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Regelwerk

Änderungstext

Gesetz zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
- Brandenburg -

Vom 5. März 2024
(GVBl. I Nr. 11 vom 05.03.2024)



Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes

Das Brandenburgische Polizeigesetz vom 19. März 1996 (GVBl. I S. 74), das zuletzt durch Artikel 22 des Gesetzes vom 5. März 2024 (GVBl. I Nr. 9 S. 11) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Nach der Angabe zu § 15a wird die folgende Angabe eingefügt:

" § 15b Elektronische Aufenthaltsüberwachung".

b) Nach der Angabe zu § 16a werden die folgenden Angaben eingefügt:

" § 16b Kontakt- und Näherungsverbot

§ 16c Verhaltensauflagen

§ 16d Ordnungswidrigkeiten".

c) Nach der Angabe zu § 35 werden die folgenden Angaben eingefügt:

" § 35a Opferschutzmaßnahmen

§ 35b Verarbeitung personenbezogener Daten für die Dauer von Opferschutzmaßnahmen sowie Geheimhaltung".

d) Nach der Angabe zu § 45 wird folgende Angabe eingefügt:

" § 45a Zusammenarbeit in gemeinsamen Gremien (Fallkonferenzen)".

2. § 8 Nummer 7 wird wie folgt gefasst:

altneu
7. Datenschutz (Artikel 11 der Verfassung des Landes Brandenburg)"7. informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes) und Datenschutz (Artikel 11 Absatz 1 der Verfassung des Landes Brandenburg)".

3. Nach § 15a wird folgender § 15b eingefügt:

" § 15b Elektronische Aufenthaltsüberwachung

(1) Die Polizei kann eine Person dazu verpflichten, sich ein technisches Mittel, mit dem der Aufenthaltsort dieser Person elektronisch überwacht werden kann, anlegen zu lassen, es ständig in betriebsbereitem Zustand am Körper bei sich zu führen und dessen Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, wenn

  1. im konkreten Einzelfall
    1. die Person, der gegenüber die Anordnung getroffen werden soll, nach polizeilichen Erkenntnissen
      aa) mindestens zwei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen hat, wobei es bei mindestens einer dieser Straftaten zum Körperkontakt mit dem Opfer gekommen sein muss, oder
      bb) mindestens zwei Straftaten begangen hat, wobei eine gegen die sexuelle Selbstbestimmung und die andere gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person gerichtet war,
    2. ihr Tatverhalten, ihre individuellen Verhaltensweisen sowie die Person betreffenden Lebensumstände eine wesentlich erhöhte Wahrscheinlichkeit der künftigen Begehung von Straftaten nach den §§ 176, 176a, 176b, 177, 182, 211, 212, 224, 226 oder § 239b des Strafgesetzbuches begründen,
    3. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierten Weise eine solche Straftat zu Lasten eines ihr fremden Opfers begehen wird, und
    4. die Überwachung und Datenverwendung zur Verhinderung der Straftat unerlässlich ist,
  2. im konkreten Einzelfall
    1. die Person, der gegenüber die Anordnung getroffen werden soll, nach polizeilichen Erkenntnissen bereits eine Straftat nach § 238 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 1 oder 2 oder mit Absatz 3 des Strafgesetzbuches begangen hat,
    2. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in absehbarer Zeit weitere auch im Einzelfall schwerwiegende Straftaten nach § 238 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 1 oder 2 oder mit Absatz 3 des Strafgesetzbuches begehen wird, und
    3. andere Maßnahmen der Gefahrenabwehr nicht oder nicht gleich erfolgsversprechend erscheinen oder
  3. eine Überwachung und Datenverwendung zur Kontrolle der Befolgung einer nach den §§ 16a oder 16b getroffenen Maßnahmen unerlässlich ist, weil
    1. die betroffene Person wiederholt einer Anordnung zuwidergehandelt hat,
    2. ihr individuelles Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit weiterer Zuwiderhandlungen mit dann im Einzelfall schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen begründet und
    3. die Kontrolle auf andere Weise nicht möglich oder wesentlich erschwert ist.

(2) Die Polizei erhebt und speichert mit Hilfe der von der betroffenen Person mitzuführenden technischen Mittel die Daten automatisiert über deren Aufenthaltsort sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung. Soweit es technisch möglich ist, ist sicherzustellen, dass innerhalb der Wohnung der betroffenen Person keine über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehenden Aufenthaltsdaten erhoben werden. Die Daten nach Satz 1 dürfen, soweit dies für die folgenden Zwecke erforderlich ist, ohne Einwilligung der betroffenen Person nur verarbeitet werden zur

  1. Verfolgung der in Absatz 1 benannten Straftaten,
  2. Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben, Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer Person,
  3. Feststellung von Verstößen gegen eine Wohnungsverweisung oder ein Rückkehrverbot nach § 16a oder gegen ein Kontakt- oder Näherungsverbot nach § 16b oder
  4. Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des technischen Mittels.

Zur Einhaltung der Zweckbindung nach Satz 3 hat die Verarbeitung der Daten automatisiert zu erfolgen. Die in Satz 1 genannten Daten sind zu kennzeichnen und gegen unbefugte Kenntnisnahme und Verarbeitung besonders zu sichern. Sie sind spätestens zwei Monate nach Beendigung der Maßnahme zu löschen, soweit sie nicht für die in Satz 3 genannten Zwecke verwendet werden. Werden innerhalb der Wohnung der betroffenen Person über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehende Aufenthaltsdaten erhoben, sind diese unverzüglich zu löschen und bis dahin nicht weiter zu verarbeiten. Die Tatsache ihrer Erhebung und Löschung ist zu dokumentieren. Die in der Dokumentation enthaltenen Daten dürfen ausschließlich zur Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie sind nach 24 Monaten oder im Falle einer Datenschutzkontrolle innerhalb dieses Zeitraums nach deren Abschluss zu löschen. Die Sätze 2 und 7 bis 10 gelten entsprechend, soweit durch die Datenerhebung nach Satz 1 der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist.

(3) Die Maßnahme nach Absatz 1 darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Behördenleiterin oder den Behördenleiter oder die jeweilige Vertretung angeordnet oder verlängert werden; in diesen Fällen ist unverzüglich eine richterliche Bestätigung einzuholen. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Für die gerichtliche Anordnung gilt Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend, soweit hier nichts Abweichendes geregelt ist. Von einer Anhörung der betroffenen Person durch das Gericht und der Bekanntgabe der richterlichen Entscheidung an die betroffene Person ist abzusehen, wenn die vorherige Anhörung oder die Bekanntgabe der Entscheidung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. Die nach Satz 1 durch die Behördenleiterin oder den Behördenleiter oder die jeweilige Vertretung erlassene Anordnung oder Verlängerung tritt spätestens mit Ablauf des dritten Tages nach ihrem Erlass außer Kraft, wenn sie bis dahin nicht richterlich bestätigt wurde. Erfolgt bis dahin keine richterliche Bestätigung, so dürfen bereits erhobene Daten nicht verwendet werden; diese Daten sind unverzüglich zu löschen. In der schriftlichen Anordnung sind anzugeben:

  1. die betroffene Person, soweit bekannt mit Namen und Anschrift,
  2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
  3. die Angabe, ob die betroffene Person einer Wohnungsverweisung oder einem Rückkehrverbot nach § 16a oder einem Kontakt- oder Näherungsverbot nach § 16b unterliegt, und
  4. die Voraussetzungen und die wesentlichen Abwägungsgesichtspunkte; im Falle einer polizeilichen Anordnung nach Satz 1 Halbsatz 1 Alternative 2 muss sich die Begründung auch auf die Gefahr im Verzug beziehen.

Die richterliche Entscheidung wird mit ihrer Bekanntgabe an die beantragende Polizeibehörde wirksam. Die Anordnung ist sofort vollziehbar und auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils höchstens drei weitere Monate ist möglich, soweit die Voraussetzungen fortbestehen. Die Maßnahme ist zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder die richterliche Bestätigung nicht unverzüglich beantragt worden ist. Die Beendigung ist dem Gericht anzuzeigen.

(4) Die Polizei kann die Wohnung der betroffenen Person zur Aufstellung der zur Überwachung des Aufenthalts in der Wohnung erforderlichen technischen Mittel betreten. Nach Abschluss der Maßnahme hat die betroffene Person auf Anforderung die technischen Mittel an die Polizei unverzüglich herauszugeben.

(5) Die Landesregierung berichtet dem Landtag bis zum 31. Dezember 2026 über die mit Einführung der Absätze 1 bis 4 erreichte Wirkung zur Gefahrenabwehr und damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen."

4. § 16a wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 1 wird das Wort "gegenwärtigen" gestrichen, die Wörter "Leib, Leben oder Freiheit" werden durch die Wörter "Leib, Leben, Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung" ersetzt und die Angabe "Abs." wird durch das Wort "Absatz" ersetzt.

bb) In Satz 3 werden die Kommata und die Wörter "insbesondere nach § 16" gestrichen.

cc) Folgender Satz wird angefügt:

"Ein entgegenstehender Wille der gefährdeten Person ist regelmäßig unbeachtlich."

b) Dem Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:

"Die Polizei weist die betroffene Person auf Möglichkeiten zur freiwilligen Teilnahme an einer Gewaltpräventionsberatung hin."

c) Dem Absatz 4 wird folgender Satz angefügt:

"Sie unterrichtet die gefährdete Person unverzüglich über die Dauer und den räumlichen Umfang einer Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1."

d) Absatz 5 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 1 wird die Angabe "Satzes 2" durch die Angabe "Satzes 3" und werden die Wörter "des zehnten Tages" durch die Wörter "von zwei Wochen" ersetzt.

bb) Nach Satz 1 wird folgender Satz 2 eingefügt:

"Eine einmalige Verlängerung der Frist um bis zu zwei Wochen ist zulässig, sofern die Anordnungsvoraussetzungen fortbestehen."

cc) Im neuen Satz 3 werden die Wörter "des zehnten Tages" durch die Wörter "von zwei Wochen" ersetzt sowie die Wörter "in Satz 1" und die Wörter "nach Satz 1" jeweils durch die Wörter "nach den Sätzen 1 oder 2" ersetzt.

e) In Absatz 6 Satz 2 wird nach dem Wort "unverzüglich" das Wort "erneut" eingefügt.

f) Folgende Absätze 7 und 8 werden angefügt:

"(7) Die Einhaltung eines erteilten Rückkehrverbots ist mindestens zweimal während seiner Geltung durch die Polizei zu kontrollieren. Hierzu kann die betroffene Person verpflichtet werden, der Polizei ihren aktuellen Aufenthaltsort unverzüglich nachzuweisen.

(8) Die Polizei kann die gefährdete Person unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 mit ihrem Einverständnis an einen anderen geeigneten Ort verbringen, wenn andernfalls die Beantragung oder Herbeiführung einer unabhängigen Entscheidung über den zivilrechtlichen Schutz vor Gewalt oder Nachstellung gefährdet ist. Das Verbringungsangebot soll im Haushalt lebende Kinder mit einbeziehen, soweit der gefährdeten Person für sie ein Sorgerecht zusteht und berechtigte Interessen Dritter dem nicht entgegenstehen. Das zuständige Jugendamt ist zu informieren. Die Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 können unter der aufschiebenden Bedingung der Rückkehr der gefährdeten Person in die Wohnung angeordnet werden."

5. Nach § 16a werden die folgenden §§ 16b bis 16d eingefügt:

" § 16b Kontakt- und Näherungsverbot

Einer Person kann untersagt werden, sowohl

  1. Kontakt zu einer gefährdeten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen, als auch
  2. Zusammentreffen mit einer gefährdeten Person herbeizuführen,

wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben, Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung der gefährdeten Person erforderlich ist (Kontakt- und Näherungsverbot). § 16a Absatz 4 bis 7 gilt entsprechend.

§ 16c Verhaltensauflagen

(1) Die Polizei kann der betroffenen Person nach § 16a Absatz 1 Satz 1 untersagen, sich in alkoholisiertem Zustand in der Wohnung oder deren unmittelbaren Umgebung aufzuhalten, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich diese Person in absehbarer Zeit erneut in einen solchen Zustand versetzen wird und für die Dauer dieses Zustandes erneut eine Gefahr im Sinne des § 16a Absatz 1 Satz 1 absehbar ist. Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Die Polizei unterrichtet die gefährdete Person unverzüglich über die Dauer und den räumlichen Umfang der Maßnahme.

(2) Das Gericht kann auf Antrag der Polizei die betroffene Person verpflichten, an einer von der Polizei benannten Gewaltpräventionsberatung über eine Dauer von drei Monaten in einem Umfang von insgesamt höchstens zwölf Stunden teilzunehmen, wenn das individuelle Verhalten der betroffenen Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass von ihr innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine erneute erhebliche Gefahr im Sinne des § 16a Absatz 1 Satz 1 ausgehen wird und die Gewaltpräventionsberatung grundsätzlich geeignet ist, die diesbezügliche Wahrscheinlichkeit zu reduzieren. § 15b Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Die betroffene Person hat der Polizei auf Verlangen den Nachweis über die Teilnahme unverzüglich vorzulegen.

§ 16d Ordnungswidrigkeiten, Verordnungsermächtigung

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

  1. einer vollziehbaren Anordnung nach § 16a Absatz 1 Satz 1,
  2. einer vollziehbaren Anordnung nach § 16b Satz 1 oder
  3. einer vollziehbaren Anordnung nach § 16c Absatz 1 Satz 1
    zuwiderhandelt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu fünftausend Euro geahndet werden. Das für Inneres zuständige Mitglied der Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Regelsätze für Geldbußen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 zu erlassen.

(3) Verwaltungsbehörde im Sinne von § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Behörde, die die jeweilige Anordnung nach Absatz 1 erlassen hat."

6. § 17 Absatz 1 Nummer 2 wird wie folgt geändert:

a) In dem Satzteil vor Buchstabe a wird nach dem Wort "Straftat" das Wort "oder" durch ein Komma ersetzt und vor den Wörtern "zu verhindern" die Wörter "oder einer Ordnungswidrigkeit nach § 16d Absatz 1 Nummer 2" eingefügt.

b) In Buchstabe c wird nach dem Wort "Straftaten" das Wort "oder" durch ein Komma ersetzt und vor den Wörtern "als Störer betroffen" die Wörter "oder Ordnungswidrigkeiten nach § 16d Absatz 1 Nummer 1 bis 3" eingefügt.

7. § 31a Absatz 2 wird wie folgt geändert:

a) In Satz 1 werden nach dem Wort "Fahrzeugkontrollen" die Wörter "im öffentlich zugänglichen Raum" eingefügt.

b) In Satz 4 werden nach dem Wort "Fahrzeugkontrolle" die Wörter "im öffentlich zugänglichen Raum" eingefügt.

8. Nach § 35 werden die folgenden §§ 35a und 35b eingefügt:

" § 35a Opferschutzmaßnahmen

(1) Für eine Person, die Opfer einer Straftat wurde oder bei der davon auszugehen ist, dass sie in absehbarer Zeit Opfer einer Straftat werden kann (Schutzperson), dürfen auf Anordnung Urkunden und sonstige Dokumente zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung einer vorübergehend geänderten Identität (Tarndokumente) hergestellt, vorübergehend verändert und die entsprechend geänderten Daten verarbeitet werden, wenn

  1. dies zu ihrem Schutz vor einer wahrscheinlich nicht nur vorübergehenden Gefahr für Leib, Leben, Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung erforderlich ist und
  2. die Schutzperson für diese Schutzmaßnahme geeignet ist und ihr zustimmt.

Die Schutzperson darf unter der vorübergehend geänderten Identität am Rechtsverkehr teilnehmen. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 ist die Polizei für die Schutzperson staatliche Stelle im Sinne des § 20 Absatz 9 Satz 1 Nummer 3 des Infektionsschutzgesetzes.

(2) Soweit erforderlich, können Maßnahmen nach Absatz 1 auch auf Angehörige einer Schutzperson oder ihr sonst nahestehende Personen erstreckt werden. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(3) § 35 Absatz 2 findet auf die mit dem Schutz betrauten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten Anwendung, soweit ein Handeln unter einer Legende zur Vorbereitung, Durchführung, Lenkung oder Absicherung der Schutzmaßnahmen erforderlich ist.

(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 dürfen nur durch die Behördenleiterin oder den Behördenleiter oder die jeweilige Vertretung angeordnet oder beendet werden.

(5) Wird die Schutzmaßnahme insgesamt beendet oder sind einzelne Maßnahmen nicht mehr erforderlich, unterrichtet die Polizei unter Berücksichtigung der Belange des Opferschutzes die beteiligten öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen. Die Polizei zieht Tarndokumente ein, deren Verwendung nicht mehr erforderlich ist.

§ 35b Verarbeitung personenbezogener Daten für die Dauer von Opferschutzmaßnahmen sowie Geheimhaltung

(1) Die Polizei kann Auskünfte über personenbezogene Daten der nach § 35a Absatz 1 oder 2 zu schützenden Person verweigern, soweit dies aus Gründen des Opferschutzes erforderlich ist.

(2) Öffentliche Stellen sind berechtigt, auf Ersuchen der Polizei die Verarbeitung personenbezogener Daten einer nach § 35a Absatz 1 oder 2 zu schützenden Person einzuschränken oder diese Daten nicht zu übermitteln. Sie sollen dem Ersuchen entsprechen, soweit entgegenstehende öffentliche Interessen oder schutzwürdige Interessen Dritter nicht überwiegen. Die Beurteilung der Erforderlichkeit der Maßnahme durch die Polizei ist für die ersuchte Stelle bindend.

(3) Die Polizei kann von nicht öffentlichen Stellen verlangen, personenbezogene Daten einer nach § 35a Absatz 1 oder 2 zu schützenden Person zu sperren oder nicht zu übermitteln.

(4) Bei der Datenverarbeitung innerhalb der öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen ist durch diese sicherzustellen, dass der Opferschutz nicht beeinträchtigt wird.

(5) Die öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen teilen der Polizei jedes Ersuchen um Bekanntgabe von in ihrer Verarbeitung eingeschränkten oder sonst von ihr bestimmten Daten unverzüglich mit.

(6) Wer mit dem Opferschutz befasst wird, darf die ihm bekannt gewordenen Erkenntnisse über Opferschutzmaßnahmen auch über den Zeitpunkt der Beendigung des Opferschutzes hinaus nicht unbefugt offenbaren. Personen, die nicht Amtsträger gemäß § 11 Absatz 1 Nummer 2 des Strafgesetzbuches sind, sollen nach dem Verpflichtungsgesetz vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 547), das durch § 1 Nummer 4 des Gesetzes vom 15. August 1974 (BGBl. I S. 1942) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung verpflichtet werden, sofern dies geboten erscheint."

9. Nach § 45 wird folgender § 45a eingefügt:

" § 45a Zusammenarbeit in gemeinsamen Gremien (Fallkonferenzen)

(1) Die Polizei kann zum Zweck einer abgestimmten Aufgabenwahrnehmung fallübergreifend mit öffentlichen Einrichtungen und sonstigen Stellen, deren Tätigkeit sich auf die Entstehung, das Erkennen oder die Abwehr von Gefahren nach § 1 Absatz 1 auswirkt, zusammenarbeiten, insbesondere durch Teilnahme an gemeinsamen Konferenzen und Mitwirkung in vergleichbaren gemeinsamen Gremien.

(2) An einzelfallbezogener Zusammenarbeit (Fallkonferenz) soll die Polizei teilnehmen, wenn damit das Ziel gefördert werden kann,

  1. eine bestehende Gefahr für eine oder mehrere Personen abzuwenden, die von einer oder mehreren Personen nach §§ 5 und 6 ausgeht, oder
  2. eine drohende Straftat zu verhindern.

(3) Im Rahmen von Fallkonferenzen darf die Polizei personenbezogene Daten, die sie in dem konkreten Einzelfall zulässig erhoben hat, verarbeiten und dabei an öffentliche Einrichtungen des Bundes und der Länder übermitteln, sofern dies auf der Grundlage einer polizeilichen Risikoprognose zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung einer oder durch eine Person angemessen ist.

(4) Die wesentlichen Ergebnisse der Fallkonferenzen sind zu dokumentieren; § 13 des Brandenburgischen Polizei-, Justizvollzugs- und Maßregelvollzugsdatenschutzgesetzes vom 19. Juni 2019 (GVBl. I Nr. 43 S. 2) bleibt unberührt. Eine weitere Verarbeitung nach Absatz 1 oder nach Absatz 2 erhobener personenbezogener Daten außerhalb des Gremiums oder der Fallkonferenz ist nur zulässig, soweit die Erhebung und deren Gründe dokumentiert sind, diese Daten zu dem Zweck rechtmäßig an die verarbeitende Stelle übermittelt werden dürfen und die Stelle, von der diese Daten stammen, der weiteren Verarbeitung zugestimmt hat.

(5) Die Landesregierung berichtet dem Landtag bis zum 31. Dezember 2026 über die mit Einführung der Absätze 1 bis 4 erreichte Wirkung zur Gefahrenabwehr und damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen."

Artikel 2
Änderung des Brandenburgischen Rettungsdienstgesetzes

Das Brandenburgische Rettungsdienstgesetz vom 14. Juli 2008 (GVBl. I S. 186), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Juni 2019 (GVBl. I Nr. 42 S. 11) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 19 folgende Angabe eingefügt:

" § 19a Informationen zu Gefahrenlagen".

2. Nach § 19 wird folgender § 19a eingefügt:

" § 19a Informationen zu Gefahrenlagen

(1) Werden

  1. Ärztinnen und Ärzten,
  2. Notfallsanitäterinnen und -sanitätern

in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Rettungsdienst gewichtige Anhaltspunkte bekannt, die die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 16a Absatz 1 Satz 1 des Brandenburgischen Polizeigesetzes begründen, sind sie zur Abwehr dieser Gefahr berechtigt, die Polizei zu informieren, sofern sie nicht Kenntnis von einer vertraulichen Spurensicherung haben. Die Berechtigung nach Satz 1 gilt auch für Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten, soweit sie anstelle von Notfallsanitäterinnen und -sanitätern nach § 6 Absatz 7 der Landesrettungsdienstplanverordnung eingesetzt werden. Zu diesem Zweck dürfen die Personen nach den Sätzen 1 und 2 auch personenbezogene Daten besonderer Kategorien der gefährdeten Person an die Polizei übermitteln. Sie können zur Einschätzung, ob die Anhaltspunkte gewichtig sind, polizeiliche und psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen. Sie sind zu diesem Zweck befugt, der Polizei die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vor einer Übermittlung der Daten sind die Daten zur gefährdeten Person zu pseudonymisieren. § 4 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz geht vor.

(2) Werden personenbezogene Daten unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 bis 4 weitergegeben, so handelt die Person, die sie weitergibt, auch insoweit nicht unbefugt, als sie zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungsvorschriften verpflichtet ist."

3. In § 22 werden die Wörter " § 15 Absatz 3 und § 19 wird das Grundrecht" durch die Wörter " § 15 Absatz 3, § 19 und § 19a werden das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes) sowie das Grundrecht" ersetzt.

Artikel 3
Änderung des Kindertagesstättengesetzes

§ 11a Absatz 3 Satz 1 des Kindertagesstättengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 2004 (GVBl. I S. 384), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Dezember 2022 (GVBl. I Nr. 34 S. 6) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

altneu
Der Nachweis nach Absatz 1 Satz 2 ist gegenüber der Leitung der Kindertagesstätte durch Vorlage
  1. einer ärztlichen Bescheinigung nach Absatz 2 Satz 2,
  2. einer Impfdokumentation nach § 22 des Infektionsschutzgesetzes oder
  3. einer Dokumentation nach § 26 Absatz 2 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

zu erbringen.

"Der Nachweis nach Absatz 1 Satz 2 ist gegenüber der Leitung der Kindertagesstätte durch Vorlage
  1. einer ärztlichen Bescheinigung nach Absatz 2 Satz 2,
  2. einer Impfdokumentation nach § 22 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes,
  3. einer Dokumentation nach § 26 Absatz 2 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder
  4. einer Bescheinigung im Rahmen von Opferschutzmaßnahmen der Polizei nach § 35a Absatz 1 des Brandenburgischen Polizeigesetzes, wonach ein Nachweis nach den Nummern 1, 2 oder 3 bereits vorgelegen hat,

zu erbringen."

Artikel 4
Einschränkung von Grundrechten

(1) Das Grundrecht auf Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Brandenburg) wird durch die Artikel 1 Nummer 5 und 6 sowie durch Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe dd eingeschränkt.

(2) Das Grundrecht auf Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes, Artikel 17 Absatz 1 der Verfassung des Landes Brandenburg) wird durch Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe a, c und e sowie Nummer 5 und 6 sowie durch Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc und dd eingeschränkt.

(3) Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes, Artikel 15 Absatz 1 der Verfassung des Landes Brandenburg) wird durch Artikel 1 Nummer 3 eingeschränkt.

(4) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes) sowie das Grundrecht auf Datenschutz (Artikel 11 Absatz 1 der Verfassung des Landes Brandenburg) werden durch Artikel 1 Nummer 3 und 4 Buchstabe b, c und f, Nummer 5, Nummer 7 Buchstabe a und b und Nummer 8 sowie durch Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc und dd und Artikel 3 Nummer 2 eingeschränkt.

Artikel 5
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

ID: 240440


ENDE