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ThürJVollzGB - Thüringer Justizvollzugsgesetzbuch
- Thüringen -
Vom 27. Februar 2014
(GVBl. Nr. 2 vom 06.03.2014 S. 13; 16.11.2023 S. 291 23)
Erster Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Anwendungsbereich, allgemeine Begriffsbestimmungen 23
(1) Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe, der Untersuchungshaft und des Strafarrestes in Justizvollzugsanstalten und Jugendstrafanstalten (Anstalten).
(2) Für den Vollzug der Haft nach § 127b Abs. 2, § 230 Abs. 2, den §§ 236 und 329 Abs. 3, § 412 Satz 1 sowie § 453c der Strafprozessordnung (StPO) sowie der einstweiligen Unterbringung nach § 275a Abs. 6 StPO gelten die Bestimmungen für den Vollzug der Untersuchungshaft entsprechend.
(3) Für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO gelten, soweit eine Anordnung nach § 3 Abs. 3 nicht entgegensteht, die Bestimmungen über den Vollzug der Unterbringung nach den §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuchs (StGB) entsprechend.
(4) Gefangene im Sinne dieses Gesetzes sind Strafgefangene, Jugendstrafgefangene und Untersuchungsgefangene.
(5) Junge Untersuchungsgefangene im Sinne dieses Gesetzes sind solche, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(6) Junge Gefangene im Sinne dieses Gesetzes sind Jugendstrafgefangene und junge Untersuchungsgefangene.
§ 2 Ziel und Aufgabe des Vollzugs der Freiheits- und Jugendstrafe
(1) Der Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe dient dem Ziel, die Straf- und Jugendstrafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Er hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.
(2) Bei Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung dient der Vollzug der Freiheitsstrafe und bei Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung der Vollzug der Jugendstrafe auch dem Ziel, ihre Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbringung oder deren Anordnung möglichst entbehrlich wird.
§ 3 Aufgabe des Vollzugs der Untersuchungshaft, Zusammenarbeit
(1) Der Vollzug der Untersuchungshaft hat die Aufgabe, durch sichere Unterbringung der Untersuchungsgefangenen die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und der Gefahr weiterer Straftaten zu begegnen.
(2) Die Anstalt arbeitet eng mit Gericht und Staatsanwaltschaft zusammen, um die Aufgabe des Vollzugs der Untersuchungshaft zu erfüllen und die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu gewährleisten.
(3) Die Anstalt hat Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO zu beachten und umzusetzen.
§ 4 Stellung der Gefangenen
(1) Die Persönlichkeit der Gefangenen ist zu achten. Ihre Selbständigkeit im Vollzugsalltag ist so weit wie möglich zu erhalten und zu fördern.
(2) Die Gefangenen werden an der Gestaltung des Vollzugsalltags beteiligt. Vollzugliche Maßnahmen sollen ihnen erläutert werden.
(3) Die Gefangenen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt oder zum Vollzug der Untersuchungshaft zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO unerlässlich sind. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Anordnung stehen und dürfen die Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.
§ 5 Besondere Stellung der Untersuchungsgefangenen
Die Untersuchungsgefangenen gelten als unschuldig. Sie sind so zu behandeln, dass der Anschein vermieden wird, sie würden zur Verbüßung einer Strafe festgehalten.
§ 6 Mitwirkung im Vollzug der Freiheits- und Jugendstrafe 23
(1) Zur Erreichung des Vollzugsziels bedarf es der Mitwirkung der Straf- und Jugendstrafgefangenen. Ihre Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern. Bei Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung und bei Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung sind die Motivationsmaßnahmen zu dokumentieren.
(2) Die Jugendstrafgefangenen sind verpflichtet, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken.
(3) Alle Straf- und Jugendstrafgefangenen sind gegenüber den Justizvollzugsbehörden zu wahrheitsgemäßen Angaben zu ihrer Person und zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen verpflichtet. Die Gefangenen sind verpflichtet, jede erhebliche Änderung in diesen Verhältnissen unverzüglich den Justizvollzugsbehörden mitzuteilen.
§ 7 Allgemeine Gestaltungsgrundsätze 23
(1) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen.
(2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. Ein Schwerpunkt ist auf die Verhütung von Selbsttötungen zu richten.
(3) Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gefangenen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Alter und Herkunft, werden bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall berücksichtigt.
(4) Die berechtigten Belange der Opfer begangener Straftaten und die Schutzinteressen gefährdeter Dritter sind bei der Vollzugsgestaltung in angemessenem Umfang zu berücksichtigen.
§ 8 Grundsätze der Gestaltung des Vollzugs der Freiheits- und Jugendstrafe
(1) Der Vollzug der Freiheits- und Jugendstrafe ist auf die Auseinandersetzung der Straf- und Jugendstrafgefangenen mit ihren Straftaten und deren Folgen auszurichten. Das Bewusstsein für den dem Opfer zugefügten Schaden soll geweckt werden.
(2) Der Vollzug der Freiheits- und Jugendstrafe wird von Beginn an auf die Eingliederung der Straf- und Jugendstrafgefangenen in das Leben in Freiheit ausgerichtet.
(3) Ist Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten, ist bereits im Vollzug der Freiheits- oder Jugendstrafe eine individuelle, intensive und therapiegerichtete Betreuung im Sinne des § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB anzubieten. Soweit standardisierte Maßnahmen nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuelle Maßnahmen zu entwickeln und zu unterbreiten.
(4) Der Bezug der Straf- und Jugendstrafgefangenen zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern. Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs sollen in den Vollzugsalltag einbezogen werden. Straf- und Jugendstrafgefangenen ist sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit zu gewähren.
§ 9 Erzieherische Gestaltung des Vollzugs der Jugendstrafe
(1) Der Vollzug der Jugendstrafe ist erzieherisch zu gestalten. Die Jugendstrafgefangenen sind in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu fördern, dass sie zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer befähigt werden.
(2) Erziehung und Förderung erfolgen durch Maßnahmen und Programme zur Entwicklung und Stärkung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Jugendstrafgefangenen im Hinblick auf die Erreichung des Vollzugsziels.
(3) Durch differenzierte Angebote soll auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Erziehungs- und Förderbedarf der Jugendstrafgefangenen eingegangen werden.
(4) Die Maßnahmen und Programme richten sich insbesondere auf die Auseinandersetzung mit den eigenen Straftaten, deren Ursachen und Folgen, die schulische Bildung, berufliche Qualifizierung, soziale Integration und die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens, der freien Zeit sowie der Außenkontakte.
(5) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit dies möglich ist und dem Vollzugsziel nicht zuwiderläuft, in die Planung und Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen.
§ 10 Erzieherische Gestaltung des Vollzugs der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen
(1) Für den Vollzug der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen gilt § 9 Abs. 1 entsprechend.
(2) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit dies möglich ist, in die Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen.
(3) Von der Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes über junge Untersuchungsgefangene kann abgesehen werden, wenn diese volljährig sind und die erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs für sie nicht oder nicht mehr angezeigt ist. Diese Bestimmungen können ausnahmsweise auch über die Vollendung des 24. Lebensjahres hinaus angewendet werden, wenn dies im Hinblick auf die voraussichtlich nur noch geringe Dauer der Untersuchungshaft zweckmäßig erscheint.
(4) Beschränkungen können minderjährigen Untersuchungsgefangenen auch auferlegt werden, soweit es dringend geboten ist, um sie vor einer Gefährdung ihrer Entwicklung zu bewahren.
§ 11 Soziale Hilfe
(1) Die Gefangenen werden darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, insbesondere eine Schuldenregulierung herbeizuführen.
(2) Die Straf- und Jugendstrafgefangenen sollen angehalten werden, den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden wiedergutzumachen.
(3) Die Gefangenen sollen, soweit erforderlich, über die notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung ihrer sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche beraten werden.
(4) Die Beratung der Untersuchungsgefangenen soll die Benennung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Anstalt umfassen, die sich um eine Vermeidung der weiteren Untersuchungshaft bemühen. Auf Wunsch sind den Untersuchungsgefangenen Stellen und Einrichtungen zu benennen, die sie in ihrem Bestreben unterstützen können, einen Ausgleich mit dem Tatopfer zu erreichen oder auf andere Weise zur Wiedergutmachung beizutragen.
Zweiter Abschnitt
Aufnahme, Diagnose und Vollzugsplanung
§ 12 Aufnahmeverfahren
(1) Mit den Gefangenen wird unverzüglich nach der Aufnahme ein Zugangsgespräch geführt, in dem ihre gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Ihnen wird ein Exemplar der Hausordnung ausgehändigt. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner
Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind den Gefangenen auf Verlangen zugänglich zu machen.
(2) Während des Aufnahmeverfahrens dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.
(3) Die Gefangenen werden alsbald ärztlich untersucht.
(4) Die Gefangenen werden dabei unterstützt, etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige, zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der Wohnung und zur Sicherung ihrer Habe außerhalb der Anstalt zu veranlassen.
(5) Den Gefangenen ist Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Vertrauensperson von der Aufnahme in die Anstalt zu benachrichtigen.
(6) Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt werden von der Aufnahme der jungen Gefangenen unverzüglich unterrichtet.
(7) Bei Strafgefangenen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, sind die Möglichkeiten der Abwendung der Vollstreckung durch freie Arbeit oder ratenweise Tilgung der Geldstrafe zu erörtern und zu fördern, um so auf eine möglichst baldige Entlassung hinzuwirken.
(1) Bei Straf- und Jugendstrafgefangenen schließt sich an das Aufnahmeverfahren zur Vorbereitung der Vollzugsplanung das Diagnoseverfahren an.
(2) Das Diagnoseverfahren muss wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen. Insbesondere bei Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung und Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist es von Personen mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation durchzuführen.
(3) Das Diagnoseverfahren erstreckt sich auf die Persönlichkeit, die Lebensverhältnisse, die Ursachen und Umstände der Straftat sowie alle sonstigen Gesichtspunkte, deren Kenntnis für eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung nach der Entlassung notwendig erscheint. Neben den Unterlagen aus der Vollstreckung und dem Vollzug vorangegangener Freiheitsentziehungen sind insbesondere auch Erkenntnisse der Gerichts-, Jugendgerichts- und Bewährungshilfe sowie der Führungsaufsichtsstellen einzubeziehen.
(4) Bei Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung und bei Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung erstreckt sich das Diagnoseverfahren auch auf alle Umstände, die für die Beurteilung der Gefährlichkeit maßgeblich sind.
(5) Im Diagnoseverfahren werden die im Einzelfall die Straffälligkeit begünstigenden Faktoren ermittelt. Gleichzeitig sollen die Fähigkeiten der Straf- und Jugendstrafgefangenen ermittelt werden, deren Stärkung einer erneuten Straffälligkeit entgegenwirken kann.
(6) Im Vollzug der Jugendstrafe ist das Diagnoseverfahren maßgeblich auf die Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs auszurichten.
(7) Das Ergebnis des Diagnoseverfahrens wird mit den Straf- und Jugendstrafgefangenen erörtert.
§ 14 Vollzugs- und Eingliederungsplanung 23
(1) Auf der Grundlage des Ergebnisses des Diagnoseverfahrens wird ein Vollzugs- und Eingliederungsplan erstellt. Er zeigt den Straf- und Jugendstrafgefangenen bereits zu Beginn der Haftzeit unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Vollzugsdauer die zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlichen Maßnahmen auf. Daneben kann er weitere Hilfsangebote und Empfehlungen enthalten. Auf die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Straf- und Jugendstrafgefangenen ist Rücksicht zu nehmen.
(2) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan wird regelmäßig innerhalb der ersten drei Monate nach der Aufnahme erstellt.
(3) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie die darin vorgesehenen Maßnahmen werden für Straf- und Jugendstrafgefangene nach Anlass, spätestens aber alle zwölf Monate überprüft und fortgeschrieben. Bei Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung und bei Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung soll die Frist sechs Monate nicht übersteigen. Bei Jugendstrafen von weniger als drei Jahren erfolgt die Überprüfung regelmäßig alle vier Monate. Die Entwicklung der Straf- und Jugendstrafgefangenen und die in der Zwischenzeit gewonnenen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen. Die durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren.
(4) Die Vollzugs- und Eingliederungsplanung wird mit den Straf- und Jugendstrafgefangenen erörtert. Dabei werden deren Anregungen und Vorschläge einbezogen, soweit sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen.
(5) Zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans führt der Anstaltsleiter eine Konferenz mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durch. Standen die Straf- und Jugendstrafgefangenen vor ihrer Inhaftierung unter Bewährung oder Führungsaufsicht, kann auch der für sie bislang zuständige Bewährungshelfer an der Konferenz beteiligt werden. Den Straf- und Jugendstrafgefangenen wird der Vollzugs- und Eingliederungsplan in der Konferenz eröffnet und erläutert. Sie können auch darüber hinaus an der Konferenz beteiligt werden.
(6) An der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sind nach Möglichkeit in die Planung einzubeziehen. Sie können mit Zustimmung der Straf- und Jugendstrafgefangenen auch an der Konferenz beteiligt werden.
(7) Werden die Straf- und Jugendstrafgefangenen nach der Entlassung voraussichtlich unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht gestellt, so ist dem künftig zuständigen Bewährungshelfer in den letzten zwölf Monaten vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt die Teilnahme an der Konferenz zu ermöglichen und es sind ihm der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen zu übersenden.
(8) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen werden den Straf- und Jugendstrafgefangenen ausgehändigt. Im Vollzug der Jugendstrafe werden sie dem Vollstreckungsleiter und auf Verlangen den Personensorgeberechtigten mitgeteilt.
§ 15 Inhalt des Vollzugs- und Eingliederungsplans 23
Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen sollen insbesondere folgende Angaben enthalten:
Bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung enthalten der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen darüber hinaus Angaben zu sonstigen Maßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 und einer Antragstellung im Sinne des § 119a Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG).
(2) Bei Strafgefangenen sind Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 bis 12, 19 sowie Satz 2, die nach dem Ergebnis des Diagnoseverfahrens als zur Erreichung des Vollzugsziels zwingend erforderlich erachtet werden, als solche zu kennzeichnen und gehen allen anderen Maßnahmen vor. Andere Maßnahmen dürfen nicht gestattet werden, soweit sie die Teilnahme an Maßnahmen nach Satz 1 beeinträchtigen würden.
(3) Die Jugendstrafgefangenen sind verpflichtet, an den im Vollzugs- und Eingliederungsplan als erforderlich erachteten Maßnahmen teilzunehmen.
(4) Spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt hat die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung zu beginnen. Anknüpfend an die bisherige Vollzugsplanung werden ab diesem Zeitpunkt die Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 21 konkretisiert oder ergänzt. Insbesondere ist Stellung zu nehmen zu
§ 15a Diagnoseverfahren, Vollzugs- und Eingliederungsplan bei kurzen Freiheitsstrafen 23
(1) Für den Vollzug von Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr und sechs Monaten wird das Diagnoseverfahren auf die Umstände beschränkt, deren Kenntnis für eine angemessene Vollzugsgestaltung unerlässlich und für die Eingliederung erforderlich ist. Dafür genügt es in der Regel, auf die Informationen aus den der Vollstreckung zugrundeliegenden Urteilen, eine aktuelle Auskunft aus dem Bundeszentralregister, die eigenen Angaben der Gefangenen sowie die Ergebnisse standardisierter Testverfahren, insbesondere solcher zur Erkennung einer Abhängigkeit von Suchtmitteln zurückzugreifen. Stand der oder die Gefangene vor der Inhaftierung unter Bewährung, sind auch die Erkenntnisse der Gerichts-, Jugendgerichts- und Bewährungshilfe sowie der Führungsaufsichtsstellen einzubeziehen.
(2) Bereits vor Abschluss des Diagnoseverfahrens kann vorab über Maßnahmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1, insbesondere nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9, 11, 13 und 19, entschieden werden, soweit sie für eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung nach der Entlassung notwendig erscheinen und die Kürze des voraussichtlichen Freiheitsentzugs einen umgehenden Beginn erfordert, um die Maßnahme vor der Entlassung abschließen zu können.
(3) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan nach § 14 Abs. 1 wird innerhalb von zwei Monaten erstellt. Er enthält neben den bereits nach Absatz 2 getroffenen Maßnahmen die Angaben nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 21 bis 23 sowie in geeigneten Fällen bereits die Angaben zur Konkretisierung der Wiedereingliederung nach § 15 Abs. 4 Satz 2. Weiterhin kann er Angaben zu weiteren Maßnahmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 20 enthalten, soweit diese für eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung nach der Entlassung notwendig und in Anbetracht der voraussichtlich verbleibenden Vollzugsdauer durchführbar sind.
(4) Eine Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans kann unterbleiben, wenn zu dem in § 14 Abs. 3 Satz 1 vorgesehenen Zeitpunkt absehbar ist, dass innerhalb der nächsten sechs Monate die Entlassung erfolgen wird.
(5) Spätestens sechs Monate vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt ist die Wiedereingliederung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 zu konkretisieren, soweit dies bei der Erstellung des Vollzugsplans noch nicht möglich war.
(6) Im Übrigen gelten § 13 Abs. 7, § 14 Abs. 4 bis 8 und § 15 Abs. 2 entsprechend.
(7) Die Absätze 1 bis 6 sind entsprechend anzuwenden, wenn unter den Voraussetzungen nach § 35 Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358) in der jeweils geltenden Fassung mit einer Zurückstellung der Vollstreckung zu rechnen ist und aufgrund dessen die voraussichtliche Vollzugsdauer ein Jahr nicht überschreiten wird.
§ 15b Vollzugsgestaltung bei Ersatzfreiheitsstrafen 23
(1) Wird ausschließlich Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen, findet ein Diagnoseverfahren sowie die Erstellung eines Vollzugs- und Eingliederungsplans nicht statt. Der Vollzug ist bei Gefangenen nach Satz 1 von Beginn an auszurichten auf
Hierzu können bei entsprechendem Bedarf und vorhandener Mitwirkungsbereitschaft Maßnahmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1, insbesondere nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9, 11, 13 und 19 getroffen werden, soweit sie erfolgversprechend erscheinen.
(2) Ist absehbar, dass die zu vollstreckende Ersatzfreiheitsstrafe die Dauer von vier Monaten überschreiten wird, soll die Anstalt einer fehlenden oder unzureichenden Bereitschaft zur Mitwirkung mit geeigneten Maßnahmen entgegenwirken.
(3) Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung nach § 15 Abs. 4 sollen durch die Anstalt umgehend geplant werden.
§ 16 Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs der jungen Untersuchungsgefangenen, Maßnahmen
(1) Nach dem Aufnahmeverfahren wird der Förder- und Erziehungsbedarf der jungen Untersuchungsgefangenen unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit und ihrer Lebensverhältnisse ermittelt.
(2) In einer Konferenz mit an der Erziehung maßgeblich beteiligten Bediensteten werden der Förder- und Erziehungsbedarf erörtert und die sich daraus ergebenden Maßnahmen festgelegt. Diese werden mit den jungen Untersuchungsgefangenen besprochen und den Personensorgeberechtigten auf Verlangen mitgeteilt.
Dritter Abschnitt
Unterbringung und Verlegung
(1) Jeweils getrennt voneinander werden untergebracht
Die Unterbringung erfolgt in eigenständigen Anstalten, zumindest in getrennten Abteilungen. Von Satz 1 und 2 kann beim Vollzug der Trennung nach Satz 1 Nr. 1 im Einzelfall abgewichen werden, soweit sich Gefangene aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität nicht dem in ihrem amtlichen Personenstandseintrag angegebenen, sondern einem anderen Geschlecht oder dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht als zugehörig empfinden. Die konkrete Ausgestaltung der Unterbringung dieser Gefangenen bestimmt sich unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit und Bedürfnisse, der Erreichung des Vollzugsziels sowie der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, einschließlich der Bedürfnisse der übrigen Gefangenen.
(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 können Untersuchungsgefangene zusammen mit Strafgefangenen untergebracht werden
Haben junge Untersuchungsgefangene das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, dürfen sie mit jungen Gefangenen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nur untergebracht werden, wenn eine gemeinsame Unterbringung ihrem Wohl nicht widerspricht. Mit Gefangenen, die das 24. Lebensjahr vollendet haben, dürfen sie nur untergebracht werden, wenn dies ihrem Wohl dient.
(3) Über Absatz 2 hinaus können Gefangene ausnahmsweise mit solchen anderer Haftarten untergebracht werden, wenn ihre geringe Anzahl eine getrennte Unterbringung nicht zulässt und das Vollzugsziel nicht gefährdet wird. Bei jungen Gefangenen muss zudem die erzieherische Gestaltung des Vollzugs gewährleistet sein. Absatz 2 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.
(4) Absatz 1 gilt nicht für eine Unterbringung zum Zwecke der medizinischen Behandlung.
(5) Gemeinsame Maßnahmen, insbesondere zur schulischen und beruflichen Qualifizierung, sind zulässig.
§ 18 Unterbringung während der Einschlusszeiten
(1) Die Gefangenen werden in ihren Hafträumen einzeln untergebracht.
(2) Mit ihrer Zustimmung können sie gemeinsam untergebracht werden, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind. Bei einer Gefahr für Leben oder Gesundheit oder bei Hilfsbedürftigkeit ist die Zustimmung der gefährdeten oder hilfsbedürftigen Gefangenen zur gemeinsamen Unterbringung entbehrlich.
(3) Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig.
§ 19 Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten
(1) Außerhalb der Einschlusszeiten dürfen sich die Gefangenen in Gemeinschaft aufhalten.
(2) Der gemeinschaftliche Aufenthalt kann eingeschränkt werden,
§ 20 Wohngruppenvollzug
(1) Der Wohngruppenvollzug dient der Einübung sozialverträglichen Zusammenlebens, insbesondere von Toleranz sowie der Übernahme von Verantwortung für sich und andere. Er ermöglicht den dort Untergebrachten, ihren Vollzugsalltag weitgehend selbständig zu regeln.
(2) Eine Wohngruppe wird in einem baulich abgegrenzten Bereich mit bis zu 15 Personen eingerichtet, zu dem neben den Hafträumen weitere Räume und Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung gehören. Sie wird in der Regel von fest zugeordneten Bediensteten betreut.
(3) Geeignete junge Gefangene werden grundsätzlich in Wohngruppen untergebracht. Nicht geeignet sind in der Regel junge Gefangene, die aufgrund ihres Verhaltens nicht gruppenfähig sind. Sie sollen durch gezielte Maßnahmen zum Wohngruppenvollzug befähigt werden.
(4) Strafgefangene können in Wohngruppen untergebracht werden.
§ 21 Unterbringung von Sorgeberechtigten mit Kindern
(1) Ein Kind kann mit Zustimmung des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres in der Anstalt untergebracht werden, in der sich ein Sorgeberechtigter befindet, wenn die baulichen Gegebenheiten dies zulassen und Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.
(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung von Sorgeberechtigtem und Kind gefährdet würde.
§ 22 Geschlossener und offener Vollzug
(1) Die Straf- und Jugendstrafgefangenen werden im geschlossenen oder offenen Vollzug untergebracht. Anstalten des offenen Vollzugs oder Abteilungen des offenen Vollzugs sehen keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor.
(2) Die Strafgefangenen sollen im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen, namentlich nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs zu Straftaten missbrauchen werden.
(3) Die Jugendstrafgefangenen sollen im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen, insbesondere verantwortet werden kann, zu erproben, dass sie sich dem Vollzug nicht entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs nicht zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.
(4) Bei Straf- und Jugendstrafgefangenen, gegen die während des laufenden Freiheitsentzugs eine Strafe wegen einer schwerwiegenden Straftat gegen Leib oder Leben oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit Ausnahme der §§ 180a und 181a StGB vollzogen wurde oder zu vollziehen ist, bedarf die Entscheidung, ob eine Unterbringung im offenen Vollzug verantwortet werden kann, besonders gründlicher Prüfung. Bei der Entscheidung sind auch die Feststellungen im Urteil und die im Ermittlungs- oder Strafverfahren erstatteten Gutachten zu berücksichtigen.
(5) Genügen die Straf- und Jugendstrafgefangenen den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs nicht mehr, werden sie im geschlossenen Vollzug untergebracht.
(6) Die Untersuchungsgefangenen werden im geschlossenen Vollzug untergebracht.
§ 23 Verlegung und Überstellung
(1) Die Gefangenen können abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Anstalt verlegt werden, wenn Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe dies erfordern. Sie dürfen aus wichtigem Grund in eine andere Anstalt überstellt werden.
(2) Darüber hinaus können die Straf- und Jugendstrafgefangenen abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Anstalt verlegt werden, wenn die Erreichung des Vollzugsziels hierdurch gefördert wird.
(3) Die Untersuchungsgefangenen können zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO verlegt oder überstellt werden.
(4) Vor einer Verlegung oder Überstellung von Untersuchungsgefangenen ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 12 Abs. 5 gilt entsprechend.
(5) Bei jungen Gefangenen werden die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt, bei Jugendstrafgefangenen auch der Vollstreckungsleiter, von der Verlegung unverzüglich unterrichtet.
Vierter Abschnitt
Sozial- und Psychotherapie
§ 24 Sozialtherapie
(1) Sozialtherapie dient der Verringerung einer erheblichen Gefährlichkeit der Straf- und Jugendstrafgefangenen. Auf der Grundlage einer therapeutischen Gemeinschaft bedient sie sich psychologischer, psychotherapeutischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die in umfassenden Behandlungsprogrammen verbunden werden. Personen aus dem Lebensumfeld der Straf- und Jugendstrafgefangenen außerhalb des Vollzugs werden in die Behandlung einbezogen.
(2) Straf- und Jugendstrafgefangene sind in einer sozialtherapeutischen Abteilung unterzubringen, wenn ihre Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Verringerung ihrer erheblichen Gefährlichkeit angezeigt ist. Eine erhebliche Gefährlichkeit liegt vor, wenn schwerwiegende Straftaten gegen Leib oder Leben, die persönliche Freiheit oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu erwarten sind.
(3) Im Übrigen können Straf- und Jugendstrafgefangene in einer sozialtherapeutischen Abteilung untergebracht werden, wenn die Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Erreichung des Vollzugsziels angezeigt ist.
(4) Die Unterbringung soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, der entweder den Abschluss der Behandlung zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt erwarten lässt oder die Fortsetzung der Behandlung nach der Entlassung ermöglicht. Ist Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten, soll die Unterbringung zu einem Zeitpunkt erfolgen, der den Abschluss der Behandlung noch während des Vollzugs der Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe erwarten lässt.
(5) Die Unterbringung wird beendet, wenn das Ziel der Behandlung aus Gründen, die in der Person des Straf- oder Jugendstrafgefangenen liegen, nicht erreicht werden kann.
§ 25 Psychologische Interventionen und Psychotherapie
Psychologische Intervention und Psychotherapie im Vollzug dienen insbesondere der Behandlung psychischer Störungen des Verhaltens und Erlebens, die in einem Zusammenhang mit der Straffälligkeit stehen. Sie wird durch systematische Anwendung wissenschaftlich fundierter psychologischer und psychotherapeutischer Methoden mit einem oder mehreren Gefangenen durchgeführt.
Fünfter Abschnitt
Arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeit
§ 26 Arbeitstherapeutische Maßnahmen
Arbeitstherapeutische Maßnahmen dienen dazu, dass die Gefangenen Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit einüben, um sie stufenweise an die Grundanforderungen des Arbeitslebens heranzuführen.
§ 27 Arbeitstraining
Arbeitstraining dient dazu, Gefangenen, die nicht in der Lage sind, einer regelmäßigen und erwerbsorientierten Beschäftigung nachzugehen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die eine Eingliederung in das leistungsorientierte Arbeitsleben fördern. Die in der Anstalt dafür vorgehaltenen Maßnahmen sind danach auszurichten, dass sie den Gefangenen für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen vermitteln.
§ 28 Schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen
(1) Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung und vorberufliche Qualifizierung im Vollzug haben das Ziel, die Fähigkeiten der Gefangenen zur Eingliederung und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Haftentlassung zu vermitteln, zu verbessern oder zu erhalten. Bei der Festlegung von Inhalten, Methoden und Organisationsformen der Bildungsangebote werden die Besonderheiten der jeweiligen Zielgruppe berücksichtigt. Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung werden in der Regel als Vollzeitmaßnahme durchgeführt.
(2) Die Jugendstrafgefangenen und minderjährigen Untersuchungsgefangenen sind vorrangig zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Berufsvorbereitungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet.
(3) Geeigneten Straf- und Jugendstrafgefangenen soll die Teilnahme an einer schulischen oder beruflichen Ausbildung ermöglicht werden, die zu einem anerkannten Abschluss führt.
(4) Geeigneten Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse, auch zum Erwerb eines anerkannten Abschlusses, gegeben werden, soweit es die besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen.
(5) Berufliche Qualifizierungsmaßnahmen sind danach auszurichten, dass sie den Gefangenen für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen vermitteln.
(6) Bei der Vollzugsplanung ist darauf zu achten, dass die Straf- und Jugendstrafgefangenen Qualifizierungsmaßnahmen während ihrer Haftzeit abschließen oder sie nach der Inhaftierung fortsetzen können. Können Maßnahmen während der Haftzeit nicht abgeschlossen werden, trägt die Anstalt in Zusammenarbeit mit außervollzuglichen Einrichtungen dafür Sorge, dass die begonnene Qualifizierungsmaßnahme nach der Haft fortgesetzt werden kann.
(7) Nachweise über schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen dürfen keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.
(1) Die Straf- und die Jugendstrafgefangenen sind verpflichtet, eine ihnen zugewiesene, ihren körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit oder sonstige Beschäftigung auszuüben, zu deren Verrichtung sie aufgrund ihres körperlichen Zustandes in der Lage sind. Sie können jährlich bis zu drei Monaten zu Hilfstätigkeiten in der Anstalt verpflichtet werden, mit ihrer Zustimmung auch darüber hinaus. § 15 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Strafgefangene, die die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht haben, und nicht für werdende und stillende Mütter, soweit gesetzliche Beschäftigungsverbote zum Schutz erwerbstätiger Mütter bestehen.
(2) Den Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit Arbeit oder sonstige Beschäftigung angeboten werden, die ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigt. Untersuchungsgefangene sind zur Arbeit oder sonstigen Beschäftigung nicht verpflichtet.
(3) Nehmen die Gefangenen eine Arbeit auf, gelten die von der Anstalt festgelegten Arbeitsbedingungen. Die Arbeit darf nicht zur Unzeit niedergelegt werden.
§ 30 Freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung
(1) Straf- und Jugendstrafgefangenen, die zum Freigang (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) zugelassen sind, soll gestattet werden, einer Arbeit oder einer schulischen oder beruflichen Qualizierungsmaßnahme auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses oder der Selbstbeschäftigung außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn die Beschäftigungsstelle geeignet ist und nicht überwiegende Gründe des Vollzugs entgegenstehen. § 48 gilt entsprechend.
(2) Das Entgelt ist der Anstalt zur Gutschrift für die Straf- und Jugendstrafgefangenen zu überweisen.
§ 31 Freistellung von der Arbeitspflicht zu Erholungszwecken 23
(1) Haben die Gefangenen ein halbes Jahr lang eine Maßnahme nach den §§ 26 und 27 oder eine zugewiesene Arbeit nach § 29 Abs. 1 Satz 1 oder eine Hilfstätigkeit nach § 29 Abs. 1 Satz 2 ausgeübt, so können sie beanspruchen, zehn Arbeitstage von diesen Beschäftigungen freigestellt zu werden. Zeiten, in denen die Gefangenen infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert waren, werden auf das Halbjahr mit bis zu 15 Arbeitstagen angerechnet. Der Anspruch verfällt, wenn die Freistellung nicht innerhalb eines halben Jahres nach seiner Entstehung erfolgt ist.
(2) Auf die Zeit der Freistellung wird bei Straf- und Jugendstrafgefangenen Langzeitausgang (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt. Gleiches gilt für einen Langzeitausgang nach § 47 Abs. 1, soweit er nicht wegen des Todes oder einer lebensgefährlichen Erkrankung naher Angehöriger erteilt worden ist.
(3) Die Gefangenen erhalten für die Zeit der Freistellung ihr Arbeitsentgelt weiter.
(4) Urlaubsregelungen freier Beschäftigungsverhältnisse bleiben unberührt.
(5) Für Maßnahmen nach § 28 Abs. 1 gilt Absatz 1 bis 4 entsprechend.
§ 32 Freistellung von der Arbeit als nichtmonetäre Vergütungskomponente, Anrechnung der Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt 23
(1) Die Arbeit der Straf- und Jugendstrafgefangenen wird neben der Gewährung von Arbeitsentgelt (§ 66 Abs. 1) durch Freistellung von der Arbeit (Freistellung) anerkannt, die auch als Langzeitausgang genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann.
(2) Haben sie zwei Monate lang zusammenhängend eine Arbeit oder sonstige Beschäftigung ausgeübt, so werden sie auf Antrag einen Arbeitstag von der Arbeit freigestellt. § 31 bleibt unberührt. Durch Zeiten, in denen sie ohne ihr Verschulden durch Krankheit, Ausführung, Ausgang, Langzeitausgang, Freistellung von der Arbeit oder sonstige nicht von ihnen zu vertretende Gründe an der Arbeitsleistung gehindert sind, wird die Frist nach Satz 1 gehemmt. Beschäftigungszeiträume von weniger als zwei Monaten bleiben unberücksichtigt.
(3) Die Straf- und Jugendstrafgefangenen können beantragen, dass die Freistellung nach Absatz 2 in Form von Langzeitausgang gewährt wird. § 46 Abs. 2 bis 5 und § 48 gelten entsprechend.
(4) Die Straf- und Jugendstrafgefangenen erhalten für die Zeit der Freistellung von der Arbeit ihre zuletzt gezahlten Arbeitsentgelte weiter.
(5) Stellen die Straf- und Jugendstrafgefangenen keinen Antrag nach Absatz 2 Satz 1 oder Absatz 3 Satz 1 oder kann die Freistellung von der Arbeit nach Maßgabe des Absatzes 3 Satz 2 nicht gewährt werden, so wird sie nach Absatz 2 Satz 1 von der Anstalt auf den Entlassungszeitpunkt der Gefangenen angerechnet.
(6) Eine Anrechnung nach Absatz 5 ist bei Strafgefangenen ausgeschlossen,
(7) Eine Anrechnung nach Absatz 5 bei Jugendstrafgefangenen ist ausgeschlossen
(8) Soweit eine Anrechnung nach den Absätzen 6 und 7 ausgeschlossen ist, erhalten die Straf- und Jugendstrafgefangenen bei ihrer Entlassung für Arbeit oder sonstige Beschäftigung als Ausgleichsentschädigung zusätzlich 15 vom Hundert des Entgelts nach § 66 Abs. 3 und 4. Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung; vor der Entlassung ist der Anspruch nicht verzinslich, nicht abtretbar und nicht vererblich. Strafgefangenen, bei denen eine Anrechnung nach Absatz 6 Nr. 1 ausgeschlossen ist, wird die Ausgleichszahlung bereits nach Verbüßung von jeweils zehn Jahren der Freiheitsstrafe zum Eigengeld (§ 67) gutgeschrieben, soweit sie nicht vor diesem Zeitpunkt entlassen werden; § 57 Abs. 4 StGB gilt entsprechend.
(9) Für Straf- und Jugendstrafgefangene, die an einer Maßnahme nach § 28 teilnehmen, gelten die Absätze 1 bis 8 entsprechend.
Sechster Abschnitt
Besuche, Telefongespräche, Schriftwechsel, andere Formen der Telekommunikation und Pakete
§ 33 Grundsatz
Die Gefangenen haben das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zu verkehren.
(1) Die Gefangenen dürfen regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt im Vollzug der Freiheitsstrafe mindestens zwei, im Vollzug der Untersuchungshaft mindestens drei, im Vollzug der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen mindestens vier Stunden im Monat.
(2) Kontakte der Gefangenen zu ihren leiblichen Kindern und ihren Adoptivkindern unter 18 Jahren werden besonders gefördert. Deren Besuche werden im Umfang von bis zu vier Stunden bei Straf- und Untersuchungsgefangenen nicht auf die Regelbesuchszeiten angerechnet. Bei jungen Gefangenen erfolgt keine Anrechnung.
(3) Besuche von Angehörigen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB werden besonders unterstützt.
(4) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie
(5) Der Anstaltsleiter kann mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) zulassen, wenn dies der Eingliederung der Straf- und Jugendstrafgefangenen dient und sie hierfür geeignet sind.
(6) Besuche von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten und Notaren in einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. Dies gilt auch für Besuche von Beiständen nach § 69 JGG.
§ 35 Untersagung der Besuche
Der Anstaltsleiter kann Besuche untersagen, wenn
§ 36 Durchführung der Besuche
(1) Aus Gründen der Sicherheit können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher mit technischen oder sonstigen Hilfsmitteln absuchen oder durchsuchen lassen. Eine inhaltliche Überprüfung der von Verteidigern oder von Beiständen nach § 69 JGG mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig. § 42 Abs. 2 Satz 2 und 3 bleibt unberührt.
(2) Besuche werden regelmäßig beaufsichtigt. Über Ausnahmen entscheidet der Anstaltsleiter. Die Beaufsichtigung kann mit technischen Hilfsmitteln durchgeführt werden; die betroffenen Personen sind vorher darauf hinzuweisen. Eine Aufzeichnung findet nicht statt.
(3) Besuche von Verteidigern und von Beiständen nach § 69 JGG werden nicht beaufsichtigt.
(4) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn Besucher oder Gefangene gegen dieses Gesetz oder gegen aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen trotz Abmahnung verstoßen oder von den Besuchern ein schädlicher Einfluss auf junge Gefangene ausgeht. Dies gilt auch bei einem Verstoß gegen eine Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen.
(5) Gegenstände dürfen beim Besuch nicht übergeben werden. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch der Verteidiger oder der Beistände nach § 69 JGG übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen sowie für die bei dem Besuch von Rechtsanwälten oder Notaren zur Erledigung einer die Gefangenen betreffenden Rechtssache übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen. Bei dem Besuch von Rechtsanwälten oder Notaren kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt von der Erlaubnis des Anstaltsleiters abhängig gemacht werden. § 42 Abs. 2 Satz 2 und 3 bleibt unberührt.
(6) Der Anstaltsleiter kann im Einzelfall die Nutzung einer Trennvorrichtung anordnen, wenn dies zur Verhinderung einer Übergabe von Gegenständen erforderlich ist.
§ 37 Überwachung der Gespräche
(1) Gespräche dürfen überwacht werden, soweit es im Einzelfall
erforderlich ist.
(2) Gespräche mit Verteidigern oder mit Beiständen nach § 69 JGG werden nicht überwacht.
§ 38 Telefongespräche
(1) Den Gefangenen kann gestattet werden, Telefongespräche zu führen. Die Bestimmungen über den Besuch gelten entsprechend. Eine beabsichtigte Überwachung teilt die Anstalt den Gefangenen rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs und den Gesprächspartnern der Gefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung mit.
(2) Die Kosten der Telefongespräche tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.
§ 39 Schriftwechsel
(1) Die Gefangenen haben das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen.
(2) Die Kosten des Schriftwechsels tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.
§ 40 Untersagung des Schriftwechsels
Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn
§ 41 Sichtkontrolle, Weiterleitung und Aufbewahrung von Schreiben
(1) Die Gefangenen haben das Absenden und den Empfang ihrer Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist.
(2) Ein- und ausgehende Schreiben werden auf verbotene Gegenstände kontrolliert und sind unverzüglich weiterzuleiten.
(3) Die Gefangenen haben eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Sie können sie verschlossen zu ihrer Habe geben.
§ 42 Überwachung des Schriftwechsels
(1) Der Schriftwechsel darf überwacht werden, soweit es im Einzelfall
erforderlich ist.
(2) Der Schriftwechsel der Gefangenen mit ihren Verteidigern oder Beiständen nach § 69 JGG wird nicht überwacht. Liegt dem Vollzug der Freiheits- oder Jugendstrafe eine Straftat nach § 129a StGB, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 StGB, zugrunde, gelten § 148 Abs. 2 und § 148a StPO entsprechend; dies gilt nicht, wenn die Straf- oder Jugendstrafgefangenen sich im offenen Vollzug befinden oder wenn ihnen Lockerungen nach § 46 Abs. 1 gewährt worden sind und ein Grund, der den Anstaltsleiter zum Widerruf von Lockerungen ermächtigt, nicht vorliegt. Satz 2 gilt auch, wenn eine Freiheits- oder Jugendstrafe wegen einer Straftat nach § 129a StGB, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 StGB, erst im Anschluss an den Vollzug der Freiheits- oder Jugendstrafe, der eine andere Verurteilung zugrunde liegt, zu vollstrecken ist.
(3) Nicht überwacht werden ferner Schreiben der Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, den Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, den zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und die entsprechenden nationalen Präventionsmechanismen, die konsularische Vertretung ihres Heimatlandes und weitere Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. Satz 1 gilt auch für den Schriftverkehr mit den Bürgerbeauftragten der Länder und den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Schreiben der in den Sätzen 1 bis 3 genannten Stellen, die an die Gefangenen gerichtet sind, werden nicht überwacht, sofern die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht.
§ 43 Anhalten von Schreiben
(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten, wenn
(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn die Gefangenen auf dem Absenden bestehen.
(3) Sind Schreiben angehalten worden, wird das den Gefangenen mitgeteilt. Hiervon kann im Vollzug der Untersuchungshaft abgesehen werden, wenn und solange es dessen Aufgabe erfordert. Soweit angehaltene Schreiben nicht beschlagnahmt werden, werden sie an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen nicht angezeigt ist, verwahrt.
(4) Schreiben, deren Überwachung ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.
§ 44 Andere Formen der Telekommunikation
Nach Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes durch die Aufsichtsbehörde (§ 113 Abs. 1) kann der Anstaltsleiter den Gefangenen gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. Die Bestimmungen dieses Abschnitts gelten entsprechend.
§ 45 Pakete
(1) Den Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu empfangen. Der Empfang von Paketen mit Nahrungs- und Genussmitteln ist untersagt. Die Anstalt kann Anzahl, Gewicht und Größe von Sendungen und einzelnen Gegenständen festsetzen. Über § 55 Abs. 1 Satz 2 hinaus kann sie Gegenstände und Verpackungsformen ausschließen, die einen unverhältnismäßigen Kontrollaufwand bedingen.
(2) Die Anstalt kann die Annahme von Paketen, deren Einbringung nicht gestattet ist oder die die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllen, ablehnen oder solche Pakete an den Absender zurücksenden.
(3) Pakete sind in Gegenwart der Gefangenen zu öffnen, an die sie adressiert sind. Mit nicht zugelassenen oder ausgeschlossenen Gegenständen ist nach § 58 Abs. 3 zu verfahren. Sie können auch auf Kosten der Gefangenen zurückgesandt werden.
(4) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung unerlässlich ist.
(5) Den Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Der Inhalt kann aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung überprüft werden.
(6) Die Kosten des Paketversandes tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.
Siebter Abschnitt
Lockerungen und sonstige Aufenthalte außerhalb der Anstalt
§ 46 Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels
(1) Aufenthalte außerhalb der Anstalt ohne Aufsicht (Lockerungen) können den Straf- und Jugendstrafgefangenen zur Erreichung des Vollzugsziels gewährt werden, namentlich
Vor Gewährung von Lockerungen nach Satz 1 Nr. 3 und 5 wird der Vollstreckungsleiter gehört.
(2) Die Lockerungen dürfen gewährt werden, wenn verantwortet werden kann, zu erproben, dass die Straf- und Jugendstrafgefangenen sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe nicht entziehen oder die Lockerungen nicht zu Straftaten missbrauchen werden. Jugendstrafgefangenen können sie versagt werden, wenn sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen.
(3) Bei Straf- und Jugendstrafgefangenen, gegen die während des laufenden Freiheitsentzugs eine Strafe wegen einer schwerwiegenden Straftat gegen Leib oder Leben oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit Ausnahme der §§ 180a und 181a StGB vollzogen wurde oder zu vollziehen ist, bedarf die Entscheidung, ob Lockerungen gewährt werden können, besonders gründlicher Prüfung. Bei der Entscheidung sind auch die Feststellungen im Urteil und die im Ermittlungs- oder Strafverfahren erstatteten Gutachten zu berücksichtigen.
(4) Ein Langzeitausgang nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 soll in der Regel erst gewährt werden, wenn die Straf- oder Jugendstrafgefangenen sich mindestens sechs Monate im Straf- oder Jugendstrafvollzug befunden haben. Zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Strafgefangene können einen Langzeitausgang erst erhalten, wenn sie sich einschließlich einer vorhergehenden Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung in der Regel zehn Jahre im Vollzug befunden haben oder wenn sie im offenen Vollzug untergebracht sind.
(5) Durch Lockerungen wird die Vollstreckung der Freiheits- oder Jugendstrafe nicht unterbrochen.
§ 47 Lockerungen aus sonstigen Gründen
(1) Lockerungen können auch aus wichtigem Anlass gewährt werden. Wichtige Anlässe sind insbesondere die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, die medizinische Behandlung der Straf- und Jugendstrafgefangenen sowie der Tod oder eine lebensgefährliche Erkrankung naher Angehöriger der Straf- und Jugendstrafgefangenen.
(2) § 46 Abs. 2, 3 und 5 gilt entsprechend.
§ 48 Weisungen für Lockerungen
Für Lockerungen sind die nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Weisungen zu erteilen. Bei der Ausgestaltung der Lockerungen ist nach Möglichkeit auch den Belangen des Opfers Rechnung zu tragen.
§ 49 Ausführung, Außenbeschäftigung, Vorführung, Ausantwortung
(1) Den Gefangenen kann das Verlassen der Anstalt unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht gestattet werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist (Ausführung). Die Gefangenen können auch gegen ihren Willen ausgeführt werden. Liegt die Ausführung ausschließlich im Interesse der Gefangenen, können ihnen die Kosten auferlegt werden. Hiervon ist bei Straf- und Jugendstrafgefangenen abzusehen, soweit dies die Erreichung des Vollzugsziels, insbesondere die Eingliederung, behindert.
(2) Ausführungen zur Befolgung einer gerichtlichen Ladung sind zu ermöglichen, soweit darin das persönliche Erscheinen angeordnet ist.
(3) Vor der Gewährung einer Ausführung Untersuchungsgefangener ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Straf- und Jugendstrafgefangenen kann gestattet werden, außerhalb der Anstalt einer regelmäßigen Beschäftigung unter ständiger Aufsicht oder unter Aufsicht in unregelmäßigen Abständen (Außenbeschäftigung) nachzugehen. § 46 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
(5) Auf Ersuchen eines Gerichts werden Gefangene vorgeführt, sofern ein Vorführungsbefehl vorliegt. Über Untersuchungsgefangene betreffende Vorführungsersuchen in anderen als dem der Inhaftierung zu Grunde liegenden Verfahren sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.
(6) Gefangene dürfen befristet dem Gewahrsam eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft oder einer Polizei-, Zoll- oder Finanzbehörde auf Antrag überlassen werden (Ausantwortung). Absatz 3 gilt entsprechend.
Achter Abschnitt
Vorbereitung der Eingliederung, Entlassung und nachgehende Betreuung
§ 50 Vorbereitung der Eingliederung
(1) Die Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung sind auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Entlassung in die Freiheit abzustellen. Die Straf- und Jugendstrafgefangenen sind bei der Ordnung ihrer persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu unterstützen. Dies umfasst die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen.
(2) Die Anstalt arbeitet frühzeitig mit Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs zusammen, insbesondere um zu erreichen, dass die Straf- und Jugendstrafgefangenen nach ihrer Entlassung über eine geeignete Unterbringung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen. Bewährungshilfe und Führungsaufsichtstelle beteiligen sich frühzeitig an der sozialen und beruflichen Eingliederung der Straf- und Jugendstrafgefangenen.
(3) Haben sich die Straf- und Jugendstrafgefangenen mindestens sechs Monate im Vollzug befunden, kann ihnen ein zusammenhängender Langzeitausgang bis zu sechs Monaten gewährt werden, wenn dies zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlich ist. § 46 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2, 3 und 5 sowie § 48 gelten entsprechend.
(4) In einem Zeitraum von sechs Monaten vor der voraussichtlichen Entlassung sind den Straf- und Jugendstrafgefangenen die zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlichen Lockerungen zu gewähren, sofern nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sie sich dem Vollzug der Freiheits- oder Jugendstrafe entziehen oder die Lockerungen zu Straftaten missbrauchen werden.
§ 51 Entlassung der Straf- und Jugendstrafgefangenen
(1) Die Straf- und Jugendstrafgefangenen sollen am letzten Tag ihrer Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden.
(2) Fällt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 6. Januar, so können die Straf- und Jugendstrafgefangenen an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies gemessen an der Dauer der Strafzeit vertretbar ist und Gründe der Fürsorge nicht entgegenstehen.
(3) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tage vorverlegt werden, wenn die Straf- und Jugendstrafgefangenen zu ihrer Eingliederung hierauf dringend angewiesen sind.
(4) Bedürftigen Straf- und Jugendstrafgefangenen kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.
§ 52 Nachgehende Betreuung
Mit Zustimmung des Anstaltsleiters können Bedienstete an der nachgehenden Betreuung entlassener Straf- und Jugendstrafgefangener mit deren Einverständnis mitwirken, wenn ansonsten die Eingliederung gefährdet wäre. Die nachgehende Betreuung kann auch außerhalb der Anstalt erfolgen. In der Regel ist sie auf die ersten sechs Monate nach der Entlassung begrenzt.
§ 53 Verbleib oder Aufnahme auf freiwilliger Grundlage
(1) Sofern es die Belegungssituation zulässt, können die Straf- und Jugendstrafgefangenen auf Antrag ausnahmsweise vorübergehend in der Anstalt verbleiben oder wieder aufgenommen werden, wenn die Eingliederung gefährdet und ein Aufenthalt in der Anstalt aus diesem Grunde gerechtfertigt ist.
(2) Die Jugendstrafgefangenen können ausnahmsweise nach ihrer Entlassung im Vollzug begonnene Ausbildungs- oder Behandlungsmaßnahmen fortführen, soweit diese nicht anderweitig durchgeführt werden können. Hierzu können sie vorübergehend in der Anstalt untergebracht werden.
(3) Die Unterbringung erfolgt auf vertraglicher Basis. Gegen die in der Anstalt untergebrachten Entlassenen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.
(4) Bei Störung des Anstaltsbetriebs durch die Entlassenen oder aus vollzugsorganisatorischen Gründen können die Unterbringung und die Maßnahme jederzeit beendet werden.
§ 54 Entlassung der Untersuchungsgefangenen
(1) Auf Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft entlässt die Anstalt die Untersuchungsgefangenen unverzüglich aus der Haft, es sei denn, es ist in anderer Sache eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung zu vollziehen.
(2) Aus Gründen der Fürsorge kann den Untersuchungsgefangenen der freiwillige Verbleib in der Anstalt bis zum Vormittag des zweiten auf den Eingang der Entlassungsanordnung folgenden Werktags gestattet werden. Der freiwillige Verbleib setzt das schriftliche Einverständnis der Untersuchungsgefangenen voraus, dass die bisher bestehenden Beschränkungen aufrechterhalten bleiben.
(3) § 51 Abs. 4 gilt entsprechend.
Neunter Abschnitt
Grundversorgung und Freizeit
§ 55 Einbringen von Gegenständen
(1) Gegenstände dürfen durch oder für die Gefangenen nur mit Zustimmung der Anstalt eingebracht werden. Die Anstalt kann die Zustimmung verweigern, wenn die Gegenstände geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden oder ihre Aufbewahrung nach Art oder Umfang offensichtlich nicht möglich ist.
(2) Das Einbringen von Nahrungs- und Genussmitteln ist nicht gestattet. Der Anstaltsleiter kann eine abweichende Regelung treffen.
§ 56 Gewahrsam an Gegenständen
(1) Die Gefangenen dürfen Gegenstände nur mit Zustimmung der Anstalt in Gewahrsam haben, annehmen oder abgeben.
(2) Ohne Zustimmung dürfen sie Gegenstände von geringem Wert an andere Gefangene weitergeben und von anderen Gefangenen annehmen; die Abgabe und Annahme dieser Gegenstände und der Gewahrsam daran können von der Zustimmung der Anstalt abhängig gemacht werden.
§ 57 Ausstattung des Haftraums
Die Gefangenen dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten oder diese dort aufbewahren. Gegenstände dürfen nicht in den Haftraum eingebracht werden oder werden aus dem Haftraum entfernt, wenn
§ 58 Aufbewahrung und Vernichtung von Gegenständen 23
(1) Gegenstände, die die Gefangenen nicht im Haftraum aufbewahren dürfen oder wollen, werden von der Anstalt aufbewahrt, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist.
(2) Den Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, ihre Gegenstände, die sie während des Vollzugs und für ihre Entlassung nicht benötigen, auf ihre Kosten zu versenden. § 45 Abs. 6 gilt entsprechend. Geld wird ihnen als Eigengeld gutgeschrieben.
(3) Werden Gegenstände, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, von den Gefangenen trotz Aufforderung nicht aus der Anstalt verbracht, so darf die Anstalt diese Gegenstände auf Kosten der Gefangenen außerhalb der Anstalt verwahren, verwerten oder vernichten. Für die Voraussetzungen und das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 29 des Polizeiaufgabengesetzes vom 4. Juni 1992 (GVBl. S. 199) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend.
(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.
§ 59 Religiöse Schriften und Gegenstände
Die Gefangenen dürfen grundlegende religiöse Schriften sowie in angemessenem Umfang Gegenstände des religiösen Gebrauchs besitzen. Diese dürfen Gefangenen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.
§ 60 Zeitungen und Zeitschriften
(1) Die Gefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Ausgeschlossen sind lediglich Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.
(2) Den Straf- und Jugendstrafgefangenen können einzelne Ausgaben vorenthalten oder entzogen werden, wenn deren Inhalte die Erreichung des Vollzugsziels oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würden.
(3) Den Untersuchungsgefangenen können Zeitungen oder Zeitschriften vorenthalten werden, wenn dies zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO erforderlich ist. Für einzelne Ausgaben gilt dies auch dann, wenn deren Inhalte die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würden.
§ 61 Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik 23
(1) Der Zugang zum Rundfunk ist zu ermöglichen.
(2) Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte werden zugelassen, wenn nicht Gründe des § 57 Satz 2 oder bei jungen Gefangenen erzieherische Gründe entgegenstehen. Andere Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik können unter diesen Voraussetzungen zugelassen werden. Die Nutzungskosten tragen die Gefangenen. Die Gefangenen können auf Mietgeräte oder auf ein Haftraummediensystem verwiesen werden. § 44 bleibt unberührt.
(3) Der Rundfunkempfang kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Gefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, bei einzelnen Untersuchungsgefangenen auch zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO unerlässlich ist.
§ 62 Kleidung
(1) Die Straf- und Jugendstrafgefangenen tragen Anstaltskleidung. Der Anstaltsleiter kann eine abweichende Regelung treffen.
(2) Die Untersuchungsgefangenen dürfen eigene Kleidung tragen. Dieses Recht kann eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, soweit es zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO oder zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.
(3) Für Reinigung und Instandsetzung eigener Kleidung haben die Gefangenen auf ihre Kosten zu sorgen. Der Anstaltsleiter kann anordnen, dass Reinigung und Instandhaltung nur durch Vermittlung der Anstalt erfolgen dürfen.
§ 63 Verpflegung und Einkauf
(1) Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung entsprechen den Anforderungen an eine gesunde Ernährung und werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Den Gefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen.
(2) Den Gefangenen wird ermöglicht einzukaufen. Die Anstalt wirkt auf ein Angebot hin, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt. Das Verfahren des Einkaufs regelt der Anstaltsleiter. Straf- und Jugendstrafgefangene können Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemittel nur vom Haus- und Taschengeld, andere Gegenstände in angemessenen Umfang auch vom Eigengeld einkaufen.
§ 64 Annehmlichkeiten im Vollzug der Untersuchungshaft
Die Untersuchungsgefangenen dürfen sich auf ihre Kosten von den § 57 sowie §§ 59 bis 63 nicht umfasste Annehmlichkeiten verschaffen, soweit und solange weder eine Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO entgegensteht noch die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird.
§ 65 Freizeit
(1) Zur Ausgestaltung der Freizeit hat die Anstalt insbesondere Angebote zur sportlichen und kulturellen Betätigung und Bildungsangebote vorzuhalten. Die Anstalt stellt eine angemessen ausgestattete Bücherei zur Verfügung.
(2) Dem Sport kommt bei der Gestaltung des Vollzugs der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen besondere Bedeutung zu. Für die jungen Gefangenen sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten, um ihnen eine sportliche Betätigung von mindestens zwei Stunden wöchentlich zu ermöglichen.
(3) Im Vollzug der Jugendstrafe dient der Sport auch der Erreichung des Vollzugsziels und kann zur Diagnostik und gezielten Behandlung eingesetzt werden.
(4) Die Gefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten.
Zehnter Abschnitt
Vergütung, Gelder der Gefangenen und Kosten
(1) Gefangene, die eine zugewiesene Arbeit, arbeitstherapeutische Maßnahmen oder Arbeitstraining ausüben, erhalten Arbeitsentgelt. Gefangene, die während der Arbeitszeit ganz oder teilweise an einer schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahme teilnehmen, erhalten hierfür eine Ausbildungsbeihilfe, soweit kein Anspruch auf andere Leistungen besteht, die freien Personen aus solchem Anlass zustehen.
(2) Nehmen beschäftigte Gefangene während der Arbeitszeit an im Vollzugsplan festgelegten Maßnahmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 bis 10, 19 sowie Satz 2 teil, erhalten sie für deren Dauer ihr Arbeitsentgelt oder die Ausbildungsbeihilfe (Vergütung) nach Absatz 1 weiter, soweit diese Maßnahmen für die Strafgefangenen nach § 15 Abs. 2 als zwingend erforderlich, für die Jugendstrafgefangenen nach § 15 Abs. 3 als erforderlich erachtet wurden oder Teil des Behandlungsprogramms der sozialtherapeutischen Abteilung sind. Die durch den Beschäftigungsausfall nach Satz 1 entgangene Vergütung umfasst die tatsächlich entgangene Vergütung für die Zeiten, zu welchen die Gefangenen tatsächliche Leistungen erbracht hätten, einschließlich der Zeiten hierzu unbedingt erforderlicher vollzugsorganisatorischer Abläufe. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, sofern die Gefangenen zur maßgeblichen Zeit nicht gearbeitet oder nicht an der schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahme teilgenommen hätten, insbesondere, weil sie krankheitsbedingt oder auch betriebsbedingt hieran gehindert waren.
(3) Der Bemessung der Vergütung nach Absatz 1 ist der 250. Teil (Tagessatz) von 9 vom Hundert der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) zugrunde zu legen (Eckvergütung). Die Vergütung kann nach einem Stundensatz bemessen werden.
(4) Die Vergütung kann je nach Art der Maßnahme und der Leistung der Gefangenen gestuft werden; dabei grundsätzlich 60 vom Hundert der Eckvergütung nicht unterschritten werden. Die Anstalt kann jedoch die Vergütung weiter absenken und im Einzelfall auf null reduzieren, soweit die Leistungen der Gefangenen trotz wiederholter Abmahnung überwiegend mangelhaft oder unzureichend sind, obwohl sie aufgrund ihres Gesundheitszustands sowie ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu weitgehend ordnungsgemäßen Leistungen in der Lage wären. Das für Justiz zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung entsprechende Vergütungsstufen festzusetzen.
(5) Die Höhe der Vergütung wird den Gefangenen schriftlich bekannt gegeben.
(6) Soweit Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu entrichten sind, kann von der Vergütung der Betrag einbehalten werden, der dem Anteil der Gefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie die Vergütung als Arbeitnehmer erhielten.
(1) Das Eigengeld besteht aus den Beträgen, die die Gefangenen bei der Aufnahme in die Anstalt mitbringen und die sie während der Haftzeit erhalten, und der Vergütung, soweit diese nicht als Hausgeld oder Überbrückungsgeld und bei Strafgefangenen als Haftkostenbeitrag in Anspruch genommen wird.
(2) Die Gefangenen können über das Eigengeld verfügen. § 63 Abs. 2 sowie §§ 70, 71 und 71a bleiben unberührt.
(1) Straf- und Jugendstrafgefangenen wird auf Antrag Taschengeld gewährt, soweit ihnen aus Hausgeld (§ 70) und Eigengeld (§ 67) monatlich ein Betrag bis zur Höhe des Taschengelds voraussichtlich nicht zur Verfügung steht und sie auch im Übrigen bedürftig sind.
(2) Straf- und Jugendstrafgefangene gelten als nicht bedürftig, wenn ihnen ein Betrag nach Absatz 1 deshalb nicht zur Verfügung steht, weil sie eine ihnen zugewiesene Arbeit oder schulische oder berufliche Qualifizierungsmaßnahme nicht angenommen oder eine ausgeübte Arbeit verschuldet verloren haben.
(3) In Ausnahmefällen, namentlich zur Überbrückung einer unverschuldeten Bedürftigkeit zu Beginn der Inhaftierung, kann die Anstalt Untersuchungsgefangenen auf Antrag für bis zu drei Monaten Taschengeld gewähren. Bedürftig sind sie, soweit ihnen im laufenden Monat ein Betrag bis zur Höhe des Taschengelds voraussichtlich nicht aus eigenen Mitteln zur Verfügung steht.
(4) Das Taschengeld beträgt 14 vom Hundert der Eckvergütung (§ 66 Abs. 3). Es wird zu Beginn des Monats im Voraus gewährt. Gehen den Gefangenen im Laufe des Monats Gelder zu, wird zum Ausgleich ein Betrag bis zur Höhe des gewährten Taschengelds einbehalten.
(5) Die Gefangenen dürfen über das Taschengeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. Im Vollzug der Freiheits- und Jugendstrafe wird es dem Hausgeldkonto gutgeschrieben.
(1) Für die Gefangenen werden Hausgeld- und Eigengeldkonten, für die Straf- und Jugendstrafgefangenen darüber hinaus Überbrückungsgeldkonten in der Anstalt geführt.
(2) Der Besitz von Bargeld in der Anstalt ist den Gefangenen nicht gestattet. Über Ausnahmen entscheidet der Anstaltsleiter.
(3) Geld in Fremdwährung wird zur Habe genommen.
§ 70 Hausgeld
(1) Das Hausgeld wird aus vier Siebteln der in diesem Gesetz geregelten Vergütung gebildet.
(2) Für Straf- und Jugendstrafgefangene, die aus einem freien Beschäftigungsverhältnis, aus einer Selbstbeschäftigung oder anderweitig regelmäßige Einkünfte haben, wird daraus ein angemessenes monatliches Hausgeld festgesetzt.
(3) Für Straf- und Jugendstrafgefangene, die über Eigengeld (§ 67) verfügen und keine hinreichende Vergütung nach diesem Gesetz erhalten, gilt Absatz 2 entsprechend.
(4) Die Straf- und Jugendstrafgefangenen dürfen über das Hausgeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.
§ 71 Zweckgebundene Einzahlungen
Für Maßnahmen der Eingliederung, insbesondere für Kosten der Gesundheitsfürsorge und der Aus- und Fortbildung, für Maßnahmen der Pflege sozialer Beziehungen, insbesondere Telefonkosten und Fahrtkosten anlässlich von Lockerungen, kann zweckgebunden Geld eingezahlt werden. Das Geld darf nur für diese Zwecke verwendet werden. Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.
(1) Aus der in diesem Gesetz geregelten Vergütung und aus den sonstigen Einkünften der Straf- und Jugendstrafgefangenen, insbesondere aus einem freien Beschäftigungsverhältnis, ist ein Vermögen zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt der Straf- und Jugendstrafgefangenen und ihrer Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach der Entlassung sichern soll (Überbrückungsgeld).
(2) Das Überbrückungsgeld ist bei der erstmaligen Erstellung des Vollzugs- und Eingliederungsplans festzusetzen. Erfolgt im Fall des § 15a Abs. 2 eine Zuweisung von Arbeit bereits vor Fertigstellung des Vollzugs- und Eingliederungsplans, ist das Überbrückungsgeld zu dem früheren Zeitpunkt festzusetzen. Im Fall des § 15b kann bei Gefangenen, die über Einkünfte verfügen, ein Überbrückungsgeld festgesetzt werden, soweit dies zur Verwirklichung der Vollzugsziele nach § 15b Abs. 1 Satz 2 dienlich erscheint.
(3) Zur Berechnung der Höhe des Überbrückungsgeldes in den Fällen der §§ 15 und 15a ist Ausgangspunkt der für das Jahr der Erstellung des Vollzugs- und Eingliederungsplanes maßgebliche Wert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Das Überbrückungsgeld beträgt das Vierfache dieses Wertes. Abweichend hiervon kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ein höherer Betrag bestimmt werden, insbesondere aufgrund absehbarer Unterhaltspflichten nach der Entlassung. Das Überbrückungsgeld soll bei wesentlichen Änderungen der für die Festsetzung maßgeblichen Grundlagen im Rahmen der turnusmäßigen Fortschreibungen des Vollzugs- und Eingliederungsplanes angepasst werden.
(4) Zur Bildung des Überbrückungsgeldes wird die in diesem Gesetz geregelte Vergütung dem Überbrückungsgeldkonto bis zum Erreichen des nach den Absätzen 2 und 3 festgesetzten Betrages zugeführt, soweit sie den Gefangenen nicht nach § 70 als Hausgeld zusteht. Bei Straf- und Jugendstrafgefangenen, die aus einem freien Beschäftigungsverhältnis, aus einer Selbstbeschäftigung oder anderweitig regelmäßige Einkünfte erzielen, wird der nach Festsetzung des Hausgeldes nach § 70 Abs. 2 verbleibende Betrag entsprechend Satz 1 dem Überbrückungsgeldkonto zugeführt.
(5) Das Überbrückungsgeld wird den Gefangenen bei der Entlassung aus dem Vollzug ausgezahlt. Die Anstalt kann das Überbrückungsgeld auch ganz oder zum Teil einem gerichtlich bestellten Betreuer oder einer mit der Betreuung von Entlassenen befassten Person oder Einrichtung überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an die Gefangenen ausgezahlt wird. Die empfangende Stelle nach Satz 2 ist verpflichtet, das Überbrückungsgeld von ihrem Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung der Gefangenen kann das Überbrückungsgeld auch einem oder mehreren Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.
(6) Der Anstaltsleiter kann gestatten, dass das Überbrückungsgeld bereits vor der Entlassung für Ausgaben in Anspruch genommen wird, die der Eingliederung der Gefangenen oder dem Ausgleich eines durch ihre Straftaten verursachten Schadens dienen.
(7) Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist unpfändbar. Erreicht das Überbrückungsgeld nicht die nach den Absätzen 2 und 3 festgesetzte Höhe, ist in Höhe des Unterschiedsbetrages auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes unpfändbar. Im Fall der Barauszahlung unterliegt Bargeld der entlassenen Gefangenen für die Dauer von vier Wochen ab der Entlassung insoweit nicht der Pfändung, als es dem Teil der Ansprüche für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf der vier Wochen entspricht.
(8) Absatz 7 gilt nicht bei einer Pfändung wegen der in § 850d Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung bezeichneten Unterhaltsansprüche. Den entlassenen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, wie sie für ihren notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung ihrer sonstigen gesetzlichen Unterhaltspflichten für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung benötigen.
§ 72 Haftkostenbeitrag, Kostenbeteiligung
(1) Die Anstalt erhebt von den Strafgefangenen, die sich in einem freien Beschäftigungsverhältnis beÞ nden oder über anderweitige regelmäßige Einkünfte verfügen, für diese Zeit einen Haftkostenbeitrag. Vergütungen nach diesem Gesetz bleiben unberücksichtigt. Den Strafgefangenen muss täglich ein Tagessatz nach § 66 Abs. 3 verbleiben. Von der Geltendmachung des Anspruchs ist abzusehen, soweit die Wiedereingliederung der Strafgefangenen hierdurch gefährdet würde.
(2) Der Haftkostenbeitrag wird in Höhe des Betrags erhoben, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB IV durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Bei Selbstverpflegung entfallen die für die Verpflegung vorgesehenen Beträge. Für den Wert der Unterkunft ist die festgesetzte Belegungsfähigkeit maßgebend.
(3) Die Gefangenen können an den Betriebskosten der in ihrem Gewahrsam befindlichen Geräte beteiligt werden.
(1) Die Gefangenen sind verpflichtet, der Anstalt Schäden zu ersetzen, die sie durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung, Verletzung anderer Personen oder Beschädigung fremder Sachen verursacht haben. Ansprüche aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(2) Die Anstalt kann Ansprüche nach Absatz 1 durch Bescheid gegen die Gefangenen festsetzen. Dem Bescheid ist eine Erklärung beizufügen, durch welche die Gefangenen über den Rechtsbehelf, der gegen den Bescheid gegeben ist, über das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen ist, dessen Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt werden. Bei der Geltendmachung der Forderungen kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 66 Abs. 3 übersteigender Teil des Hausgeldes nach § 70 in Anspruch genommen werden.
(3) Von der Aufrechnung oder Vollstreckung wegen der in Absatz 1 genannten Forderungen ist abzusehen, soweit und solange hierdurch die Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 gefährdet würde.
Elfter Abschnitt
Gesundheitsfürsorge
§ 73 Art und Umfang der medizinischen Leistungen, Kostenbeteiligung
(1) Die Gefangenen haben einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und unter Berücksichtigung des allgemeinen Standards der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Anspruch umfasst auch Vorsorgeleistungen, ferner die Versorgung mit Hilfsmitteln, soweit diese mit Rücksicht auf die Dauer des Freiheitsentzugs nicht ungerechtfertigt ist und die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind.
(2) An den Kosten nach Absatz 1 können die Gefangenen in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens jedoch bis zum Umfang der Beteiligung vergleichbarer gesetzlich Versicherter. Für Leistungen, die über Absatz 1 hinausgehen, können den Gefangenen die gesamten Kosten auferlegt werden.
(3) Erhalten die Gefangenen Leistungen nach Absatz 1 infolge einer mutwilligen Selbstverletzung, sind sie in angemessenem Umfang an den Kosten zu beteiligen. Bei den Straf- und Jugendstrafgefangenen unterbleibt die Kostenbeteiligung, wenn hierdurch die Erreichung des Vollzugsziels, insbesondere die Eingliederung, gefährdet würde.
(4) Den Untersuchungsgefangenen soll der Anstaltsleiter nach Anhörung des ärztlichen Dienstes der Anstalt auf ihren Antrag hin gestatten, auf ihre Kosten externen ärztlichen Rat einzuholen. Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn die Untersuchungsgefangenen die gewählte ärztliche Vertrauensperson und den ärztlichen Dienst der Anstalt nicht wechselseitig von der Schweigepflicht entbinden oder wenn es zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Die Konsultation soll grundsätzlich in der Anstalt stattfinden.
§ 74 Durchführung der medizinischen Leistungen, Forderungsübergang
(1) Medizinische Diagnose, Behandlung und Versorgung kranker und hilfsbedürftiger Gefangener erfolgen in der Anstalt, erforderlichenfalls in einer hierfür besser geeigneten Anstalt oder einem Vollzugskrankenhaus, ausnahmsweise auch außerhalb des Vollzugs. Erfolgt eine stationäre Behandlung junger Gefangener außerhalb der Anstalt, sind die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt, im Vollzug der Jugendstrafe auch der Vollstreckungsleiter zu unterrichten. Im Vollzug der Untersuchungshaft ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft im Fall einer Behandlung außerhalb der Anstalt nach Möglichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(2) Wird die Strafvollstreckung während einer Behandlung von Straf- oder Jugendstrafgefangenen unterbrochen oder beendet oder werden Untersuchungsgefangene während einer Behandlung aus der Haft entlassen, so hat das Land nur diejenigen Kosten zu tragen, die bis zur Unterbrechung oder Beendigung der Strafvollstreckung oder bis zur Entlassung angefallen sind.
(3) Gesetzliche Schadensersatzansprüche, die Gefangenen infolge einer Körperverletzung gegen Dritte zustehen, gehen insoweit auf das Land über, als den Gefangenen Leistungen nach § 73 Abs. 1 zu gewähren sind. Von der Geltendmachung der Ansprüche ist im Interesse Straf- oder Jugendstrafgefangener abzusehen, wenn hierdurch die Erreichung des Vollzugsziels, insbesondere die Eingliederung, gefährdet würde.
§ 75 Ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung
Mit Zustimmung der Straf- oder Jugendstrafgefangenen soll die Anstalt ärztliche Behandlungen, insbesondere Operationen oder prothetische Maßnahmen durchführen lassen, die ihre soziale Eingliederung fördern. Die Kosten tragen die Straf- oder Jugendstrafgefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.
§ 76 Gesundheitsschutz und Hygiene
(1) Die Anstalt unterstützt die Gefangenen bei der Wiederherstellung und Erhaltung ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit. Sie fördert das Bewusstsein für gesunde Ernährung und Lebensführung. Die Gefangenen haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.
(2) Den Gefangenen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten.
§ 77 Krankenbehandlung während Lockerungen
(1) Die Straf- und Jugendstrafgefangenen haben während Lockerungen einen Anspruch auf medizinische Leistungen gegen das Land nur in der für sie zuständigen Anstalt.
(2) Der Anspruch auf Leistungen ruht, solange die Straf- und Jugendstrafgefangenen aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert sind.
§ 78 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge 23
(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind zwangsweise gegen den natürlichen Willen Gefangener nur zulässig bei
(2) Zwangsmaßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn
(3) Zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 ist die Anstalt nicht berechtigt, solange von einer freien Willensbestimmung der Gefangenen ausgegangen werden kann, deren Inhalt auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, insbesondere soweit die Festlegungen einer auf freier Willensbestimmung beruhenden, der Anstalt vorliegenden Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entgegenstehen. Liegen Anhaltspunkte vor, dass Gefangene zur Einsicht in die Notwendigkeit von medizinischen Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig sind, hat die Leitung der Anstalt bei dem zuständigen Gericht unverzüglich die Bestellung einer Betreuung von Amts wegen anzuregen. Die Entscheidung des Gerichts ist abzuwarten.
(4) Zwangsmaßnahmen nach Absatz 1 werden durch einen Arzt angeordnet, geleitet und überwacht. Die Anordnung bedarf der Zustimmung der Leitung der Anstalt. Die Gründe für die Anordnung der Maßnahmen nach Absatz 1, das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 sowie die ergriffenen Maßnahmen, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise und der Wirkungsüberwachung sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.
(5) Anordnungen nach Absatz 4 sind den Gefangenen unverzüglich bekannt zu geben. Sie sind darüber zu belehren, dass sie gegen die Anordnung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen können. Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zuzuwarten, bis die Gefangenen Gelegenheit hatten, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.
(6) Von den Anforderungen nach Absatz 2 Nr. 1 und 2, Absatz 3 Satz 3 und Absatz 5 Satz 3 kann abgesehen werden, wenn Gefahr im Verzug besteht.
(7) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der Gefangenen zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.
§ 79 Benachrichtigungspflicht
Erkranken Gefangene schwer oder versterben sie, werden Angehörige und Personensorgeberechtigte benachrichtigt. Dem Wunsch der Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.
Zwölfter Abschnitt
Religionsausübung
§ 80 Seelsorge
Den Gefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger in Verbindung zu treten.
§ 81 Religiöse Veranstaltungen
(1) Die Gefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.
(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers der Religionsgemeinschaft.
(3) Gefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung, bei Untersuchungsgefangenen auch zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.
§ 82 Weltanschauungsgemeinschaften
Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 59, 80 und 81 entsprechend.
Dreizehnter Abschnitt
Sicherheit und Ordnung
§ 83 Grundsatz
(1) Sicherheit und Ordnung der Anstalt bilden die Grundlage des Anstaltslebens, das im Vollzug der Freiheits- und der Jugendstrafe auf die Erreichung des Vollzugsziels ausgerichtet ist, und tragen dazu bei, dass in der Anstalt ein gewaltfreies Klima herrscht.
(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.
§ 84 Allgemeine Verhaltenspflichten
(1) Die Gefangenen sind für das geordnete Zusammenleben in der Anstalt mitverantwortlich und müssen mit ihrem Verhalten dazu beitragen. Auf eine einvernehmliche Streitbeilegung ist hinzuwirken.
(2) Die Gefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen.
(3) Die Gefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.
(4) Die Gefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.
§ 85 Absuchung, Durchsuchung
(1) Die Gefangenen, ihre Sachen und die Hafträume dürfen mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln abgesucht und durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.
(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Gefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.
(3) Der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, dass die Gefangenen in der Regel bei der Aufnahme, vor und nach Kontakten mit Besuchern sowie vor und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt nach Absatz 2 zu durchsuchen sind.
§ 86 Sichere Unterbringung
Gefangene können in eine Anstalt verlegt werden, die zu ihrer sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung oder Befreiung gegeben ist oder sonst ihr Verhalten oder ihr Zustand eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt darstellt. § 23 Abs. 4 und 5 und § 113 Abs. 2 gelten entsprechend.
§ 87 Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch
(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann der Anstaltsleiter allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen anordnen, die geeignet sind, den Gebrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.
(2) Verweigern Gefangene die Mitwirkung an Maßnahmen nach Absatz 1 ohne hinreichenden Grund, ist davon auszugehen, dass Suchtmittelfreiheit nicht gegeben ist.
(3) Wird verbotener Suchtmittelgebrauch festgestellt, können die Kosten der Maßnahmen den Gefangenen auferlegt werden.
§ 88 Festnahmerecht
Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden. Führt die Verfolgung oder die von der Anstalt veranlasste Fahndung nicht alsbald zur Wiederergreifung, so sind die weiteren Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zu überlassen.
§ 89 Besondere Sicherungsmaßnahmen 23
(1) Gegen Gefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.
(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:
(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1 und 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann, Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 4 jedoch nicht bei jungen Gefangenen.
(4) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in der Person des Gefangenen liegenden Gefahr unerlässlich ist.
(5) In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse der Gefangenen kann der Anstaltsleiter auch eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.
(6) Besteht die Gefahr der Entweichung, dürfen die Gefangenen bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport gefesselt werden.
(7) Eine Fixierung ist nur zulässig, soweit und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für bedeutende Rechtsgüter Dritter, insbesondere in Form von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der erheblichen Selbstverletzung besteht, und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist.
§ 90 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren 23
(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen. Eine nicht nur kurzfristige Fixierung bedarf der Anordnung durch das Gericht. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung der Fixierung durch den Anstaltsleiter oder andere durch den Anstaltsleiter zur Anordnung von Fixierungen autorisierte qualifizierte Bedienstete der Anstalt getroffen werden. Ein Arzt ist unverzüglich hinzuzuziehen. Die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachträglich herbeizuführen; den Antrag stellt die Anstalt. Einer richterlichen Entscheidung bedarf es nicht oder nicht mehr, wenn abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Fixierung ergehen wird, oder wenn die Fixierung vor der Herbeiführung der richterlichen Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zeitnah zu erwarten ist. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.
(2) Werden Gefangene ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass der besonderen Sicherungsmaßnahme, ist vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.
(3) Die Entscheidung wird den Gefangenen von dem Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst. Die Anordnung ist aktenkundig zu machen.
(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.
(5) Absonderung, Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum und Fesselung sowie Fixierung sind der Aufsichtsbehörde, im Vollzug der Untersuchungshaft auch dem Gericht und der Staatsanwaltschaft, unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage oder im Fall der Fixierung länger als zwölf Stunden aufrechterhalten werden. Eine Absonderung von mehr als 30 Tagen Dauer oder mehr als drei Monaten innerhalb von zwölf Monaten bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.
(6) Während der Absonderung, der Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum und der Fixierung sind die Gefangenen in besonderem Maße zu betreuen. Sind die Gefangenen darüber hinaus gefesselt oder fixiert, sind sie durch einen Bediensteten ständig und in unmittelbarem Sichtkontakt zu beobachten. Während der Dauer der Fixierung stellt ein Arzt eine angemessene medizinische Überwachung des fixierten Gefangenen sicher. Geschulte Vollzugsbedienstete stellen durch ständigen Sicht- und Sprechkontakt die Betreuung des fixierten Gefangenen sicher.
(7) Die Anordnung einer Fixierung, die maßgeblichen Gründe hierfür, ihre Durchsetzung, Dauer und die Art der Überwachung sind durch die Anstalt zu dokumentieren. Nach Beendigung einer Fixierung ohne richterliche Anordnung hat die Anstalt die Gefangenen auf ihr Recht hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Maßnahme durch das zuständige Gericht überprüfen zu lassen. Die Durchführung der Belehrung ist aktenkundig zu machen.
§ 91 Ärztliche Überwachung
(1) Sind die Gefangenen in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder gefesselt, sucht sie der Arzt möglichst alsbald und in der Folge täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transportes sowie bei Bewegungen innerhalb der Anstalt.
(2) Der Arzt ist regelmäßig zu hören, solange Gefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen ist oder sie länger als 24 Stunden abgesondert sind.
Vierzehnter Abschnitt
Unmittelbarer Zwang
(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch ihre Hilfsmittel oder durch Waffen.
(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.
(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln und Reizstoffe. Waffen sind Hieb- und Schusswaffen.
(4) Es dürfen nur dienstlich zugelassene Hilfsmittel und Waffen verwendet werden.
§ 93 Allgemeine Voraussetzungen
(1) Bedienstete dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.
(2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.
(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.
§ 94 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.
(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.
§ 95 Androhung
Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.
§ 96 Schusswaffengebrauch
(1) Der Gebrauch von Schusswaffen durch Bedienstete innerhalb der Anstalt ist verboten. Das Recht zum Schusswaffengebrauch aufgrund anderer Vorschriften durch Polizeivollzugsbedienstete bleibt davon unberührt.
(2) Außerhalb der Anstalt dürfen Schusswaffen durch Bedienstete nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6 nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht werden kann.
(3) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Bediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.
(4) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
(5) Gegen Gefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,
Satz 1 Nr. 2 und 3 findet auf minderjährige Gefangene keine Anwendung. Satz 1 Nr. 3 findet keine Anwendung auf Gefangene, die im offenen Vollzug untergebracht sind.
(6) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien.
Fünfzehnter Abschnitt
Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen
§ 97 Erzieherische Maßnahmen
(1) Verstöße der jungen Gefangenen gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich im erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. Daneben können Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den jungen Gefangenen ihr Fehlverhalten bewusst zu machen (erzieherische Maßnahmen). Als erzieherische Maßnahmen kommen namentlich in Betracht die Erteilung von Weisungen und Auflagen, die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung und der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zur Dauer einer Woche.
(2) In geeigneten Fällen können im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung beim Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und der vorübergehende Verbleib im Haftraum in Betracht. Erfüllen die jungen Gefangenen die Vereinbarung, ist die Anordnung einer erzieherischen Maßnahme aufgrund dieser Verfehlung ausgeschlossen.
(3) Der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen.
(4) Es sollen solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in Zusammenhang stehen.
(1) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn Gefangene rechtswidrig und schuldhaft
(2) Disziplinarmaßnahmen dürfen gegen junge Gefangene nur angeordnet werden, wenn erzieherische Maßnahmen nicht nach § 97 Abs. 2 Satz 3 ausgeschlossen sind oder nicht ausreichen, um ihnen das Unrecht ihrer Handlung zu verdeutlichen.
(3) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind
Bei jungen Gefangenen findet Satz 1 Nr. 1 keine Anwendung, Maßnahmen nach Satz 1 Nr. 2 bis 7 sind nur bis zu zwei Monaten und Maßnahmen nach Satz 1 Nr. 8 und 9 nur bis zu zwei Wochen zulässig.
(4) Arrest darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden.
(5) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.
(6) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.
(7) Bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft sind Grund und Zweck der Haft sowie die psychischen Auswirkungen der Untersuchungshaft und des Strafverfahrens auf die Untersuchungsgefangenen zu berücksichtigen. Durch die Anordnung und den Vollzug einer Disziplinarmaßnahme dürfen die Verteidigung, die Verhandlungsfähigkeit und die Verfügbarkeit der Untersuchungsgefangenen für die Verhandlung nicht beeinträchtigt werden.
§ 99 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung 23
(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. Die Vollstreckung ist auszusetzen, soweit es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist.
(2) Disziplinarmaßnahmen können ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn Gefangene die ihr zugrunde liegenden Erwartungen nicht erfüllen.
(3) Im Vollzug der Untersuchungshaft angeordnete Disziplinarmaßnahmen können ganz oder zum Teil auch während einer der Untersuchungshaft unmittelbar nachfolgenden Haft vollstreckt werden.
(4) Für die Dauer des Arrestes werden die Gefangenen getrennt von anderen Gefangenen untergebracht. Sie können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Gefangenen zur Teilnahme an Maßnahmen außerhalb des Raumes, in dem der Arrest vollstreckt wird, zur Ausstattung des Haftraums mit eigenen Gegenständen, zum Fernsehempfang und Einkauf. Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs sind nicht zugelassen. Die Rechte zur Teilnahme am Gottesdienst und auf Aufenthalt im Freien bleiben unberührt.
(5) Für die jungen Gefangenen ist der Arrest erzieherisch auszugestalten.
(6) Wird die Verfügung über das Hausgeld nach § 98 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 beschränkt oder entzogen, ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen. Ist das Überbrückungsgeld bereits vollständig angespart, ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Eigengeld hinzuzurechnen.
§ 100 Disziplinarbefugnis
(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung ist der Leiter der Bestimmungsanstalt zuständig.
(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen den Anstaltsleiter richtet.
(3) Disziplinarmaßnahmen, die in einer anderen Anstalt angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 99 Abs. 2 bleibt unberührt.
§ 101 Verfahren
(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Hierbei sind sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln. Die betroffenen Gefangenen werden gehört. Sie werden darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihnen zur Last gelegt werden. Sie sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht, sich zu äußern. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung der Gefangenen wird vermerkt.
(2) In geeigneten Fällen können zur Abwendung von Disziplinarmaßnahmen im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung beim Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und der vorübergehende Verbleib im Haftraum in Betracht. Erfüllen die Gefangenen die Vereinbarung, ist die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme aufgrund dieser Verfehlung unzulässig.
(3) Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, werden durch eine Entscheidung geahndet.
(4) Der Anstaltsleiter soll sich vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die an der Vollzugsgestaltung mitwirken. Bei Schwangeren, stillenden Müttern oder bei Gefangenen, die sich in ärztlicher Behandlung befinden, ist ein Arzt zu hören.
(5) Vor der Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme erhalten die Gefangenen Gelegenheit, sich zu dem Ergebnis der Ermittlungen zu äußern. Die Entscheidung wird den
Gefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.
(6) Bevor Arrest vollzogen wird, ist ein Arzt zu hören. Während des Arrestes stehen die Gefangenen unter ärztlicher Aufsicht. Der Vollzug unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit der Gefangenen oder im Vollzug der Untersuchungshaft der Fortgang des Strafverfahrens gefährdet würde.
Sechzehnter Abschnitt
Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerde
§ 102 Aufhebung von Maßnahmen
(1) Die Aufhebung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs richtet sich nach den nachfolgenden Absätzen, soweit dieses Gesetz keine abweichende Bestimmung enthält.
(2) Rechtswidrige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft zurückgenommen werden.
(3) Rechtmäßige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn
(4) Begünstigende Maßnahmen dürfen nach den Absätzen 2 oder 3 nur aufgehoben werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung nach Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. Davon ist auszugehen, wenn eine Maßnahme unerlässlich ist, um die Sicherheit der Anstalt zu gewährleisten.
(5) Der gerichtliche Rechtsschutz bleibt unberührt.
§ 103 Beschwerderecht
(1) Die Gefangenen erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in vollzuglichen Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden.
(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Gefangenen sich in vollzuglichen Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an diese wenden können.
(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.
Siebzehnter Abschnitt
Kriminologische Forschung
§ 104 Evaluation, kriminologische Forschung
(1) Behandlungsprogramme für die Straf- und Jugendstrafgefangenen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.
(2) Der Vollzug der Freiheits- und der Jugendstrafe, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Leitlinien sowie die Behandlungsprogramme und deren Wirkungen auf die Erreichung des Vollzugsziels, soll regelmäßig durch den kriminologischen Dienst, durch eine Hochschule oder durch eine andere Stelle wissenschaftlich begleitet und erforscht werden.
Achtzehnter Abschnitt
Aufbau und Organisation der Anstalten
§ 105 Anstalten
(1) Es werden Anstalten und Abteilungen eingerichtet, die den unterschiedlichen vollzuglichen Anforderungen Rechnung tragen. Für den Vollzug der Freiheits- und Jugendstrafe sind insbesondere sozialtherapeutische Abteilungen vorzusehen.
(2) Es soll eine bedarfsgerechte Anzahl und Ausstattung von Plätzen für therapeutische Maßnahmen, schulische und berufliche Qualifizierung, Arbeitstraining und Arbeitstherapie sowie zur Ausübung von Arbeit vorgesehen werden. Gleiches gilt für Besuche, Freizeit, Sport und Seelsorge.
(3) Haft- und Funktionsräume sind zweckentsprechend auszustatten.
(4) Unterhalten private Unternehmen Betriebe in Anstalten, kann die technische und fachliche Leitung ihren Mitarbeitern übertragen werden.
§ 106 Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung
(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung der Gefangenen gewährleistet ist. § 105 Abs. 2 ist zu berücksichtigen.
(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Gefangenen als zugelassen belegt werden.
(3) Ausnahmen von Absatz 2 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.
§ 107 Anstaltsleitung
(1) Der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Anstalt nach außen. Er kann einzelne Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.
(2) Für jede Anstalt ist ein Beamter des höheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden.
(1) Die Aufgaben der Justizvollzugsanstalten werden von Vollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Justizvollzugsanstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.
(2) Die Anstalt wird mit dem für die Erreichung des Vollzugsziels und die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal ausgestattet. Die im Vollzug der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen tätigen Bediensteten müssen für die erzieherische Gestaltung geeignet und qualifiziert sein. Für jede Anstalt ist entsprechend ihrer Aufgabe die erforderliche Anzahl von Bediensteten der verschiedenen Berufsgruppen, insbesondere des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Verwaltungsdienstes sowie von Seelsorgern, Ärzten, Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeitern vorzusehen.
(3) Für die Betreuung von Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung und Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist besonders qualifiziertes Personal vorzusehen und eine fachübergreifende Zusammenarbeit zu gewährleisten. Soweit erforderlich, sind externe Fachkräfte einzubeziehen.
(4) Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung sind zu gewährleisten.
§ 109 Seelsorger
(1) Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpichtet.
(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.
(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters dürfen die Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen hinzuziehen.
§ 110 Medizinische Versorgung
(1) Die ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.
(2) Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeführt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.
§ 111 Interessenvertretung der Gefangenen
Den Gefangenen soll ermöglicht werden, Vertretungen zu wählen. Diese können in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, die sich ihrer Eigenart nach für eine Mitwirkung eignen, Vorschläge und Anregungen an die Anstalt herantragen. Diese sollen mit der Vertretung erörtert werden.
§ 112 Hausordnung
Der Anstaltsleiter erlässt zur Gestaltung und Organisation des Vollzugsalltags eine Hausordnung auf der Grundlage dieses Gesetzes. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Genehmigung vorbehalten.
Neunzehnter Abschnitt
Aufsicht, Beirat
§ 113 Aufsichtsbehörde
(1) Das für den Justizvollzug zuständige Ministerium führt die Aufsicht über die Anstalten (Aufsichtsbehörde).
(2) Die Aufsichtsbehörde kann sich Entscheidungen über Verlegungen und Überstellungen vorbehalten.
§ 114 Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften
(1) Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten in einem Vollstreckungsplan.
(2) Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Vollzugseinrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.
§ 115 Beirat
(1) Bei der Anstalt ist ein Beirat zu bilden. Bedienstete dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein.
(2) Die Mitglieder des Beirats wirken beratend bei der Gestaltung des Vollzugs und der Eingliederung der Gefangenen mit. Sie fördern das Verständnis für den Vollzug und seine gesellschaftliche Akzeptanz und vermitteln Kontakte zu öffentlichen und privaten Einrichtungen. und den Gefangenen als Ansprechpartner zur Verfügung.
(3) Der Beirat steht mit dem Anstaltsleiter, den Bediensteten und den Gefangenen als Ansprechpartner zur Verfügung.
(4) Die Mitglieder des Beirats können sich über die Unterbringung der Gefangenen und die Gestaltung des Vollzugs unterrichten und die Anstalt besichtigen. Sie können die Gefangenen in ihren Räumen aufsuchen. Unterhaltung und Schriftwechsel werden nicht überwacht.
(5) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.
Zwanzigster Abschnitt
Verhinderung von Mobilfunkverkehr
§ 116 Störung des Mobilfunkverkehrs 23
(1) Der Besitz und die Benutzung von Geräten zur funkbasierten Übertragung von Informationen sind auf dem Anstaltsgelände verboten, soweit diese nicht dienstlich zugelassen sind. Der Anstaltsleiter kann abweichende Regelungen treffen.
(2) Die Anstalt darf technische Geräte betreiben, die
(3) Die Anstalt hat die von der Bundesnetzagentur nach § 91 Abs. 1 Satz 4 des Telekommunikationsgesetzes vom 23. Juni 2021 (BGBl. I S. 1858) in der jeweils geltenden Fassung festgelegten Rahmenbedingungen zu beachten. Frequenznutzungen außerhalb des Anstaltsgeländes dürfen nicht erheblich gestört werden.
Einundzwanzigster Abschnitt
Vollzug des Strafarrests
§ 117 Grundsatz
(1) Für den Vollzug des Strafarrests in Anstalten gelten die Bestimmungen über den Vollzug der Freiheitsstrafe entsprechend, soweit § 118 nicht Abweichendes bestimmt.
(2) § 118 Abs. 1 bis 3, 7 und 8 gilt nicht, wenn Strafarrest in Unterbrechung einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme vollzogen wird.
§ 118 Besondere Bestimmungen
(1) Strafarrestanten sollen im offenen Vollzug untergebracht werden.
(2) Eine gemeinsame Unterbringung der Strafarrestanten mit Straf- oder Jugendstrafgefangenen ist nur mit Einwilligung der Strafarrestanten zulässig.
(3) Besuche, Telefongespräche und Schriftwechsel dürfen nur untersagt oder überwacht werden, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt notwendig ist.
(4) Den Strafarrestanten soll gestattet werden, einmal wöchentlich Besuch zu empfangen.
(5) Strafarrestanten dürfen eigene Kleidung tragen und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Gründe der Sicherheit nicht entgegenstehen und sie für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgen.
(6) Sie dürfen Nahrungs- und Genussmittel sowie Mittel zur Körperpflege in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten erwerben.
(7) Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung ist nur bei Gefahr im Verzug zulässig.
(8) Zur Vereitelung einer Entweichung und zur Wiederergreifung dürfen Schusswaffen nicht gebraucht werden.
Zweiundzwanzigster Abschnitt
Datenschutz
Es gelten die Bestimmungen des Thüringer Justizvollzugsdatenschutzgesetzes.
Dreiundzwanzigster Abschnitt
Übergangs- und Schlussbestimmungen
§ 141 Einschränkung von Grundrechten
Durch dieses Gesetz werden die nachfolgenden Grundrechte eingeschränkt:
§ 142 Verhältnis zu anderen Vorschriften 23
Dieses Gesetz ersetzt gemäß Artikel 125a Abs. 1 des Grundgesetzes in Thüringen das Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436) in der jeweils geltenden Fassung. Die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über
gelten fort.
§ 143 Übergangsbestimmungen 23
(1) Bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach § 66 Abs. 4 Satz 2 gilt die Strafvollzugsvergütungsordnung vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57) in der jeweils geltenden Fassung.
(2) Für Anstalten, mit deren Errichtung vor dem 3. Oktober 1990 begonnen wurde, gilt, dass abweichend von § 18 während der Einschlusszeiten bis zu sechs Strafgefangene gemeinsam untergebracht werden dürfen, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern; eine gemeinschaftliche Unterbringung von mehr als drei Personen ist nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 zulässig.
(3) Für die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Anstalten kann abweichend von § 106 die Belegungsfähigkeit einer Anstalt nach Maßgabe des Absatzes 2 festgesetzt werden.
(4) § 67 Abs. 1 und 2 Satz 2, § 69 Abs. 1 sowie die §§ 71a und 99 Abs. 6 sind für Gefangene, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Thüringer Gesetzes zur Einführung eines Justizvollzugsdatenschutzgesetzes und zur Anpassung weiterer Vorschriften des Justizvollzugs bereits inhaftiert sind, erst sechs Monate nach dem Inkrafttreten des Thüringer Gesetzes zur Einführung eines Justizvollzugsdatenschutzgesetzes und zur Anpassung weiterer Vorschriften des Justizvollzugs anzuwenden.
§ 144 Gleichstellungsbestimmung 23
Status- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils für alle Geschlechter.
§ 145 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig treten
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