A. Problem und Ziel
Derzeit ist es nach dem deutschen öffentlichen Vergaberecht nicht möglich, bei der Angebotswertung und damit bei der Zuschlagsentscheidung bieterbezogene Qualitätskriterien zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des bei der Durchführung des Auftrags eingesetzten Personals. Diese Kriterien werden bisher zwar bei der Eignungsprüfung von Bietern abgefragt, dürfen dann aber bei der Zuschlagsentscheidung keine Beachtung mehr finden. So darf ein über die Mindestanforderungen hinausgehendes "Mehr an Eignung" bei der Zuschlagserteilung keine Rolle spielen.
Wenn bieterbezogene Qualitätskriterien wie die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des Personals bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots außen vor bleiben, führt dies dazu, dass die Qualität des Angebots aktuell nur unzureichend bewertet werden kann. So bleiben Qualitätsunterschiede der Angebote im Rahmen der Zuschlagsentscheidung unberücksichtigt.
Für die Qualität der Auftragsausführung bei Dienstleistungen steht vielfach die Qualität des Personaleinsatzes im Vordergrund. Insbesondere gilt dies für Arbeitsmarktdienstleistungen oder bei Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Dienstleistungen europarechtlich als nachrangige Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge,
Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114, L 351 vom 26.11.2004, S. 44) ohnehin einem vereinfachten Vergaberechtsregime unterliegen.
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 222. Sitzung am 21. Februar 2013 eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Drucksache 17/11084 (Annahme des Antrages auf Drucksache 17/10113) angenommen, die sich auf diese Thematik bezieht. Darin hat der Deutsche Bundestag angeregt, den nationalen Rechtsetzungsspielraum zu nutzen, um insbesondere bei sozialen Dienstleistungen die Berücksichtigung bieterbezogener Qualitätskriterien bei der Zuschlagserteilung stärker zu gewichten und sich auf europäischer Ebene für die Schaffung einer entsprechenden, für alle Dienstleistungen geltenden Regelung bei der anstehenden Reform der Vergaberichtlinien einzusetzen.
Zwischenzeitlich hat die Europäische Kommission die Problematik der strikten Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien bei der EU-Vergaberechtsmodernisierung aufgegriffen und ihrerseits eine Lockerung dieser Trennung allgemein für Dienstleistungen vorgeschlagen.
Eine weitere Problemstellung betrifft die zweijährliche Überprüfung und Anpassung der vergaberechtlichen EU-Schwellenwerte durch die Europäische Kommission. Die neuen Schwellenwerte werden in einer EU-Verordnung angepasst. Diese Schwellenwerte wurden bisher durch eine entsprechende Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) mit Zustimmung des Bundesrates in nationales Recht umgesetzt. Aufgrund der turnusmäßigen Überprüfung und Anpassung der Schwellenwerte regten die Bundesländer an, eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Fassung des maßgeblichen Artikels 7 der Richtlinie 2004/18/EG, in dem die Schwellenwerte festgelegt werden, in die VgV aufzunehmen.
In der Sektorenverordnung (SektVO) sowie der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) existiert bereits eine solche dynamische Verweisung auf die EU-Schwellenwerte.
B. Lösung
Die zur Umsetzung dieser Ziele erforderlichen Änderungen im Vergaberecht werden in der VgV verankert. Die Änderung der VgV dient für den Bereich nachrangiger Dienstleistungen nach Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG beziehungsweise Anlage 1 Teil B der VgV dazu, die bisherige Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien im deutschen Vergaberecht moderat zu lockern. Darüber hinaus wird eine dynamische Verweisung auf die EU-Schwellenwerte in der VgV verankert. Dadurch wird national ein Gleichklang mit der SektVO und der VSVgV hergestellt. Die bisherige regelmäßige VgV-Änderung allein infolge von EU-Schwellenwertänderungen wird künftig hinfällig.
C. Alternativen
Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Die Änderungen der VgV sind haushaltsneutral. Mehrausgaben sind nicht zu erwarten.
2. Vollzugsaufwand
Den Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden entsteht bei der Ausführung dieser Verordnung kein zusätzlicher Vollzugsaufwand.
E. Sonstige Kosten
Der Wirtschaft - einschließlich der mittelständischen Unternehmen - entstehen keine direkten zusätzlichen Kosten.
Auswirkungen auf die Einzelpreise und auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
F. Bürokratiekosten
Es entstehen keine Informationspflichten für Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger.
Es entstehen ebenfalls keine weiteren Informationspflichten für die Verwaltung und die öffentlichen Auftraggeber.
Verordnung der Bundesregierung
Siebte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge
Bundesrepublik Deutschland
Berlin, den 31. Juli 2013
Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich die von der Bundesregierung beschlossene
Siebte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit Begründung und Vorblatt.
Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.
Federführend ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Mit freundlichen Grüßen
Der Stellvertreter der Bundeskanzlerin
Dr. Philipp Rösler
Siebte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge
Vom ...
Auf Grund des § 97 Absatz 6 und des § 127 Nummer 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750) verordnet die Bundesregierung:
Artikel 1
Die Vergabeverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 2003 (BGBl. I S. 169), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 12. Juli 2012 (BGBl. I S. 1508) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 1 wird wie folgt gefasst:
" § 1 Zweck der Verordnung
Diese Verordnung trifft nähere Bestimmungen über das einzuhaltende Verfahren bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, die in den Anwendungsbereich nach § 2 dieser Verordnung fallen."
2. § 2 wird wie folgt gefasst:
" § 2 Anwendungsbereich
- (1) Diese Verordnung gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die in Artikel 7 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114, L 351 vom 26.11.2004, S. 44) in der jeweils geltenden Fassung festgelegt werden (EU-Schwellenwerte). Der sich hieraus für zentrale Regierungsbehörden ergebende Schwellenwert ist von allen obersten Bundesbehörden sowie allen oberen Bundesbehörden und vergleichbaren Bundeseinrichtungen anzuwenden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gibt die geltenden Schwellenwerte unverzüglich, nachdem sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, im Bundesanzeiger bekannt.
- (2) Bei Auftraggebern nach § 98 Nummer 1 bis 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gilt für Aufträge, die im Zusammenhang mit Tätigkeiten auf dem Gebiet der Trinkwasser- oder Energieversorgung oder des Verkehrs (Sektorentätigkeiten) vergeben werden, die Sektorenverordnung vom 23. September 2009 (BGBl. I S. 3110).
- (3) Diese Verordnung gilt nicht für verteidigungs- oder sicherheitsrelevante Aufträge im Sinne des § 99 Absatz 7 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen."
3. Dem § 3 Absatz 7 werden die folgenden Sätze angefügt:
"Erreicht oder überschreitet der Gesamtwert den maßgeblichen EU-Schwellenwert, gilt diese Verordnung für die Vergabe jedes Loses. Satz 4 gilt nicht, wenn es sich um Lose handelt, deren geschätzter Wert bei Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen unter 80 000 Euro und bei Bauleistungen unter 1 Million Euro liegt, wenn die Summe der Werte dieser Lose 20 Prozent des Gesamtwertes aller Lose nicht übersteigt."
4. Dem § 4 Absatz 2 werden die folgenden Sätze angefügt:
"Wenn im Fall des Satzes 1 Nummer 2 tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Organisation, die Qualifikation und die Erfahrung des bei der Durchführung des betreffenden Auftrags eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf die Qualität der Auftragsausführung haben können, können diese Kriterien bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigt werden. Bei der Bewertung dieser Kriterien können insbesondere der Erfolg und die Qualität bereits erbrachter Leistungen berücksichtigt werden. Die Gewichtung der Organisation, der Qualifikation und der Erfahrung des mit der Durchführung des betreffenden Auftrags betrauten Personals soll zusammen 25 Prozent der Gewichtung aller Zuschlagskriterien nicht überschreiten."
5. Dem § 5 Absatz 1 werden die folgenden Sätze angefügt:
"Wenn im Fall des Satzes 1 Nummer 2 tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Organisation, die Qualifikation und die Erfahrung des bei der Durchführung des betreffenden Auftrags eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf die Qualität der Auftragsausführung haben können, können diese Kriterien bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigt werden. Bei der Bewertung dieser Kriterien können insbesondere der Erfolg und die Qualität bereits erbrachter Leistungen berücksichtigt werden. Die Gewichtung der Organisation, der Qualifikation und der Erfahrung des mit der Durchführung des betreffenden Auftrags betrauten Personals soll zusammen 25 Prozent der Gewichtung aller Zuschlagskriterien nicht überschreiten."
Artikel 2
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt.
Berlin, den Die Bundeskanzlerin
Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Ziel und Regelungsinhalt
Derzeit ist es nach dem deutschen öffentlichen Vergaberecht nicht möglich, bei der Angebotswertung und damit bei der Zuschlagsentscheidung bieterbezogene Qualitätskriterien zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des bei der Durchführung des Auftrags eingesetzten Personals. Diese Kriterien werden bisher zwar bei der Eignungsprüfung von Bietern abgefragt, dürfen dann aber bei der Zuschlagsentscheidung keine Beachtung mehr finden. So darf ein über die Mindestanforderungen hinausgehendes "Mehr an Eignung" bei der Zuschlagsentscheidung keine Rolle spielen.
Wenn bieterbezogene Qualitätskriterien wie die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des Personals bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots außen vor bleiben, führt dies dazu, dass die Qualität des Angebots aktuell nur unzureichend bewertet werden kann. So bleiben Qualitätsunterschiede der Angebote im Rahmen der Zuschlagsentscheidung unberücksichtigt.
Für die Qualität der Auftragsausführung bei Dienstleistungen steht vielfach die Qualität des Personaleinsatzes im Vordergrund. Insbesondere gilt dies für Arbeitsmarktdienstleistungen oder bei Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Dienstleistungen europarechtlich als nachrangige Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114, L 351 vom 26.11.2004, S. 44) ohnehin einem vereinfachten Vergaberechtsregime unterliegen.
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 222. Sitzung am 21. Februar 2013 eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Drucksache 17/11084 (Annahme des Antrages auf Drucksache 17/10113) angenommen, die sich auf diese
Thematik bezieht. Darin hat sich der Deutsche Bundestag dafür ausgesprochen, den nationalen Rechtsetzungsspielraum zu nutzen, um insbesondere bei sozialen Dienstleistungen bieterbezogene Qualitätskriterien bei der Zuschlagsentscheidung stärker zu gewichten und sich auf europäischer Ebene für die Schaffung einer entsprechenden, für alle Dienstleistungen geltenden Regelung bei der anstehenden Reform der Vergaberichtlinien einzusetzen.
Mit der Entschließung des Deutschen Bundestages werden auch jüngere Tendenzen der Vergaberechtsprechung (z.B. OLG Celle, Beschluss v. 12.01.2012, 13 Verg 9/ 11; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 07.03.2012, VII-Verg 82/ 11; Beschluss v. 02.05.2012, VII-Verg 68/ 11) aufgegriffen. Danach dürfen bei nachrangigen Dienstleistungen in engen Grenzen bieterbezogene Qualitätskriterien für die Zuschlagsentscheidung herangezogen werden. Maßgeblich ist, dass sich die Qualitätsmerkmale, die im Rahmen der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt werden können, nicht mit den im Rahmen der Eignungsprüfung gemachten Feststellungen zu Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Bieters decken. Vielmehr muss es sich um auftragsbezogene Umstände handeln, die sich auf die Qualität der Auftragserfüllung und damit auf den wirtschaftlichen Wert des Angebots auswirken können.
Zwischenzeitlich hat die Europäische Kommission die strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien bei der EU-Vergaberechtsmodernisierung aufgegriffen und ihrerseits eine Lockerung dieser Trennung allgemein für Dienstleistungen vorgeschlagen.
Artikel 66 Absatz 2 des Entwurfs einer Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge, der die Zuschlagskriterien regelt, sieht vor, dass für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots bei öffentlichen Aufträgen über Dienstleistungen die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Durchführung des Auftrags betrauten Personals berücksichtigt werden kann. Das soll aber nur dann gelten, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. In den Verhandlungen im Trilog zwischen Europäischem Parlament, Europäischem Rat und Europäischer Kommission wurde dieser Regelungsvorschlag nicht verändert.
Eine weitere Problemstellung betrifft die zweijährliche Überprüfung und Anpassung der vergaberechtlichen EU-Schwellenwerte durch die Europäische Kommission. Die neuen
Schwellenwerte werden in einer EU-Verordnung angepasst. Diese Schwellenwerte wurden bisher durch eine entsprechende Änderung der VgV mit Zustimmung des Bundesrates in nationales Recht umgesetzt. Da die Überprüfung und Anpassung der Schwellenwerte regelmäßig stattfindet, regten die Länder an, eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Fassung des maßgeblichen Artikels 7 der Richtlinie 2004/18/EG, in dem die Schwellenwerte festgelegt werden, in die VgV aufzunehmen.
In der Sektorenverordnung (SektVO) sowie der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) existiert bereits eine solche dynamische Verweisung auf die EU-Schwellenwerte.
Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hatte darüber hinaus vorgeschlagen, den Schwellenwert für alle Einrichtungen des Bundes auf den niedrigeren Schwellenwert festzulegen. Die Bundesregierung hat dieses Anliegen im Rahmen dieser Änderung der Vergabeverordnung nicht aufgegriffen.
Die Änderung der VgV lehnt sich an den Wortlaut des Vorschlags für eine neue EU-Vergaberichtlinie an und dient dazu, die bisherige Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien im deutschen Vergaberecht für nachrangige Dienstleistungen nach Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG beziehungsweise Anlage 1 Teil B der VgV moderat zu lockern. Darüber hinaus wird eine dynamische Verweisung auf die jeweils maßgeblichen EU-Schwellenwerte in der VgV verankert. Dadurch wird auf nationaler Ebene ein Gleichklang mit der SektVO und der VSVgV hergestellt. Die bisherige regelmäßige VgV-Änderung allein infolge von EU-Schwellenwertänderungen wird künftig hinfällig.
II. Gesetzesfolgen
1. Vollzugsaufwand für die öffentliche Hand
Den Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden entsteht bei der Ausführung dieser Verordnung kein zusätzlicher Vollzugsaufwand.
Aus Sicht des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung ist die Haushaltsneutralität nicht zweifelsfrei. So könne nicht ausgeschlossen werden, dass die stärkere Berücksichtigung anderer Kriterien als dem Preis zu Mehrausgaben führe. Des Weiteren befürchtet er eine Doppelberücksichtigung der zusätzlichen Kriterien einerseits bei der Eignungsprüfung der Anbieter und andererseits bei der qualitätsmäßigen Angebotsprüfung.
Der Einwand des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, die Haushaltsneutralität sei gefährdet, berücksichtigt nicht, dass nach deutschem Vergaberecht zwingend der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis zu erteilen ist. Insoweit ist also nicht nur der Preis, sondern auch die Qualität, die mit der Regelung gerade verbessert werden soll, maßgeblich.
Eine Doppelberücksichtigung der Kriterien sowohl bei der Eignungsprüfung der Anbieter als auch bei der Angebotsprüfung wird durch eine Klarstellung in der Begründung zum Verordnungsentwurf verhindert. Diese sieht vor, dass die genannten nun möglichen Kriterien bei der Angebotswertung nur in dem Maß Berücksichtigung finden können,
das über die Mindestanforderungen zur Eignung hinausgeht.
2. Kosten und Preiswirkungen
2.1 Kosten für die Wirtschaft
Der Wirtschaft - einschließlich den mittelständischen Unternehmen - entstehen keine direkten zusätzlichen Kosten.
2.2 Preiswirkungen
Auswirkungen auf die Einzelpreise und auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
3. Bürokratiekosten
3.1 Informationspflichten für Unternehmen
Es entstehen keine weiteren Informationspflichten für Unternehmen.
3.2 Informationspflichten für die Verwaltung
Es entstehen keine weiteren Informationspflichten für die Verwaltung und öffentliche Auftraggeber.
3.3 Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger
Es entstehen keine Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger.
III. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung
Die Verordnung hat keine Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung.
IV. Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit
Die Verordnung entspricht den Anforderungen der Bundesregierung an eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1
Zu Nummer 1 (Änderung des § 1 "Zweck der Verordnung")
Mit der siebten Änderungsverordnung zur Vergabeverordnung wird eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden EU-Schwellenwerte eingeführt. Hierdurch wird eine Änderung des § 1 VgV erforderlich. Dieser ist künftig auf die alleinige Zweckbeschreibung beschränkt.
Die ehemaligen Absätze 2 und 3, die ohnehin nicht den Zweck, sondern den Anwendungsbereich beschrieben, werden in den neu geschaffenen § 2 "Anwendungsbereich" verschoben.
Zu Nummer 2 (Änderung des § 2 "Anwendungsbereich")
§ 2 VgV wird neu gefasst und erhält die Überschrift "Anwendungsbereich". Absatz 1 enthält künftig eine dynamische Verweisung auf die in Artikel 7 der Richtlinie 2004/18/EG regelmäßig angepassten Schwellenwerte. Damit entfällt künftig die stets alle zwei Jahre notwendig gewordene Anpassung der VgV aufgrund der regelmäßigen Schwellenwertanpassung durch die EU-Kommission. Die EU-Schwellenwerte gelten unmittelbar und werden durch die Bundesregierung nach Änderung nur noch im Bundesanzeiger bekannt gegeben (s. Satz 3). Damit wird auch ein Gleichklang zur SektVO und zur VSVgV erreicht. In beiden Rechtsverordnungen gibt es bereits eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden EU-Schwellenwerte in der maßgeblichen EU-Richtlinie.
Satz 2 der Neuregelung stellt klar, dass die sich für zentrale Regierungsbehörden aus der maßgeblichen Richtlinie ergebende Verpflichtung zur Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes bei der Vergabe von Liefer-/Dienstleistungen nicht nur für Bundesministerien, sondern für alle obersten Bundesbehörden einschließlich aller oberen Bundesbehörden sowie vergleichbaren Einrichtungen gilt.
Die Absätze 2 und 3, die die Abgrenzung zur Sektorenverordnung (SektVO) und zur Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) regeln, werden aus § 1 übernommen.
Zu Nummer 3 (Änderung des § 3 "Schätzung des Auftragswertes")
Die Änderung in § 3 ist eine notwendige Folgeänderung aufgrund der Neufassung des § 2 VgV.
Infolge der Neufassung konnten sämtliche bisherigen Regelungen des § 2 VgV (alt) entfallen mit Ausnahme der Ausnahmeregelung bezüglich der Losvergabe ("80-20- Regel") der Nummer 6 und Nummer 7. Diese besondere Ausnahme im Falle von Losvergaben wird in § 3 Absatz 7 Satz 4 und 5 (neu) übernommen.
Der Wortlaut wird dem der SektVO und der VSVgV angeglichen.
Zu Nummer 4 (Änderung des § 4 "Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträge")
§ 4 Absatz 2 Satz 2 (neu) dient dazu, die bisherige Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien im deutschen Vergaberecht für nachrangige Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG beziehungsweise Anlage 1 Teil B der VgV moderat zu lockern. Teilweise werden dabei auch Tendenzen der bereits ergangenen Rechtsprechung aufgegriffen.
Hintergrund ist, dass für die Qualität der Auftragsausführung bei Dienstleistungen vielfach die Qualität des Personaleinsatzes im Vordergrund steht. Insbesondere gilt dies für Arbeitsmarktdienstleistungen oder bei Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Dienstleistungen europarechtlich als nachrangige Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG ohnehin einem vereinfachten Vergaberechtsregime unterliegen. Ziel der Änderung ist eine moderate Lockerung der bisherigen Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien im deutschen Vergaberecht, um den Anforderungen der Praxis an einer Berücksichtigung bieterbezogener Qualitätskriterien bei der Zuschlagsentscheidung gerecht zu werden.
Auch der Deutsche Bundestag stellt in seiner Entschließung vom 21. Februar 2013 (Bundestagsdrucksache 17/10113) fest, die Praxis habe gezeigt, dass das deutsche Vergaberecht für die Beschaffung insbesondere von sozialen Dienstleistungen noch nicht durchgehend ein den Anforderungen der Praxis gerecht werdendes Instrumentarium bereitstelle.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH sind zwar Eignungs- und Zuschlagskriterien voneinander zu trennen, diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch nicht auf die nach dem geltenden EU-Vergaberecht so genannten "nachrangigen Dienstleistungen" (Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG), für die gemäß Artikel 21 der Richtlinie 2004/18/EG nur wenige ausgewählte Vergaberegelungen gelten. So müssen lediglich die Bestimmungen zu den technischen Spezifikationen (Artikel 23) und eine ex post-Veröffentlichungspflicht (Artikel 35 Absatz 4) eingehalten werden. Alle übrigen Vorschriften der EU-Vergaberichtlinie - einschließlich der Bestimmungen über Zuschlagskriterien - finden bei nachrangigen Dienstleistungen keine Anwendung.
Nach der jüngeren Vergaberechtsprechung dürfen bei nachrangigen Dienstleistungen in engen Grenzen bieterbezogene Qualitätskriterien für die Zuschlagsentscheidung herangezogen werden. Maßgeblich ist, dass sich die Qualitätsmerkmale, die im Rahmen der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt werden können, nicht mit den der Eignungsprüfung gemachten Feststellungen zu Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Bieters decken. Vielmehr muss es sich um auftragsbezogene Umstände handeln, die sich auf die Qualität der Vertragserfüllung und damit auf den wirtschaftlichen Wert des Angebots auswirken können. Insoweit können gerade bei sozialen Dienstleistungen über die Personalorganisation deutliche Rückschlüsse auf die Qualität eines Angebots gezogen werden. Die Qualität eines Angebots kann sich dabei auch in Personal- oder Schulungskonzepten zur Durchführung des konkreten Auftrags widerspiegeln. Damit unterstreicht ein Bieter das Gesamtkonzept der angebotenen Dienstleistung und stellt so den erforderlichen Auftragsbezug her.
Auch Artikel 66 Absatz 2 des Entwurfs einer neuen Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge lockert die Trennung von unternehmens-/personenbezogenen Eignungskriterien einerseits und leistungsbezogenen Zuschlagskriterien andererseits. Die Ergänzungen in § 4 Absatz 2 Satz 2 lehnen sich an den Wortlaut dieses Entwurfs an, in dem die Organisation, die Qualifikation und die Erfahrung des eingesetzten Personals als mögliche Kriterien aufgeführt werden, die - neben anderen Zuschlagskriterien wie insbesondere dem Preis - bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigt werden können. Auf dieser Grundlage kann auch das Maß an Qualifikation und Erfahrung bei der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt werden, das über die Mindestvoraussetzungen zur Eignung hinausgeht. Eine Doppelberücksichtigung bei der Eignungsprüfung und der Zuschlagsentscheidung scheidet demnach aus. Die Organisation des eingesetzten Personals kann sich etwa in Personal- oder Schulungskonzepten zur Durchführung des konkreten Auftrags zeigen.
§ 4 Absatz 2 Satz 3 (neu) stellt sicher, dass auch der Erfolg und die Qualität bereits erbrachter Leistungen als Indizien für die Beurteilung der Organisation, Qualifikation und Erfahrung des eingesetzten Personals berücksichtigt werden können.
Es ist zu beachten und stets zu gewährleisten, dass auch Neu- bzw. Erstanbieter angemessen berücksichtigt werden und eine realistische Chance auf den Zuschlag erhalten. Daher soll gemäß § 4 Absatz 2 Satz 4 (neu) die Berücksichtigung der Kriterien Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Durchführung des betreffenden Auftrags betrauten Personals einen Anteil von 25 Prozent der Gesamtkriterien im Regelfall nicht überschreiten.
Zu Nummer 5 (Änderung des § 5 "Vergabe freiberuflicher Leistungen")
Im Gleichklang mit § 4 wird auch für alle "nachrangigen" freiberuflichen Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG beziehungsweise Anlage 1 Teil B der VgV die bisherige strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien moderat gelockert.
Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz: NKR-Nr. 2636:
Siebente Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge
Der Nationale Normenkontrollrat hat das oben genannte Regelungsvorhaben geprüft.
Erfüllungsaufwand
Erfüllungsaufwand | |
Wirtschaft | Keine Auswirkungen |
Verwaltung | Keine Auswirkungen |
Bürger | Keine Auswirkungen |
Das Regelungsvorhaben hat keine Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand.
Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.
Dr. Ludewig Schleyer
Vorsitzender Berichterstatter