und Zweck der Datenverarbeitung auch zwischen Privatpersonen. In diesen Konstellationen ist indessen nicht evident, dass eine Individualklage, gegebenenfalls verknüpft mit weiteren Sanktionsmechanismen, nicht zu einem ausreichenden Rechtsschutz führen würde. Die Beurteilung, ob dies bei einer Gesamtschau der im nationalen Recht bestehenden Schutzmechanismen der Fall ist, sollte dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten bleiben.
- 19. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die genannten Anliegen im weiteren Verfahren auch gegenüber der Kommission mit Nachdruck zu vertreten.
- 20. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
- 21. Begründung [(nur gegenüber dem Plenum)]:
Zu Ziffer 1:
Mit der Mitteilung legt die Kommission ihr Konzept für eine Reform der EU-Vorschriften für den Schutz personenbezogener Daten in sämtlichen Tätigkeitsbereichen der EU dar. Es werden einerseits die verschiedenen Herausforderungen für den Datenschutz angesichts von Globalisierung und technologischer Entwicklung aufgezeigt und andererseits der Grundrechtscharakter des Datenschutzes nach der EU-Grundrechte-Charta dargestellt. Daneben werden die Probleme des Datenschutzes in sozialen Online-Netzwerken und der darin erfolgenden Datenerhebung und -sammlung erläutert. Als Kernziele werden genannt:
- - Stärkung der Rechte des Einzelnen, - Stärkung der Binnenmarktdimension,
- - Überarbeitung der Datenschutzbestimmungen im Bereich der Zusammenarbeit der Polizei- und Strafjustizbehörden,
- - Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus bei außerhalb der EU übermittelten Daten,
- - wirksamere Durchsetzung der Vorschriften.
Die Mitteilung der Kommission beschränkt sich im Wesentlichen auf die Nennung von Problembereichen, Regelungszielen und Prüfungsabsichten. Die sehr allgemein gehaltenen wesentlichen Zielsetzungen können aber begrüßt werden.
Zu Ziffer 3:
Bei einigen von der Kommission angedachten Maßnahmen und Regelungen zeigen sich Überschneidungen zu der Entschließung des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes vom 9. Juli 2010 (BR-Drucksache 259/10(B) ). Daher sollte auf diese Entschließung hingewiesen werden.
Zu Ziffer 5:
Die EG-Datenschutzrichtlinie von 1995 (95/46/EG) sieht bisher in Artikel 18 Absatz 2 die Bestellung eines (betrieblichen) Datenschutzbeauftragten nur als Ausnahme von der Meldepflicht bei der Datenschutzaufsicht vor. Dies war ein Zugeständnis an eine vor allem in Deutschland etablierte Praxis. Greift die Kommission nun dieses deutsche Modell auf und stärkt die Eigenkontrolle und Eigenverantwortung im Unternehmen, sollte dies vom Bundesrat nachdrücklich unterstützt werden, da diese Vorschläge auch künftig einen effizienten Datenschutz ohne unnötige bürokratische Hemmnisse ermöglichen.
Zu Ziffer 6:
Der mit der Globalisierung einhergehende Rationalisierungsdruck verändert die Unternehmenspraxis nachhaltig. Mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen bei der grenzüberschreitenden Zusammenlegung oder Auslagerung von arbeitsintensiven Datenverarbeitungsvorgängen stärkt ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt. Aufgrund der zahlreichen europarechtlichen Fragen können nationale Regelungen allein diesen Anforderungen nicht gerecht werden.
Zu Ziffer 7:
Nach Artikel 23 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung über europäische Statistiken vom 11. März 2009 und Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 520/2010 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 831/2002 erhalten Wissenschaftler Zugang zu vertraulichen Daten, die die indirekte Identifikation der statistischen Einheit ermöglichen, d.h. die Daten dürfen zwar keinen Namen und keine Anschrift mehr enthalten, weitere Anonymisierungsmaßnahmen werden jedoch nicht erforderlich. Die Deanonymisierung der Daten wäre mit verhältnismäßig geringem Aufwand möglich. Eine derart weitgehende Datenübermittlung in einer europäischen Rechtsvorschrift widerspricht dem Ziel der Kommission, einen nahtlosen, kohärenten und wirksamen Schutz auf europäischer Ebene zu gewährleisten.
Zu Ziffern 8, 9 bis 13:
Im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen ist derzeit der Rahmenbeschluss 2008/977/JI in Kraft, der aber nur bei grenzüberschreitendem Datenaustausch anwendbar ist. Mit Stellungnahme vom 25. November 2005 (BR-Drucksache 764/05(B) ) hat der Bundesrat zu dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss ausführlich Stellung genommen. Die dort aufgestellten Forderungen gelten auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon fort. Der Annahme der Kommission, dass sich eine Trennung dieser Verarbeitungsvorgänge in der Praxis schwierig gestaltet und sich daher die Umsetzung und Anwendung des Rahmenbeschlusses erschweren kann, kann ohne Referenzdaten nicht gefolgt werden.
Zu Ziffer 14:
Die Zielsetzung der Kommission, ein Verfahren zur Sicherstellung einer einheitlichen Datenschutz-Praxis im Binnenmarkt unter Zuständigkeit der Kommission einzuführen, lässt befürchten, dass sich die Kommission weitere Zuständigkeiten und Befugnisse bei der Wahrnehmung staatlicher Schutzpflichten für die informationelle Selbstbestimmung bis hin zur Beurteilung konkreter Einzelfälle vorbehält.
Außerdem lässt die Kommission ausdrücklich offen, ob sie ihre Ziele durch eine in den Mitgliedstaaten umzusetzende Datenschutzrichtlinie oder über eine in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltende EU-Verordnung erreichen möchte. Das Ziel der Kommission, durch eine übergreifende Regelung, die für die Datenverarbeitung in sämtlichen Sektoren und Politikbereichen der Union gilt, einen nahtlosen, kohärenten und wirksamen Datenschutz zu gewährleisten, spricht aber dafür, dass die Kommission eine EU-Verordnung vorschlagen wird.
Beide Zielsetzungen wären mit dem Grundsatz der Subsidiarität nicht vereinbar.
Zu Ziffer 15:
Zwischen der Datenschutzaufsicht über öffentliche Stellen und der Datenschutzaufsicht über nichtöffentliche Stellen bestehen grundlegende Unterschiede, denen bereits die geltende Richtlinie nicht gerecht wird.
Der Datenschutz im öffentlichen Bereich dient dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gegen unrechtmäßige Eingriffe des Staates. In diesem Verhältnis gefährdet staatliche Datenerhebung und -verarbeitung die Freiheit des Einzelnen, weshalb sie auf das notwendige Maß zu begrenzen ist. Der Datenschutz im öffentlichen Bereich wirkt damit unmittelbar im Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung als Abwehrrecht gegen den Staat. Das Bundesverfassungsgericht hat für diesen Bereich des Datenschutzes im Volkszählungsurteil (vgl. BVerfGE 65, 1, 46) aufgezeigt, dass eine Kontrolle des Staates durch unabhängige Datenschutzbeauftragte "von erheblicher Bedeutung für einen effektiven Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung" ist. Diese Betonung institutioneller Unabhängigkeit der Aufsicht dient der Effektivität des Datenschutzes und unterstreicht, dass eine Trennung zwischen Kontrolleur und Kontrolliertem, die im öffentlichen Bereich unumgänglich die Unabhängigkeit der Kontrollstelle vom Staat vorschreibt, gewahrt sein muss.
Anders stellt sich die Rolle des Staates hingegen im nichtöffentlichen Bereich dar. Das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung kann auch durch Eingriffe und Maßnahmen anderer Privater gefährdet oder verletzt werden. Die Grundrechte und damit auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entfalten zwischen den hier betroffenen Privaten dann eine mittelbare Wirkung. Die Aufgabe des Staates besteht in diesen Fällen darin, die im Verhältnis Privater zueinander bestehenden Interessenskonflikte hoheitlich durch rechtliche Vorgaben zu regeln und deren Einhaltung zu überwachen sowie gegebenenfalls auch zwangsweise gegenüber einem Privaten durchzusetzen. Die Aufsicht im nichtöffentlichen Bereich muss daher von den zu kontrollierenden Privaten unabhängig sein. Dies ist jedoch für staatliche Behörden, die von Rechts wegen zur Neutralität verpflichtet sind, selbstverständlich.
Die Durchsetzung datenschutzrechtlicher Ge- und Verbote im nichtöffentlichen Bereich durch eine staatliche Stelle ist ihrerseits jedoch ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen, der nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben rechtmäßig sein muss.
Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben gehört nach dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip im Sinne des Artikels 20 GG, wie es auch in Artikel 10 EUV zum Ausdruck kommt, neben einem ordnungsgemäßen Verfahren das Erfordernis der demokratischen Legitimation. Das bedeutet im System der Gewaltenteilung, dass staatliche Eingriffe in die Rechtspositionen Privater nur von einer unmittelbar der parlamentarisch verantwortlichen Regierung unterstehenden Exekutive auszuüben sind.
Die Richtlinie 95/46/EG differenziert bisher nicht nach dem Datenschutz im öffentlichen bzw. nichtöffentlichen Bereich. Die unterschiedliche Rolle des Staates in beiden Bereichen gebietet jedoch eine solche Unterscheidung. Ihr Fehlen führt dazu, dass die geltende EG-Datenschutzrichtlinie an die Aufsicht im nichtöffentlichen Bereich Anforderungen stellt, die zwar im öffentlichen Bereich notwendig sind, im nichtöffentlichen Bereich jedoch mit den Vorgaben des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips kollidieren. Das Erfordernis der Unabhängigkeit der Kontrollstelle im Sinne einer mitgliedstaatlichen Verpflichtung zur Schaffung "ministerialfreier Räume" ist bei der Datenschutzaufsicht über nichtöffentliche Stellen abzulehnen, weil dadurch die Legitimationskette rechtsstaatlichen Handelns unterbrochen und damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer grundsätzlichen Verantwortung der Regierung nicht mehr Genüge getan wird.
Zu Ziffer 16:
Die Kontrollstellen werden zunehmend zu Lasten ihrer sonstigen Aufsichtstätigkeit mit einfach gelagerten Beschwerden befasst, in denen nur geringfügige Datenschutzverstöße in Frage stehen und die Betroffenen ihnen zur Verfügung stehende zumutbare Möglichkeiten zu einer anderweitigen Abhilfe nicht ergriffen oder ausgeschöpft haben. Nach Artikel 28 Absatz 4 der Datenschutzrichtlinie (95/46/EG) muss die Kontrollstelle die Eingabe jeder Person, die in ihren Rechten und Freiheiten beschwert ist, bearbeiten und dafür Sorge tragen, dass Verstöße gegen das Datenschutzrecht abgestellt werden. Das gilt auch dann, wenn der Betroffene einfache und zumutbare Möglichkeiten, seine Rechte ohne Mithilfe der Kontrollstelle durchzusetzen, vor Einschaltung der Kontrollstelle nicht genutzt hat.
B
- 22. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Ausschuss für Frauen und Jugend, der Gesundheitsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß § § 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.