Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Vorschlag für einen Beschluss des Rates zu Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten - COM (2015) 98 final

Die Mitteilung wurde am 03. März 2015 von der Kommission dem Bundesrat zugeleitet. Der Bundesrat wurde am 04. März 2015 über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Das Europäische Parlament, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Ausschuss der Regionen und der Beschäftigungsausschuss werden an den Beratungen beteiligt.

Hinweis: vgl.
Drucksache 267/10 (PDF) = AE-Nr. 100311 und AE-Nr. 130991.

Auf Verlangen des Landes Rheinland-Pfalz vom 25. März 2015 erscheint die Vorlage gemäß § 45a GO BR als Drucksache des Bundesrates.

Brüssel, den 2.3.2015
COM (2015) 98 final
2015/0051 (NLE)

Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union sieht vor, dass die Mitgliedstaaten ihre Wirtschaftspolitik und die Förderung von Beschäftigung als Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse betrachten und ihre diesbezüglichen Tätigkeiten im Rat aufeinander abstimmen. In zwei Artikeln ist festgelegt, dass der Rat Grundzüge der Wirtschaftspolitik (Artikel 121) sowie beschäftigungspolitische Leitlinien (Artikel 148) verabschiedet, wobei letzterer Artikel präzisiert, dass diese Leitlinien mit den verabschiedeten Grundzügen im Einklang stehen müssen. Dieser Rechtsgrundlage entsprechend werden die beschäftigungspolitischen Leitlinien und die Grundzüge der Wirtschaftspolitik als zwei verschiedene - jedoch eng miteinander verbundene - Rechtsinstrumente vorgelegt, und zwar als - eine Empfehlung des Rates über die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Union - Teil I der integrierten Leitlinien; - ein Beschluss des Rates zu Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten - Teil II der integrierten Leitlinien.

Die Leitlinien wurden erstmals zusammen im Jahr 2010 (als "integriertes Maßnahmenpaket") zur Unterstützung der Strategie Europa 2020 angenommen. In jenem Jahr wurde zudem beschlossen, dass die integrierten Leitlinien bis 2014 weitgehend unverändert bleiben sollten. Während die Grundzüge der Wirtschaftspolitik zeitlich unbegrenzt gültig sind, müssen die beschäftigungspolitischen Leitlinien jedes Jahr neu aufgestellt werden.

Die Leitlinien bestimmen nicht nur den Rahmen für Umfang und Ausrichtung der politischen Koordinierung unter den Mitgliedstaaten, sondern sie bilden auch die Grundlage für die länderspezifischen Empfehlungen in den jeweiligen Bereichen.

Mit den aktuellen "integrierten Leitlinien" soll die Strategie Europa 2020 im Rahmen des neuen wirtschaftspolitischen Konzepts unterstützt werden, das gemäß dem Jahreswachstumsbericht 2015 der Kommission auf Investitionen, Strukturreformen und einer verantwortungsvollen Fiskalpolitik aufbaut. Daneben sollen die integrierten Leitlinien zu einem intelligenten, nachhaltigen und inklusiven Wachstum sowie zur Verwirklichung der Ziele des Europäischen Semesters für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik beitragen.

Die "integrierten Leitlinien" lauten:

Leitlinie 1: Investitionsförderung
Leitlinie 2: Wachstumsförderung durch die Umsetzung von Strukturreformen
Leitlinie 3: Beseitigung wesentlicher Hindernisse für Wachstum und Beschäftigung auf EU-Ebene
Leitlinie 4: Verbesserung der Nachhaltigkeit und Wachstumsfreundlichkeit öffentlicher Finanzen
Leitlinie 5: Ankurbelung der Nachfrage nach Arbeitskräften
Leitlinie 6: Verbesserung des Arbeitskräfteangebots und der Qualifikationen
Leitlinie 7: Verbesserung der Funktionsweise der Arbeitsmärkte
Leitlinie 8: Fairness, Armutsbekämpfung und Chancengleichheit

Vorschlag für einen Beschluss des Rates zu Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten

DER Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 148 Absatz 2, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments1, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses2, nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen3, nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses, in Erwägung nachstehender Gründe:

HAT folgenden Beschluss Erlassen:

Artikel 1

Die im Anhang beigefügten Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten werden angenommen. Diese Leitlinien sind Teil der "integrierten Leitlinien".

Artikel 2

Die Leitlinien im Anhang werden in den beschäftigungspolitischen Maßnahmen und Reformprogrammen der Mitgliedstaaten berücksichtigt, über die gemäß Artikel 148 Absatz 3 des Vertrags Bericht erstattet wird.

Dieser Beschluss ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am

Im Namen des Rates
Der Präsident

Brüssel, den 2.3.2015
COM (2015) 98 final

Anhang
- Integrierte Leitlinien - des Vorschlags für einen Beschluss des Rates zu Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten

Anhang
Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten

Teil II der integrierten Leitlinien

Leitlinie 5: Ankurbelung der Nachfrage nach Arbeitskräften

Die Mitgliedstaaten sollten die Schaffung von Arbeitsplätzen erleichtern, Anstellungshindernisse für Unternehmen verringern, Unternehmertum fördern und insbesondere die Gründung und das Wachstum kleiner Unternehmen unterstützen, um die Beschäftigungsquote von Frauen und Männern zu erhöhen. Zudem sollten die Mitgliedstaaten aktiv die Sozialwirtschaft und soziale Innovation fördern.

Die Steuerlast sollte vom Faktor Arbeit auf andere Quellen verlagert werden, wo die Auswirkungen auf Beschäftigung und Wachstum weniger schädlich sind; gleichzeitig sollten Steuereinnahmen für einen angemessenen sozialen Schutz und wachstumsfördernde Ausgaben sichergestellt werden. Die Reduzierung der Besteuerung des Faktors Arbeit sollte auf relevante Komponenten der steuerlichen Belastung abstellen sowie auf den Abbau von Hindernissen und Negativanreizen für die Erwerbsbeteiligung, vor allem für diejenigen, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind.

Die Mitgliedstaaten sollten zusammen mit den Sozialpartnern Lohnfestsetzungsmechanismen fördern, die die Anpassung der Löhne an die Produktivitätsentwicklungen ermöglichen. In diesem Zusammenhang sollten Unterschiede bei den Qualifikationsniveaus und den lokalen Arbeitsmarktbedingungen sowie bei der Wirtschaftsleistung der verschiedenen Regionen, Sektoren und Unternehmen berücksichtigt werden. Bei der Festlegung von Mindestlöhnen sollten die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner die Auswirkungen auf die Armut trotz Erwerbstätigkeit, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Wettbewerbsfähigkeit in Erwägung ziehen.

Leitlinie 6: Verbesserung des Arbeitskräfteangebots und der Qualifikationen

Die Mitgliedstaaten sollten Produktivität und Beschäftigungsfähigkeit durch ein angemessenes Angebot einschlägiger Kenntnisse und Qualifikationen fördern. Die Mitgliedstaaten sollten die notwendigen Investitionen in die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung tätigen und dabei deren Effektivität und Effizienz verbessern, um das Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte zu erhöhen und sie zu befähigen, die sich rasch wandelnden Erfordernisse der dynamischen Arbeitsmärkte in einer zunehmend digitalen Wirtschaft zu antizipieren und sich daran anzupassen. Die Mitgliedstaaten sollten ihre Bemühungen verstärken, den Zugang zu einer hochwertigen Erwachsenenbildung für alle zu verbessern, und Strategien für aktives Altern und ein längeres Arbeitsleben umsetzen.

Die hohe Arbeitslosigkeit muss bekämpft und Langzeitarbeitslosigkeit verhindert werden. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen sollte durch umfassende und sich gegenseitig verstärkende Strategien deutlich gesenkt werden, darunter Maßnahmen zur spezifischen aktiven Unterstützung Langzeitarbeitsloser bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit erfordert einen umfassenden Ansatz - dazu gehört die Ausstattung der einschlägigen Einrichtungen mit den notwendigen Mitteln, damit sie ihre nationalen Pläne zur Umsetzung der Jugendgarantie vollständig und konsequent durchführen können.

Strukturelle Schwächen in der allgemeinen und beruflichen Bildung sollten angegangen werden, um hochwertige Lernergebnisse sicherzustellen und den frühzeitigen Schulabgang zu verhindern bzw. dagegen vorzugehen. Die Mitgliedstaaten sollten den Bildungsstand anheben und die Einrichtung von Systemen des dualen Lernens sowie eine Aufwertung der beruflichen Bildung erwägen; gleichzeitig sollten mehr Möglichkeiten für die Anerkennung von Fähigkeiten vorgesehen werden, die außerhalb des formalen Bildungssystems erlangt wurden.

Die Hindernisse für eine Teilhabe am Arbeitsmarkt sollten abgebaut werden, insbesondere für Frauen, ältere Arbeitnehmer, junge Menschen, Menschen mit Behinderung und legale Migranten. Die Gleichstellung der Geschlechter, einschließlich gleicher Entlohnung, muss auf dem Arbeitsmarkt genauso sichergestellt werden wie der Zugang zu erschwinglichen, hochwertigen Angeboten der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung.

Die Mitgliedstaaten sollten die Unterstützung aus dem Europäischen Sozialfonds und anderen Unionsfonds im Hinblick auf eine Verbesserung der Beschäftigung, der sozialen Inklusion, der Bildung und der öffentlichen Verwaltung intensiv nutzen.

Leitlinie 7: Verbesserung der Funktionsweise der Arbeitsmärkte

Die Mitgliedstaaten sollten die Segmentierung des Arbeitsmarktes verringern. Vorschriften und Einrichtungen, die sich mit dem Beschäftigungsschutz befassen, sollten ein geeignetes Umfeld für die Rekrutierung neuer Arbeitskräfte schaffen und gleichzeitig ein angemessenes Schutzniveau für Arbeitnehmer und Arbeitssuchende sowie Beschäftigte mit befristeten Verträgen oder Verträgen über selbstständige Dienstleistungen sicherstellen. Es sollten Arbeitsplätze von hoher Qualität in puncto sozioökonomischer Sicherheit, Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen (auch hinsichtlich Gesundheit und Sicherheit) und Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben gewährleistet werden.

Die Mitgliedstaaten sollten - unter Beachtung der nationalen Gepflogenheiten - die nationalen Parlamente und Sozialpartner in die Planung und Umsetzung relevanter Reformen und Strategien einbeziehen und auf eine Verbesserung der Funktionsweise und der Wirksamkeit des sozialen Dialogs auf nationaler Ebene hinarbeiten.

Die Mitgliedstaaten sollten ihre aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen verstärken, indem sie deren Ausrichtung, Reichweite, Umfang und Zusammenwirken mit passiven Maßnahmen verbessern. Diese Maßnahmen sollten auf eine Abstimmung von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt abzielen und nachhaltige Übergänge fördern, wobei die öffentlichen Arbeitsverwaltungen individualisierte Unterstützung anbieten und Systeme zur Leistungsmessung einrichten. Außerdem sollten die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass ihre Sozialschutzsysteme tatsächlich diejenigen aktivieren und befähigen, die am Arbeitsmarkt teilhaben können, und jene schützen, die (vorübergehend) vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen und/oder nicht in der Lage sind, sich daran zu beteiligen. Ferner sollten die Mitgliedstaaten die Menschen auf potenzielle Risiken vorbereiten, indem sie in Humankapital investieren, und inklusive, allen offenstehende Arbeitsmärkte fördern sowie wirksame Antidiskriminierungsmaßnahmen einführen.

Die Mobilität der Arbeitskräfte sollte sichergestellt werden, so dass das volle Potenzial des europäischen Arbeitsmarktes genutzt werden kann. Dazu gehört auch die Verbesserung der Übertragbarkeit von Rentenansprüchen und der Anerkennung von Qualifikationen. Gleichzeitig sollten die Mitgliedstaaten dem Missbrauch der geltenden Regeln vorbeugen.

Leitlinie 8: Fairness, Armutsbekämpfung und Chancengleichheit

Die Mitgliedstaaten sollten ihre Sozialschutzsysteme modernisieren, um einen wirksamen, effizienten und angemessenen Schutz des Einzelnen in allen Lebensphasen zu gewährleisten, um für Gerechtigkeit zu sorgen und Ungleichheiten zu beseitigen. Es bedarf vereinfachter und gezielterer sozialpolitischer Maßnahmen, ergänzt durch bezahlbare, hochwertige Kinderbetreuung und Bildungsangebote, Unterstützung bei Ausbildung und Beruf, Wohnraumförderung und Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie zu grundlegenden Leistungen wie Bankkonto und Internet; weiterhin sind Maßnahmen zur Verhinderung frühzeitigen Schulabgangs und zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung erforderlich.

Zu diesem Zweck sollte eine Vielzahl von Instrumenten komplementär eingesetzt werden, einschließlich der arbeitsmarktpolitischen Aktivierung und der auf individuelle Bedürfnisse abgestimmten Einkommensunterstützung. Die Sozialschutzsysteme sollten so gestaltet werden, dass alle anspruchsberechtigten Personen aufgenommen, Investitionen in Humankapital gefördert und die Vorbeugung bzw. Verringerung der Armut unterstützt werden können.

Die Rentensysteme sollten angepasst werden, damit sie für Frauen und Männer vor dem Hintergrund der höheren Lebenserwartung und des demografischen Wandels nachhaltig und angemessen bleiben.

Zu den Anpassungen gehören die Kopplung des gesetzlichen Rentenalters an die Lebenserwartung, die Erhöhung des tatsächlichen Renteneintrittsalters und der Aufbau zusätzlicher Sparsysteme für den Ruhestand.

Die Mitgliedstaaten sollten die Zugänglichkeit, Effizienz und Effektivität der Gesundheitsund Pflegesysteme verbessern und gleichzeitig ihre finanzielle Tragfähigkeit gewährleisten.