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Regelwerk; Allgemeines, Sanktionen
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HessJAVollzG - Hessisches Jugendarrestvollzugsgesetz
- Hessen -

Vom 27. Mai 2015
(GVBl. Nr. 13 vom 05.06.2015 S. 223; 03.05.2018 S. 82 18; 12.11.2020 S. 778 20)
Gl.-Nr.: 24-49



Erster Abschnitt
Anwendungsbereich

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug des Jugendarrests (Vollzug) in einer Jugendarresteinrichtung (Einrichtung).

Zweiter Abschnitt
Vollzug des Dauerarrests

Erster Titel
Allgemeine Bestimmungen

§ 2 Ziel des Vollzugs

Der Vollzug soll den Jugendlichen das von ihnen begangene Unrecht, dessen Folgen und ihre Verantwortung hierfür bewusst machen und einen Beitrag leisten, sie zu einem eigenverantwortlichen Leben ohne weitere Straftaten zu befähigen.

§ 3 Grundsätze der Vollzugsgestaltung 20

(1) Der Vollzug ist erzieherisch zu gestalten und auf die Erreichung des Vollzugsziels auszurichten. Die Einrichtung erstellt unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse eine Konzeption für den Vollzug und schreibt diese regelmäßig fort.

(2) Schädlichen Folgen des Vollzugs ist entgegenzuwirken.

(3) Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Jugendlichen, insbesondere im Hinblick auf Alter, Behinderungen einschließlich seelischer und psychischer Beeinträchtigungen, Geschlecht und Herkunft, sind bei der Vollzugsgestaltung zu berücksichtigen.

§ 4 Leitlinien der erzieherischen Gestaltung 20

(1) Den Jugendlichen ist in geeigneter Weise zu vermitteln, dass sie Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen und die notwendigen Konsequenzen für ihr künftiges Leben ziehen müssen. Das Bewusstsein für den dem Opfer zugefügten Schaden soll geweckt werden.

(2) Die erzieherische Gestaltung erfolgt insbesondere durch Maßnahmen und Programme zur Entwicklung und Stärkung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Jugendlichen im Hinblick auf ein künftiges Leben ohne Straftaten. Zudem sind den Jugendlichen sozial angemessene Verhaltensweisen unter Achtung der Rechte Anderer und ein an den verfassungsrechtlichen Grundsätzen ausgerichtetes Werteverständnis zu vermitteln.

(3) Einzel- und Gruppenmaßnahmen richten sich auf die Auseinandersetzung mit den eigenen Straftaten, deren Ursachen und Folgen sowie auf die Unterstützung der lebenspraktischen, schulischen und beruflichen Entwicklung, die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens und der freien Zeit sowie die Vermittlung unterstützender Kontakte. Auch an Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen sind geeignete Maßnahmen durchzuführen.

(4) Die Jugendlichen sind an einen geregelten Tagesablauf heranzuführen.

(5) Die Jugendlichen werden darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben; dabei ist der Pflege familiärer Beziehungen besonderes Gewicht beizumessen. Sie sollen dazu angeregt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, und insbesondere dazu angehalten werden, den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden wiedergutzumachen.

§ 5 Stellung der Jugendlichen, Mitwirkung 20

(1) Die Jugendlichen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Einrichtung unerlässlich sind.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Jugendlichen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Jugendlichen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

(3) Die Jugendlichen sind verpflichtet, an Maßnahmen, die der Erreichung des Vollzugziels dienen, mitzuwirken. Ihre Bereitschaft zur Mitwirkung ist zu wecken und zu fördern. Die Maßnahmen sind ihnen zu erläutern. Insbesondere sollen Jugendliche, die über keine oder nur geringe Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, zur Sicherstellung der Durchführung notwendiger vollzuglicher Maßnahmen an angebotenen Deutschkursen teilnehmen.

§ 6 Zusammenarbeit, Einbeziehung Dritter

(1) Alle in der Einrichtung Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, das Vollzugsziel zu erreichen.

(2) Die Einrichtung arbeitet eng mit öffentlichen Stellen sowie geeigneten privaten Organisationen und Privatpersonen zusammen, um das Vollzugsziel zu erreichen und auf eine Durchführung der für erforderlich erachteten Maßnahmen nach der Entlassung hinzuwirken. Sie soll den Jugendlichen Kontakte zu diesen Stellen, Organisationen und Personen vermitteln.

(3) Die Unterstützung der Jugendlichen durch geeignete ehrenamtlich tätige Personen ist zu fördern.

(4) Die Personensorgeberechtigten sollen angemessen einbezogen werden, soweit dies möglich ist und dem Vollzugsziel nicht zuwiderläuft. Über besondere Begebenheiten während des Vollzugs sind sie zu informieren.

Zweiter Titel
Aufnahme, Planung

§ 7 Aufnahmeverfahren

(1) Mit den Jugendlichen ist unverzüglich im Rahmen der Aufnahme ein Gespräch zu führen, in dem ihre Lebenssituation erörtert wird. Während dieses Gesprächs dürfen andere Jugendliche nicht zugegen sein.

(2) Die Jugendlichen werden über ihre Rechte und Pflichten in einer für sie verständlichen Form unterrichtet. Ihnen wird die Hausordnung ausgehändigt und erläutert. Auf Verlangen wird ihnen ein Exemplar dieses Gesetzes zugänglich gemacht.

(3) Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt werden von der Aufnahme unverzüglich schriftlich unterrichtet. Stehen Jugendliche unter Bewährungsaufsicht, ist auch die Bewährungshilfe von der Aufnahme zu unterrichten.

(4) Die Jugendlichen werden nach der Aufnahme alsbald ärztlich untersucht.

(5) Werden der Einrichtung bei der Aufnahme oder während des Vollzugs Tatsachen bekannt, die ein Absehen von der Vollstreckung oder deren Unterbrechung rechtfertigen können, unterrichtet sie unverzüglich die Vollstreckungsleiterin oder den Vollstreckungsleiter (Vollstreckungsleitung).

§ 8 Ermittlung des Hilfebedarfs, Erziehungsplan

(1) Nach dem Aufnahmeverfahren wird alsbald ein ausführliches Gespräch mit den Jugendlichen geführt. Dabei wird der Hilfebedarf unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit, ihrer Lebensverhältnisse und ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten ermittelt. Den Jugendlichen ist das Vollzugsziel zu vermitteln. Erkenntnisse aus den Vollstreckungsunterlagen und Erkenntnisse der Jugendgerichtshilfe sowie bei unter Bewährungsaufsicht stehenden Jugendlichen der Bewährungshilfe werden einbezogen. Die Jugendlichen sind verpflichtet, die für die Erziehungsplanung erforderlichen Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse zu machen.

(2) Die an der Erziehung maßgeblich beteiligten Bediensteten erörtern den Hilfebedarf für die Dauer des Vollzugs und die Zeit danach und legen die sich daraus ergebenden Maßnahmen fest. Diese werden mit den Jugendlichen besprochen; dabei werden deren Anregungen und Vorschläge angemessen einbezogen, soweit sie dem Vollzugsziel dienen. Der Erziehungsplan wird schriftlich niedergelegt und den Jugendlichen ausgehändigt sowie auf Verlangen der Personensorgeberechtigten diesen übermittelt.

(3) Als Hilfen kommen insbesondere in Betracht:

  1. Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz, insbesondere zu den Bereichen Gewalt, Sucht, Schulden und Medien,
  2. Maßnahmen zur lebenspraktischen, beruflichen und schulischen Entwicklung,
  3. eine angemessene Beschäftigung,
  4. Maßnahmen der Gesundheits- und Ernährungsberatung,
  5. Sportangebote und Maßnahmen zur strukturierten Gestaltung der Freizeit,
  6. Unterstützung bei der Aufarbeitung der Straftat und der Wiedergutmachung des angerichteten Schadens,
  7. die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen.

Dritter Titel
Unterbringung, Versorgung

§ 9 Unterbringung während der Einschlusszeiten, Trennungsgebot 20

(1) Die Jugendlichen sollen in Arresträumen einzeln untergebracht werden. Mit ihrer Zustimmung können sie gemeinsam untergebracht werden, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind und erzieherische Gründe dem nicht entgegenstehen. Bei einer Gefahr für Leben oder Gesundheit ist die Zustimmung der gefährdeten Jugendlichen nicht erforderlich. Bei Jugendlichen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Ge- schlecht zuordnen lassen oder wenn die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung dies erfordern, erfolgt die Unterbringung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles. Minderjährige und volljährige Personen, an denen Jugendarrest vollzogen wird, sind getrennt voneinander unterzubringen, sofern nicht ein anderes Vorgehen als dem Wohl der minderjährigen Person dienlich erachtet wird.

(2) Weibliche und männliche Jugendliche werden getrennt untergebracht.

§ 10 Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten

(1) Außerhalb der Einschlusszeiten halten sich die Jugendlichen grundsätzlich in Gemeinschaft auf.

(2) Der gemeinschaftliche Aufenthalt kann eingeschränkt werden, wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung erfordert oder ein schädlicher Einfluss auf andere Jugendliche zu befürchten ist.

§ 11 Besitz von Gegenständen

Die Jugendlichen dürfen Gegenstände nur mit Zustimmung der Einrichtung einbringen oder in Besitz haben. Die Einrichtung kann die Zustimmung verweigern oder widerrufen, wenn die Gegenstände geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden. Gegenstände, die die Jugendlichen nicht in Besitz haben dürfen, werden von der Einrichtung aufbewahrt, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist.

§ 12 Kleidung

(1) Die Jugendlichen dürfen eigene Kleidung tragen. Dieses Recht kann ein-geschränkt oder ausgeschlossen werden, soweit es zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung, insbesondere der Hygiene der Einrichtung, erforderlich ist.

(2) Bei Bedarf stellt die Einrichtung den Jugendlichen Kleidung zur Verfügung.

§ 13 Verpflegung

(1) Die Jugendlichen erhalten Verpflegung durch die Einrichtung. Zusammensetzung und Nährwert der Verpflegung entsprechen den Anforderungen an eine gesunde Ernährung junger Menschen und werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Den Jugendlichen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(2) Die Einrichtung fördert und begleitet die gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten.

§ 14 Gesundheitsschutz und Hygiene 20

(1) Die Einrichtung unterstützt die Jugendlichen bei der Erhaltung ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit. Sie fördert das Bewusstsein für gesunde Ernährung und Lebensführung, insbesondere im Hinblick auf die Gefährdung durch Infektionen, Drogen, Tabak und Alkohol. Das Rauchen auf dem Gelände der Einrichtung ist den Jugendlichen untersagt. Die Jugendlichen haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen; sofern dies zu den vorgenannten Zwecken unerlässlich ist, kann den Gefangenen auch ein Mundschutz angelegt werden.

(2) Den Jugendlichen wird ermöglicht, sich täglich eine Stunde im Freien aufzuhalten, wenn die Witterung dem nicht zwingend entgegensteht. Darüber hinaus soll ein angeleiteter weiterer Aufenthalt im Freien gewährt werden, wenn andere Maßnahmen dadurch nicht beeinträchtigt werden.

(3) Jugendliche, die nicht krankenversichert sind, haben einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und unter Berücksichtigung des allgemeinen Standards der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Dauer des Vollzugs. Jugendlichen, die krankenversichert sind, können Leistungen auch nach Satz 1 gewährt werden, wenn dies aus vollzuglichen Gründen erforderlich ist.

Vierter Titel
Bildung, Beschäftigung, Freizeit und Sport

§ 15 Bildung und Beschäftigung

Den Jugendlichen sind Maßnahmen zur lebenspraktischen, schulischen und beruflichen Entwicklung anzubieten. Zu diesem Zweck können ihnen auch Aufgaben innerhalb der Einrichtung und sonstige gemeinnützige Tätigkeiten übertragen werden.

§ 16 Freizeit

(1) Die Ausgestaltung der Freizeit orientiert sich am Vollzugsziel. Die Einrichtung hat Angebote zur sinnvollen und angeleiteten Freizeitgestaltung vorzuhalten. Sie stellt insbesondere Angebote zur kulturellen Betätigung, eine angemessen ausgestattete Bibliothek sowie Zeitungen und Zeitschriften zur Verfügung. Die Jugendlichen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Maßnahmen der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten.

(2) Der Zugang zum Rundfunk ist zu ermöglichen. Eigene Hörfunk- oder Fernsehgeräte und eigene Geräte der Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungselektronik sind nicht zugelassen.

§ 17 Sport

Dem Sport kommt bei der Gestaltung des Vollzugs besondere Bedeutung zu. Die Einrichtung bietet täglich Maßnahmen oder andere Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung an. Sie fördert die Bereitschaft der Jugendlichen, sich sportlich zu betätigen.

Fünfter Titel
Außenkontakte

§ 18 Schriftwechsel, Pakete

(1) Die Jugendlichen haben das Recht, Schreiben zu empfangen und abzusenden. Die Einrichtung fördert die schriftliche Kommunikation und übernimmt die Kosten für abgehende Schreiben in angemessenem Umfang.

(2) Die Jugendlichen haben das Absenden und den Empfang ihrer Schreiben durch die Einrichtung vermitteln zu lassen, die sie unverzüglich weiterleitet. Eine inhaltliche Kontrolle findet nicht statt. Ein- und ausgehende Schreiben werden in Anwesenheit der Jugendlichen durch eine Sichtkontrolle ohne Kenntnisnahme des gedanklichen Inhalts auf unzulässige Einlagen überprüft. Ergeben sich bei der Sichtkontrolle oder aus Adressierung oder Absenderangabe konkrete Hinweise, dass der Schriftwechsel dem Vollzugsziel zuwiderläuft oder die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet, kann das Schreiben angehalten und zur Habe genommen werden. Eine erzieherische Aufarbeitung ist durchzuführen.

(3) Den Jugendlichen kann in begründeten Ausnahmefällen gestattet werden, Pakete zu empfangen. Pakete sind in Gegenwart der Jugendlichen zu öffnen und zu kontrollieren.

§ 19 Besuche, Telefongespräche 18 20

(1) Den Jugendlichen kann auf Antrag gestattet werden, Besuch zu empfangen, unter Vermittlung der Einrichtung Telefongespräche zu führen oder andere Telekommunikationsmittel zu nutzen, wenn dies dem Vollzugsziel dient und die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung hierdurch nicht gefährdet wird. Besuche von Kindern der Jugendlichen sind besonders zu fördern.

(2) Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucherin oder der Besucher absuchen oder durchsuchen lässt. § 24 Abs. 1 gilt entsprechend. Abgesehen von den Fällen des Abs. 3 dürfen Besuche und Telefongespräche sowie die Nutzung anderer Telekommunikationsmittel aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung oder aus Gründen der Behandlung offen optisch überwacht werden, auch zur Feststellung der Identität von Gesprächsbeteiligten; die Überwachung erstreckt sich hierbei sowohl auf die Jugendlichen als auch auf deren Besuch. Die Besuche und Telefongespräche dürfen nur überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus den in Satz 3 genannten Gründen erforderlich ist, und, soweit sie besondere Kategorien personenbezogener Daten nach § 41 Nr. 15 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes zum Gegenstand haben, unbedingt erforderlich ist. Ein Besuch oder ein Telefongespräch darf abgebrochen werden, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet ist. Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden. Die optische Überwachung eines Besuchs kann auch durch technische Hilfsmittel erfolgen, insbesondere durch optischelektronische Einrichtungen (Videoüberwachung); die betroffenen Personen sind hierauf hinzuweisen.

(3) Besuche von Verteidigerinnen oder Verteidigern, von Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes, von bevollmächtigten Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälten und Notarinnen oder Notaren in einer die Jugendlichen betreffenden Rechtssache sowie von den in § 119 Abs. 4 Satz 2 der Strafprozessordnung genannten Personen und Stellen sind zu gestatten und werden nicht überwacht. Dies gilt für Telefongespräche und die Nutzung anderer Telekommunikationsmittel entsprechend.

§ 20 Aufenthalte außerhalb der Einrichtung

(1) Aufenthalte außerhalb der Einrichtung können geeigneten Jugendlichen für Maßnahmen der Einrichtung gewährt werden oder wenn dies sonst zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlich ist.

(2) Sie können darüber hinaus aus wichtigem Anlass gewährt werden, insbesondere zur Teilnahme an gerichtlichen Terminen, zur medizinischen Behandlung sowie bei einer akut lebensgefährlichen Erkrankung oder dem Tod naher Angehöriger.

(3) Zur Ausgestaltung der Aufenthalte können den Jugendlichen Weisungen erteilt werden. Soweit dies erforderlich ist, werden sie begleitet oder ständig und unmittelbar beaufsichtigt.

Sechster Titel
Religionsausübung und Seelsorge

§ 21 Religionsausübung und Seelsorge

(1) Den Jugendlichen ist eine seelsorgerische und religiöse Betreuung durch ihre Religionsgemeinschaft zu ermöglichen. Auf ihren Wunsch ist ihnen zu helfen, mit der Seelsorge in Verbindung zu treten.

(2) Die Jugendlichen dürfen grundlegende religiöse Schriften sowie in angemessenem Umfang Gegenstände des religiösen Gebrauchs besitzen. Diese dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

(3) Die Jugendlichen haben das Recht, an religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses innerhalb der Einrichtung teilzunehmen. Die Zulassung zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung der Seelsorgerin oder des Seelsorgers der Religionsgemeinschaft.

(4) Jugendliche können von der Teilnahme an religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; die Seelsorgerin oder der Seelsorger soll vorher gehört werden.

(5) Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten Abs. 1 bis 4 entsprechend.

Siebter Titel
Sicherheit und Ordnung

§ 22 Grundsätze, Verhaltensvorschriften 20

(1) Sicherheit und Ordnung der Einrichtung bilden die Grundlage des auf die Erreichung des Vollzugsziels ausgerichteten Anstaltslebens und tragen dazu bei, dass in der Einrichtung ein gewaltfreies Klima herrscht. Die Jugendlichen sind für das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung mitverantwortlich und müssen mit ihrem Verhalten dazu beitragen. Ihr Bewusstsein hierfür ist zu wecken und zu fördern.

(2) Die Jugendlichen haben sich nach der Tageseinteilung der Einrichtung zu richten.

(3) Die Jugendlichen sind verpflichtet, die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(4) Die Jugendlichen haben ihre Arresträume und die ihnen von der Einrichtung überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(5) Die Jugendlichen haben Umstände, die eine erhebliche Gefahr für eine Person oder eine erhebliche Störung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung begründen oder darauf hindeuten, unverzüglich zu melden.

(6) Die Einrichtung kann die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung durch andere Personen als arrestierte Jugendliche abzuwehren.

§ 23 Reaktionen auf Pflichtverstöße

(1) Verstöße der Jugendlichen gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich in einem erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten.

(2) Soweit ein erzieherisches Gespräch nicht ausreicht, um den Jugendlichen ihr Fehlverhalten bewusst zu machen, können darüber hinaus Maßnahmen angeordnet werden, insbesondere das Verfassen eines Aufsatzes oder die Erteilung anderer Weisungen, die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung bis zu einer Dauer von zwei Tagen und der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu einer Dauer von einem Tag.

(3) Es sollen solche Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in unmittelbarem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang stehen. Die Jugendlichen sind vorher anzuhören und die Entscheidung ist schriftlich zu dokumentieren.

(4) In geeigneten Fällen sollen im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei den Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und das vorübergehende Verbleiben im Arrestraum in Betracht. Erfüllen die Jugendlichen die Vereinbarung, so ist von Maßnahmen nach Abs. 2 abzusehen.

§ 24 Durchsuchung, Absuchung und Untersuchung  20

(1) Die Jugendlichen, ihre Sachen und die Arresträume dürfen, auch mit technischen oder sonstigen Hilfsmitteln, abgesucht oder durchsucht werden. Die Durchsuchung von Jugendlichen darf nur von Personen gleichen Geschlechts vorgenommen werden; bei Jugendlichen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen oder wenn die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung dies wegen Gefahr im Verzug erfordert, ist eine Durchsuchung auch durch Bedienstete eines anderen Geschlechts unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zulässig. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der Leitung der Einrichtung im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Die Durchsuchung ist an einem Ort durchzuführen, der einen Sichtkontakt Unbeteiligter nicht zulässt. Andere Jugendliche dürfen nicht anwesend sein.

(3) Die Leitung der Einrichtung kann allgemein anordnen, dass die Jugendlichen in der Regel bei der Aufnahme nach Abs. 2 zu durchsuchen sind.

(4) Die mit einem medizinischen Eingriff verbundene Untersuchung von Körperöffnungen ist durch den ärztlichen Dienst vorzunehmen.

§ 25 Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch

Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung oder aus Gründen der Gesundheitsvorsorge können Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch angeordnet werden, wenn Jugendliche im Verdacht stehen, Suchtmittel zu besitzen oder solche konsumiert zu haben.

§ 26 Besondere Sicherungsmaßnahmen 18

(1) Gegen Jugendliche können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maße die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung der Jugendlichen, auch durch technische Hilfsmittel, insbesondere Videoüberwachung, soweit dies für Zwecke nach Abs. 1 unbedingt erforderlich ist,
  3. die Trennung von den anderen Jugendlichen (Absonderung) bis zu 24 Stunden,
  4. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Arrestraum ohne gefährdende Gegenstände bis zu 24 Stunden.

(3) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Leitung der Einrichtung an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung der Leitung der Einrichtung ist unverzüglich einzuholen.

(4) Die Anordnung wird den Jugendlichen mündlich eröffnet und erläutert. Sie ist mit einer kurzen Begründung aktenkundig zu machen.

(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur so weit aufrechterhalten werden, wie es ihr Zweck erfordert. Sie sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen. Das Ergebnis der Überprüfungen und die Durchführung der Maßnahmen einschließlich einer Beteiligung des ärztlichen Dienstes sind aktenkundig zu machen. Unterbringungen nach Abs. 2 Nr. 4 werden auf die Höchstfrist nach Abs. 2 Nr. 3 nicht angerechnet.

(6) Bei der Beobachtung durch technische Hilfsmittel nach Abs. 2 Nr. 2 ist eine Aufzeichnung zulässig, soweit dies zur Abwendung einer in Abs. 1 genannten Gefahr unbedingt erforderlich ist. Auf die Beobachtung und die Aufzeichnung sind die Jugendlichen vorher hinzuweisen. Eine Abdunklung zur Nachtzeit ist zu gewährleisten. Das Schamgefühl ist so weit wie möglich zu schonen.

(7) In den Fällen des Abs. 2 Nr. 3 und 4 sind die Jugendlichen in besonderem Maße zu betreuen. Jugendliche, die in einem besonders gesicherten Arrestraum unter-gebracht sind, werden von einer Ärztin oder einem Arzt aufgesucht.

§ 27 Unmittelbarer Zwang 18 20

(1) Bedienstete dürfen gegen arrestierte Jugendliche unmittelbaren Zwang im Sinne von § 52 Abs. 1 des Hessischen Jugendstrafvollzugsgesetzes vom 19. November 2007 (GVBl. I S. 758), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. November 2020 (GVBl. S. 778), anwenden, wenn sie Maßnahmen des Vollzugs rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann. Der Gebrauch von Schusswaffen ist ausgeschlossen.

(2) Gegen andere Personen als arrestierte Jugendliche darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, arrestierte Jugendliche zu befreien oder, auch mittels technischer Geräte, insbesondere unbemannter Luftfahrtsysteme und Flugmodelle, in den Einrichtungsbereich widerrechtlich einzudringen, unbefugt Gegenstände in den Einrichtungsbereich einzubringen oder wenn sie sich unbefugt im Einrichtungsbereich aufhalten; das Recht zum unmittelbaren Zwang gegen Sachen wird hierdurch nicht eingeschränkt.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

(4) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen. Unmittelbarer Zwang hat zu unterbleiben, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(5) Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Von der Androhung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist.

(6) Für das Handeln auf Anordnung ist § 97 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend anzuwenden.

Achter Titel
Entlassung, Schlussbericht

§ 28 Vorbereitung der Entlassung, Entlassung

(1) Haben sich die Jugendlichen selbst zum Vollzug gestellt, verhalten sie sich regelkonform und wirken sie an den Maßnahmen mit, soll die Einrichtung bei der Vollstreckungsleitung eine Entscheidung nach § 87 Abs. 3 Satz 1 des Jugendgerichtsgesetzes anregen.

(2) Die Einrichtung unterstützt und berät insbesondere in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, freien Trägern sowie bei unter Bewährungsaufsicht stehenden Jugendlichen der Bewährungshilfe die Jugendlichen bei der Einleitung von nachsorgenden Maßnahmen.

(3) Die Entlassung kann am Tag des Ablaufs der Arrestzeit vorzeitig erfolgen, wenn die Jugendlichen aus schulischen oder beruflichen Gründen hierauf angewiesen sind oder die Verkehrsverhältnisse dies erfordern.

(4) Bedürftigen Jugendlichen kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.

§ 29 Schlussbericht, Entlassungsgespräch

(1) Zum Ende des Vollzugs wird ein Schlussbericht erstellt, der insbesondere folgende Angaben enthält:

  1. die Übersicht über den Vollzugsverlauf, insbesondere über die durchgeführten Maßnahmen,
  2. Aussagen zur Persönlichkeit und zu den Lebensumständen der Jugendlichen sowie zu ihrer Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels,
  3. die Darlegung des Hilfebedarfs der Jugendlichen sowie die Empfehlung von weiteren externen Hilfsangeboten,
  4. Vorschläge zu Auflagen und Weisungen im Falle einer Bewährungsunterstellung.

(2) Der Inhalt des Schlussberichts wird den Jugendlichen in einem Entlassungsgespräch erläutert.

(3) Der Schlussbericht ist für die Vollzugs- und Strafakten bestimmt. Eine Ausfertigung des Berichts ist der Jugendgerichtshilfe, bei unter Bewährungsaufsicht stehenden Jugendlichen der Bewährungshilfe und den Jugendlichen zuzuleiten sowie auf Verlangen der Personensorgeberechtigten diesen zu übermitteln.

Neunter Titel
Beschwerde

§ 30 Beschwerderecht

(1) Die Jugendlichen erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen oder von gemeinsamem Interesse sind, an die Leitung der Einrichtung zu wenden.

(2) Es ist zu gewährleisten, dass sich Jugendliche in eigenen Angelegenheiten an hierfür zuständige Bedienstete der Aufsichtsbehörde, die die Einrichtung aufsuchen, wenden können.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Zehnter Titel
Aufbau und Organisation der Einrichtung, Aufsicht

§ 31 Einrichtungen 20

(1) Der Jugendarrest wird in gesonderten Einrichtungen der Justizverwaltung getrennt von Strafgefangenen oder Gefangenen anderer Haftarten vollzogen.

(2) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Einrichtung so fest, dass eine angemessene Unterbringung im Sinne des § 9 gewährleistet ist.

(3) Es sind bedarfsgerechte Räumlichkeiten für Gruppen- und Einzelmaßnahmen vorzusehen. Gleiches gilt für Besuche, Freizeit, Sport und Seelsorge.

§ 32 Leitung der Einrichtung 20

(1) Die Leitung der Einrichtung trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug, soweit diese für bestimmte Aufgabenbereiche nicht auf andere Bedienstete übertragen ist, und vertritt die Einrichtung nach außen. Sie kann zusätzlich einzelne Aufgabenbereiche und Befugnisse auf andere Bedienstete übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.

(2) Die Aufsichtsbehörde überträgt die Leitung der Einrichtung einer Jugendrichterin oder einem Jugendrichter des für den Ort der Einrichtung zuständigen Amtsgerichts. Abweichend von Satz 1 kann für jede Einrichtung eine Beamtin oder ein Beamter des höheren Dienstes zur hauptamtlichen Leitung bestellt werden; in diesem Fall bleibt die Regelung des § 85 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes unberührt mit der Maßgabe, dass für die Abgabe der Vollstreckung an die Stelle der oder des als Vollzugsleiterin oder Vollzugsleiter zuständigen Jugendrichterin oder Jugendrichters die oder der am Ort des Vollzugs nach der Geschäftsverteilung des betreffenden Amtsgerichts zuständige Jugendrichterin oder Jugendrichter tritt.

§ 33 Personelle Ausstattung, ärztliche Versorgung, Seelsorgerinnen und Seelsorger

(1) Die Einrichtung wird mit dem für die Erreichung des Vollzugziels und für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal, insbesondere des sozialen, pädagogischen und psychologischen Dienstes, des allgemeinen Vollzugsdienstes, des Krankenpflegedienstes sowie der Verwaltung, ausgestattet. Die Bediensteten müssen für die erzieherische Gestaltung des Vollzugs geeignet und qualifiziert sein.

(2) Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung sind zu gewährleisten.

(3) Die ärztliche Versorgung und die seelsorgerische Betreuung der Jugendlichen sind sicherzustellen.

§ 34 Hausordnung

Die Leitung der Einrichtung erlässt zur Gestaltung und Organisation des Vollzugsalltags auf der Grundlage dieses Gesetzes eine Hausordnung. Darin sind insbesondere die Rechte und Pflichten der Jugendlichen und der Tagesablauf aufzunehmen.

§ 35 Aufsichtsbehörde, Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften 20

(1) Das Hessische Ministerium der Justiz führt die Aufsicht über die Einrichtungen (Aufsichtsbehörde). § 76 Abs. 3 des Hessischen Jugendstrafvollzugsgesetzes in seiner jeweils geltenden Fassung gilt entsprechend.

(2) Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Einrichtungen in einem Vollstreckungsplan.

(3) Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Einrichtungen der Justizverwaltungen anderer Länder vorgesehen werden.

Elfter Titel
Beirat

§ 36 Beirat

(1) Bei der Einrichtung ist ein ehren-amtlicher Beirat zu bilden. Die Mitglieder sollen in der Erziehung junger Menschen erfahren und befähigt sein. Bedienstete dürfen nicht Mitglied des Beirats sein. Die für Strafvollstreckungs- und Strafvollzugsrecht zuständige Ministerin oder der hierfür zuständige Minister wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Bestellung, die Amtszeit und die Abberufung der Mitglieder zu regeln.

(2) Die Mitglieder des Beirats wirken beratend bei der Gestaltung des Vollzugs und der Vermittlung der Jugendlichen in nachsorgende Maßnahmen mit. Sie fördern das Verständnis für den Vollzug und seine gesellschaftliche Akzeptanz und vermitteln Kontakte zu öffentlichen und privaten Einrichtungen.

(3) Der Beirat kann insbesondere Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Er kann sich über die Unterbringung der Jugendlichen und die Gestaltung des Vollzugs unterrichten. Hierzu können die Mitglieder des Beirats die Einrichtung besichtigen und die Jugendlichen in ihren Räumen aufsuchen.

(4) Die Mitglieder des Beirats sind, auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit, verpflichtet, über alle im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Mitteilungen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind, oder über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

Zwölfter Titel
Kriminologische Forschung, Datenschutz

§ 37 Kriminologische Forschung 18

(1) Der Vollzug, insbesondere seine Gestaltung sowie die Maßnahmen und deren Wirkungen auf die Erreichung des Vollzugsziels, soll regelmäßig durch den kriminologischen Dienst in Zusammenarbeit mit Hochschulen oder anderen Stellen wissenschaftlich begleitet und erforscht werden. Die Ergebnisse dienen dem öffentlichen Interesse und sind für die Fortentwicklung des Vollzugs nutzbar zu machen.

(2) Für die Übermittlung personenbezogener Daten gilt § 476 der Strafprozessordnung mit der Maßgabe entsprechend, dass

  1. auch elektronisch gespeicherte personenbezogene Daten übermittelt werden können und
  2. besondere Kategorien personenbezogener Daten nach § 41 Nr. 15 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes nur übermittelt werden, soweit dies für den Zweck nach § 476 Abs. 1 Nr. 1 der Strafprozessordnung unbedingt erforderlich ist.

§ 38 Datenschutz 18 20

Die §§ 58 bis 65 des Hessischen Jugendstrafvollzugsgesetzes in seiner jeweils geltenden Fassung gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass § 60 Abs. 3 Satz 2 und 3 keine Anwendung findet und die Frist nach § 65 Abs. 3 Satz 1 zwei Jahre beträgt.

Dritter Abschnitt
Freizeit- und Kurzarrest, Nichtbefolgungsarrest, Jugendarrest neben Jugendstrafe

§ 39 Grundsatz

Für den Vollzug des

  1. Freizeit- und Kurzarrests nach § 16 Abs. 2 und 3 des Jugendgerichtsgesetzes,
  2. Nichtbefolgungsarrests nach § 11 Abs. 3, § 15 Abs. 3 Satz 2, § 23 Abs. 1 Satz 4, § 29 Satz 2 und § 88 Abs. 6 Satz 1 des Jugendgerichtsgesetzes und nach § 98 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sowie
  3. Jugendarrests neben Jugendstrafe nach § 16a des Jugendgerichtsgesetzes

gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über den Vollzug des Dauerarrests, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.

§ 40 Freizeit- und Kurzarrest

(1) Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 sind an die kurze Dauer des Vollzugs anzupassen.

(2) § 7 Abs. 4 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass eine ärztliche Untersuchung nur erfolgt, wenn Anhaltspunkte für eine Arrestuntauglichkeit bestehen. § 8 Abs. 1 findet keine Anwendung. Ein Erziehungsplan nach § 8 Abs. 2 wird nicht erstellt, ein Schlussbericht nach § 29 nur dann, wenn dies aus besonderen Gründen erforderlich ist. § 28 Abs. 1 findet keine Anwendung.

§ 41 Nichtbefolgungsarrest

(1) Im Vollzug des Nichtbefolgungsarrests sind mit den Jugendlichen die Gründe für die Nichterfüllung der auferlegten Pflichten zu erörtern. Sie sollen dazu angehalten und motiviert werden, die ihnen erteilten Weisungen oder Anordnungen zu befolgen und ihre Auflagen zu erfüllen.

(2) In den Fällen des § 98 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten tritt an die Stelle der Auseinandersetzung mit der Straftat nach § 4 Abs. 3 eine Auseinandersetzung mit der zugrunde liegenden Ordnungswidrigkeit.

(3) Der Schlussbericht nach § 29 enthält zudem Angaben über die Befolgung von Weisungen oder Anordnungen sowie die Erfüllung von Auflagen während des Vollzugs.

(4) Für den Vollzug des Nichtbefolgungsarrests in Form eines Freizeit- und Kurzarrests findet zusätzlich § 40 Anwendung.

§ 42 Jugendarrest neben Jugendstrafe

(1) Die Gestaltung des Vollzugs und die Einzelmaßnahmen haben sich zusätzlich an den in § 16a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Jugendgerichtsgesetzes genannten Anordnungsgründen zu orientieren.

(2) Die Bewährungshilfe hält während des Vollzugs Kontakt zu den Jugendlichen und wirkt an der Planung und Einleitung nachsorgender Hilfen mit, um eine bestmögliche Vorbereitung der Bewährungszeit nach dem Vollzug zu gewährleisten.

(3) In den Fällen des § 16a Abs. 1 Nr. 2 des Jugendgerichtsgesetzes sind den Jugendlichen Kontakte zu Personen des sozialen Umfeldes nur dann zu gestatten, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind.

(4) Für den Vollzug des Jugendarrests neben Jugendstrafe in Form eines Freizeit- und Kurzarrests findet zusätzlich § 40 Anwendung mit der Maßgabe, dass ein Schlussbericht erstellt werden soll.

Vierter Abschnitt
Schlussvorschriften

§ 43 Anwendung auf Heranwachsende und Erwachsene

Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auch auf Heranwachsende und Erwachsene Anwendung, gegen die eine auf Jugendarrest erkennende Entscheidung vollstreckt wird.

§ 44 Ersetzung und Fortgeltung von Bundesrecht

(1) Dieses Gesetz ersetzt nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes in seinem Geltungsbereich § 90 Abs. 1 und 2 Satz 1 des Jugendgerichtsgesetzes.

(2) Es ersetzt weiterhin die Jugendarrestvollzugsordnung in der Fassung vom 30. November 1976 (BGBl. I S. 3270), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1864), mit Ausnahme der Bestimmungen über die Vollstreckung des Jugendarrests nach § 4, § 5 Abs. 3, § 17 Abs. 4 und § 25 Abs. 1, 3 und 4.

§ 45 Einschränkung von Grundrechten 20

Aufgrund dieses Gesetzes können eingeschränkt werden die Grundrechte auf

  1. die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und Art. 3 der Verfassung des Landes Hessen),
  2. die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes und Art. 5 der Verfassung des Landes Hessen),
  3. das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes und Art. 12 der Verfassung des Landes Hessen),
  4. das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und Art. 4 der Verfassung des Landes Hessen) sowie
  5. die informationelle Selbstbestimmung (Art. 12a der Verfassung des Landes Hessen)

§ 46 Inkrafttreten 20

(1) Dieses Gesetz tritt am 1. September 2015 in Kraft. Abweichend von Satz 1 tritt § 31 Abs. 1 am 5. Juni 2016 in Kraft, soweit er die Selbstständigkeit der Jugendarresteinrichtung betrifft.

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