umwelt-online: Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung - HmbStVollzG - Hamburgisches Strafvollzugsgesetz (2)
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Abschnitt 9
Gesundheitsfürsorge

§ 60 Gesundheitsuntersuchungen, Vorsorgeleistungen

(1) Die Gefangenen haben Anspruch auf Gesundheitsuntersuchungen und medizinische Vorsorgeleistungen.

(2) Weibliche Gefangene haben für ihre Kinder, die mit ihnen in der Anstalt untergebracht sind, Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die die körperliche oder geistige Entwicklung ihrer Kinder gefährden.

(3) Gefangene können sich zur Verhütung von Zahnerkrankungen einmal pro Kalenderjahr zahnärztlich untersuchen lassen, Gefangene im Vollzug der Jugendstrafe, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, einmal in jedem Kalenderhalbjahr.

§ 61 Versorgung mit Hilfsmitteln

Gefangene haben Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, sofern dies nicht mit Rücksicht auf die Kürze des verbleibenden Freiheitsentzugs ungerechtfertigt ist. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch, soweit Belange des Vollzuges dem nicht entgegenstehen.

§ 62 Krankenbehandlung

Gefangene haben Anspruch auf Krankenbehandlung. Die Krankenbehandlung umfasst

  1. ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche oder psychologische Behandlung,
  2. zahnärztliche Behandlung,
  3. Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
  4. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln,
  5. Krankenhausbehandlung,
  6. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen, soweit Belange des Vollzugs dem nicht entgegenstehen.

§ 63 Art und Umfang der Leistungen, Kostenbeteiligung

(1) Art und Umfang der Gesundheitsuntersuchungen und medizinischen Vorsorgeleistungen (§ 60), der Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 61) und der Leistungen zur Krankenbehandlung (§ 62) entsprechen den Leistungen nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches und den auf Grund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen.

(2) Die Gefangenen können an den Kosten der Krankenbehandlung in angemessenem Umfang beteiligt werden. Nicht verschreibungsfähige Arzneimittel können in der Regel gegen Kostenerstattung abgegeben werden.

§ 64 Behandlung aus besonderem Anlass

Mit Zustimmung der Gefangenen soll die Anstalt ärztliche Behandlungen, insbesondere Operationen oder prothetische Maßnahmen durchführen lassen, die ihre soziale Eingliederung fördern. Die Kosten tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt sie in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 65 Überstellung, Verlegung zum Zweck der Behandlung

(1) Kranke Gefangene können in das Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt überstellt oder in eine für die Behandlung ihrer Krankheit besser geeignete Anstalt verlegt werden.

(2) Kann die Krankheit der Gefangenen in einer Anstalt oder im Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt nicht erkannt oder behandelt werden oder ist es nicht möglich, die Gefangenen rechtzeitig in das Zentralkrankenhaus zu überstellen, sind sie in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen.

(3) Wird während des Aufenthaltes der Gefangenen in einem Krankenhaus außerhalb des Vollzuges die Strafvollstreckung unterbrochen, so tragen die Vollzugsbehörden die bis zum Beginn der Strafunterbrechung angefallenen Kosten.

§ 66 Behandlung während Lockerungen, freies Beschäftigungsverhältnis

(1) Während einer Freistellung von der Haft oder eines Ausgangs haben die Gefangenen gegen die Vollzugsbehörden nur einen Anspruch auf Krankenbehandlung in den für sie zuständigen Anstalten.

(2) Der Anspruch auf Leistungen nach den §§ 60 bis 62 ruht, solange die Gefangenen auf Grund eines freien Beschäftigungsverhältnisses (§ 37 Absatz 1) krankenversichert sind.

§ 67 Schwangerschaft und Mutterschaft

(1) Weibliche Gefangene haben während der Schwangerschaft sowie bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung und auf Hebammenhilfe in der Anstalt sowie auf die notwendigen Arznei-, Verband- und Heilmittel. Zur ärztlichen Betreuung gehören insbesondere Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft sowie Vorsorgeuntersuchungen einschließlich der laborärztlichen Untersuchungen.

(2) Zur Entbindung sind weibliche Gefangene in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen. Ist dies aus besonderen Gründen nicht angezeigt, so ist die Entbindung im Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt vorzunehmen.

(3) § 63 Absatz 1 und §§ 65 und 66 gelten entsprechend.

(4) In der Anzeige einer Geburt an das Standesamt dürfen die Anstalt als Geburtsstätte des Kindes, das Verhältnis des Anzeigenden zur Anstalt und die Inhaftierung der Mutter nicht vermerkt sein.

§ 68 Benachrichtigung bei Erkrankung oder Todesfall

(1) Erkranken Gefangene schwer oder versterben sie, so sind ihre Angehörigen oder die gesetzlichen Vertreter, im Vollzug der Jugendstrafe insbesondere die Personensorgeberechtigten, unverzüglich zu benachrichtigen.

(2) Dem Wunsch eines Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

(3) Beim Tod ausländischer Staatsangehöriger ist die zuständige Auslandsvertretung zu verständigen.

Abschnitt 10
Sicherheit und Ordnung

§ 69 Verhaltensregelungen Die Gefangenen sind verpflichtet,

  1. die Tageseinteilung der Anstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit) zu beachten,
  2. durch ihr Verhalten gegenüber anderen Personen, insbesondere gegenüber Vollzugsbediensteten und anderen Gefangenen, nicht das geordnete Zusammenleben zu stören,
  3. Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich beschwert fühlen,
  4. den ihnen zugewiesenen Bereich nicht ohne Erlaubnis zu verlassen,
  5. ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln,
  6. Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 70 Persönlicher Gewahrsam

(1) Die Gefangenen dürfen nur Sachen in Gewahrsam haben, die ihnen von der Anstalt oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden. Sie dürfen Sachen weder an andere Gefangene abgeben noch von anderen Gefangenen annehmen, es sei denn, es handelt sich um Sachen von offensichtlich geringem Wert. Die Anstalt kann die Abgabe, die Annahme und den Gewahrsam auch dieser Sachen von ihrer Zustimmung abhängig machen.

(2) Eingebrachte Sachen, die die Gefangenen nicht in Gewahrsam haben dürfen, sind für sie aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Den Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, ihre Sachen, die sie während des Vollzugs und für ihre Entlassung nicht benötigen, abzusenden.

(3) Weigern sich Gefangene, eingebrachtes Gut, dessen Aufbewahrung nach Art und Umfang nicht möglich ist, aus der Anstalt zu verbringen, so ist die Anstalt berechtigt, diese Gegenstände auf Kosten der Gefangenen aus der Anstalt entfernen zu lassen.

(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln, dürfen von der Anstalt vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

§ 71 Durchsuchung

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt dürfen Gefangene, ihre Sachen und die Hafträume jederzeit durchsucht werden, die Sachen und die Hafträume auch in Abwesenheit der Gefangenen. Zur Unterstützung der Durchsuchung dürfen technische Mittel eingesetzt werden, bei der Durchsuchung der Sachen und Hafträume auch Spürhunde. Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der Anstaltsleitung im Einzelfall ist eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung zulässig. Sie darf bei männlichen Gefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen und ist in einem von Unbeteiligten nicht einsehbaren räumlichen Bereich durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) Die Anstaltsleitung kann allgemein anordnen, dass Gefangene bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besuchern und nach jeder Abwesenheit von ihrer Unterkunft in der Anstalt nach Absatz 2 zu durchsuchen sind.

§ 72 Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Zur Sicherung des Vollzuges, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder zur Identitätsfeststellung sind mit Kenntnis der Gefangenen zulässig

  1. die Aufnahme von Lichtbildern,
  2. die Erfassung biometrischer Merkmale,
  3. die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale,
  4. Messungen.

(2) Die gewonnenen Unterlagen und Daten werden zu den Gefangenenpersonalakten genommen oder in personenbezogenen Dateien gespeichert. Sie können auch in kriminalpolizeilichen Sammlungen verwahrt werden. Sie dürfen nur für die in Absatz 1 und in § 74 Absatz 2 und § 121 Absatz 2 Nummern 1 bis 5 sowie Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 vierte Alternative und Satz 2 Nummer 2 genannten Zwecke verarbeitet und genutzt werden.

(3) Die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten sind spätestens fünf Jahre nach der Entlassung oder Verlegung der Gefangenen in eine andere Anstalt zu löschen.

§ 73 Feststellung von Betäubungsmittelmissbrauch

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann die Anstaltsleitung bei Gefangenen, bei denen der konkrete Verdacht des Betäubungsmittelmissbrauchs besteht, allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen anordnen, die geeignet sind, den Missbrauch von Betäubungsmitteln festzustellen. Die Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

(2) Wird Betäubungsmittelmissbrauch festgestellt, können die Kosten der Maßnahme den Gefangenen auferlegt werden.

§ 74 Festnahmerecht

(1) Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und in die Anstalt zurückgebracht werden.

(2) Die nach diesem Gesetz erhobenen Daten dürfen den Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden, soweit dies für Zwecke der Fahndung und Festnahme der entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhaltenden Gefangenen erforderlich ist.

§ 75 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Gefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder auf Grund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maß Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung bei Nacht,
  3. die Absonderung von anderen Gefangenen,
  4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
  6. die Fesselung. Eine Fesselung von nach § 71 Absatz 2 entkleideten Gefangenen darf nur erfolgen, wenn und solange dies unerlässlich ist. In diesen Fällen sind besondere Maßnahmen zur Schonung des Schamgefühls zu treffen, soweit dies möglich ist.

(3) Die unausgesetzte Absonderung Gefangener (Einzelhaft) ist nur zulässig, wenn sie aus den Gründen des Absatz 1 unerlässlich ist. Einzelhaft von mehr als drei Monaten, im Vollzug der Jugendstrafe von mehr als zwei Monaten Gesamtdauer in einem Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, dass die Gefangenen am Gottesdienst oder an der Freistunde teilnehmen.

(4) Maßnahmen nach Absatz 2 Nummern 1 und 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(5) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch zulässig, wenn zu befürchten ist, dass die Gefangenen sich dem Vollzug entziehen werden (einfache Fluchtgefahr).

(6) Fesseln dürfen in der Regel nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse der Gefangenen kann die Anstaltsleitung eine andere Art der Fesselung anordnen.

(7) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur soweit aufrechterhalten werden, als es ihr Zweck erfordert.

§ 76 Anordnungsbefugnis

Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Anstaltsleitung an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete der Anstalt diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung der Anstaltsleitung ist unverzüglich einzuholen.

§ 77 Ärztliche Überwachung

(1) Werden Gefangene ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass für die Anordnung einer besonderen Sicherungsmaßnahme, ist vor der Anordnung der Arzt zu hören. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird seine Stellungnahme unverzüglich eingeholt.

(2) Sind Gefangene in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder nach § 75 Absatz 2 Nummer 6 gefesselt, so sucht der Anstaltsarzt sie alsbald und sodann täglich auf.

(3) Der Arzt ist regelmäßig zu hören,

  1. solange den Gefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen wird,
  2. im Vollzug der Jugendstrafe außerdem, wenn Einzelhaft (§ 75 Absatz 3) angeordnet wurde.

Abschnitt 11
Unmittelbarer Zwang

§ 78 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen sowie Reizstoffe.

§ 79 Voraussetzungen

(1) Bedienstete des Vollzuges dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang auf Grund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 80 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 81 Handeln auf Anordnung

(1) Wird unmittelbarer Zwang von Vorgesetzten oder sonst befugten Personen angeordnet, sind die Bediensteten verpflichtet, die Anordnung zu befolgen, es sei denn, sie verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden.

(2) Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen die Bediensteten sie trotzdem, trifft sie eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.

(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben die Bediensteten den Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an Vorgesetzte - § 38 Absätze 2 und 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes in der Fassung vom 31. März 1999 (BGBl. I S. 655), zuletzt geändert am 5. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2748, 2755), in der jeweils geltenden Fassung - sind nicht anzuwenden.

§ 82 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat zu verhindern, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 83 Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.

(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Bediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(3) Gegen Gefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

  1. wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
  2. wenn sie eine Meuterei (§ 121 des Strafgesetzbuches) unternehmen,
  3. sowie im Vollzug der Freiheitsstrafe,
  4. 1 um ihre Flucht zu vereiteln oder
  5. 2. um sie wieder zu ergreifen.

Um die Flucht aus dem offenen Vollzug zu vereiteln, dürfen Schusswaffen nicht gebraucht werden.

(4) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen.

(5) Als Androhung (§ 82) des Gebrauchs von Schusswaffen gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

§ 84 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge

(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung einschließlich einer hierfür erforderlichen Ausführung sowie Ernährung sind zwangsweise nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der Gefangenen oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen zulässig. Die Maßnahmen müssen für die Beteiligten zumutbar und dürfen nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit der Gefangenen verbunden sein. Zur Durchführung der Maßnahmen ist die Anstalt nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung der Gefangenen ausgegangen werden kann. Im Vollzug der Jugendstrafe sind die Rechte der Personensorgeberechtigten zu beachten.

(2) Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer im Falle des Absatzes 1 zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.

(3) Die Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.

Abschnitt 12
Pflichtwidrigkeiten der Gefangenen

§ 85 Disziplinarmaßnahmen

Verstoßen Gefangene schuldhaft gegen Pflichten, die ihnen durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind, kann die Anstaltsleitung Disziplinarmaßnahmen anordnen, es sei denn, es genügt, die Gefangenen zu verwarnen oder im Vollzug der Jugendstrafe durch ein erzieherisches Gespräch oder durch erzieherische Maßnahmen die erforderliche Einsicht der Gefangenen in ihr Fehlverhalten zu fördern (§ 86 Absatz 1). Satz 1 gilt nicht für Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten der Gefangenen nach § 5 Absätze 1 und 2 sowie § 53 Absatz 2.

§ 86 Erzieherische Maßnahmen

(1) Im Vollzug der Jugendstrafe werden Verstöße nach § 85 zunächst unverzüglich im erzieherischen Gespräch erörtert. Daneben können erzieherische Maßnahmen angeordnet werden, sofern dies im Einzelfall geboten erscheint, die erforderliche Einsicht der Gefangenen in ihr Fehlverhalten zu fördern. Als Maßnahmen kommen die Erteilung von Weisungen und Auflagen sowie Beschränkungen in Bezug auf die Freizeit bis zur Dauer einer Woche in Betracht.

(2) Bewirken weder das erzieherische Gespräch noch eine gegebenenfalls angeordnete erzieherische Maßnahme die erwartete Einsicht der Gefangenen in ihr Fehlverhalten oder handelt es sich um schwere oder mehrfach wiederholte Verfehlungen, dürfen auch im Vollzug der Jugendstrafe Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden. § 85 Satz 2 gilt entsprechend.

§ 87 Arten der Disziplinarmaßnahmen

(1) Die zulässigen Disziplinarmaßnahmen sind:

  1. Verweis,
  2. die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten, im Vollzug der Jugendstrafe bis zu zwei Monaten,
  3. die Beschränkung oder der Entzug des Rundfunkempfangs bis zu drei Monaten, im Vollzug der Jugendstrafe bis zu zwei Monaten,
  4. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit mit Ausnahme des Lesestoffs oder die Beschränkung oder der Entzug der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen bis zu drei Monaten, im Vollzug der Jugendstrafe bis zu zwei Monaten,
  5. Arrest bis zu vier Wochen, im Vollzug der Jugendstrafe bis zu zwei Wochen,
  6. die Beschränkung des Verkehrs mit Personen außerhalb der Anstalt auf dringende Fälle bis zu drei Monaten, im Vollzug der Jugendstrafe nur mit Personen, die nicht Angehörige der Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuches sind, und nur bis zu zwei Monaten, im Vollzug der Freiheitsstrafe außerdem
  7. die getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen,
  8. der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu vier Wochen unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Bezüge.

(2) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(3) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(4) Disziplinarmaßnahmen sind unabhängig von der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahren wegen desselben Sachverhalts zulässig.

§ 88 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollzogen.

(2) Der Vollzug einer Disziplinarmaßnahme kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden, im Vollzug der Jugendstrafe bis zu drei Monaten.

(3) Wird die Verfügung über das Hausgeld beschränkt oder entzogen, ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Überbrückungsgeld gutzuschreiben.

(4) Wird der Verkehr der Gefangenen mit Personen außerhalb der Anstalt eingeschränkt, ist ihnen Gelegenheit zu geben, dies einer Person mitzuteilen, mit der sie regelmäßige Kontakte pflegen. Der Schriftwechsel mit den in § 31 Absätze 2 und 3 genannten Empfängern, mit Gerichten und Justizbehörden in der Bundesrepublik sowie mit Rechtsanwälten und Notaren in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache bleibt unbeschränkt.

(5) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Die Gefangenen können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Gefangenen aus § 23, § 24 Absatz 2, §§ 26, 35, 36 und 54 bis 56.

§ 89 Anordnungsbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet die Anstaltsleitung an. Bei einer Pflichtwidrigkeit während eines Transports in eine andere Anstalt ist die Leitung der Bestimmungsanstalt zuständig. Ist die Durchführung des Disziplinarverfahrens dort nicht möglich, liegt die Disziplinarbefugnis bei der Leitung der Stammanstalt.

(2) Erzieherische Maßnahmen nach § 86 Absatz 1 ordnet die Anstaltsleitung oder die hiermit beauftragte Vollzugs- oder Wohngruppenleitung an.

(3) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Pflichtwidrigkeit der Gefangenen gegen die Anstaltsleitung richtet.

(4) Disziplinarmaßnahmen, die gegen Gefangene in einer anderen Anstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollzogen. § 88 Absatz 2 bleibt unberührt.

§ 90 Verfahren

(1) Der Sachverhalt ist umfassend zu klären. Die Gefangenen werden vor ihrer Anhörung über den Inhalt der ihnen zur Last gelegten Pflichtwidrigkeit und über ihr Recht, sich nicht zur Sache zu äußern, belehrt. Die Erhebungen, insbesondere die Ergebnisse der Anhörungen der Gefangenen und anderer Befragter, werden schriftlich festgehalten.

(2) Bei schweren Verstößen soll die Anstaltsleitung sich vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die bei der Behandlung oder Erziehung der Gefangenen mitwirken.

(3) Die Entscheidung wird den Gefangenen von der Anstaltsleitung mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

§ 91 Mitwirkung des Arztes

(1) Vor dem Vollzug von Disziplinarmaßnahmen nach § 87 Absatz 1 Nummern 2 bis 8, die gegen Gefangene in ärztlicher Behandlung oder gegen Schwangere oder stillende Mütterangeordnet wurden, ist der Arzt zu hören. Während des Arrestes stehen die Gefangenen unter ärztlicher Aufsicht.

(2) Der Vollzug der Disziplinarmaßnahme unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit der Gefangenen gefährdet würde.

Abschnitt 13
Verfahrensregelungen

§ 92 Beschwerderecht

(1) Die Gefangenen erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, schriftlich und mündlich an die Anstaltsleitung zu wenden. Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten.

(2) Die Abwicklung der Sprechstunden nach Absatz 1 Satz 2 kann in Anstalten, die wegen ihrer Größe in Teilanstalten oder in mehrere eigenständige Hafthäuser gegliedert sind, auf die Leitung der Teilanstalten oder die Leitung der Hafthäuser übertragen werden.

(3) Besichtigt ein Vertreter oder eine Vertreterin der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Gefangenen sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an sie wenden können.

(4) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

§ 93 Anordnung, Aufhebung vollzuglicher Maßnahmen

(1) Die Anstaltsleitung kann Maßnahmen zur Regelung allgemeiner Angelegenheiten der baulichen, personellen, organisatorischen und konzeptionellen Gestaltung des Vollzuges anordnen oder mit Wirkung für die Zukunft ändern, wenn neue strukturelle oder organisatorische Entwicklungen des Vollzuges, neue Anforderungen an die (instrumentelle, administrative oder soziale) Anstaltssicherheit oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse dies aus Gründen der Behandlung oder Erziehung, der Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt erforderlich machen.

(2) Die Anstaltsleitung kann rechtmäßige Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiete des Strafvollzuges ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, wenn

  1. sie auf Grund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände berechtigt wäre, die Maßnahme zu versagen,
  2. sie auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, die Maßnahme zu versagen und ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde,
  3. die Gefangenen die Maßnahme missbrauchen oder
  4. die Gefangenen Weisungen nach § 12 Absatz 4 nicht nachkommen.

(3) Die Anstaltsleitung kann Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiete des Strafvollzuges ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen, wenn die Voraussetzungen für ihre Bewilligung nicht vorgelegen haben.

Teil 3
Vollzug der Sicherungsverwahrung

§ 94 Ziel der Unterbringung

Sicherungsverwahrte werden zum Schutz der Allgemeinheit sicher untergebracht. Ihnen soll geholfen werden, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.

§ 95 Rechtsgrundlagen des Vollzuges

Für die Sicherungsverwahrung gelten die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe entsprechend, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist.

§ 96 Ausstattung

Die Ausstattung der Abteilungen für Sicherungsverwahrte und besondere Maßnahmen zur Förderung und Betreuung sollen den Untergebrachten helfen, ihr Leben in der Anstalt sinnvoll zu gestalten, und sie vor Schäden eines langen Freiheitsentzugs bewahren. Ihren persönlichen Bedürfnissen ist nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.

§ 97 Kleidung

Die Untergebrachten dürfen eigene Kleidung, Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Gründe der Sicherheit nicht entgegenstehen und die Untergebrachten für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgen.

§ 98 Selbstbeschäftigung, Taschengeld

(1) Den Untergebrachten wird gestattet, sich gegen Entgelt selbst zu beschäftigen, wenn dies dem Ziel dient, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern.

(2) Das Taschengeld (§ 48) darf den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 42 Absatz 2 Satz 3 Nummer 1 im Monat nicht unterschreiten.

Teil 4
Vollzugsbehörden

Abschnitt 1
Arten und Einrichtungen der Justizvollzugsanstalten

§ 99 Justizvollzugsanstalten, Trennungsgrundsätze

(1) Die in § 1 genannten Freiheitsentziehungen werden in Justizvollzugsanstalten (Anstalten) der Freien und Hansestadt Hamburg vollzogen.

(2) Freiheitsstrafe und Jugendstrafe werden in getrennten Anstalten vollzogen.

(3) Frauen und Männer werden in der Regel in getrennten Anstalten oder Abteilungen untergebracht.

(4) Sicherungsverwahrung wird in einer getrennten Abteilung vollzogen, es sei denn, der Untergebrachte stimmt einer anderen Unterbringung zu.

(5) Von der getrennten Unterbringung nach den Absätzen 3 und 4 darf abgewichen werden, um die Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen in einer anderen Anstalt oder in einer anderen Abteilung zu ermöglichen.

§ 100 Differenzierung

(1) Für den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe sind Haftplätze in verschiedenen Anstalten oder Abteilungen vorzusehen, die den Sicherheitserfordernissen Rechnung tragen und eine auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestellte Behandlung und Erziehung gewährleisten. Die Gliederung der Anstalten soll die Unterbringung der Gefangenen in überschaubaren Betreuungs- und Behandlungsgruppen ermöglichen.

(2) Im Vollzug der Jugendstrafe sind im Rahmen des Erziehungsauftrages darüber hinaus die besonderen Förderungsbedarfe der Gefangenen zu berücksichtigen.

(3) Für den Vollzug nach § 10 (Sozialtherapie) sind getrennte Abteilungen (sozialtherapeutische Einrichtung) vorzusehen.

(4) Anstalten des geschlossenen Vollzugs sehen eine sichere Unterbringung der Gefangenen vor, Anstalten oder Abteilungen des offenen Vollzugs nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen.

§ 101 Mütter mit Kindern

In Anstalten oder Abteilungen für Frauen sollen Einrichtungen vorgesehen werden, in denen Mütter mit ihren Kindern untergebracht werden können.

§ 102 Größe und Gestaltung der Räume

Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind wohnlich oder sonst ihrem Zweck entsprechend auszugestalten. Sie müssen hinreichend Luftinhalt haben und für eine gesunde Lebensführung ausreichend mit Heizung und Lüftung, Boden- und Fensterfläche ausgestattet sein.

§ 103 Festsetzung der Belegungsfähigkeit

Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit für jede Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung während der Ruhezeit (§ 20) gewährleistet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport, therapeutische Maßnahmen und Besuche zur Verfügung steht.

§ 104 Verbot der Überbelegung

(1) Hafträume dürfen nicht mit mehr Personen als zugelassen belegt werden.

(2) Ausnahmen hiervon sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

Abschnitt 2
Organisation der Justizvollzugsanstalten

§ 105 Anstaltsleitung

(1) Die Aufsichtsbehörde bestellt für jede Anstalt eine Beamtin oder einen Beamten des höheren Dienstes zur hauptamtlichen Leiterin oder zum hauptamtlichen Leiter. Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einer Beamtin oder einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden.

(2) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug, soweit nicht bestimmte Aufgabenbereiche der Verantwortung anderer Bediensteter oder ihrer gemeinsamen Verantwortung übertragen sind, und vertritt die Anstalt nach außen.

(3) Die Befugnis, Durchsuchungen nach § 71 Absatz 2, besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 75 und Disziplinarmaßnahmen nach § 87 anzuordnen, darf nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde übertragen werden.

(4) Die Aufsichtsbehörde bestimmt die stellvertretende Anstaltsleiterin oder den stellvertretenden Anstaltsleiter.

§ 106 Bedienstete des Vollzuges

(1) Die Aufgaben der Anstalten werden von Vollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Anstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.

(2) Für jede Anstalt ist entsprechend ihrer Aufgabe die erforderliche Anzahl von Bediensteten der verschiedenen Berufsgruppen vorzusehen. Sie wirken in enger Zusammenarbeit daran mit, den Sicherungsauftrag (§ 2 Absatz 1) sowie den Behandlungs- und den Erziehungsauftrag (§ 2 Absatz 2) zu erfüllen. Im Vollzug der Jugendstrafe sollen die Bediensteten für den Umgang mit jungen Menschen besonders geeignet sein.

§ 107 Seelsorge

(1) Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung der Anstaltsleitung dürfen die Anstaltsseelsorger freie Seelsorgehelfer hinzuziehen und an Gottesdiensten sowie anderen religiösen Veranstaltungen Seelsorger von außen beteiligen.

§ 108 Zusammenarbeit

(1) Die Anstalten arbeiten mit den Behörden und Stellen der Entlassenen- und Straffälligenhilfe, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, der Bundesagentur für Arbeit, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, den Hilfeeinrichtungen anderer Behörden, den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege sowie mit Vereinen und Personen, deren Einfluss die Eingliederung des Gefangenenfördern kann, insbesondere auch ehrenamtlich engagierten Personen, eng zusammen.

(2) Im Vollzug der Jugendstrafe arbeiten die Anstalten darüber hinaus insbesondere mit Schulen und Schulbehörden, der Jugendgerichtshilfe und den übrigen jugendamtlichen Diensten sowie mit anerkannten freien Trägern der Jugendhilfe eng zusammen.

(3) Die Anstalten stellen durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicher, dass die Bundesagentur für Arbeit die ihr obliegenden Aufgaben der Berufsberatung, Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung durchführen kann.

(4) Im Vollzug der Jugendstrafe sind die Personensorgeberechtigten in die Planung und Gestaltung des Vollzuges einzubeziehen, soweit dies möglich ist und die Erziehung hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Die Vollstreckungsleitung ist zu unterrichten.

§ 109 Konferenzen

Zur Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplans und zur Vorbereitung wichtiger Entscheidungen im Vollzug führt die Anstaltsleitung Konferenzen mit an der Behandlung oder Erziehung maßgeblich Beteiligten durch.

§ 110 Gefangenenmitverantwortung

Den Gefangenen wird ermöglicht, an der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse teilzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für ihre Mitwirkung eignen.

§ 111 Hausordnung

(1) Die Anstaltsleitung erlässt eine Hausordnung. Sie bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

(2) In die Hausordnung sind namentlich die Anordnungen aufzunehmen über

  1. die Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche,
  2. die Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie
  3. die Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen, oder sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.

(3) Die Gefangenen erhalten einen Abdruck der Hausordnung.

Abschnitt 3
Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten

§ 112 Aufsichtsbehörde

Die Aufsichtsbehörde führt die Dienst- und Fachaufsicht über die Anstalten.

§ 113 Vollstreckungsplan

Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten in einem Vollstreckungsplan.

§ 114 Kriminologische Forschung

Die Aufsichtsbehörde gewährleistet kriminologische Forschung mit dem Ziel, in Zusammenarbeit mit externen Forschungseinrichtungen den Vollzug, insbesondere die Behandlungsmethoden und ihre Wirkungen auf die Erfüllung des Behandlungs- und des Erziehungsauftrages (§ 2 Absatz 2), wissenschaftlich fortzuentwickeln und die Forschungsergebnisse für Zwecke der Strafrechtspflege nutzbar zu machen. § 127 gilt entsprechend.

Abschnitt 4
Anstaltsbeiräte

§ 115 Bildung der Anstaltsbeiräte

(1) Bei den Anstalten sind Beiräte zu bilden.

(2) Bedienstete dürfen nicht Mitglieder der Beiräte sein.

(3) Das Nähere regelt die Aufsichtsbehörde.

§ 116 Aufgabe

Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzugs und bei der Betreuung der Gefangenen mit. Sie unterstützen die Anstaltsleitung durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge und helfen bei der Eingliederung der Gefangenen nach der Entlassung.

§ 117 Befugnisse

(1) Die Mitglieder des Beirats können insbesondere Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Sie können sich über die Unterbringung, Beschäftigung, berufliche Bildung, Verpflegung, ärztliche Versorgung und Behandlung unterrichten sowie die Anstalt und ihre Einrichtungen besichtigen.

(2) Die Mitglieder des Beirats können die Gefangenen und Untergebrachten in ihren Räumen ohne Überwachung aufsuchen.

§ 118 Verschwiegenheitspflicht

Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

Abschnitt 5
Datenschutz

§ 119 Datenerhebung

(1) Die Vollzugsbehörden dürfen personenbezogene Daten erheben, soweit deren Kenntnis für den Vollzug der in §§ 1 genannten Freiheitsentziehungen erforderlich ist.

(2) Personenbezogene Daten sind bei den Betroffenen zu erheben. Für die Erhebung ohne Mitwirkung der Betroffenen, die Erhebung bei anderen Personen oder Stellen und für die Hinweis- und Aufklärungspflichten gelten § 12 Absatz 2 sowie § 12a Absätze 1 und 4 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vom 5. Juli 1990 (HmbGVBl. S. 133, 165, 226), zuletzt geändert am 18. November 2003 (HmbGVBl. S. 537, 539), in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Daten über Personen, die nicht Gefangene sind, dürfen ohne ihre Mitwirkung bei Personen oder Stellen außerhalb der Vollzugsbehörden nur erhoben werden, wenn sie für die Behandlung der Gefangenen, die Sicherheit der Anstalt oder die Sicherung des Vollzuges der in § 1 genannten Freiheitsentziehungen unerlässlich sind und die Art der Erhebung schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt.

(4) Über eine ohne ihre Kenntnis vorgenommene Erhebung personenbezogener Daten werden die Betroffenen unter Angabe dieser Daten unterrichtet, soweit der in Absatz 1 genannte Zweck dadurch nicht gefährdet wird. Sind die Daten bei anderen Personen oder Stellen erhoben worden, kann die Unterrichtung unterbleiben, wenn

  1. die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen des überwiegenden berechtigten Interesses Dritter, geheim gehalten werden müssen oder
  2. der Aufwand der Unterrichtung außer Verhältnis zum Schutzzweck steht und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden.

§ 120 Datenerhebung durch optischelektronische Einrichtungen

(1) Die Vollzugsbehörden dürfen unter den Voraussetzungen der Absätze 2 bis 4 Daten auch durch den Einsatz von optischelektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) erheben. § 28 Absatz 1 bleibt unberührt.

(2) Das Gelände und das Gebäude der Anstalt dürfen mittels offen angebrachter optischelektronischer Einrichtungen dauerhaft überwacht und aufgezeichnet werden, die unmittelbare Anstaltsumgebung, soweit dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Der Einsatz versteckt angebrachter optischelektronischer Einrichtungen ist im Einzelfall auf Anordnung der Anstaltsleitung zulässig, wenn und solange dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt unerlässlich ist; über einen Zeitraum von vier Wochen hinaus ist die Zustimmung der Aufsichtsbehörde einzuholen.

(3) Der Einsatz von optischelektronischen Einrichtungen zur Überwachung in Hafträumen ist zulässig, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib und Leben von Gefangenen oder Dritten sowie zur Verhinderung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist oder ein Fall des § 75 Absatz 2 Nummer 2 vorliegt. Hierzu kann die Anstaltsleitung anordnen, dass bestimmte Hafträume mittels optischelektronischer Einrichtungen dauerhaft beobachtet werden. Eine Beobachtung mit Aufzeichnung oder versteckt angebrachten optischenelektronischen Einrichtungen ist nur auf Anordnung der Anstaltsleitung im Einzelfall zulässig, im Fall der versteckt angebrachten optischelektronischen Einrichtungen zudem nur, wenn und solange dies aus den Gründen des Satzes 1 unerlässlich ist; über einen Zeitraum von zwei Wochen hinaus ist in beiden Fällen die Zustimmung der Aufsichtsbehörde einzuholen.

(4) Die Datenerhebung durch optischelektronische Einrichtungen kann auch erfolgen, wenn Gefangene unvermeidlich betroffen werden, hinsichtlich derer die Voraussetzungen des Einsatzes nicht vorliegen. Soweit Personen, die nicht Gefangene sind, von der Datenerhebung durch optischelektronische Einrichtungen betroffen werden, sind diese auf die Möglichkeit des Einsatzes von optischelektronischen Einrichtungen hinzuweisen. Dies gilt nicht in den Fällen des Einsatzes nach Absatz 2 Satz 2 sowie Absatz 3 Satz 3 soweit versteckt angebrachte optischelektronische Einrichtungen eingesetzt werden.

(5) § 119 Absatz 4 bleibt unberührt.

§ 121 Verarbeitung und Nutzung

(1) Die Vollzugsbehörden dürfen personenbezogene Daten verarbeiten und nutzen, soweit dies für den Vollzug der in § 1 genannten Freiheitsentziehungen erforderlich ist. Die Anstalt kann die Gefangenen verpflichten, Lichtbildausweise mit sich zu führen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(2) Die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für andere Zwecke ist zulässig, soweit dies

  1. zur Abwehr von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen,
  2. 1. gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind,
  3. 2. eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
  4. 3 auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
  5. zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit,
  6. zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte anderer Personen,
  7. zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten sowie zur Verhinderung oder Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, durch welche die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet werden, oder
  8. für Maßnahmen der Strafvollstreckung oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen

erforderlich ist.

(3) Eine Verarbeitung oder Nutzung für andere Zwecke liegt nicht vor, soweit sie dem gerichtlichen Rechtsschutz nach den §§ 109 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes oder den in § 13 Absatz 3 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung genannten Zwecken dient.

(4) Über die in den Absätzen 1 und 2 geregelten Zwecke hinaus dürfen zuständigen öffentlichen Stellen personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit dies für

  1. Maßnahmen der Gerichtshilfe, Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe oder Führungsaufsicht,
  2. Entscheidungen in Gnadensachen,
  3. gesetzlich angeordnete Statistiken der Rechtspflege,
  4. sozialrechtliche Maßnahmen,
  5. die Einleitung von Hilfsmaßnahmen für Angehörige (§ 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches) der Gefangenen,
  6. dienstliche Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit der Aufnahme und Entlassung von Soldaten,
  7. ausländerrechtliche Maßnahmen oder
  8. die Durchführung der Besteuerung

erforderlich ist. Eine Übermittlung für andere Zwecke ist auch zulässig, soweit

  1. eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf personenbezogene Daten über Gefangene bezieht,
  2. die Daten auf eine fortbestehende erhebliche Gefährlichkeit der Gefangenen für die Allgemeinheit hinweisen und daher Maßnahmen der Polizei zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich machen können.

(5) Öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen dürfen die Vollzugsbehörden auf schriftlichen Antrag mitteilen, ob sich Personen in Haft befinden, ob und wann ihre Entlassung voraussichtlich bevorsteht und wie die Entlassungsadresse lautet, soweit

  1. die Mitteilung zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der öffentlichen Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist oder
  2. von nichtöffentlichen Stellen ein berechtigtes Interesse an dieser Mitteilung glaubhaft dargelegt wird und die Gefangenen kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung haben.

Opfern von Straftaten oder ihren Hinterbliebenen oder den infolge eines Forderungsüberganges zuständigen öffentlichen Stellen können darüber hinaus auf schriftlichen Antrag Auskünfte über die Vermögensverhältnisse der Gefangenen erteilt werden, wenn die Auskünfte zur Feststellung oder Durchsetzung von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich sind. Opfern von Straftaten dürfen auch Auskünfte über die Unterbringung im offenen Vollzug (§ 11) oder die Gewährung von Lockerungen (§ 12) erteilt werden, wenn die Gefangenen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 und 182 des Strafgesetzbuches oder wegen schwerer Gewalttaten verurteilt wurden und die Opfer ihr schutzwürdiges Interesse an den Auskünften nachvollziehbar darlegen. Die Gefangenen werden vor der Mitteilung gehört, es sei denn, hierdurch wird der Zweck der Mitteilung vereitelt. Ist die Anhörung unterblieben, werden die betroffenen Gefangenen über die Mitteilung der Vollzugsbehörden nachträglich unterrichtet.

(6) Akten mit personenbezogenen Daten dürfen nur anderen Vollzugsbehörden, den zur Dienst- oder Fachaufsicht oder zu dienstlichen Weisungen befugten Stellen, den für strafvollzugs-, strafvollstreckungs- und strafrechtliche Entscheidungen zuständigen Gerichten sowie den Strafvollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden einschließlich der Polizei überlassen werden; die Überlassung an andere öffentliche Stellen ist zulässig, soweit die Erteilung einer Auskunft einen unvertretbaren Aufwand erfordert oder nach Darlegung der Akteneinsicht begehrenden Stellen für die Erfüllung der Aufgabe nicht ausreicht. Entsprechendes gilt für die Überlassung von Akten an die von den Vollzugsbehörden mit Gutachten beauftragten Stellen.

(7) Sind mit personenbezogenen Daten, die nach Absatz 1, 2 oder 4 übermittelt werden dürfen, weitere personenbezogene Daten der Betroffenen oder Dritter in Akten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist, so ist die Übermittlung auch dieser Daten zulässig, soweit nicht berechtigte Interessen der Betroffenen oder Dritter an deren Geheimhaltung offensichtlich überwiegen; eine Verarbeitung oder Nutzung dieser Daten durch die Empfänger ist unzulässig.

(8) Bei der Überwachung der Besuche, des Schriftwechsels, der Telefongespräche und der Überwachung des Inhaltes von Paketen bekannt gewordene personenbezogene Daten dürfen nur für die in Absatz 2 und Absatz 4 Satz 2 Nummer 2 aufgeführten Zwecke, für das gerichtliche Verfahren nach den §§ 109 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes, zur Wahrung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder nach Anhörung der Gefangenen für Zwecke der Behandlung verarbeitet und genutzt werden.

(9) Personenbezogene Daten, die gemäß § 119 Absatz 3 über Personen, die nicht Gefangene sind, erhoben worden sind, dürfen nur zur Erfüllung des Erhebungszweckes, für die in Absatz 2 Nummern 1 bis 3 und Absatz 4 Satz 2 Nummer 2 aufgeführten Zwecke oder zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung verarbeitet oder genutzt werden.

(10) Die Übermittlung von personenbezogenen Daten unterbleibt, soweit die in § 124 Absatz 2 und § 126 Absätze 3 und 5 geregelten Einschränkungen oder besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(11) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung tragen die Vollzugsbehörden. Erfolgt die Übermittlung auf Ersuchen einer öffentlichen Stelle, trägt diese die Verantwortung. In diesem Fall prüfen die Vollzugsbehörden nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt und die Absätze 8 bis 10 der Übermittlung nicht entgegenstehen, es sei denn, dass besonderer Anlass zur Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht.

§ 122 Automatisiertes Abrufverfahren, gemeinsame Dateien 09

(1) Zum Abruf personenbezogener Daten durch Dritte darf ein automatisiertes Verfahren eingerichtet werden, soweit dies Zwecken nach § 121 Absatz 2 Nummern 1 bis 3, Nummer 4 erste und zweite Alternative und Nummer 5 und Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 vierte Alternative und Satz 2 Nummer 2 dient und Gefangene betroffen sind, gegen die während des laufenden oder eines vorangegangenen Freiheitsentzuges eine Freiheitsstrafe oder eine Jugendstrafe wegen einer oder mehrerer Straftaten von erheblicher Bedeutung oder wegen einer oder mehrerer Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vollzogen wurde oder zu vollziehen ist. Die Vorschriften über die Zulässigkeit einzelner Abrufe bleiben unberührt. Die Verantwortung für die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs trägt der Empfänger.

(2) Die betroffenen personenbezogenen Daten dürfen für sämtliche Anstalten im Geltungsbereich dieses Gesetzes in einer zentralen Datei gespeichert werden. Die Einrichtung gemeinsamer Dateien ist auch länderübergreifend nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 zulässig.

(3) Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Einrichtung des automatisierten Abrufverfahrens nach Absatz 1 und der gemeinsamen Dateien nach Absatz 2 zu regeln. Die bzw. der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit ist vorher zu hören. Die Verordnung hat die beteiligten Stellen, die Datenart und den Zweck des Abrufs im Einzelnen festzulegen. Sie hat technische und organisatorische Maßnahmen und Maßnahmen zur Datenschutzkontrolle vorzusehen, die in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen. Bei gemeinsamen Dateien ist zusätzlich der Umfang der Verarbeitungsbefugnis der beteiligten Stellen anzugeben und festzulegen, welche Stelle die datenschutzrechtliche Verantwortung gegenüber den Betroffenen trägt und die technischen und organisatorischen Maßnahmen trifft.

(4) Zum automatisierten Abruf durch Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs dürfen personenbezogene Daten nicht bereitgehalten werden.

§ 123 Zweckbindung

Von den Vollzugsbehörden übermittelte personenbezogene Daten dürfen nur zu dem Zweck verarbeitet oder genutzt werden, zu dessen Erfüllung sie übermittelt worden sind. Die Empfänger dürfen die Daten für andere Zwecke nur verarbeiten oder nutzen, soweit sie ihnen auch für diese Zwecke hätten übermittelt werden dürfen, und wenn im Falle einer Übermittlung an nicht öffentliche Stellen die übermittelnden Vollzugsbehörden zugestimmt haben. Die Vollzugsbehörden haben die nicht öffentlichen Empfänger auf die Zweckbindung nach Satz 1 hinzuweisen.

§ 124 Schutz besonderer Daten

(1) Das religiöse oder weltanschauliche Bekenntnis der Gefangenen und personenbezogene Daten, die anlässlich ärztlicher Untersuchungen erhoben worden sind, dürfen in der Anstalt nicht allgemein kenntlich gemacht werden. Dies gilt nicht für andere personenbezogene Daten, deren allgemeine Kenntnis innerhalb der Anstalt für ein geordnetes Zusammenleben erforderlich ist; § 121 Absätze 8 bis 10 bleibt unberührt.

(2) Personenbezogene Daten, die

  1. einem Arzt, Zahnarzt oder Angehörigen eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
  2. einem Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung,
  3. einem staatlich anerkannten Sozialarbeiter oder staatlich anerkannten Sozialpädagogen

von Gefangenen als Geheimnis anvertraut oder über Gefangene sonst bekannt geworden sind, unterliegen auch gegenüber den Vollzugsbehörden der Schweigepflicht. Die in Satz 1 genannten Personen haben sich gegenüber der Anstaltsleitung zu offenbaren, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Vollzugsbehörden oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der Gefangenen oder Dritter erforderlich ist. Arzt und Zahnarzt sind zur Offenbarung ihnen im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsvorsorge bekannt gewordener Geheimnisse gegenüber der Vollzugsbehörde verpflichtet, soweit dies für die von der Vollzugsbehörde vorzunehmende Überprüfung ihrer Tätigkeit bezüglich Abrechnung, Wirtschaftlichkeit und Qualität sowie zum Zwecke der Prüfung der Kostenbeteiligung der Gefangenen (§ 63 Absatz 2) erforderlich ist; betroffen sind vor allem die erbrachten Leistungen, die Behandlungsdauer und die allgemeinen Angaben über die Gefangenen und ihre Erkrankungen. Arzt und Zahnarzt sind zur Offenbarung ihnen im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfürsorge bekannt gewordener Geheimnisse befugt, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Vollzugsbehörden unerlässlich oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der Gefangenen oder Dritter erforderlich ist. Sonstige Offenbarungsbefugnisse bleiben unberührt. Die Gefangenen sind vor der Erhebung über die nach den Sätzen 2 bis 4 bestehenden Offenbarungspflichten und -befugnisse zu unterrichten.

(3) Die nach Absatz 2 offenbarten Daten dürfen nur für den Zweck, für den sie offenbart wurden oder für den eine Offenbarung zulässig gewesen wäre, und nur unter denselben Voraussetzungen verarbeitet oder genutzt werden, unter denen eine in Absatz 2 Satz 1 genannte Person selbst hierzu befugt wäre. Die Anstaltsleitung kann unter diesen Voraussetzungen die unmittelbare Offenbarung gegenüber bestimmten Bediensteten allgemein zulassen.

(4) Sofern Ärzte oder Psychologen außerhalb des Vollzuges mit der Untersuchung oder Behandlung Gefangener beauftragt werden, gilt Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der beauftragte Arzt oder Psychologe auch zur Unterrichtung des Anstaltsarztes oder des in der Anstalt mit der Behandlung der Gefangenen betrauten Psychologen befugt ist.

§ 125 Schutz der Daten in Akten und Dateien

(1) Der einzelne Bedienstete darf sich von personenbezogenen Daten Kenntnis verschaffen, soweit dies zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben oder für die Zusammenarbeit nach § 106 Absatz 2 Satz 2 und § 108 erforderlich ist.

(2) Akten und Dateien mit personenbezogenen Daten sind durch die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen unbefugten Zugang und unbefugten Gebrauch zu schützen. Gesundheitsakten und Therapieakten sind getrennt von anderen Unterlagen zu führen und besonders zu sichern. Im Übrigen gilt für die Art und den Umfang der Schutzvorkehrungen § 8 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung.

§ 126 Berichtigung, Löschung und Sperrung

(1) Die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten sind fünf Jahre nach der Entlassung der Gefangenen oder ihrer Verlegung in eine andere Anstalt zu löschen. Hiervon können bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist für die Gefangenenpersonalakten die Gefangenenbuchnummer, die Angaben über Familienname, Vorname, Geburtsname, Geburtstag, Geburtsort, Eintritts- und Austrittsdatum der Gefangenen sowie die aufnehmende Anstalt bei Verlegung ausgenommen werden, soweit dies für das Auffinden der Gefangenenpersonalakten erforderlich ist.

(2) Aufzeichnungen nach § 120 sind spätestens nach Ablauf eines Monats zu löschen. Dies gilt nicht, wenn und solange eine fortdauernde Speicherung oder Aufbewahrung zur Aufklärung und Verfolgung der aufgezeichneten Vorkommnisse unerlässlich ist.

(3) Personenbezogene Daten in Akten dürfen nach Ablauf von fünf Jahren seit der Entlassung der Gefangenen nur übermittelt oder genutzt werden, soweit dies

  1. zur Verfolgung von Straftaten,
  2. für die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben nach § 128,
  3. zur Behebung einer bestehenden Beweisnot,
  4. zur Feststellung, Durchsetzung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit dem Vollzug einer der in § 1 genannten Freiheitsentziehungen

unerlässlich ist. Diese Verwendungsbeschränkungen enden, wenn die Gefangenen erneut zum Vollzug einer Freiheitsstrafe aufgenommen wird oder die Betroffenen eingewilligt haben.

(4) Bei der Aufbewahrung von Akten mit nach Absatz 3 gesperrten Daten dürfen folgende Fristen nicht überschritten werden:

  1. 20 Jahre für Gefangenenpersonalakten, Gesundheitsakten und Therapieakten,
  2. 30 Jahre für Gefangenenbücher.

Dies gilt nicht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Aufbewahrung für die in Absatz 3 Satz 1 genannten Zwecke weiterhin erforderlich ist. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem auf das Jahr der aktenmäßigen Weglegung folgenden Kalenderjahr.

(5) Wird festgestellt, dass unrichtige Daten übermittelt worden sind, ist dies den Empfängern mitzuteilen, wenn dies zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Betroffenen erforderlich ist.

(6) Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten § 19 Absätze 1 bis 3 und 5 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung. Die Vorschriften des Hamburgischen Archivgesetzes bleiben unberührt.

§ 127 Auskunft an die Betroffenen, Akteneinsicht

Die Betroffenen erhalten nach Maßgabe des § 18 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung Auskunft und, soweit eine Auskunft für die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen nicht ausreicht und sie hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen sind, Akteneinsicht.

§ 128 Auskunft und Akteneinsicht für wissenschaftliche Zwecke

Für die Auskunft und Akteneinsicht für wissenschaftliche Zwecke gilt § 476 der Strafprozessordnung entsprechend.

§ 129 Anwendung des Hamburgischen Datenschutzgesetzes 09

Die Regelungen des Hamburgischen Datenschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung über Begriffsbestimmungen (§ 4), Einholung und Form der Einwilligung des Betroffenen (§ 5 Absatz 2), die Rechte des Betroffenen (§ 6), das Datengeheimnis (§ 7), die Durchführung des Datenschutzes (§ 10), den Schadensersatz (§ 20), die Bestimmungen über die Kontrolle durch den Hamburgischen Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (§§ 23 bis 26) und die Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 32, 33) gelten entsprechend.

Teil 5
Schlussvorschriften

§ 130 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Absatz 2 Sätze 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) und Artikel 10 Absatz 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.

§ 131 Ersetzung und Fortgeltung von Bundesrecht

Dieses Gesetz ersetzt gemäß Artikel 125a Absatz 1 des Grundgesetzes in seinem Geltungsbereich das Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. 1976 I S. 581, 2088, 1977 I S. 436), zuletzt geändert am 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122, 138), mit Ausnahme der Vorschriften über

  1. den Pfändungsschutz (§ 50 Absatz 2 Satz 5, § 51 Absätze 4 und 5, § 75 Absatz 3),
  2. den Aufwendungsersatzanspruch (§ 93),
  3. das gerichtliche Verfahren (§§ 109 bis 121),
  4. die Strafvollstreckung und die Untersuchungshaft (§ 122),
  5. die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt (§§ 136 bis 138),
  6. den Vollzug des Strafarrestes in Justizvollzugsanstalten (§§ 167 bis 170),
  7. den Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§§ 171 bis 175) und
  8. den unmittelbaren Zwang in Justizvollzugsanstalten für andere Arten des Freiheitsentzugs (§ 178).

§ 132 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.

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