Für einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte die Einstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an. Regelwerk |
Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen
Vom 27. Oktober 2008
(GMBl. Nr. 62/63 vom 19.12.2008 S. 1278; BAnz. AT::04.01.2016 B4 16aufgehoben)
RdSchr. d. BMU - RS II 5 - 15930 - 1/3 -
zur aktuellen Fassung
1 Einleitung
Diese Rahmenempfehlungen treten an die Stelle der Rahmenempfehlungen, die in der Innenministerkonferenz am 11. Juni 1999 und im Länderausschuss für Atomkernenergie - Hauptausschuss - am 6. April 1999 verabschiedet wurden (vgl. die Bekanntmachung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 9. August 1999 im GMBl 1999, S. 538-587). Die Überarbeitung der Rahmenempfehlungen von 1999 ist erforderlich geworden zur Berücksichtigung neuer Entwicklungen. Dazu gehören neben formalen Anpassungen an die novellierte Strahlenschutzverordnung von 2001 insbesondere neue nationale Regelungen in Bezug auf Iodtabletten. Hier hat die SSK die Todmerkblätter überarbeitet. Neue Iodtabletten wurden beschafft und neue Verteilkonzepte vorgeschlagen, welche auch Gebiete außerhalb der bisherigen Planungszonen betreffen. Die SSK hat darüber hinaus die Konzepte für medizinische Maßnahmen bei Strahlenunfällen weiter entwickelt (dargestellt in Band 32 der Veröffentlichungen der SSK) und speziell auch für die medizinischen Maßnahmen bei Kernkraftwerksunfällen (dargestellt in Band 4 der Veröffentlichungen der SSK). Darüber hinaus werden Erkenntnisse aus der Planungspraxis im In- und Ausland in die Rahmenempfehlungen aufgenommen. Hierzu gehören u. a. die Berücksichtigung schnell ablaufender Ereignisse bei der Maßnahmenplanung sowie die Weiterentwicklungen der - auch länderübergreifenden - Konzepte zur Erarbeitung und Kommunikation der radiologischen Lage. Angesichts der Bedeutung einer rechtzeitigen, umfassenden und abgestimmten Information für die Akzeptanz und damit die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen der Bevölkerung wird der Planungsauftrag zur Erarbeitung eines abgestimmten Informationskonzeptes präzisiert.
Deutsche Kernkraftwerke verfügen über Sicherheitseinrichtungen sowie vorgeplante Maßnahmen, die das Eintreten eines kerntechnischen Unfalls mit relevanten radiologischen Auswirkungen in der Umgebung praktisch ausschließen sollen. Zu einem solchen Ereignisablauf kann es nur dann kommen, wenn die vorhandenen, mehrfach gestaffelten Sicherheitsmaßnahmen nicht greifen sollten und die zusätzlichen Maßnahmen zur Verhinderung schwerer Kernschäden und zur Eindämmung ihrer radiologischen Folgen nicht erfolgreich wären. Für diesen Fall werden Katastrophenschutzplanungen für die Umgebung von Kernkraftwerken erarbeitet. Die hier vorliegenden Empfehlungen zur Erstellung von Katastrophenschutzplänen betreffen Kernkraftwerke. Sie sind sinngemäß auf andere kerntechnische Anlagen (Forschungsreaktoren, Brennelementzwischenlager, Brennelementfabriken etc.), sofern Katastrophenschutzplanungen erforderlich sind, übertragbar.
Vorrangiges Ziel der Planungen ist, unmittelbare Folgen der Auswirkungen eines kerntechnischen Unfalls auf die Bevölkerung zu verhindern oder zu begrenzen. Unter unmittelbaren Folgen werden deterministische Effekte, insbesondere Frühschäden, und hohe Individualrisiken, deren Minderung Sofortmaßnahmen des Katastrophenschutzes erfordern, verstanden. Die " Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden" (Beschluss des Länderausschusses für Atomkernenergie - Hauptausschuss - am 6.4.1999, GMBl 1999, S. 538) bilden die radiologische Basis für Entscheidungen über Katastrophenschutzmaßnahmen.
Die vorliegende Empfehlung berührt nicht die bestehenden Zuständigkeiten, Organisationsformen und Regelungen für den allgemeinen Katastrophenschutz; sie soll jedoch Grundlage dafür sein, dass bei der besonderen Katastrophenschutzplanung für die Umgebung kerntechnischer Anlagen im gesamten Bundesgebiet soweit wie möglich nach gleichen Grundsätzen verfahren wird. Länderspezifische Besonderheiten bei der Ausgestaltung der Planungen werden durch diese Rahmenempfehlungen nicht berührt.
Der Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen wird von den nach Landesrecht zuständigen Behörden wahrgenommen. Die Länder stellen dabei sicher, dass die Zuständigkeitsebene der Bedeutung der Planungsaufgaben und der Anordnung von Schutzmaßnahmen im Katastrophenfall entspricht. Soweit mehrere Katastrophenschutzbehörden betroffen sind, arbeiten diese bei der Planung und im Einsatzfall eng zusammen, tauschen die erforderlichen Informationen aus und koordinieren Bekanntmachungen, Verhaltensempfehlungen und Schutzmaßnahmen.
Die Empfehlung findet Anwendung auf deutsche kerntechnische Anlagen und solche ausländische Anlagen, die wegen ihrer grenznahen Lage Planungsmaßnahmen im Sinne dieser Empfehlung auf deutschem Gebiet erfordern.
Für die Umgebung kerntechnischer Anlagen werden besondere Katastrophenschutzpläne erstellt, wobei die nachstehenden Grundsätze (Abschnitt 3) zu beachten sind. Neben der behördlichen Katastrophenschutzplanung ist der Betreiber der kerntechnischen Anlage aufgrund der §§ 51 und 53 der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung - StrlSchV) zu eigenen Vorsorge- und Schutzmaßnahmen verpflichtet, die in der Alarmordnung und im Notfallhandbuch des Betreibers erfasst sind.
Unabhängig von den (lokalen) Katastrophenschutzplanungen der Länder existieren allgemeine, örtlich nicht begrenzte Planungen nach dem Strahlenschutzvorsorgegesetz ( StrVG), um die Strahlenexposition der Menschen bei radiologisch bedeutsamen Ereignissen durch geeignete Maßnahmen so gering wie möglich zu halten. Da bei einem kerntechnischen Unfall, bei dem Katastrophenschutzmaßnahmen erforderlich sind, auch Maßnahmen nach dem StrVG eingeleitet werden müssen, ist eine enge Abstimmung zwischen Bund und Ländern bereits im Vorfeld eines Ereignisses erforderlich. Dies gilt insbesondere auch für Maßnahmen, die bei einem kerntechnischen Ereignis außerhalb der Planungsradien durchzuführen sind.
Dies bedeutet nicht, dass bei einem kerntechnischen Unfall Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, die außerhalb des Planungsgebietes erforderlich werden, der Strahlenschutzvorsorge zuzurechnen sind und demnach durch Strahlenschutzvorsorgebehörden durchgeführt werden müssten.
Auch außerhalb des Planungsbereiches für Katastrophenschutzmaßnahmen gilt der Grundsatz, dass die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Sofortmaßnahmen durch die Katastrophenschutzbehörden durchzuführen sind.
Außerdem gilt der Grundsatz, dass nach Abwendung der unmittelbaren Gefahr die zum Schutz der Bevölkerung weiterhin durchzuführenden Maßnahmen in die Zuständigkeit der Strahlenschutzvorsorgebehörden übergehen. Hierunter fallen insbesondere solche Maßnahmen, deren Einleitung der Vermeidung hoher stochastischer Risiken dient, deren Aufhebung jedoch erst nach Feststellung der Unbedenklichkeit (Nahrungsmittelverbot) oder unter Abwägung sozialer Gesichtspunkte (temporäre Umsiedlung) erfolgen kann.
Hinweis: Nach einer Meldung des Betreibers entsprechend der AtSMV an die Aufsichtsbehörde über ein Ereignis, das keine Katastrophenschutzmaßnahmen, aber Strahlenschutzvorsorgemaßnahmen erfordert, wird die Aufsichtsbehörde nach Prüfung der Relevanz die Strahlenschutzvorsorgebehörde informieren. Etwaige Maßnahmen werden dann durch die Strahlenschutzvorsorgebehörde veranlasst.
2 Zusammenwirken von behördlicher Planung und Maßnahmen des Betreibers der kerntechnischen Anlage
Der Betreiber der kerntechnischen Anlage ist zu folgenden Maßnahmen verpflichtet:
2.1 Unterrichtung der Katastrophenschutzbehörden
Der Betreiber übermittelt den Katastrophenschutzbehörden ferner unverzüglich alle Angaben, die für die Beurteilung des Unfallgeschehens und zur Einleitung von Abwehrmaßnahmen von Bedeutung sein können (siehe Anhang 7.4).
Der Betreiber informiert die nach den besonderen Katastrophenschutzplänen für die Entgegennahme von Alarmmeldungen zuständigen Stellen unverzüglich über die Lageentwicklung (siehe 3.3).
2.2 Aufgaben des Betreibers bei der Radiologischen Lageermittlung
Der Betreiber stellt unverzüglich eine sachkundige Verbindungsperson zu der für den Standort festgelegten Stelle (siehe 3.3) ab. Aufgaben der Verbindungsperson sind im Wesentlichen:
2.3 Einrichtung einer Ausweichstelle für die Einsatzleitung des Betreibers außerhalb der Anlage
Für den Fall einer notwendigen Räumung der kerntechnischen Anlage richtet der Betreiber eine Ausweichstelle für seine Einsatzleitung außerhalb der Anlage ein, die über verschiedene, voneinander unabhängige Mittel zur Kommunikation mit den Katastrophenschutzbehörden verfügt. Die Kommunikation mit der Not- bzw. Teilsteuerstelle der Anlage ist sicherzustellen. In der Ausweichstelle sind die Unterlagen, die für die Beurteilung des Unfallgeschehens notwendig sind, sowie die Ausrüstung für den persönlichen Strahlenschutz der Einsatzkräfte des Betreibers vorzuhalten.
2.4 Messungen und Probenahmen in der Umgebung
Der Betreiber der kerntechnischen Anlage nimmt mit ortsfesten und mobilen Einrichtungen Messungen in der Umgebung an vorab festgelegten Orten vor. Art und Umfang dieser Messungen sind in Abschnitt 4.3.2 festgelegt.
Die Messergebnisse werden über die Messzentrale der für die Erarbeitung der radiologischen Lage zuständigen Stelle unverzüglich mitgeteilt.
2.5 Mitwirkung im vorbereitenden Katastrophenschutz
Der Betreiber und die Katastrophenschutzbehörden stimmen ihre Planungen untereinander ab.
Der Betreiber unterstützt die Katastrophenschutzbehörden nicht nur beim abwehrenden Katastrophenschutz, sondern gemäß § 53 StrlSchV auch im vorbereitenden Katastrophenschutz.
Insbesondere soll er die Katastrophenschutzbehörden bei der Erarbeitung von besonderen Katastrophenschutzplänen nach diesen Rahmenempfehlungen beraten, die dafür erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen und sich an von den Katastrophenschutzbehörden angeordneten Übungen und sonstigen Ausbildungsmaßnahmen beteiligen und diese unterstützen.
Das aufsichtführende Land soll die Interessen der Nachbarländer gegenüber dem Betreiber berücksichtigen und sich hierzu mit den Nachbarländern abstimmen.
3 Grundsätze für das Aufstellen besonderer Katastrophenschutzpläne für die Umgebung kerntechnischer Anlagen
In den besonderen Katastrophenschutzplänen sind folgende Gesichtspunkte hinsichtlich des Inhalts und der Gliederung zu berücksichtigen:
3.1 Inhaltsverzeichnis
3.2 Fortführungsnachweis
Die für die Ausarbeitung zuständige Behörde schreibt die Planungen kontinuierlich fort und überprüft sie in regelmäßigen Abständen (grundsätzlich jährlich).
3.3 Führungsorganisation
3.3.1 Grundlagen und Zusammenarbeit
Die Führungsorganisation nach dem besonderen Katastrophenschutzplan orientiert sich, insbesondere hinsichtlich der Verantwortlichkeiten und der Aufbau- und Ablauforganisation der Stäbe, an den entsprechenden Katastrophenschutz-Dienstvorschriften der Länder.
Der Aufbau der Führungsorganisation, die Aufgaben und Verantwortlichkeiten ihrer Mitglieder sowie der Arbeitsablauf sind in besonderen Dienstordnungen festzulegen.
Die Zusammenarbeit der mitwirkenden Katastrophenschutzleitungen ist sicherzustellen.
Können mehrere Bundesländer von den Auswirkungen eines Unfalls in einer kerntechnischen Anlage betroffen sein, so ist die länderübergreifende Zusammenarbeit und Kommunikation zu planen, zu vereinbaren und zu beschreiben. Diese Planung soll sicherstellen, dass die Entscheidungen auf der Basis einer Lagebeurteilung getroffen werden, die unter Einbeziehung aller verfügbaren Daten und Informationen ermittelt wird, und dass der Einsatz der Kräfte effizient erfolgt.
3.3.2 Lagebeurteilung
Für die Erarbeitung und Bewertung der radiologischen Lage durch Fachberater ist eine Stelle (Radiologisches Lagezentrum 1) einzurichten. Im Radiologischen Lagezentrum sind die Daten und Informationen sowie die Hilfsmittel verfügbar, die zum Erstellen der radiologischen Lage und zur Empfehlung über Maßnahmen erforderlich sind.
Zur Fachberatung im Radiologischen Lagezentrum werden mindestens einbezogen 2:
Für das Radiologische Lagezentrum und die Gruppe der Fachberater ist eine Aufbau- und Ablauforganisation zu planen und eine entsprechende Dienstordnung zu erstellen.
Können mehrere Bundesländer von den Auswirkungen eines Unfalls in einer kerntechnischen Anlage betroffen sein, so ist, sofern mehrere Radiologische Lagezentren vorhanden sind, vorab zu vereinbaren, wo die gemeinsame radiologische Lage federführend ermittelt wird.
3.3.3 Apparative Ausstattung
Die apparative Ausstattung der Führungseinrichtungen erfordert insbesondere eine ausreichende Zahl von verschiedenen, voneinander unabhängigen Kommunikationsmitteln (z.B. Telefax, E-Mail).
3.4 Alarmierung
Eine schnelle und vollständige Alarmierung der im Rahmen der einzelnen Alarmstufen benötigten Behörden, Einheiten und sonstigen Stellen ist sicherzustellen (vgl. 4.1).
Für die Alarmstufen sind graphische Alarmierungsschemata zu erstellen.
3.5 Information der Öffentlichkeit
3.6 Festlegung von Bereitstellungsräumen für Einsatzkräfte
Bei der Auswahl von Bereitstellungsräumen sind ausreichende Verkehrsanbindungen und leichte Erreichbarkeit für ortsunkundige Einsatzkräfte wichtig.
3.7 Einteilung der Umgebung der kerntechnischen Anlage
3.7.1 Planungszonen
Die Umgebung der kerntechnischen Anlage ist zur Abgrenzung vorbereitender Maßnahmen in folgende Zonen zu unterteilen. Wenn für Planungszwecke Zonen nochmals unterteilt werden, ist für einen Standort einheitlich vorzugehen.
Die Zonen sind durch Buchstaben zu kennzeichnen.
Zentralzone "(Z)"
Mittelzone "(M)"
Außenzone "(A)"
Fernzone "(F)"
3.7.2 Zentralzone
Die Zentralzone umschließt die kerntechnische Anlage unmittelbar. Ihre Grenze ist den jeweils vorliegenden örtlichen Gegebenheiten (Größe der Anlage, Geländestruktur und Besiedlungsverhältnisse) anzupassen und soll einen Abstand von 2 km von der Anlage nicht überschreiten.
3.7.3 Mittelzone
Die Mittelzone umschließt die Zentralzone. Ihre äußere Begrenzung soll durch einen Kreis mit einem Radius bis zu etwa 10 km festgelegt werden.
3.7.4 Außenzone
Die Außenzone umschließt die Mittelzone. Ihre äußere Begrenzung soll durch einen Kreis mit einem Radius bis zu etwa 25 km festgelegt werden.
3.7.5 Fernzone
Die Fernzone umschließt die Außenzone. Ihre äußere Begrenzung soll durch einen Kreis mit einem Radius bis zu etwa 100 km festgelegt werden.
3.7.6 Sektoreneinteilung
Die Mittelzone, die Außenzone und die Fernzone sind in Sektoren von 30° zu unterteilen, wobei diese im Uhrzeigersinn durchnummeriert werden und Sektor 1 symmetrisch zur Nordrichtung liegt.
3.7.7 Einsatzkarten
Zonen und Sektoren sind festzulegen und in entsprechenden Einsatzkarten einzuzeichnen (Maßstab 1:25.000 oder 1:50.000). Übersichtskarten, die im Katastrophenschutzplan enthalten sind, sollen einen geeigneten Maßstab des amtlichen Kartenmaterials aufweisen.
3.7.8 Vorzubereitende Maßnahmen in den Planungszonen
Für jede Zone müssen die erforderlichen Maßnahmen vorbereitet werden. Die Planungen für die Zentral- und Mittelzone umfassen neben den Alarmmaßnahmen 1 alle Alarmmaßnahmen 2 nach Abschnitt 3.10. In der Außenzone sollen Mess- und Probenahmeorte festgelegt und Alarmierungen vorbereitet werden. In der Außenzone ist die Verteilung von Iodtabletten für alle Personen unter 45 Jahre, in der Fernzone für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre sowie Schwangere vorzubereiten. Weiterhin ist in diesen Zonen sicher zu stellen, dass die Warnung vor dem Verzehr frisch geernteter Lebensmittel unverzüglich verbreitet werden kann.
Außerhalb der benannten Zonen sind besondere - auf die kerntechnische Anlage bezogene - Katastrophenschutzplanungen grundsätzlich nicht erforderlich.
Unberührt von der zonen- und sektorenbezogenen Planung können weitere im Einzelfall erforderliche Maßnahmen auf der Grundlage der allgemeinen Katastrophenschutzpläne durchgeführt werden.
3.8 Alarmstufen
Es sind folgende Alarmstufen festzulegen:
Voralarm
Katastrophenalarm
3.8.1 Für die Auslösung verantwortliche Stelle
Die Auslösung des Voralarms oder des Katastrophenalarms obliegt dem Leiter der Katastrophenschutzbehörde bzw. dessen Beauftragtem. Hierfür gelten folgende allgemeine Kriterien:
3.8.2 Voralarm
Voralarm wird ausgelöst, wenn bei einem Ereignis in der kerntechnischen Anlage bisher noch keine oder nur eine im Vergleich zu den Auslösekriterien für Katastrophenalarm geringe Auswirkung auf die Umgebung eingetreten ist, jedoch aufgrund des Anlagenzustandes nicht ausgeschlossen werden kann, dass Auswirkungen, die den Auslösekriterien für Katastrophenalarm entsprechen, eintreten könnten.
3.8.3 Katastrophenalarm
Katastrophenalarm wird ausgelöst, wenn bei einem Unfall in der kerntechnischen Anlage eine gefahrbringende Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umgebung festgestellt ist oder droht.
3.8.4 Kriterien
Das Verfahren zur Auslösung von Voralarm oder Katastrophenalarm ist eindeutig festzulegen und allen Beteiligten bekannt zu geben. Auf die "Kriterien für die Alarmierung der Katastrophenschutzbehörde durch die Betreiber kerntechnischer Einrichtungen" (gemeinsame Empfehlung der RSK vom 16.10.2003 und der SSK vom 11./12.9.2003, BAnz Nr. 136a vom 23.07.2004) wird hingewiesen.
Für den Fall schnell ablaufender Ereignisse sind geeignete Verfahren zur kurzfristigen Veranlassung von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung (Warnung der Bevölkerung, Aufenthalt in Gebäuden, Einnahme von vorverteilten Todtabletten) im Bereich der Zentralzone und angeschnittenen Ortschaften um die Anlage festzulegen.
3.9 Übersicht über die Alarmmaßnahmen
3.9.1 Unterteilung der Alarmmaßnahmen
Die Alarmmaßnahmen sind zu unterteilen in die Alarmmaßnahmen 1 und 2 sowie weitere Maßnahmen.
Die Alarmmaßnahmen 1 umfassen die bei Eingang einer Alarmmeldung durchzuführenden Alarmierungen und gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen.
Die Alarmmaßnahmen 2 dienen der Abwehr akuter Gefahren. Ob und in welchen Gebieten sie ausgelöst werden, wird nach Bewertung des Anlagenzustandes und der radiologischen Lage entschieden, wobei die Dosisrichtwerte der Radiologischen Grundlagen heranzuziehen sind (siehe Anhang 7.2).
Die weiteren Maßnahmen schließen zeitlich an und dienen der Vorsorge sowie der Beseitigung oder Verringerung noch bestehender Gefahren 4. Die Durchführung dieser Maßnahmen erfolgt durch die jeweilig zuständige Behörde, insbesondere nach Maßgabe des Strahlenschutzvorsorgegesetzes. Hierzu können Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes hinzugezogen werden. Die Auslösung und der Umfang dieser Maßnahmen richten sich nach den Umständen des Einzelfalls und sind deshalb in der Regel nicht im Voraus planbar.
3.10 Zuordnung von Maßnahmen zu den Alarmstufen
3.10.1 Maßnahmen bei Voralarm
Alarmmaßnahmen 1:
Die Bevölkerung ist in geeigneter Weise über den Sachverhalt und die behördlichen Maßnahmen zu unterrichten.
Alarmmaßnahmen 2 nach Abschnitt 3.10.2 können unter Umständen auch bei Voralarm vorbereitet oder bei Bedarf ergriffen werden.
3.10.2 Maßnahmen bei Katastrophenalarm
Alarmmaßnahmen 1:
Alarmmaßnahmen 2:
Weitere Maßnahmen:
3.11 Offenlegung
Die Katastrophenschutzpläne sind mit Ausnahme von personenbezogenen und sicherheitsempfindlichen Angaben zur Einsichtnahme durch die Bevölkerung bei den Katastrophenschutzbehörden oder anderen geeigneten Stellen offen zu legen.
4 Hinweise zur Durchführung der Alarmmaßnahmen
4.1 Alarmierung
Um eine schnelle und vollständige Alarmierung zu gewährleisten, sollen sämtliche zu einer Alarmstufe gehörenden Alarmierungen zusammengefasst sein, wobei eine Unterteilung in Führungsorganisation der Katastrophenschutzbehörde, Behörden, Dienststellen, Messdienste und Hilfsdienste zweckmäßig erscheint (Alarmierungsplan).
Die rasche und sichere Erreichbarkeit der nach Alarmierungsplan vorgesehenen Personen soll durch entsprechende technische Einrichtungen (z.B. automatisches Alarmierungssystem) und organisatorische Maßnahmen (z.B. Bereitschaftsdienst) sichergestellt werden.
4.2 Festlegung des gefährdeten Gebietes
Bei Eingang einer Alarmmeldung mit dem Stichwort "Kerntechnischer Unfall" ist als eine der ersten behördlichen Maßnahmen das Gebiet festzulegen, für das voraussichtlich Alarmmaßnahmen 2 Nr. 3 bis Nr. 6 in Frage kommen können (gefährdetes Gebiet).
Die Festlegung erfolgt ausgehend von den Ergebnissen der Lageermittlung. Das gefährdete Gebiet ist anhand der Zonen und Sektoren zu benennen. Es ist an die Lageentwicklung anzupassen.
Bei schnell ablaufenden Ereignissen werden die Zentralzone und angeschnittene Ortschaften in Ausbreitungsrichtung als gefährdetes Gebiet festgelegt.
4.3 Lageermittlung
Die Lageermittlung wird vom Radiologischen Lagezentrum mit den zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen über den Anlagenzustand, die meteorologische Lage und die Emissions- und Immissionssituation durchgeführt. Sie wird zunächst auf Prognosen beruhen, später zunehmend auf Messungen in der Umgebung. Das Radiologische Lagezentrum muss für die Ermittlung der radiologischen Lage ausgerüstet sein, insbesondere über ausreichend Rechenkapazität und geeignete Rechenmodelle zur Prognose und Diagnose verfügen, Zugang zu meteorologischen Daten und Anlagendaten haben und mit den Messzentralen der Messdienste in ständiger Verbindung stehen.
4.3.1 Prognose der radiologischen Lage
Grundlagen einer ersten, unmittelbar nach der Alarmmeldung des Betreibers erforderlichen Einschätzung der Lage mit Prognose der radiologischen Auswirkungen des kerntechnischen Unfalls sollen sein:
Die mögliche Strahlenexposition der Bevölkerung ist mittels Ausbreitungsrechnungen abzuschätzen. Sobald belastbare Messdaten und Emissionsdaten des Betreibers oder des KFU vorliegen, sind diese zur Verbesserung der Prognose heranzuziehen.
4.3.2 Messungen in der Umgebung
Eine in sich geschlossene Lagedarstellung ist auf der Basis von Einzelmessungen anfangs nicht möglich. Messungen dienen deshalb dazu, die aufgrund von Abschätzungen oder mit Hilfe von Computermodellen erstellte Prognose zu erhärten, zu ergänzen oder gar zu korrigieren. Sie sind wichtig, um den angenommenen Quellterm und die Grenzen des gefährdeten Gebietes zu überprüfen sowie um deutlich erhöhte lokale Kontaminationen aufzuspüren, die durch kleinräumige meteorologische Vorgänge oder Kontaminationsverschleppung verursacht sein können.
Messungen in der Umgebung erfolgen durch ortsfeste und mobile Messsysteme, durch Messdienste des Betreibers und der unabhängigen Messstellen sowie ggf. durch weitere Messdienste, die vom Radiologischen Lagezentrum durch die Messzentralen entsprechend ihrer Ausrüstung und Fähigkeiten eingesetzt werden. Die Messungen erfolgen nach den vorgegebenen Messprogrammen oder nach besonderen Messprogrammen auf Weisung des Radiologischen Lagezentrums. Die vorgegebenen Messprogramme nach der REI, den Plänen des Katastrophenschutzes und von IMIS sollen von den zuständigen Behörden der Länder standortspezifisch abgestimmt werden, um Doppelbeprobungen und Überwachungslücken zu vermeiden.
Während der Freisetzungsphase sind Messungen zur Quelltermüberprüfung Aufgabe der Betreibermessdienste und ihrer Messsysteme.
In der Nachfreisetzungsphase stehen das Auffinden von erhöhten Kontaminationen und die Festlegung des gefährdeten Gebietes im Vordergrund. Dies ist eine Aufgabe für alle Messdienste.
Für die Messungen kommen folgende Einrichtungen zum Einsatz:
Nach der REI werden die Messtrupps der Betreiber zunächst in der Zentralzone und in dem hauptbeaufschlagten Gebiet der Mittelzone tätig, während die Messtrupps der unabhängigen Messstellen und der fachkundigen Organisationen und die Strahlenspürtrupps in den angrenzenden Sektoren der Mittelzone sowie in mindestens fünf Sektoren der Außenzone eingesetzt werden. Diese Zuordnung kann später entsprechend der Lageentwicklung vom Radiologischen Lagezentrum angepasst werden. Die Strahlenspürtrupps werden hauptsächlich mit einfachen Messaufgaben (vorwiegend ODL-Messungen, evtl. auch Probenahmen) zur Eingrenzung des gefährdeten Gebietes und zum Auffinden von höher kontaminierten Gebieten betraut. Hierzu eignen sich besonders Messfahrzeuge mit kontinuierlicher Dosisleistungserfassung und gleichzeitiger Ermittlung der Messort-Koordinaten (ABC-Erkunder). Zur schnellen Lageermittlung können Messtrupps des BfS für die In-situ-Gammaspektrometrie aus der Luft mittels Hubschrauber herangezogen werden.
Außerhalb des festgelegten gefährdeten Gebietes ist auf der Grundlage des Strahlenschutzvorsorgegesetzes durch das Intensivmessprogramm des IMIS eine großräumige Radioaktivitätsüberwachung vorgesehen. Auch diese Messergebnisse können zur Lagebeurteilung beitragen.
Tab. 4-1: Vordringliche Messungen 5
Art der Messung 6 | Ort | Beginn | Messdienste/Messsysteme | Messzweck |
a) Gammaortsdosisleistung | Z-Zone + Hauptausbreitungssektoren der M-Zone | Sofort | Mobile/stationäre Messstationen, KFU/ODL-Messnetz des BfS, Betreiber-Messtrupps | Unterstützung der Lageermittlung, Erfordernis zusätzlicher Schutzmaßnahmen |
Nebensektoren der M-Zone und A-Zone | Nach Durchzug der Wolke | Messtrupps und Strahlenspürtrupps, ABC-Erkunder | Eingrenzung des tatsächlich gefährdeten Gebiets, Suche von hochkontaminierten Stellen | |
b) Aktivitätskonzentration der verschiedenen Radionuklide in der Luft | Z-Zone + Hauptausbreitungssektoren der M-Zone | Sofort | Mobile/stationäre Messstationen, Betreiber-Messtrupps | Unterstützung der Lageermittlung, Erfordernis zusätzlicher Schutzmaßnahmen |
Nebensektoren | Messtrupps | Kontrolle der Prognosen, Erfordernis zusätzlicher Schutzmaßnahmen | ||
c) Flächenbezogene Aktivität auf dem Boden (nach Durchzug der Wolke) | Nebensektoren | Nach Durchzug der Wolke | Messtrupps oder Strahlenspürtrupps | Festlegung des tatsächlich gefährdeten Gebietes, Auffinden von Stellen höherer Kontamination |
Gesamtgebiet | Hubschraubermessungen | Lageermittlung |
4.3.3 Durchführung der Messungen
Um die Auswirkungen eines kerntechnischen Unfalls beurteilen zu können, und zwar für die Festlegung des tatsächlich gefährdeten Gebietes und für die Entscheidung über Schutzmaßnahmen, sind vordringlich die in der Tabelle 4-1 aufgeführten Messungen erforderlich.
Zur Entscheidung über Strahlenschutzvorsorgemaßnahmen (z.B. Vermarktungsverbote) werden - über die in der Tabelle 4-1 aufgeführten Messungen hinaus - Messungen weiterer Medien (wie Bewuchs, Milch und Oberflächenwasser) vorgenommen. Diese Maßnahmen sind keine unmittelbaren Maßnahmen des Katastrophenschutzes und werden hier nicht weiter erläutert.
Bei der Tätigkeit der Messdienste sind die Strahlenschutz-Grundsätze zu beachten:
Der Einsatz muss gerechtfertigt sein: Grundsätzlich dürfen Messdienste nur in höher kontaminiertes Gebiet geschickt werden, wenn die Messergebnisse für die Lageermittlung unbedingt erforderlich sind.
Die Strahlenbelastung muss so gering wie möglich gehalten werden: Der Einsatz in höher kontaminierten Gebieten soll so kurz wie möglich sein. Dabei sollen vorrangig automatisch arbeitende Dosisleistungsmesssonden und Probenahme- und Messgeräte für die Feststellung der Aktivitätskonzentration in der Luft eingesetzt werden. Messungen und Probenahmen von Hand sind auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken.
Die Dosis ist zu beschränken: Dem Personal sind Umkehrdosen vorzugeben, bzw. es sind Vorgaben für eine maximale Aufenthaltsdauer im beaufschlagten Gebiet zu machen.
Der Einsatz der Messdienste soll koordiniert und planvoll erfolgen. Messungen ohne Aussagekraft sind zu vermeiden. Hierzu dient die Einrichtung lokaler Messzentralen, die die Einsätze der Messtrupps oder Strahlenspürtrupps steuern, die Ergebnisse bewerten, dokumentieren und in vorab festgelegter Form an das Radiologische Lagezentrum weiterleiten.
Die lokalen Messzentralen werden vom Radiologischen Lagezentrum geführt und setzen dessen Anweisungen um. Es soll nur ein Radiologisches Lagezentrum geben, das die Messziele sowie die Grobsteuerung aller Messdienste vorgibt und eine einheitliche Lagedarstellung vornimmt. Benachbarte Katastrophenschutzleitungen stimmen sich hierüber ab. Es erscheint in der Regel sinnvoll, das Radiologische Lagezentrum in dem Zuständigkeitsbereich (z.B. Land) anzusiedeln, in dem sich die betroffene Reaktoranlage befindet.
Jeder Trupp soll über Einsatzkarten verfügen, in denen das Einsatzgebiet in Zonen und Sektoren eingeteilt ist. Die Mess- und Probenahmeorte der Messprogramme und ggf. die Fahrtrouten sollen in den Einsatzkarten verzeichnet und ggf. gesondert beschrieben sein.
4.3.4 Probensammelstellen und Sammelplatz
Die von den Messtrupps und ggf. von den Strahlenspürtrupps eingeholten Proben sind mit vollständigen Probenbegleitpapieren einem Labor oder einer geeigneten Probensammelstelle zu übergeben.
Probensammelstellen müssen in ausreichender Entfernung möglichst querab zur Hauptausbreitungsrichtung eingerichtet werden. Sie müssen über günstige Verkehrsverbindungen und eine geeignete Infrastruktur (Kommunikation mit der Messzentrale einschließlich Datenübertragung, witterungsgeschützte Aufenthaltsmöglichkeiten und sanitäre Anlagen) verfügen. Entsprechende Räumlichkeiten nebst Ausweichmöglichkeiten sind vorab festzulegen. Es ist Aufgabe der Probensammelstellen, dafür zu sorgen, dass die Proben auf schnellstem Weg in geeignete Labors, auch unter Ausnutzung der angebotenen Laborkapazität anderer Länder, verbracht werden.
Als zentrale Anlaufstelle für die Messtrupps und Strahlenspürtrupps kann ein Sammelplatz eingerichtet werden. Dieser kann mit dem Ort einer Probensammelstelle zusammenfallen. Am Sammelplatz werden die Personendosimetrie und die Kontaminationskontrolle des Einsatzpersonals sowie die Funktionskontrolle der Messgeräte durchgeführt. Außerdem kann dort entsprechende Zusatz- bzw. Ersatzausrüstung vorgehalten werden. Geräte für erste orientierende Messungen (Bestimmung des Nuklidvektors) an den angelieferten Proben sollen an dieser Stelle ebenfalls vorhanden sein.
Der Sammelplatz ist möglichst so auszuwählen, dass er auch für einen Hubschraubereinsatz geeignet ist (Landeplatz, "Tower" [Fahrzeug der Flugeinsatzleitung], Tankfahrzeug, Feuerwehrfahrzeug, Räume für die Datenauswertung).
4.3.5 Auswertung der Messung
Die Ergebnisse der Messungen von Strahlenspürtrupps und Messtrupps sind von den lokalen Messzentralen auf Plausibilität zu überprüfen. Die plausibilisierten Daten sind unmittelbar oder in vorverarbeiteter Form an die für die Erarbeitung der radiologischen Lage zuständigen Stelle zu übermitteln. Dafür sind einheitliche Verfahren (Datenformate, Übermittlungsprotokolle) nach AVV IMIS einzusetzen. Das Radiologische Lagezentrum muss über Prozeduren und Geräte verfügen, um die Daten zusammenzuführen und für die Lagedarstellung aufzubereiten. Von besonderer Bedeutung bei der Auswertung sind dabei grafische Darstellungen für die örtliche und zeitliche Entwicklung von Größen, die zur Entscheidungsfindung für die einzelnen Maßnahmen und zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit benötigt werden. Für die Darstellung sollen möglichst geografische Informationssysteme (GIS) eingesetzt werden.
Alle Verfahren sind in einem Mess- und Auswertungskonzept zusammenzufassen.
4.4 Warnung und Unterrichtung der Bevölkerung
Die Bevölkerung ist bei Eintritt eines kerntechnischen Unfalls zu warnen und über seine möglichen Folgen zu unterrichten (siehe Abschnitt 3.5). Schon bei Voralarm muss die Bevölkerung Informationen und Anweisungen über geeignetes Schutzverhalten erhalten.
Die Warnung der betroffenen Bevölkerung erfolgt durch Sirenensignale (einminütiger Heulton) oder andere geeignete Mittel, die eine Weckfunktion besitzen (z.B. Lautsprecherdurchsagen). Gleichzeitig muss die Bevölkerung über die Medien unterrichtet werden. Die dazu notwendigen Vereinbarungen sind zu treffen. Die Unterrichtung hat rasch und wiederholt durch amtliche Verlautbarungen über Rundfunk, Fernsehen oder andere geeignete Medien zu erfolgen.
Entsprechende Mustertexte sind in die Pläne aufzunehmen. Beispiele für Mustertexte finden sich in Anhang 7.3. Weitere Unterrichtungen veranlasst die Katastrophenschutzleitung entsprechend der Lage.
4.5 Verkehrseinschränkungen
Bei Katastrophenalarm ist der in das gefährdete Gebiet fließende Straßenverkehr nach vorbereiteten Plänen umzuleiten, um eine mögliche Gefährdung von Personen durch das Betreten oder Befahren des gefährdeten Gebietes zu verhindern. Es sind keine Einschränkungen für Personen, die das gefährdete Gebiet verlassen wollen, vorzusehen. Sofern Kontaminationen oder Strahlenexpositionen zu besorgen sind, sind diese Personen aufzufordern, sich zu den eingerichteten Notfallstationen zu begeben.
Die für den übrigen Verkehr (Schienenverkehr, Schifffahrt, Luftverkehr) zu treffenden Maßnahmen sind von den dafür zuständigen Stellen nach Unterrichtung durch die Katastrophenschutzleitung aufgrund eigener Planungen zu veranlassen.
4.6 Aufenthalt in Gebäuden
Der Aufenthalt in Gebäuden dient dem Schutz gegen äußere Bestrahlung und innere Bestrahlung infolge Inhalation radioaktiver Stoffe. Die beste Schutzwirkung während des Durchzugs der Wolke wird in geschlossenen Räumen abseits von Türen und Fenstern oder in Kellern erzielt. Dabei muss die Erreichbarkeit für Lautsprecher- und Rundfunkdurchsagen gewährleistet sein. Zuluftanlagen sollen vorübergehend abgeschaltet werden.
Der Aufenthalt in Gebäuden ist eine einfache und effektive Katastrophenschutzmaßnahme, die jedoch nur über kurze Zeit aufrechterhalten werden kann.
4.7 Ausgabe und Einnahme von Iodtabletten
Iodtabletten sättigen die Schilddrüse mit nicht-radioaktivem lod und verhindern damit bei rechtzeitiger Einnahme die Anreicherung von radioaktivem Iod in der Schilddrüse (Iodblockade).
Für die Iodblockade sind nur tabletten mit einem hohen Iodgehalt (mg-Bereich) geeignet.
Die Iodtabletten sind vorzuverteilen bzw. dezentral zwischenzulagern.
Für alle Personen unter 45 Jahren:
Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schwangere:
Es ist durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass im Ereignisfall Einsatzkräfte und betroffene Bevölkerung Iodtabletten möglichst frühzeitig, d. h. möglichst vor einer Inhalation, erhalten bzw. darüber informiert werden, bereits vorverteilte Iodtabletten bereitzuhalten.
Verteilerwege und Ausgabeverfahren sind für alle Planungszonen festzulegen.
Die Bevölkerung ist über die vorgesehene Schutzmaßnahme zu informieren und erhält Angaben, wann, wo und wie die Ausgabe erfolgt (siehe Anhang 7.3, Mustertext 3a).
Bei der Wahl der Ausgabestellen ist darauf zu achten, dass die Abholenden oder Überbringer von Iodtabletten sich nur möglichst kurzzeitig im Freien aufhalten müssen. Für die Ausgabestellen sind Einrichtungen auszuwählen, die möglichst einfach angesprochen werden können (z.B. Wahllokale), um in den Warnmeldungen lange Aufzählungen zu vermeiden.
Bei der Ausgabe soll das Iodmerkblatt für die Bevölkerung 7 mitgegeben werden.
Die Ausgabe der Iodtabletten ist eine vorsorgliche Maßnahme und bedeutet nicht, dass die tabletten sofort eingenommen werden sollen.
Eine Einnahme ist nur dann erforderlich, wenn nach der Lagebeurteilung tatsächlich eine erhebliche Freisetzung radioaktiven Iods befürchtet werden muss und die Eingreifrichtwerte möglicherweise überschritten werden.
Die betroffene Bevölkerung ist dann ausdrücklich über die Medien (z.B. durch Rundfunk- oder Lautsprecherdurchsage) zur Einnahme aufzufordern. (siehe Anhang 7.3, Mustertext 3b).
4.8 Evakuierung
Evakuierung im Sinne dieser Empfehlung ist die rasche organisierte Verlegung von Menschen aus einem gefährdeten in ein sicheres Gebiet (Aufnahmegemeinden), wo sie vorübergehend untergebracht, verpflegt und betreut werden.
Die Evakuierung ist besonders dann eine wirkungsvolle Schutzmaßnahme, wenn sie vor Durchzug der Wolke erfolgt.
Für die Durchführung der Evakuierung sind Evakuierungspläne aufzustellen, in denen Folgendes aufzuführen ist:
Zur Evakuierung ist die Bevölkerung durch vorbereitete Mitteilungen (siehe Anhang 7.3, Mustertext 4) aufzufordern. Diese Mitteilungen sollen über die Gefahrenlage, die Schutzmaßnahme und die voraussichtliche Dauer der Evakuierung informieren und Angaben enthalten, die für eine möglichst rasche Evakuierung (z.B. Sammelräume, Evakuierungswege und Aufnahmegemeinden, Empfehlung, nach Möglichkeit private Ausweichquartiere aufzusuchen usw.) notwendig sind. Ferner sollen sie Informationen und Hinweise enthalten, die für den Aufenthalt außerhalb des Wohnbereiches (Mitnahme von Arzneimitteln, persönlicher Dokumente usw.) wichtig sind. Bei Evakuierung eines kontaminierten Gebietes ist auf die Notfallstationen hinzuweisen.
4.9 Dekontamination
Die Dekontamination betroffener Personen erfolgt in Notfallstationen (vgl. Band 4, SSK-Veröffentlichungen), die in ausreichender Entfernung von der kerntechnischen Anlage oder in den vorgesehenen Aufnahmeräumen eingerichtet werden. Dafür geeignete Objekte (z.B. Hallenbäder, Sporthallen, Schulen) sind zu erfassen.
Die Dekontamination von möglicherweise kontaminierten Fahrzeugen der Bevölkerung erfolgt in Fahrzeug-Waschstraßen, wobei das Waschwasser in die öffentliche Entwässerung abgeleitet wird. Die Innenraumkontamination stellt gemäß SSK-Empfehlung (Richtlinie für die Festlegung von Kontaminationswerten zur Kontrolle von Fahrzeugoberflächen im grenzüberschreitenden Verkehr nach dem Strahlenschutzvorsorgegesetz) keine unmittelbare Gefährdung dar. Der Bevölkerung wird zu einem späteren Zeitpunkt eine Kontaminationskontrolle der Fahrzeuge angeboten. Die Bewertung der Kontamination erfolgt nach o. g. SSK-Empfehlung.
Die Dekontamination der Einsatzkräfte und -fahrzeuge kann in gesonderten Dekontaminationsstellen erfolgen, die z.B. in der Umgebung des Sammelplatzes eingerichtet werden.
Zur Dekontamination können im Rahmen der Amtshilfe e auch geeignete Einheiten der Bundeswehr herangezogen werden.
4.10 Ärztliche Betreuung und Versorgung
Eine erste medizinische Betreuung betroffener Personen findet ebenfalls in den Notfallstationen statt (vgl. Band 4. SSK-Veröffentlichungen). Dort legen Strahlenschutzärzte die weiteren, aus medizinischer Sicht erforderlichen Maßnahmen fest, die dann ambulant oder im Rahmen eines stationären Aufenthaltes in allgemeinen Krankenhäusern oder speziellen Kliniken erfolgen.
4.11 Warnung der Bevölkerung vor dem Verzehr frisch geernteter Lebensmittel
In allen Planungszonen ist im hauptbeaufschlagten Sektor und seinen jeweils zwei Nachbarsektoren (Öffnungswinkel mindestens 150°) vorsorglich die Bevölkerung aufzufordern, keine frisch geernteten Nahrungsmittel zu verzehren und das Vieh nicht mit frisch geernteten Futtermitteln zu versorgen, bis eine endgültige Entscheidung der zuständigen Strahlenschutzvorsorgebehörde auf der Basis von Messungen erfolgt ist.
Einzelregelungen über Vermarktungsverbote und den Verbleib kontaminierter Nahtangs- und Futtermittel werden im Rahmen der Strahlenschutzvorsorge getroffen.
4.12 Information von Wassergewinnungsstellen
Im gefährdeten Gebiet gelegene Wassergewinnungsstellen sind zu informieren.
5 Hinweise für zusätzliche Maßnahmen der Katastrophenschutzbehörde einschließlich Übungen
Zusätzlich zu den bereits aufgeführten Maßnahmen sind weitere Vorbereitungen zu treffen, um eine effektive Arbeit des Katastrophenschutzes sicherzustellen. Diese Vorbereitungen erfolgen, soweit erforderlich, in Zusammenarbeit mit anderen Fachbehörden und Stellen.
Dasselbe gilt bei grenznahen deutschen kerntechnischen Anlagen gegenüber den Nachbarstaaten.
6 Zusätzliche Unterlagen zu den besonderen Katastrophenschutzplänen
Den besonderen Katastrophenschutzplänen sind als Anhang mindestens folgende Unterlagen in der jeweils gültigen Fassung beizufügen:
weiter . | |
(Stand: 16.06.2018)
Alle vollständigen Texte in der aktuellen Fassung im Jahresabonnement
Nutzungsgebühr: 90.- € netto (Grundlizenz)
(derzeit ca. 7200 Titel s.Übersicht - keine Unterteilung in Fachbereiche)
Die Zugangskennung wird kurzfristig übermittelt
? Fragen ?
Abonnentenzugang/Volltextversion