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BGI/GUV-I 792-010 - Lärmmesstechnik - Lärmschutz-Arbeitsblatt LSA 01-400
Berufsgenossenschaftliche Information für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGI/GUV-I)
(Ausgabe 01/2012)
nur zur Information
Umstrukturierung der Systematik (01.05.2014): nicht mehr im DGUV-Regelwerk enthalten
1 Einleitung
Nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung vom 06. März 2007 [1] muss der Unternehmer im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes [2] prüfen, ob die Beschäftigten Lärm oder Vibrationen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein könnten (§ 3). Dazu kann er sich z.B. auf die Angaben eines Maschinenherstellers, auf eigene Erfahrungen oder auf bestehende Datenbanken stützen. Lässt sich nicht zweifelsfrei ermitteln, ob die in der Verordnung gegebenen Auslösewerte eingehalten werden, muss der Unternehmer die bestehende Lärmexposition durch geeignete Messungen objektiv erfassen.
Zur Durchführung der entsprechenden Messungen verweist die Verordnung auf den Stand der Technik (§ 4) und stellt damit eine Verknüpfung zu den einschlägigen technischen Messnormen her. Messverfahren und Messgeräte müssen den vorhandenen Arbeitsplatz- und Expositionsbedingungen angepasst sein. Die Messungen müssen fachkundige Personen durchführen (§ 5).
Dieser Beitrag beschreibt die fachkundige Durchführung von Lärmmessungen nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung und den Technischen Regeln (TRLV Lärm) [3] zu dieser Verordnung. Grundlage für die entsprechenden Messungen bildet die Internationale Norm DIN EN ISO 9612 [4], die die Bestimmung des Lärmexpositionspegels nach drei unterschiedlichen Messstrategien beschreibt. Diese Strategien werden hier vorgestellt und miteinander verglichen. Die als Strategie 1 bezeichneten, tätigkeitsbezogenen Messungen werden aufgrund ihrer Bedeutung für die betriebliche Praxis ganz ausführlich behandelt. Zur Durchführung von Messungen nach den beiden anderen Strategien sei auf die entsprechenden Erläuterungen in dem Taschenbuch "Lärmmessung im Betrieb" [5] bzw. auf die Messnorm selbst verwiesen.
Da die fachkundige Beurteilung der Lärmgefährdung neben den Kenntnissen in der akustischen Messtechnik auch Kenntnisse der relevanten Vorschriften und Regelwerke voraussetzt, werden in den folgenden beiden Abschnitten 2 und 3 zunächst die mit der Messung zusammenhängenden gesetzlichen Regelungen sowie relevante Normen und Richtlinien behandelt.
2 Gesetzliche Bestimmungen
2.1 Überblick
Um den negativen Auswirkungen des Lärms an Arbeitsplätzen zu begegnen und die Beschäftigten vor unnötig hohen Belastungen zu schützen, haben staatliche Stellen und Berufsgenossenschaften ab Mitte der 70er Jahre verschiedene Arbeitsschutzvorschriften erlassen.
Heute sind vor allem die folgenden Vorschriften von Bedeutung:
Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung und das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz basieren auf folgenden europäischen Richtlinien:
2.2 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) [6] wurde in der ersten Fassung bereits im Jahre 1975 herausgegeben. Inzwischen gibt es eine Neufassung vom 12. August 2004, die durch eine Verordnung vom 19. Juli 2010 an die Regelungen der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung angepasst wurde.
Bezüglich des Lärms macht die ArbStättV im Anhang unter Ziffer 3.7 die Aussage, dass der Schalldruckpegel in Arbeitsstätten so niedrig zu halten ist, wie es nach Art des Betriebes möglich ist. Der Schalldruckpegel "ist in Abhängigkeit von der Nutzung und den zu verrichtenden Tätigkeiten so weit zu reduzieren, dass keine Beeinträchtigungen der Gesundheit der Beschäftigten entstehen". Eine Präzisierung dieser Aussagen soll in einer noch zu erstellenden "Regel für Arbeitsstätten" erfolgen.
In der Begründung zu der letzten Änderung der Verordnung findet man die wesentliche Information, dass es hier insbesondere um extra-aurale Schallwirkungen und um Pegel unterhalb des in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung festgelegten unteren Auslösewertes von 80 dB(A) geht.
Die ArbStättV enthält damit also die Forderung zur Lärmminderung, wobei diese relativ allgemein und unspezifisch gehalten ist und sich an dem Stand der Technik orientiert.
Da die ArbStättV keine konkreten Angaben zu den an den Arbeitsplätzen einzuhaltenden Schalldruckpegeln macht, muss der Arbeitgeber ermitteln, welche Lärmbelastungen nach dem Stand der Technik und unter Einbeziehung der arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse bei unterschiedlichen Tätigkeiten zumutbar sind. Als Orientierungshilfe kann dabei die Richtlinie VDI 2058 Blatt 3 [10] dienen. Darin sind folgende Höchstwerte genannt, die nach Möglichkeit deutlich unterschritten werden sollten:
Weitere Vorgaben zu Schalldruckpegeln an entsprechenden Arbeitsplätzen enthält die Norm DIN EN ISO 11690-1 [11].
2.3 Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (Lärm-VibrationsArbSchV)
2.3.1 Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung
Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung vom 06. März 2007 ist eine Verordnung nach § 18 Arbeitsschutzgesetz [12] und setzt zwei Europäische Arbeitsschutz-Richtlinien in nationales Recht um (2003/10/EG "Lärm" und 2002/44/EG "Vibrationen").
Um die dort festgelegten Anforderungen zu konkretisieren, wurden vom Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS) Technische Regeln (TRLV) für die Bereiche "Lärm" [3] und "Vibration" erarbeitet. Bei Einhaltung dieser Technischen Regeln kann der Unternehmer davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind.
Die Technischen Regeln zum Lärm [3] wurden am 23. März 2010 im Gemeinsamen Ministerialblatt, Ausgabe Nr. 18-20/2010 veröffentlicht und gliedern sich in folgende vier Teile:
Anmerkung:
Es sei darauf hingewiesen, dass es in den Definitionen und Erläuterungen der TRLV Lärm viele textliche Übereinstimmungen mit diesem Lärmschutz-Arbeitsblatt gibt, weil die entsprechenden Texte aus der ersten Ausgabe dieses LSA-Blattes 01-400 (BGI 5053) übernommen wurden. Die Beschreibung zur Aufstellung eines Lärmminderungsprogramms orientiert sich an dem Lärmschutz-Arbeitsblatt LSA 01-305 (BGI 675) [13] und übernimmt größtenteils die entsprechenden Texte und Bilder.
2.3.2 Auslösewerte und damit verbundene Maßnahmen
Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung gibt die in der Tabelle 1 angegebenen Auslösewerte vor, die jeweils bestimmte Präventionsmaßnahmen nach sich ziehen, wenn sie erreicht oder überschritten werden. Darüber hinaus wurden auch maximal zulässige Expositionswerte eingeführt, die die maximale Geräuschbelastung unter dem Gehörschutz beschreiben und unter keinen Umständen überschritten werden dürfen.
Tabelle 1: Auslösewerte und maximal zulässige Expositionswerte nach der LärmVibrationsArbSchV
Tages-Lärmexpositionspegel | Spitzenschalldruckpegel | |
---|---|---|
LEX,8h | LpCpeak | |
untere Auslösewerte | 80 dB(A) | 135 dB(C) |
obere Auslösewerte | 85 dB(A) | 137 dB(C) |
maximal zulässige Expositionswerte | 85 dB(A) | 137 dB(C) |
In Abhängigkeit von der Lärmexposition sind vom Unternehmer die in der Tabelle 2 zusammengestellten Maßnahmen zu ergreifen.
Tabelle 2: Nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung erforderliche Maßnahmen
|
* nach ursprünglicher Fassung der LärmVibrationsArbSchV und TRLV Lärm bereits ab Erreichen der oberen Auslösewerte erforderlich
Die in der Tabelle 2 zusammengestellten Aktionen seien in den folgenden Abschnitten kurz erläutert.
- Gefährdungsbeurteilung
Der Unternehmer muss im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung überprüfen, ob eine Lärmgefährdung besteht (§ 3). Dabei ist der Lärm nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gehörgefährdung zu betrachten, sondern auch hinsichtlich "einer sonstigen mittelbaren oder unmittelbaren Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten". Damit sind also genau genommen alle möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Unfallgefahren durch Lärm zu betrachten (siehe z.B. [14]).
Bei der Ermittlung der Lärmexposition kann der Unternehmer neben der direkten Messung auch auf Angaben von Maschinenherstellern, auf eigene Erfahrungswerte oder auf geeignete Datenbanken zurückgreifen. Als Hilfestellung sind im Anhang 1 des Teiles 1 der TRLV "Lärm" zahlreiche Arbeitsverfahren, -bereiche und Berufe zusammengestellt, für die eine Gefährdung gegeben sein kann. Die objektive messtechnische Erfassung der Lärmexposition ist nur dann gefordert, wenn sich die Einhaltung der gegebenen Auslösewerte nicht zweifelfrei feststellen lässt.
- Unterweisung der Beschäftigten
Wird einer der unteren Auslösewerte erreicht oder überschritten (LEX,8h ≥ 80 dB(A)/LpCpeak ≥ 135 dB), so sind die Beschäftigten über die gewonnenen Ergebnisse und die Gefahren durch Lärm zu informieren.
- Arbeitsmedizinische Beratung, Vorsorgeuntersuchungen
Nach der am 24. Dezember 2008 in Kraft getretenen "Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge" (ArbMedVV) [15] sind den Beschäftigten in regelmäßigen Abständen Gehör-Vorsorgeuntersuchungen anzubieten, falls die unteren Auslösewerte überschritten werden (ArbMedVV Anhang Teil 3). Bei der entsprechenden Belastung hat der Arbeitgeber zugleich sicherzustellen, dass jeder Beschäftigte eine allgemeine arbeitsmedizinische Beratung erhält, die Aufschluss über die mit der Exposition verbundenen Gesundheitsgefährdungen gibt (LärmVibrationsArbSchV § 11). Wird einer der oberen Auslösewerte erreicht oder überschritten, sind vom Arbeitgeber regelmäßig Pflichtuntersuchungen zu veranlassen (ArbMedVV Anhang Teil 3). Zur Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge "Lärm" gibt es seit Jahrzehnten den Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 20 [16], der inzwischen in einer Neufassung von 2010 vorliegt. Dort sind z.B. auch die Untersuchungsfristen mit 5 Jahren (LEX,8h < 90 dB(A) bzw. LpCpeak < 137 dB) bzw. mit 3 Jahren (LEX,8h ≥ 90 dB(A) bzw. LpCpeak ≥ 137 dB) festgelegt.
- Kennzeichnung von Lärmbereichen
Wird einer der oberen Auslösewerte überschritten, liegt ein Lärmbereich vor. Der Betrieb hat die vorhandenen Lärmbereiche zu ermitteln und mit dem entsprechenden Gebotszeichen "Gehörschutz benutzen" zu kennzeichnen.
Ein Lärmbereich ist auch dann entsprechend auszuzeichnen, wenn dort keine festen Arbeitsplätze liegen, z.B. in einem Kompressorraum. Auch ein mobiler Arbeitsplatz, z.B. auf einem Gabelstapler, kann bei entsprechend hoher Lärmbelastung einen Lärmbereich darstellen.
Nach der ursprünglichen Fassung der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung war ein Lärmbereich bereits bei Erreichen eines oberen Auslösewertes zu kennzeichnen. So steht es auch noch in den Technischen Regeln TRLV Lärm vom 23. März 2010. Mit der Änderung der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung vom 19. Juli 2010 wurde die Kennzeichnung von Lärmbereichen jedoch in den etwas höheren Pegelbereich oberhalb der entsprechenden Auslösewerte verschoben - vermutlich, um sich damit den Vorgaben in der Europäischen Richtlinie 2003/10/EG [8] anzupassen. Es blieb aber bei der Tragepflicht von Gehörschutz ab Erreichen der oberen Auslösewerte, ohne dass dies - wie bisher - an der Kennzeichnung mit dem entsprechenden Symbol erkennbar ist.
In der Praxis dürfte diese Änderung jedoch keine große Bedeutung haben, weil zwischen dem Erreichen der Auslösewerte und der Überschreitung kein großer Unterschied besteht. Falls beispielsweise ein Lärmexpositionspegel von 85 dB(A) ermittelt wurde, kann man davon ausgehen, dass sich in etwas geringeren Abständen zu den Maschinen auch Pegel über 85 dB(A) ergeben. So kann man schon bei einem Lärmexpositionspegel von 85,1 dB(A) von einer Überschreitung des oberen Auslösewertes ausgehen. Den Betrieben kann deshalb nur empfohlen werden, Lärmbereiche schon ab 85 dB(A) zu kennzeichnen und somit kenntlich zu machen, dass hier die Benutzung von Gehörschutz erforderlich ist.
Anmerkung:
Nach der Änderung der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung vom 19. Juli 2010 hat der Arbeitgeber "Arbeitsbereiche, in denen einer der oberen Auslösewerte für Lärm (LEX,8h, LpC,peak) überschritten werden kann, als Lärmbereiche zu kennzeichnen und, falls technisch möglich, abzugrenzen".Dabei sind die Worte "überschritten werden kann" leider etwas missverständlich. So könnte man darunter verstehen, dass man nun die denkbar ungünstigste akustische Situation annehmen muss, wie sie sich beispielsweise ergibt, wenn alle Maschinen unter höchster Last und gleichzeitig betrieben werden. Das entspräche aber einer völlig unrealistischen Situation, die hier keinesfalls gemeint sein kann und nichts mit der für die Gefährdungsbeurteilung maßgebenden längerfristig typischen Situation zu tun hat.
Entsprechend der oben zitierten Aussage der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung sind bei der Entscheidung über die Kennzeichnung von Lärmbereichen die Kennwerte LEX,8h bzw. LpCpeak heranzuziehen. Zur Bestimmung dieser Kennwerte finden sich in den Technischen Regeln TRLV Lärm, Teil 2, konkrete Hinweise. So wird in Abschnitt 5.1 (1) festgestellt, dass der Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h die Lärmeinwirkung für den repräsentativen Arbeitstag beschreibt. Bezüglich der Bestimmung des Lärmexpositionspegels wird im Abschnitt 7 auf die DIN EN ISO 9612 und die dort beschriebenen Messstrategien verwiesen, die jeweils darauf abzielen, die längerfristig typische Lärmsituation zu bestimmen.
Nach diesen Ausführungen ist bei der Ermittlung von Lärmbereichen der entsprechend der TRLV Lärm für den repräsentativen Arbeitstag ermittelte Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h heranzuziehen, wie er auch im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu bestimmen ist. Bei extrem hohen Schallimpulsen ist ggf. der Spitzenschalldruckpegel LpCpeak zu berücksichtigen: "der Spitzenschalldruckpegel LpCpeak ist zu erfassen, wenn an dem Arbeitsplatz besonders laute Lärmimpulse auftreten können, die möglicherweise den unteren Auslösewert von 135 dB(C) erreichen oder überschreiten" (TRLV Lärm, Teil 2, Abschnitt 5.5.2).
- Technischer Lärmschutz
Unabhängig von der Höhe der Lärmexposition besteht nach § 7 die Forderung, Lärmbelastungen an Arbeitsplätzen zu vermeiden oder soweit wie möglich zu verringern ("Minimierungsgebot"). Als Maßstab bei der Entscheidung über erforderliche Lärmschutzmaßnahmen ist jeweils der Stand der Technik zu berücksichtigen, der nach § 2 als "Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen" definiert ist. Technische Maßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen Maßnahmen. Erst wenn sich damit keine ausreichenden Lärmminderungserfolge erzielen lassen, kommen persönliche Schutzmaßnahmen durch Gehörschutzmittel in Betracht.
- Lärmminderungsprogramm
Wird einer der oberen Auslösewerte überschritten, hat der Unternehmer ein Programm mit technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen aufzustellen und durchzuführen (§ 7 (5)). Die wesentlichen Schritte im Rahmen der Erstellung eines Lärmminderungsprogramms werden in dem Lärmschutz-Arbeitsblatt LSA 01-305 (BGI 675) [13] in Form einer Handlungsanleitung dargestellt und anhand von Beispielen erläutert.
- Gehörschutz
Bereits bei Überschreiten von einem der unteren Auslösewerte sind den Beschäftigten geeignete Gehörschutzmittel zur Verfügung zu stellen. Wird einer der oberen Auslösewerte erreicht oder überschritten, muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Beschäftigten den Gehörschutz auch tragen. Der Gehörschutz ist hinsichtlich seiner Schalldämmung so auszuwählen, dass die Gehörbelastung des Beschäftigten (unter dem Gehörschutz!) die maximal zulässigen Expositionswerte von LEX,8h = 85 dB(A) bzw. LpCpeak = 137 dB nicht überschreitet. Das sollte bei der Auswahl des Gehörschutzes nach der Regel "Benutzung von Gehörschutz (BGR/GUV-R 194) [17] gewährleistet sein. Zur Unterstützung des Betriebes bei der Auswahl von für die jeweiligen Arbeitsplätze geeigneten Gehörschützern bietet das Institut für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) auf seiner Internetseite ein herunterladbares Auswahl-Programm an (www.dguv.de/ifa, Webcode d4785).
Für den Lärmbereich gilt grundsätzlich die Verpflichtung, Gehörschutz zu tragen, auch bei nur kurzzeitigem Aufenthalt in diesem Bereich. Die TRLV Lärm (Teil 3, Abschnitt 5) erläutert dazu, dass der Arbeitgeber von einer Überschreitung des maximal zulässige Expositionswertes ausgehen muss, wenn bei den hier anzunehmenden Belastungen im Bereich der oberen Auslösewerte kein Gehörschutz getragen wird.
2.4 Produktsicherheitsgesetz/EG-Maschinenrichtlinie
Mit dem Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz - ProdSG) [7] vom 8. November 2011 in Verbindung mit der 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (9. ProdSV) wurde die im Jahre 2006 verabschiedete Neufassung der Europäischen Maschinen-Richtlinie (2006/42/EG) [9] umgesetzt.
Bezüglich des Lärmschutzes gilt nach Anhang I der Richtlinie die allgemeine Forderung, "dass Gefahren durch Lärmemission auf das unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts und der verfügbaren Mittel zur Lärmminderung, vornehmlich an der Quelle erreichbare niedrigste Niveau gesenkt werden" (Abschnitt 1.5.8). Außerdem müssen in der Betriebsanleitung und in den Verkaufsprospekten Angaben zur Geräuschemission gemacht werden (Abschnitte 1.7.4.2 und 1.7.4.3).
Als Geräuschemissions-Kennwert ist zunächst einmal der Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz Lpd (Index d - engl.: declared) gefragt. Wie in der Tabelle 3 dargestellt, ist erst bei entsprechenden Werten Lpd über 80 dB(A) zusätzlich die Angabe des Schallleistungspegels LWd erforderlich. Bei Emissions-Schalldruckpegeln am Arbeitsplatz bis zu 70 dB(A) reicht die Angabe "70 dB(A)".
Tabelle 3: Nach der EG-Maschinenrichtlinie erforderliche Geräuschangabe
Lpd | Erforderliche Geräuschangabe | |
---|---|---|
Geräuschemissionskennwert | Angabewert | |
≤ 70 dB(A) | Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz | LpAd = 70 dB oder LpAd = ... dB |
> 70 dB(A) | Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz | LpAd = ... dB |
> 80 dB(A) | Schallleistungspegel und Emissions-Schalldruckpegel am Arbeitsplatz | LWAd = ... dB (re 1 pW) und LpAd = ... dB |
LpCpeak > 130 dB | Spitzenschalldruckpegel | LpCpeakd = ... dB |
Die Verpflichtung der Hersteller zur Geräuschangabe soll dazu beitragen, dass der Maschinenkäufer eine bessere Information über die von der Maschine bzw. dem Gerät ausgehende Geräuschemission erhält und gezielt lärmarme Produkte auswählen kann.
Außerdem soll die erforderliche Geräuschangabe und die damit gegebene unmittelbare Vergleichbarkeit verschiedener Produkte hinsichtlich ihrer Geräuschemission dazu führen, dass die Hersteller größere Anstrengungen unternehmen, um möglichst leise Maschinen anzubieten.
Laute Maschinen sollten praktisch unverkäuflich werden.
3 Normen und Richtlinien
Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung verweist bzgl. Messtechnik auf den Stand der Technik und stellt damit eine Verbindung zu den einschlägigen Messnormen her. Die EG-Lärmschutz-Richtlinie 2003/10/EG [8] bezieht sich bzgl. Lärmmessung auf die Norm ISO 1999 [18], die jedoch nur eine relativ grobe Beschreibung der Messmethodik enthält. Sehr viel detaillierter beschreibt die in den letzten Jahren vollständig überarbeitete Norm DIN EN ISO 9612 [4] die Lärmmessung am Arbeitsplatz.
Die über viele Jahre in Deutschland für die Beurteilung der Lärmbelastung an Arbeitsplätzen maßgebende Norm DIN 45645-2 [19] musste nach der Übernahme der ISO 9612 als Europäische Norm zurückgezogen oder in ihrem Anwendungsbereich eingegrenzt werden. Deshalb wurde zunächst ein Anwendungs-Warnvermerk herausgegeben, der die Anwendung auf die in ISO 9612 nicht behandelte Beurteilung von extra-auralen Wirkungen von Geräuschimmissionen am Arbeitsplatz reduziert. Gleichzeitig wurde eine auf den neuen Anwendungsbereich zugeschnittene Neufassung der DIN 45645-2 erarbeitet, die die Ermittlung des Beurteilungspegels als Kennwert zur Beurteilung der Lästigkeit und Störwirkung von Geräuschen (extra-aurale Wirkungen) behandelt. Diese Norm liegt inzwischen als neuer Entwurf (Januar 2011) vor.
Im Folgenden sollen alle im Zusammenhang mit der Bestimmung der Lärmexposition am Arbeitsplatz bedeutsamen Normen und VDI-Richtlinien in wenigen Worten beschrieben werden.
4 Grundbegriffe
Im Zusammenhang mit Geräuschmessungen an Arbeitsplätzen sind die folgenden Grundbegriffe und Definitionen von Bedeutung. Weitergehende Ausführungen zu akustischen Grundlagen, z.B. zur Entstehung und Ausbreitung von Schallwellen, zur Frequenzanalyse und zum Rechnen mit Pegelwerten, enthält das Taschenbuch "0 Dezibel + 0 Dezibel = 3 Dezibel" [14].
4.1 Schalldruckpegel
Der Schalldruckpegel Lp ergibt sich entsprechend der folgenden Gleichung durch Bezug des Schalldrucks p auf den Referenzschalldruck p0 von 20 µPa:
(1)
mit:
p - gemessener Schalldruck
p0 - 2 * 10-5 Pa (Hörschwelle)
Der Bezugswert p0 = 20 µPa entspricht näherungsweise der Hörschwelle bei 1000 Hz.
Der Schalldruck p wird in der Regel als Effektivwert peff des Wechseldrucks bestimmt. Zur Beschreibung von einzelnen Schallimpulsen kann ggf. zusätzlich die absolute (positive oder negative) Schalldruckspitze (Scheitelwert) erfasst werden (siehe Abb. 2). Den damit entsprechend obiger Gleichung bestimmten Pegelwert bezeichnet man als Spitzenschalldruckpegel Lpeak.
4.2 Zeitbewerteter Schalldruckpegel
Die Norm für Schallpegelmesser DIN EN 61672 [22] definiert unterschiedliche Anzeigeträgheiten durch die Festlegung der in der Tabelle 4 angegebenen Zeitkonstanten.
Tabelle 4: Zeitbewertungen nach DIN EN 61672
Zeitbewertung | Zeitkonstante τ | |
---|---|---|
Pegelanstieg | Pegelabfall | |
S - langsam | 1 s | |
F - schnell | 125 ms | |
I - Impuls | 35 ms | 1500 ms |
Abb. 1 veranschaulicht das daraus resultierenden Anzeigeverhalten des Schallpegelmessers anhand der in den unterschiedlichen Zeitbewertungen aufgenommenen Schallpegelschriebe eines impulshaltigen Geräuschs (Schmiedehammer). So ergibt sich beispielsweise in der Zeitbewertung "S" (langsam) eine stark gedämpfte Anzeige, die den Vorteil hat, dass sie sich relativ leicht ablesen lässt. In der Zeitbewertung "F" (schnell) dagegen ist die Anzeige deutlich unruhiger, lässt jedoch die einzelnen Spitzen besser erkennen.
Die Zeitbewertung "I" (Impuls) zeichnet sich durch einen sehr schnellen Pegelanstieg und einen verzögerten Pegelabfall nach jedem einzelnen Schallereignis aus, wodurch die charakteristische "Impulsschleppe" entsteht.
Abb. 1 Aufzeichnung des Schalldruckpegels Lp für Lärmimpulse eines Schmiedehammers bei unterschiedlichen Zeitbewertungen
Zusätzlich zu diesen Zeitbewertungen für das gleichgerichtete Signal gibt es die Zeitbewertung "Spitze" ("peak") zur Erfassung des absoluten Spitzenwertes (Scheitelwertes) eines Schallsignals. Dabei wird die höchste auftretende Pegelspitze nahezu verzögerungsfrei erfasst.
Abb. 2 zeigt den Schalldruckspitzenwert "Peak" für ein Schallsignal im Vergleich zu den entsprechenden gleichgerichteten Schalldrucksignalen in den Zeitbewertungen "F" (Fast) und "S" (Slow).
Abb. 2 Schalldrucksignal in den Zeitbewertungen "F", "S" und "Peak"
Der Spitzenschalldruckpegel Lpeak fällt bei einem konstanten Einzelton um 3 dB höher aus als die Effektivwerte in den Zeitbewertungen "F" bzw. "S" (3 dB entspricht dem Verhältnis von Spitzenwert zu Effektivwert). Bei impulshaltigen Geräuschen ergeben sich jedoch sehr viel größere Unterschiede zwischen dem Spitzenschalldruckpegel Lpeak und dem zeitbewerteten Effektivwert. So kann der Spitzenschalldruckpegel Lpeak je nach Schallimpuls (Impulsdauer) um 15 bis 30 dB höher ausfallen als der in der Zeitbewertung "I" aufgenommene Maximalpegel LImax. Um die jeweilige Zeitbewertung kenntlich zu machen, kann das Formelzeichen für den Pegel L mit dem entsprechenden Index S, F, I oder peak versehen werden, z.B. LF, Lpeak.
4.3 Frequenzbewerteter Schalldruckpegel
Um die Frequenzabhängigkeit der Hörempfindung zu berücksichtigen, hat man die in Abb. 3 dargestellten Frequenzbewertungskurven A, B und C festgelegt (Annäherung an die "Kurven gleicher Lautstärkepegel" für unterschiedliche Pegelbereiche). Damit werden die nicht so laut empfundenen tieffrequenten und sehr hochfrequenten Geräuschanteile bei der Messung entsprechend gedämpft erfasst.
Abb. 3 Frequenzbewertungskurven A, B, C und Z
Außerdem gibt es noch die so genannte Frequenzbewertung "Z" ("Zero"), die Schallsignale im gesamten interessierenden Frequenzbereich ohne eine Dämpfung oder Verstärkung überträgt. In früheren Messgerätenormen wurde diese Charakteristik mit "LIN" (Linear) bezeichnet.
Für die meisten betrieblichen Messungen ist die die A-Bewertung anzuwenden. Der A-bewertete Schalldruckpegel beschreibt sowohl die Gehörgefährdung als auch die Lästigkeit und Störwirkung von Geräuschen. Daneben wird auch die C-Bewertung mit ihrer in einem weiten Bereich flach verlaufenden Dämpfungscharakteristik genutzt. So misst man den Spitzenschalldruckpegel Lpeak in der Regel als C-bewerteten Pegel LCpeak. Darüber hinaus lässt sich durch einen Vergleich des C-bewerteten Pegels mit dem A-bewerteten Pegel eine Aussage zur Frequenzcharakteristik von Geräuschen treffen, was z.B. im Zusammenhang mit der Auswahl von Gehörschutzmitteln von Bedeutung ist (siehe BGR/GUV-R 194 [17]).
Bei der Angabe von Messwerten wird vielfach die entsprechende Frequenzbewertung in Klammern an das dB angehängt, z.B. dB(A) oder dB(C). So wird beispielsweise ein Lärmexpositionspegel oder ein Beurteilungspegel oft in "dB(A)" angegeben, um zu verdeutlichen, dass es sich um einen A-bewerteten Pegel handelt, weil sich das aus den entsprechenden Formelzeichen LEX bzw. Lr nicht ablesen lässt. Streng genommen gibt es nach der Normung aber nur das "dB" und der Lärmexpositionspegel und der Beurteilungspegel werden in den entsprechenden Messnormen immer in "dB" angegeben.
In diesem LSA-Blatt soll entsprechend der vielfach üblichen Praxis verfahren werden:
4.4 Äquivalenter Dauerschallpegel
Der äquivalente Dauerschallpegel Leq ist der zeitliche Mittelwert eines Schalldruckpegels L(t), der in einer bestimmten Frequenzbewertung und einer bestimmten Zeitbewertung aufgenommenen wird, z.B. LAF(t). Er ergibt sich durch Integration nach der folgenden Gleichung:
(2)
mit:
T - Mittelungszeit
L(t) - zeitbewerteter Schallpegel zur Zeit t
Um zu verdeutlichen, dass es sich hier um einen Schalldruckpegel handelt, wird bei dem Symbol Leq vielfach als erster Index ein p ergänzt, also das Symbol Lpeq benutzt. Zur Veranschaulichung des äquivalenten Dauerschallpegels kann man sich das beschriebene Integral als die Fläche unterhalb eines in der entsprechenden Zeit- und Frequenzbewertung aufgenommenen Pegelschriebs vorstellen. Im Abb. 4 sind diese Flächen schraffiert. Daraus ist abzulesen, dass man in Abhängigkeit von der eingestellten Zeit- und Frequenzbewertung ggf. unterschiedliche äquivalente Dauerschallpegel erhält.
Abb. 4 Gegenüberstellung von Pegelschrieben in den Zeitbewertungen "F" und "I" für ein und dasselbe Geräusch.
Die Pegelmittelung in den Zeitbewertungen "F" und "S" führt bei ausreichend langer Messzeit jeweils zum selben Ergebnis. Wie in Abb. 4 veranschaulicht, ergibt sich dagegen in der Zeitbewertung "I" bedingt durch den verzögerten Pegelabfall jeweils ein höherer Mittelwert als in den Zeitbewertungen "F" und "S" (LAIeq ≥ LAeq).
Aufgrund abweichender Ergebnisse sind folgende zeitlichen Mittelwerte zu unterscheiden:
4.5 Beurteilungspegel
Der Beurteilungspegel Lr ist ein Kennwert zur Beurteilung der Lästigkeit und Störwirkung der Geräuschimmission für eine Tätigkeit. Er wird nach der derzeit vorbereiteten Neufassung der DIN 45645-2 [20] als A-bewerteter äquivalenter Dauerschallpegel für die längerfristig typische Arbeitssituation bestimmt und ggf. mit Zuschlägen für Impulshaltigkeit bzw. für Ton- und Informationshaltigkeit versehen:
Lr = LpAeq + KI + KT (3)
mit:
LpAeq - A-bewerteter äquivalenter Dauerschallpegel
KI - Impulszuschlag
KT - Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit
Bezüglich der Bestimmung der Zuschläge sei auf die DIN 45645-2 [20] bzw. auf das Taschenbuch "Lärmmessung im Betrieb" [5] verwiesen.
4.6 Tages-Lärmexpositionspegel
Der Tages-Lärmexpositionspegel nach ISO 1999 (Januar 1990) bzw. DIN EN ISO 9612 (September 2009) ergibt sich aus der über den repräsentativen Arbeitstag gemittelten Geräuschimmission, bezogen auf die Zeitdauer von 8 Stunden (Arbeitstag) und dient als Maß zur Beurteilung der Gehörgefährdung eines Geräusches. Der Tages-Lärmexpositionspegel wird als A-bewerteter äquivalenter Dauerschallpegel bestimmt.
4.7 Genauigkeitsklassen
Die Erfassung der Geräuschimmission am Arbeitsplatz bzw. der Geräuschemission einer Maschine ist jeweils mit einer Unsicherheit verbunden. Um die Unsicherheit der Ermittlung zu beschreiben, wurden z.B. in der alten Fassung der DIN 45645-2 (Juli 1997) drei Genauigkeitsklassen 1, 2 und 3 unterschieden, wobei die Klasse 1 der höchsten Genauigkeit und die Klasse 3 der geringsten Genauigkeit entsprach. Auch bei den Normen zur Bestimmung des Schallleistungspegels bzw. des Emissions-Schalldruckpegels am Arbeitsplatz werden in Abhängigkeit vom gewählten Messverfahren (z.B. Messpunktdichte, Messgerät) und den Messbedingungen (z.B. Raumeinfluss, Fremdgeräusch) drei unterschiedliche Genauigkeitsklassen unterschieden.
Nach der neuen Norm DIN EN ISO 9612 zur Bestimmung des Lärmexpositionspegels am Arbeitsplatz ist nur die Genauigkeitsklasse 2 ("Ingenieurverfahren") vorgesehen, obwohl sich dabei je nach Stichprobenumfang und eingesetztem Messgerät sehr unterschiedliche Unsicherheiten ergeben können.
Deshalb wurde in der ersten Ausgabe dieses Lärmschutz-Arbeitsblattes LSA 01-400 eine Unterscheidung von drei Genauigkeitsklassen in Anlehnung an die frühere Praxis nach DIN 45645-2 vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde in leicht abgewandelter Form auch in die Technischen Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung [3] eingebracht und ist insbesondere für den Vergleich des gewonnenen Lärmexpositionspegels mit den gegebenen Auslösewerten von Bedeutung.
Auch bei den Schallpegelmessern werden mehrere Genauigkeitsklassen unterschieden. So definiert die DIN EN 61672 [22] Schallpegelmesser in den Genauigkeitsklassen 1 und 2. In älteren Schallmessgerätenormen gab es drei und auch vier Genauigkeitsklassen für die Messgeräte (0, 1, 2 und 3).
5 Erfassen der Lärmexposition
5.1 Allgemeines
Bei der Geräuschimmissionsmessung werden alle auf einen Ort oder eine Person einwirkenden Geräusche erfasst und bewertet. Dabei können sich z.B. die Geräusche mehrerer Lärmquellen und die Schallreflexionen innerhalb des Raumes summieren. Als wichtigster Kennwert zur Beurteilung der Gehörgefährdung wird in der Regel der Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h nach DIN EN ISO 9612 bestimmt, der die Geräuschimmission für einen repräsentativen Arbeitstag beschreibt. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung [1] kann zusätzlich die Erfassung des Spitzenschalldruckpegels LpCpeak gefordert sein. Nach der VDI-Richtlinie 2058 Blatt 2 [21] ist zur Beurteilung des Hörschadensrisikos durch Einzel-Schallereignisse der maximale A-Schalldruckpegel LAImax in der Zeitbewertung "I" zu bestimmen.
In diesem Abschnitt sollen die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung [1] durchzuführenden Messungen auf der Grundlage der maßgebenden Messnorm DIN EN ISO 9612 beschrieben werden. D.h. die Erläuterungen beziehen sich auf die Ermittlung des Tages-Lärmexpositionspegels LEX,8h und des Spitzenschalldruckpegels LpCpeak.
Bezüglich der Ermittlung der Lärmbelastung unter Helmen, beispielsweise von Piloten oder Motorradfahrern, oder unter Kopfhörern, beispielsweise in einem Callcenter oder Tonstudio, sei auf das Taschenbuch "Lärmmessung im Betrieb" [5] verwiesen. Die Messung und Beurteilung von Ultraschall-Geräuschen, die z.B. an Ultraschall-Schweißmaschinen oder - Reinigungsanlagen entstehen, wird in der VDI-Richtlinie 3766 [23] beschrieben.
5.2 Arbeitsanalyse, repräsentative Arbeitsschicht
Die DIN EN ISO 9612 beschreibt eine abgestufte Vorgehensweise zur Bestimmung des Lärmexpositionspegels am Arbeitsplatz. Dabei werden folgende Schritte unterschieden:
Die Arbeitsanalyse ist danach der erste Schritt. Diesem Schritt kommt eine besondere Bedeutung zu, weil die Entscheidung über die anzuwendende Messstrategie davon abhängt. Je nach gewählter Messstrategie ergibt sich ggf. ein größerer Aufwand für die Arbeitsanalyse oder für die Durchführung der Messungen, wie in den folgenden Abschnitten erläutert wird.
Da der Tages-Lärmexpositionspegel die Lärmbelastung für den repräsentativen Arbeitstag beschreibt, gilt es im Rahmen der Arbeitsanalyse die entsprechende repräsentative Lärmsituation zu ermitteln. Unter dem repräsentativen Arbeitstag ist dabei die längerfristig typische (durchschnittliche) Arbeits- bzw. Lärmsituation zu verstehen. Falls sich die Lärmsituation von einem Tag zum anderen unterscheidet, bedeutet das eine Mittelung der Lärmexposition über einen längeren Zeitraum bzw. über mehrere Tage (siehe auch ISO 1999, Abschnitt 4.4.2).
Um den Messaufwand zu reduzieren, lassen sich im Rahmen der Arbeitsanalyse ggf. Gruppen von Beschäftigten mit gleicher Lärmexposition bilden. Das können z.B. Gruppen mit gleichartigen Tätigkeiten oder mit Aufenthalt in einem Bereich mit gleichartiger Lärmexposition sein. Hinweise auf entsprechende Gruppen liefern ggf. entsprechende Berufsbezeichnungen, Arbeitsbezeichnungen oder Einsatzorte.
Ziel der Arbeitsanalyse ist die Beschreibung des repräsentativen Arbeitstages einschließlich aller ausgeführten Tätigkeiten und der üblichen Pausen. Dabei ist darauf zu achten, dass alle Ereignisse erfasst werden, die zur Lärmbelastung beitragen, also z.B. auch einzelne kurzzeitige Belastungen mit hohen Pegeln oder einzelne Schallimpulse. Die Mittagspause und andere offizielle Arbeitspausen lassen sich in der Regel als lärmfreie Phasen annehmen. Deshalb kann man die Messung in diesen Pausen unterbrechen und muss sie bei der Berechnung des Lärmexpositionspegels nicht berücksichtigen.
Falls die Recherche ergibt, dass möglicherweise extrem hohe Spitzenschalldruckpegel LCpeak entsprechend den unteren Auslösewerten von 135 dB(C) oder darüber vorkommen können, ist dies durch entsprechende Messungen abzuklären (siehe Abschnitt 5.7.2). Dabei sollte die Belastungssituation mit den höchsten möglichen Schalldruckpegelspitzen erfasst werden.
Um die typische Lärmsituation am Arbeitsplatz bzw. den repräsentativen Arbeitstag beschreiben zu können, empfiehlt die DIN EN ISO 9612, sowohl die Beschäftigten als auch die Vorgesetzten zu Art, Ausmaß und Dauer der einzelnen Tätigkeiten bzw. Belastungsphasen zu befragen. Gegebenenfalls lassen sich vorhandene Arbeitsablaufstudien nutzen oder die Zeiten für einzelne Abschnitte der Arbeitsschicht unmittelbar messen.
Zur Beschreibung des repräsentativen Arbeitstages sollen folgende Inhalte benannt werden:
Darüber hinaus sind die Produktionsbedingungen z.B. durch folgende Angaben genauer zu beschreiben:
5.3 Messstrategien
DIN EN ISO 9612 beschreibt drei Strategien zur Messung des Lärmexpositionspegels. Diese Messstrategien sind weitgehend mit der bisherigen Messpraxis in Deutschland entsprechend der über viele Jahre maßgebenden Norm DIN 45645-2 in der Fassung von 1997 in Einklang. Die ISO-Norm stellt die Messstrategien jedoch deutlicher als alternative Verfahren nebeneinander, erläutert ihre Vor- und Nachteile und gibt Empfehlungen für die Anwendung der einzelnen Strategien.
Nach DIN EN ISO 9612 sind folgende Messstrategien zu unterscheiden:
5.3.1 Tätigkeitsbezogene Messungen (Strategie 1)
Das in Deutschland wohl am weitesten verbreitete Messverfahren an Arbeitsplätzen beschreibt die DIN EN ISO 9612 als Strategie 1 bzw. tätigkeitsbezogene Messung. Dieses Verfahren ist anwendbar, wenn sich die Arbeitsschicht in mehrere typische Tätigkeiten mit in sich gleichartiger Lärmexposition zerlegen lässt. Bild 5 zeigt ein Beispiel einer Arbeitsschicht mit drei zu unterscheidenden Tätigkeiten. Zur Ermittlung des Lärmexpositionspegels ist die Geräuschbelastung für jede einzelne Tätigkeit separat zu erfassen. Aus den äquivalenten Dauerschallpegeln der einzelnen Tätigkeiten lässt sich dann der Lärmexpositionspegel unter Berücksichtigung der jeweiligen Zeitanteile berechnen (siehe Abschnitt 5.9).
Bild 5 Zerlegung einer Arbeitsschicht in mehrere Tätigkeiten mit in sich gleichartiger Geräuschsituation
T Arbeitsschichtdauer T1 Dauer von Tätigkeit 1 T2 Dauer von Tätigkeit 2 T3 Dauer von Tätigkeit 3 t1 Messdauer innerhalb der Tätigkeit 1 t2 Messdauer innerhalb der Tätigkeit 2 t3 Messdauer innerhalb der Tätigkeit 3
Dieses Verfahren der Strategie 1 hat den wesentlichen Vorteil, dass man in der Regel mit relativ kurzen Messzeiten tm für die einzelne Tätigkeit auskommt. Andererseits ist gegebenenfalls ein hoher Aufwand nötig, um die Arbeitsplatzsituation zu analysieren und die Zeitanteile für die zu berücksichtigenden Tätigkeiten mit ausreichender Sicherheit zu ermitteln.
Das Verfahren lässt sich in der Regel auch dann anwenden, wenn am Tage der Messung Bedingungen vorliegen, die von der repräsentativen Situation abweichen. So lassen sich die ermittelten Zeitdauern der einzelnen Tätigkeiten z.B. als längerfristig typische Werte einsetzen oder bestimmte Belastungssituationen bei einer kurzzeitigen Simulation erfassen und entsprechend berücksichtigen.
5.3.2 Berufsbildbezogene Messungen (Strategie 2)
Als Strategie 2 bzw. berufsbildbezogene Messungen beschreibt DIN EN ISO 9612 ein Stichprobenverfahren, mit dem sich die Lärmexposition für ein Berufsbild durch zeitlich zufällige Stichprobenmessungen erfassen lässt. Ein Stichprobenverfahren, wie es auch schon die alte Fassung der DIN 45645-2 (Ausgabe 1997) im Anhang B beschrieben hatte, bietet sich vor allem für Berufsbilder mit vielen unterschiedlichen Tätigkeiten oder bei einem unvorhersehbaren Arbeitsablauf an. An solchen Arbeitsplätzen wäre die Ermittlung der einzelnen Tätigkeiten mit ihren Zeitanteilen und die messtechnische Erfassung der jeweiligen Geräuschbelastungen nach der Strategie 1 mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden. Man kann sich in diesem Fall durch die Anwendung der Strategie 2 (berufsbildbezogene Messung) eine aufwändige Analyse der Arbeitsplatzsituation ersparen, muss jedoch mit höherem Aufwand für die Durchführung der Messungen rechnen (s. Abschnitt 5.10).
Die Vor- und Nachteile der Strategien 1 und 2 sind in der Tabelle 5 gegenübergestellt. Dabei wird neben dem Aufwand zur Durchführung der Messungen (Messdauer) und für die Arbeitsanalyse auch die Information über den Anteil einer einzelnen Tätigkeit an der gesamten Geräuschexposition der Arbeitsschicht als ein Kriterium aufgeführt. Diese zusätzliche Information liefert nur die Strategie 1, was z.B. als Grundlage für die Entscheidung über Lärmschutzmaßnahmen von Nutzen sein kann. Bekanntlich lässt sich die Lärmexposition an einem Arbeitsplatz nur dann deutlich reduzieren, wenn man bei Tätigkeiten ansetzt, die maßgeblich zur Gesamtbelastung des Beschäftigten beitragen.
Tabelle 5: Vor- und Nachteile der Strategien 1 und 2
Strategie 1 Tätigkeitsbezogene Messung | Strategie 2 Berufsbildbezogene Messung | |
Messdauer | In der Regel kurze Messdauern | Stichprobenmessungen über längere Zeiten |
Arbeitsanalyse | Ggf. zeitaufwändig, z.B. bei komplexen Arbeitsabläufen | Keine detaillierte Arbeitsanalyse erforderlich |
Information zum Anteil an der Gesamtbelastung | Beitrag jeder einzelnen Tätigkeit wird ermittelt |
5.3.3 Ganztags-Messungen (Strategie 3)
Als Strategie 3 bzw. Ganztags-Messungen bezeichnet DIN EN ISO 9612 eine Messmethode, bei der die Lärmexposition durch Langzeitmessungen über mehrere möglichst vollständige Arbeitsschichten zu erfassen ist. Die ausgewählten Arbeitstage sollten repräsentativ für den betrachteten Arbeitsplatz sein. Jede Ganztags-Messung wird als ein Stichproben-Messwert verstanden und wie bei der Strategie 2 ausgewertet. Die Strategie 3 empfiehlt sich vor allem für mobil eingesetzte Beschäftigte mit vielfältigen unterschiedlichen Tätigkeiten. Da man diese Beschäftigten kaum über die gesamte Zeit mit einem Handschallpegelmesser verfolgen kann, erfordert dieses Verfahren in der Regel personengebundene Messungen mit Schalldosimetern.
Obwohl in der DIN 45645-2 die Strategie 3 nicht so explizit als eigenes Verfahren beschrieben wurde, hat sich dieses Verfahren in ähnlicher Form in der betrieblichen Praxis schon lange bewährt. So wird diese Messmethodik vom Institut für Arbeitsschutz (IFA - vormals BGIA) seit mehr als 20 Jahren erfolgreich zur Erfassung der Lärmbelastungen in Bauberufen eingesetzt [24].
5.3.4 Vergleich der drei Messstrategien
Wie in den vorherigen Abschnitten erläutert, weisen die hier beschriebenen Strategien jeweils Vor- und Nachteile auf. Tabelle 6 gibt einen Überblick, in welchen Fällen die jeweiligen Strategien anwendbar (markiert mit "Häkchen") und wann sie besonders zu empfehlen sind (markiert mit "Sternchen"). Danach bietet sich Strategie 1 - tätigkeitsbezogene Messung - immer dann an, wenn sich die Arbeitsschicht in eine überschaubare Anzahl von Tätigkeiten (Teilzeiten) zerlegen lässt. Wenn dies wegen vielfältiger Tätigkeiten mit unbekannter Dauer nicht möglich ist, kommen die als Strategie 2 beschriebenen berufsbildbezogenen Stichprobenmessungen in Betracht. Bei mobilen Arbeitsplätzen mit einer großen Zahl an Tätigkeiten sind schließlich Ganztags-Messungen entsprechend Strategie 3 zu empfehlen.
Tabelle 6: Anwendungsmöglichkeiten und -empfehlungen für die drei Messstrategien (in Anlehnung an DIN EN ISO 9612)
Arbeitsplatz | Arbeitsaufgabe/Tätigkeit | Strategie | ||
---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | ||
Tätigkeitsbezogene Messungen | Berufsbildbezogene Messungen | Ganztagsmessungen | ||
fest | einfach oder einzelne | * | ||
komplex oder vielfältig | * | |||
mobil | vorhersehbarer Arbeitsablauf, kleine Zahl an Tätigkeiten | * | ||
vorhersehbarer Arbeitsablauf große Zahl an Tätigkeiten oder komplexer Arbeitsablauf | * | |||
unvorhersehbarer Arbeitsablauf | * | |||
fest o. mobil | vielfältige Tätigkeiten mit unbekannter Dauer | * | ||
keine vorgegebenen Tätigkeiten | * | |||
- Strategie ist geeignet
* - empfohlene Strategie |
Im Einzelfall lassen sich auch verschiedene Strategien kombinieren, z.B. indem man die Lärmbelastung für eine bestimmte Belastungsphase (Tätigkeit) durch Stichprobenmessungen (Strategie 2) erfasst und mit anderen Belastungsphasen (Tätigkeiten) nach der Strategie 1 tätigkeitsbezogen auswertet.
5.4 Orts- und personenbezogener Lärmexpositionspegel
Je nach Aufgabenstellung kann es sinnvoll sein, die Geräuschimmission personenbezogen oder ortsbezogen zu betrachten und dementsprechend einen personenbezogenen oder einen ortsbezogenen Lärmexpositionspegel zu bestimmen.
Die DIN EN ISO 9612 betrachtet die Geräuschimmission jeweils personenbezogen, d.h. der zu ermittelnde Lärmexpositionspegel beschreibt die Einwirkung auf einen einzelnen Beschäftigten oder eine Gruppe von gleichartig belasteten Beschäftigten, die sich über verschiedene Bereiche bewegen können.
Auch im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung [1] bzw. der TRLV Lärm [3] gilt es in der Regel, den personenbezogenen Lärmexpositionspegel zu bestimmen. Der personenbezogene Lärmexpositionspegel wäre dann die Grundlage zur Entscheidung über das Angebot bzw. die Verpflichtung zur Durchführung von Gehör-Vorsorgeuntersuchungen, zum Tragen von Gehörschutzmitteln sowie die Verpflichtung zur Aufstellung und Durchführung eines Lärmminderungsprogramms.
Auch bei der Auswahl eines Gehörschützers sollte man sich in der Regel an dem personenbezogenen Lärmexpositionspegel orientieren, um ein hinsichtlich Schalldämmung gut geeignetes Gehörschützer-Modell zu finden [17].
Die personenbezogene Beurteilung ist außerdem im Rahmen der Begutachtung eines Lärmschwerhörigkeitsfalles gefragt, um damit das individuelle Gehörschadensrisiko für die betrachtete Person zu beschreiben.
Der ortsbezogene Lärmexpositionspegel beschreibt die auf einen festen Ort (Arbeitsplatz) oder einen Bereich einwirkende Geräuschimmission, unabhängig davon, ob sich dort Beschäftigte aufhalten oder nicht. Bei der entsprechenden Messung ist die auf diesen Ort einwirkende Geräuschimmission so zu erfassen, als wolle man die Belastung für eine Person ermitteln, die sich dort über die gesamte Arbeitsschicht aufhält.
Der ortsbezogene Lärmexpositionspegel ist nach der TRLV Lärm als Grundlage für die Festlegung von Lärmbereichen heranzuziehen (TRLV Lärm, Teil Allgemeines).
Darüber hinaus kann der ortsbezogene Lärmexpositionspegel auch als Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung dienen, wenn man das in der TRLV Lärm beschriebene "vereinfachte Vorgehen" bei der Gefährdungsbeurteilung anwendet (TRLV Lärm, Teil 1, 6.1). Danach kann man entscheiden, dass alle Beschäftigten in einem Lärmbereich (ab 85 dB(A)) entsprechend dem hier ermittelten höchsten ortsbezogenen Lärmexpositionspegel belastet sind, unabhängig davon, wie lange sie sich wirklich dort aufhalten. Es wären also alle Beschäftigten, die auch nur kurzzeitig im Lärmbereich zu tun haben, als entsprechend gefährdet anzusehen. Die erforderlichen Maßnahmen, z.B. bezüglich Vorsorgeuntersuchungen, Gehörschutzmittel und Lärmminderung (siehe Abschnitt 2.3.2), müssen sich dann an dem höchsten ortsbezogenen Lärmexpositionspegel orientieren. Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass man damit bei unterschiedlich eingesetzten Beschäftigten nicht für jeden einzelnen die individuelle Lärmexposition ermitteln muss.
Als eine weitere Vereinfachung besteht nach der TRLV Lärm auch die Möglichkeit, bestimmte Arbeitsmittel aufgrund der im Einsatz für den Bediener entstehenden Lärmbelastung (ortsbezogen) als potentiell Gehör gefährdend zu kennzeichnen und - unabhängig von der tatsächlichen Expositionsdauer - eine Lärmgefährdung für den Beschäftigten anzunehmen, sofern er auch nur kurzzeitig damit arbeitet. D.h. man spart sich die Ermittlung der personenbezogenen Lärmexposition für den einzelnen Beschäftigten und setzt den bei der Arbeit verursachten ortsbezogenen Schalldruckpegel als Lärmexpositionspegel an (ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Einsatzzeit). Alle nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung notwendigen Maßnahmen, wie die entsprechende Unterweisung, die Gehöruntersuchung und die Benutzung von Gehörschutz, orientieren sich an diesem Wert. Dieses vereinfachte Vorgehen hat sich z.B. an Baustellenarbeitsplätzen bewährt. Hier werden die entsprechenden lauten Handwerkzeuge gekennzeichnet und der Beschäftigte kann z.B. sofort erkennen, dass er bei der Verwendung dieses Gerätes einen Gehörschutz tragen muss.
In der folgenden Tabelle 7 sind die Anwendungen für den personenbezogenen und den ortsbezogenen Lärmexpositionspegel nochmals zusammengestellt.
Tabelle 7: Anwendungen für den personenbezogenen und den ortsbezogenen Lärmexpositionspegel
Anwendung | |
---|---|
Personenbezogener Lärmexpositionspegel |
|
Ortsbezogener Lärmexpositionspegel |
|
5.5 Ortsfeste und personengebundene Messung
Orientiert sich an der Position des Mikrofons kann man zwischen der ortsfesten und der personengebundenen Messung unterscheiden:
Unabhängig davon, ob eine ortsbezogene oder personenbezogene Beurteilung gefragt ist, lässt sich die Messung ortsfest oder personengebunden durchführen. Beispielsweise lässt sich die personenbezogene Lärmexposition für einen mobil eingesetzten Beschäftigten auf zwei Arten bestimmen: entweder durch eine personengebundene Messung mit einem Lärmdosimeter oder durch ortsfeste Messungen an den verschiedenen Einsatzorten und Berechnung unter Berücksichtigung der jeweiligen Zeitanteile.
5.5.1 Ortsfeste Messung
In den meisten betrieblichen Anwendungsfällen werden ortfeste Messungen mit einem Handschallpegelmesser durchgeführt, um relativ schnell die Lärmbelastungssituation an einem Arbeitsplatz oder in einem bestimmten Bereich zu erfassen und mit entsprechenden Auslösewerten zu vergleichen. Im Idealfall sollte die Messung in Abwesenheit des Beschäftigten stattfinden, damit das Ergebnis nicht durch Schallreflexionen oder Abschattungseffekte vom Körper des Beschäftigten beeinflusst wird. Das Mikrofon sollte dabei an der üblichen Position des Kopfes in Ohrhöhe gehalten und mit der vom Hersteller angegebenen Bezugsrichtung (in der Regel 0°, d.h. senkrecht zur Membrane) in Blickrichtung ausgerichtet werden. Als Anhaltswerte für die Mikrofonhöhe nennt die DIN EN ISO 9612 folgende Maße:
Falls sich der Beschäftigte am Arbeitsplatz aufhalten muss, z.B. um eine Maschine zu bedienen, ist das Mikrofon in Ohrnähe seitlich des Kopfes zu positionieren. Die DIN EN ISO 9612 gibt hierfür einen Abstand von 0,1 bis 0,4 m zum Ohr vor. Bei unterschiedlich hoher Belastung beider Ohren, z.B. aufgrund eines einseitig in Ohrnähe gehaltenen Handwerkzeuges, ist die Messung auf der Seite des höher belasteten Ohres durchzuführen.
Erfahrungsgemäß bewegen sich die Beschäftigten an vielen ortsfesten Arbeitsplätzen in einem größeren Bereich, so dass sich eine mittlere Mikrofonposition nicht ohne weiteres festlegen lässt. In solchen Fällen empfiehlt es sich, das Mikrofon von Hand den Bewegungen des Beschäftigten nachzuführen und die daraus resultierenden örtlichen Pegelschwankungen zeitlich zu mitteln, d.h. den äquivalenten Dauerschallpegel LAeq zu bestimmen. Um den Beschäftigten dabei nicht unnötig zu behindern, hat sich die Nachführung des Mikrofons unter Verwendung einer ca. 0,8 m langen Stativstange bewährt, wie in Bild 6 veranschaulicht. Das Mikrofon wird dabei durch ein kurzes Verlängerungskabel mit dem in der Hand gehaltenen Schallpegelmesser verbunden.
Abb. 6 Nachführen des Mikrofons mit Hilfe einer Stativstange
5.5.2 Personengebundene Messung
Bei der personengebundenen Messung wird das Mikrofon am Körper des zu untersuchenden Beschäftigten in Ohrnähe befestigt und die Belastung üblicherweise mit Hilfe eines ebenfalls am Körper getragenen Personenschallexposimeters/Lärmdosimeters aufgezeichnet.
Es ist aber auch möglich, einen Beschäftigten mit dem Schallpegelmesser über einen größeren Bereich zu verfolgen, sofern man ihn dabei nicht zu sehr behindert. Beispiel wäre ein Meister, der einen Rundgang in seinem Zuständigkeitsbereich macht. Diese Messung kann man auch als eine "personengebundene" Messung verstehen. Allerdings dürfte es schwer fallen, einen Beschäftigten über längere Zeit mit dem Handschallpegelmesser in Ohrnähe zu verfolgen und dabei den in der DIN EN ISO 9612 vorgegebenen Abstand zum Ohr von max. 0,4 m einzuhalten. Deshalb kommen für längere personengebundene Messungen praktisch nur Lärmdosimeter in Betracht.
Die personengebundene Messung bietet sich vor allem für mobil eingesetzte Beschäftigte mit vielfältigen unterschiedlichen Tätigkeiten sowie für die Erfassung der Lärmexposition über eine lange Zeitdauer an.
Die DIN EN ISO 9612 gibt dafür die folgende Mikrofonposition vor, die sich in der Praxis als besonders günstig erwiesen hat:
Um den nach DIN EN ISO 9612 empfohlenen Abstand der Mikrofonmembran von 4 cm über der Schulter einzuhalten und die genaue Position des Mikrofons an der höchsten Stelle auf der Schulter einstellen zu können, kann man z.B. ein spezielles Gurtsystem einsetzen, dass das Mikrofon mit Hilfe einer Klettverbindung fixiert. Bild 7 zeigt das vom Institut für Arbeitsschutz üblicherweise bei derartigen Messungen genutzte Gurtsystem, das eine genaue Positionierung des Mikrofons auf der Schulter mit Hilfe einer Klettverbindung ermöglicht. Das Dosimeter wird dabei am Gürtel getragen. Bei der Befestigung des Mikrofons und des Mikrofonkabels ist außerdem darauf zu achten, dass die auszuführenden Arbeiten nicht behindert werden und kein Sicherheitsrisiko, z.B. durch Verfangen des Mikrofonkabels in einer Maschine, entsteht.
Abb. 7 Einsatz eines Schalldosimeters in Verbindung mit einem speziellen Gurtsystem zur Fixierung des Mikrofons
Als Nachteil der personengebundenen Messung mit Schalldosimetern sind die ggf. damit verbundenen etwas höheren Messunsicherheiten zu nennen. So können sich z.B. aufgrund von Schallreflexionen am Körper des Beschäftigten und von Abschattungen durch den Körper deutliche Abweichungen zu der ohne den Beschäftigten aufgenommenen Schallexposition ergeben. Das gilt insbesondere für hochfrequente Geräusche und kleine Lärmquellen in geringem Abstand zum Ohr. Bei Messungen über längere Zeiträume sollten sich die entstehenden positiven und negativen Abweichungen zumindest teilweise aufheben.
Auf jeden Fall erfordert diese Messmethode besondere Sorgfalt, eine fortlaufende Beobachtung und Dokumentation der ausgeführten Tätigkeiten und eine spätere Überprüfung der Ergebnisse auf Plausibilität [25].
5.6 Messgeräte und deren Kalibrierung
Für die Erfassung der Lärmexposition am Arbeitsplatz nach DIN EN ISO 9612 lassen sich sowohl Schallpegelmesser nach DIN EN 61672 [22] als auch Personen-Schallexposimeter/Lärmdosimeter nach DIN EN 61252 [26] einsetzen.
Bevorzugt sind Schallpegelmesser bzw. Dosimeter zu verwenden, die den Anforderungen der Klasse 1 nach DIN EN 61672 entsprechen. Insbesondere für Geräusche mit dominierenden hohen Frequenzen oder Messungen bei sehr niedrigen Temperaturen wird die Verwendung entsprechend hochwertiger Klasse-1-Messgeräte empfohlen. Der Kalibrator muss in jedem Fall die Anforderungen der Klasse 1 nach DIN EN 60942 [27] erfüllen. Lärmdosimeter nach DIN EN 61652 sind näherungsweise mit Schallpegelmessern der Klasse 2 vergleichbar und werden nach DIN EN ISO 9612 entsprechend behandelt. Um der Forderung der DIN EN ISO 9612 der bevorzugten Verwendung von Klasse-1-Geräten gerecht zu werden, müsste das Dosimeter zusätzlich die Anforderungen der DIN EN 61672 für Geräte der Klasse 1 erfüllen. Das trifft auf die heute üblichen Lärmdosimeter allerdings nicht zu.
Die Vorgaben der DIN EN ISO 9612 bezüglich der Genauigkeitsklasse der Messgeräte sind in der Tabelle 8 zusammengestellt.
Tabelle 8: Messgeräte und Genauigkeitsklassen nach DIN EN ISO 9612
Schallpegelmesser nach DIN EN 61672 | Klasse 1 (vorzugsweise) Klasse 2 |
Personenschallexposimeter nach DIN EN 61252 | vorzugsweise entsprechend DIN EN 61672 Klasse 1 |
Kalibrator nach DIN EN 60942 | Klasse 1 |
Die eingesetzten Schallmessgeräte und der Kalibrator sind mindestens alle zwei Jahre auf Einhaltung der Anforderungen nach den relevanten Messgerätenormen zu überprüfen. Diese relativ aufwändige Geräteprüfung können nur einige besonders qualifizierte Kalibrierlaboratorien anbieten, z.B. einzelne Hersteller und die Eichämter einiger Länder.
Bei bestimmten Messaufgaben kann die Benutzung eines amtlich geeichten Schallmessgerätes gesetzlich vorgeschrieben sein, z.B. wenn es sich um öffentliche Überwachungsaufgaben oder Gutachten im Rahmen von gerichtlichen Verfahren handelt (Eichgesetz § 2, Eichordnung § 3).
Unmittelbar vor jeder Messreihe und zu Beginn jedes Messtages muss die gesamte Messkette einschließlich Mikrofon mit einem Kalibrator der Klasse 1 kalibriert werden (Vor-Ort-Kalibrierung). Am Ende der Messreihe und am Ende jedes Messtages ist die Kalibrierung zu überprüfen. Wenn sich bei der Nachprüfung Abweichungen von mehr als 0,5 dB gegenüber der Anfangs-Kalibrierung ergeben, sind alle Messergebnisse ungültig. In diesem Fall sollte man nach der Ursache für diese ungewöhnlich großen Abweichungen suchen und muss die Messungen wiederholen.
5.7 Messgrößen
5.7.1 Äquivalenter Dauerschallpegel LpAeq, Messdauer
Äquivalenter Dauerschallpegel:
Wesentliche Messgröße ist in der Regel der A-bewertete äquivalente Dauerschallpegel LpAeq. Er ist je nach Messstrategie für eine einzelne Tätigkeit zu erfassen (Strategie 1), für einen als Stichprobe ausgewählten Zeitabschnitt einer Arbeitsschicht (Strategie 2) oder für den ganzen Arbeitstag (Strategie 3).
Der äquivalente Dauerschallpegel LpAeq lässt sich mit Hilfe eines integrierenden Schallpegelmessers nach DIN EN 61672 bzw. eines Personenschallexposimeters (Lärmdosimeters) nach DIN EN 61252 erfassen und unmittelbar ablesen. Sofern das Messgerät dafür eine Auswahl der Zeitbewertung verlangt, sollte die Zeitbewertung "F" (schnell) gewählt werden. Die Zeitbewertung "S" (langsam) führt aber bei ausreichend langer Messzeit zum selben Ergebnis.
Messdauer:
Bei Stichprobenmessungen nach Strategie 2 ergibt sich die Messdauer aus der für die einzelne Stichprobe festgelegten Messdauer, von z.B. 15 oder 30 Minuten. Bei der Durchführung von Ganztagsmessungen nach Strategie 3 soll man mit der Messung nach Möglichkeit die gesamte Dauer der Arbeitsschicht erfassen.
Im Vergleich dazu können bei tätigkeitsbezogenen Messungen nach Strategie 1 kürzere Messdauern ausreichen.
Wie bereits in Bild 5 veranschaulicht, hängt die Messdauer von der Art des Geräusches ab und muss sich in der Regel nicht über die gesamte Zeitdauer der betrachteten Tätigkeit erstrecken. Generell ist jedoch zu beachten, dass die Messung des äquivalenten Dauerschallpegels LpAeq über eine ausreichend lange Dauer durchgeführt wird, um damit einen Messwert zu erhalten, der für die entsprechende Tätigkeit repräsentativ ist. Davon kann man im Allgemeinen ausgehen, wenn erkennbar ist, dass sich der angezeigte äquivalente Dauerschallpegel LpAeq durch alle zu erwartenden weiteren Geräuschbeiträge nicht mehr nennenswert ändert.
Bezüglich der Messdauer macht die DIN EN ISO 9612 folgende Vorgaben:
Für jede Tätigkeit sind entsprechend DIN EN ISO 9612 zumindest drei dieser Messungen erforderlich. Wenn die Ergebnisse um mehr als 3 dB differieren, sind drei zusätzliche Messungen oder drei neue Messungen mit längeren Messdauern durchzuführen. Der A-bewertete äquivalente Dauerschallpegel LpAeq für die Tätigkeit wird aus den einzelnen Messwerten durch energetische Mittelung berechnet (siehe Abschnitt 5.9.4, Gleichung (5)).
Reduzierte Messdauer:
Bei konsequenter Einhaltung der in DIN EN ISO 9612 für tätigkeitsbezogene Messungen gemachten Vorgaben bezüglich Messdauer und Anzahl der Messungen kann sich in vielen Fällen ein hoher Messaufwand ergeben. Die DIN EN ISO 9612 erlaubt jedoch eine Reduzierung der Messzeit, falls der Pegel konstant oder gut reproduzierbar ist. Auch für Tätigkeiten, die einen relativ geringen Anteil an der Gesamtlärmexposition haben, sind kürzere Messzeiten ausreichend. Deshalb lässt sich der Aufwand zur Erfassung des äquivalenten Dauerschallpegels für eine Tätigkeit mit der entsprechenden Erfahrung und bei sinnvoller Unterscheidung der einzelnen Tätigkeiten vielfach reduzieren.
5.7.2 Erfassen des Spitzenschalldruckpegels LpCpeak
Neben dem Lärmexpositionspegel LEX,8h ist nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung gegebenenfalls auch der Spitzenschalldruckpegel LpCpeak als Auslösewert zu beachten.
Dieser Spitzenpegel ist allerdings nur dann relevant, wenn an dem Arbeitsplatz besonders laute Lärmimpulse zu erwarten sind, die möglicherweise den unteren Auslösewert von 135 dB(C) erreichen oder überschreiten. Das gilt z.B. für Schmiedehämmer, Bolzenwerkzeuge oder Waffenlärm [28]. Mit Hilfe des Spitzenschalldruckpegels LpCpeak soll die Gefahr einer unmittelbaren (akuten) Gehörschädigung durch extrem hohe Lärmimpulse erkannt werden. Die Auslösewerte liegen dabei in einem Bereich, der deutlich unter der Belastungsgrenze liegt, bei der man laut VDI 2058 Blatt 2 [21] bei Einzelereignissen mit akuten Gehörschäden rechnen muss. Zur Bestimmung des Spitzenschalldruckpegels LpCpeak muss das Schallmessgerät auf die Zeitbewertung "peak" (Spitze) und auf die Frequenzbewertung "C" eingestellt werden. Viele moderne Schallmessgeräte können diesen Spitzenschalldruckpegel parallel zum äquivalenten Dauerschallpegel LpAeq erfassen.
5.8 Tages- und Wochen-Lärmexpositionspegel
5.8.1 Allgemeines
Der Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h wird aus dem für den repräsentativen Arbeitstag bestimmten A-bewerteten äquivalenten Dauerschallpegel unter Bezug auf die Zeitdauer von 8 h berechnet. Unter dem repräsentativen Arbeitstag ist dabei die längerfristig typische bzw. durchschnittliche Belastungssituation zu verstehen. Falls die Lärmbelastung von Tag zu Tag schwankt, bedeutet die Ermittlung der längerfristig typischen Lärmexposition also eine Mittelung der Geräuschimmission über mehrere Tage (siehe auch ISO 1999, Abschnitt 4.4.2). Die DIN EN ISO 9612 empfiehlt für diesen Fall die Definition des repräsentativen Arbeitstages als Mittelwert über mehrere Tage, z.B. für eine Arbeitswoche (DIN EN ISO 9612, Abschnitt 7.3).
Um das Langzeitrisiko für eine Hörminderung zu beurteilen, muss der repräsentative Arbeitstag nach DIN EN ISO 9612 die mittlere Belastungssituation für die jeweils betrachtete Zeitspanne beschreiben, so dass ggf. auch eine Mittelung über eine noch größere Zeitspanne erforderlich sein kann.
5.8.2 Tages-Lärmexpositionspegel
Auf der Grundlage des im Rahmen der Arbeitsanalyse ermittelten repräsentativen Arbeitstages lässt sich der Tages-Lärmexpositionspegel bestimmen, indem man die Geräuschimmission für die entsprechende typische Arbeitsschicht nach einer geeigneten Strategie erfasst und auf die festgelegte Bezugszeit von 8 Stunden bezieht.
Der Tages-Lärmexpositionspegel ergibt sich nach der folgenden Gleichung:
mit:
LpAeq,Te - A-bewerteter äquivalenter Dauerschallpegel der typischen Arbeitsschicht
Te - effektive Zeitdauer der Arbeitsschicht
T0 - Bezugszeitdauer, T0 = 8 h.
Die in DIN EN ISO 9612 beschriebenen Messstrategien zur Bestimmung des Tages-Lärmexpositionspegels (siehe Abschnitt 5.3) haben letztlich alle das Ziel, einen Mittelwert der Lärmexposition über einen längeren Zeitraum zu bestimmen, sei es durch den hypothetischen Ansatz der längerfristig typischen Belastungssituation (Strategie 1 - tätigkeitsbezogene Messungen) oder durch Mittelung der Stichprobenwerte über mehrere Tage (Strategie 2 und 3 - berufsbildbezogene Messungen und Ganztags-Messungen).
Nach der TRLV "Lärm" (Teil 2) ist diese Mittelung maximal über eine Woche zulässig. Das gilt z.B. für den Fall, dass die typische Arbeitswoche einen oder mehrere Arbeitstag(e) mit besonders hoher Lärmexposition enthält.
So kann man beispielsweise für einen Hausmeister, der im Sommer jede Woche einmal den Rasen mäht und damit an einem Tag lärmbelastet ist, den Tages-Lärmexpositionspegel als Mittelwert über die Woche bestimmen (Berechnung nach Abschnitt 5.9.4, Gleichung 7). Das sollte natürlich ebenso gelten, wenn er in einer Woche regelmäßig an mehreren Arbeitstagen lärmbelastet ist.
Falls die Arbeitstage mit einer besonders hohen Lärmexposition jedoch nur alle paar Wochen vorkommen, muss man diese Tage als separate repräsentative Arbeitstage betrachten (TRLV Lärm, Teil 2, 6.1.2 (2)). Für derartige Arbeitsplätze gibt es also mehrere unterschiedliche Tages-Lärmexpositionspegel. Da der Tages-Lärmexpositionspegel entsprechend den o.g. Ausführungen die längerfristig typische Belastungssituation beschreiben soll, muss man diese Lärmexpositionspegel konsequenter Weise auch jeweils als Mittelwert über mehrere Tage bzw. über die entsprechende Arbeitswoche berechnen. Man bestimmt also den Tages-Lärmexpositionspegel für die Woche mit der höheren Lärmexposition (ein oder mehrere laute Tage) sowie für die übrigen Wochen mit der geringeren Lärmexposition. Daraus kann sich z.B. ergeben, dass ein Beschäftigter an x Wochen im Jahr einer Gehör gefährdenden Lärmbelastung ausgesetzt ist, während er die übrigen Wochen nicht gefährdet ist.
Auch an Arbeitsplätzen, an denen die Lärmbelastung großen saisonalen Schwankungen unterliegt, z.B. bei Winterdiensten, ist es zweckmäßig, mehrere repräsentative Arbeitstage zu unterscheiden, z.B. die Winterzeit und die übrige Jahreszeit. Die Ergebnisse und die damit verbundenen Maßnahmen sind dann für die unterschiedenen repräsentativen Arbeitstage getrennt zu betrachten.
Es sei angemerkt, dass in den hier beschriebenen Fällen jeweils vom Tages-Lärmexpositionspegel und nicht vom Wochen-Lärmexpositionspegel gesprochen wird, obwohl die Lärmexposition des repräsentativen Arbeitstages mit der mittleren Lärmexposition der üblichen Arbeitswoche gleichgesetzt wurde (siehe auch DIN EN ISO 9612, Abschnitt 7.3). Wie in dem folgenden Abschnitt ausgeführt, bedarf es bei Anwendung des Wochen-Lärmexpositionspegels nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung einer speziellen Genehmigung durch die zuständige Behörde.
5.8.3 Wochen-Lärmexpositionspegel
Der Wochen-Lärmexpositionspegel ergibt sich aus der Mittelung der Geräuschimmission über eine typische (repräsentative) Arbeitswoche und Bezug auf die für die Arbeitswoche festgelegte Bezugszeit von 40 Stunden. Bezüglich der Berechnung des Wochen-Lärmexpositionspegels sei auf den Abschnitt 5.9.4 verwiesen.
Nach der TRLV Lärm kann zur Beschreibung einer Lärmsituation am Arbeitsplatz die Ermittlung des Wochen-Lärmexpositionspegels erforderlich sein, "wenn die Lärmexposition von einem Tag zum anderen so stark schwankt, dass sich keine typische Lärmexposition für den Arbeitstag angeben lässt" (TRLV Lärm, Teil 2, Abschnitt 6.2.3 (2)).
Die DIN EN ISO 9612 empfiehlt für genau diese Situation, den repräsentativen Arbeitstag als Mittelwert über mehrere Tage zu definieren und den Tages-Lärmexpositionspegel z.B. als Mittelwert für eine Woche zu bestimmen (DIN EN ISO 9612, Abschnitt 7.3). Damit wird zwar rein rechnerisch der Wochen-Lärmexpositionspegel bestimmt, dieser aber definitionsgemäß als Tages-Lärmexpositionspegel nach DIN EN ISO 9612 bezeichnet. In der Regel sollten sich ohnehin keine großen Unterschiede zwischen dem Wochen-Lärmexpositionspegel und dem Tages-Lärmexpositionspegel ergeben, wenn man eine sorgfältige Arbeitsanalyse durchführt und den Tages-Lärmexpositionspegel für den repräsentativen Arbeitstag als Mittelwert über mehrere Tage bestimmt (siehe auch ISO 1999).
Der Wochen-Lärmexpositionspegel ist vor allem dann von Bedeutung, falls die Wochenarbeitszeit von fünf Tagen abweicht. So kann der Wochen-Lärmexpositionspegel z.B. bei einer siebentägigen Arbeitswoche auf einem Seeschiff oder einer Bohrinsel um ca. 1,5 dB höher ausfallen als der entsprechende Tages-Lärmexpositionspegel. Deshalb wurde in dem Entwurf der TRLV Lärm für diesen Fall die zusätzliche Ermittlung des Wochen-Lärmexpositionspegels gefordert. Diese einvernehmlich beschlossene, durchaus sinnvolle Regelung wurde dann aber in der Endfassung wieder gestrichen.
Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung erlaubt die Anwendung des Wochen-Lärmexpositionspegels im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nur in besonderen Fällen: "Bei von einem Arbeitstag zum anderen erheblich schwankenden Lärmexpositionen kann der Arbeitgeber die Anwendung des Wochen-Lärmexpositionspegels gemäß § 15 (2) LärmVibrations-ArbSchV bei der zuständigen Behörde beantragen. Die zuständige Behörde kann die Anwendung des Wochen-Lärmexpositionspegels nur genehmigen, falls dieser 85 dB(A) nicht überschreitet".
5.8.4 Beispiel zur Anwendung des Tages- und des Wochen-Lärmexpositionspegels
Um die Anwendung des Tages- und des Wochen-Lärmexpositionspegels zu verdeutlichen, sei hier der Lärmexpositionspegel am Beispiel eines Gießerei-Maurers berechnet, der alle drei Wochen einer besonders hohen Lärmbelastung ausgesetzt ist. Bezüglich der hier genutzten Rechenformeln muss allerdings auf den folgenden Abschnitt 5.9.4 verwiesen werden.
Gießerei-Maurer
Situation:
Lösung:
5.9 Bestimmung des Lärmexpositionspegels durch tätigkeitsbezogene Messungen
5.9.1 Allgemeines
Wegen der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der tätigkeitsbezogenen Messmethode und ihrer besonderen Bedeutung für die betriebliche Praxis soll dieses Verfahren im Folgenden ausführlich behandelt und anhand von Beispielen verdeutlicht werden.
Rechenhilfen:
Die in den folgenden Abschnitten beschriebenen Berechnungen lassen sich mit einem Taschenrechner ausführen, der die Funktion des Logarithmierens enthält. Um sich die Arbeit zu erleichtern, kann man aber auch auf fertige Rechenprogramme zurückgreifen, die von verschiedenen Stellen im Internet angeboten werden.
So bietet beispielsweise das Institut für Arbeitsschutz - IFA auf der Internetseite ein Rechenprogramm zum Herunterladen an, das eine Mittelung von Schalldruckpegeln und die Berechnung der Standardabweichung erlaubt:www.dguv.de/ifa, Webcode d10635
Auf der Internetseite des Deutschen Instituts für Normung - DIN wird ein noch weiter führendes Programm angeboten, das zusammen mit der Überarbeitung der ISO 9612 entwickelt wurde:
http://www.nals.din.de/cmd?level=tplartikel&cmstextid=101191
Die sachgerechte Anwendung dieses Tabellen-Kalkulationsprogramms setzt allerdings die Kenntnis von Festlegungen in der DIN EN ISO 9612 (9/2009) voraus.
5.9.2 Zerlegung der Arbeitsschicht in Tätigkeiten
Wie bereits erläutert, erfordert die tätigkeitsbezogene Messmethode (Strategie 1) eine besonders sorgfältige Arbeitsanalyse (siehe Abschnitt 5.3.1); andererseits lässt sie sich mit relativ geringem Messaufwand durchführen. Die tätigkeitsbezogene Methode ist immer dann zu empfehlen, wenn sich die typische Arbeitsschicht in eine oder mehrere eindeutig zu definierende Tätigkeiten mit in sich gleichartiger Geräuschimmission unterteilen lässt.
Bild 5 (Abschnitt 5.3.1) zeigt ein Beispiel für die Zerlegung einer Arbeitsschicht in einzelne Tätigkeiten. Dieses ursprünglich aus DIN 45641 [29] stammende Bild findet sich auch in der DIN EN ISO 9612 in leicht veränderter Form, weil es die Strategie 1 besonders gut veranschaulicht. Bei der hier beschriebenen Zerlegung der Arbeitsschicht in einzelne Tätigkeiten ist zu beachten, dass alle für die Lärmbelastung relevanten Beiträge der typischen Arbeitsschicht bzw. des repräsentativen Arbeitstages berücksichtigt werden, also ggf. auch kurzzeitige Belastungen mit hohen Pegeln. Insbesondere bei Tätigkeiten mit hohen Schalldruckpegeln kommt es auf die sorgfältige Ermittlung der Zeitdauer Tm für die Tätigkeit m an, da diese Tätigkeiten einen wesentlichen Anteil an der gesamten Lärmexposition haben können. Falls sich für die Zeitdauer Tm einer Tätigkeit unterschiedliche Werte ergeben, ist daraus nach DIN EN ISO 9612 der arithmetische Mittelwert zu berechnen.
Die Mittagspause und ggf. festgelegte weitere offizielle Pausen kann man in der Regel als separate Phasen ohne Lärmexposition betrachten, so dass sie bei der Berechnung des Lärmexpositionspegels nicht zu berücksichtigen sind.
Die Zerlegung in einzelne Tätigkeiten ist sowohl für die ortsbezogene als auch für die personenbezogene Beurteilung möglich. Bei der ortsbezogenen Beurteilung bedeutet das: Die auf einen bestimmten Ort einwirkenden Geräusche sind in entsprechende Arbeitsphasen bzw. Tätigkeiten mit gleichartiger Geräuschimmission zu zerlegen. Bei der personenbezogenen Beurteilung können sich die verschiedenen Tätigkeiten z.B. durch Einsatz an unterschiedlichen Maschinen in verschiedenen Bereichen des Betriebes ergeben.
5.9.3 Erfassen der Lärmexposition für die einzelnen Tätigkeiten
Wie bereits in Abschnitt 5.7.1 erläutert, lässt sich die Geräuschimmission für die einzelne Tätigkeit bzw. Arbeitsphase vielfach durch eine relativ kurze Messung innerhalb dieser Phase erfassen. Die Messdauer sollte dabei möglichst lang genug sein, um den typischen äquivalenten Dauerschallpegel LpAeq für die entsprechende Tätigkeit und ggf. relevante hohe Spitzenschalldruckpegel LpCpeak zu erfassen.
Nach DIN EN ISO 9612 ist für die einzelne Tätigkeit eine Messzeit von mindestens 5 min gefordert. Falls die Tätigkeit insgesamt weniger als 5 min dauert, soll sich die Messung über die gesamte Dauer der Tätigkeit erstrecken. Für periodisch schwankende Geräusche entsprechend der zweiten Phase im Bild 5 (siehe Abschnitt 5.3.1) sind nach DIN EN ISO 9612 mindestens drei vollständige Schwankungsperioden zu erfassen, wobei außerdem noch die Mindestmessdauer von 5 min zu beachten ist. Bei zeitlich zufällig schwankenden Geräuschen kann es erforderlich sein, die Messung über die gesamte Tätigkeit auszudehnen, wie im Bild 5 für die dritte Phase veranschaulicht.
Es ist jedoch zulässig, die Messzeit zu reduzieren, wenn der Schalldruckpegel konstant und gut reproduzierbar ist oder die Geräuschbelastung bei der Tätigkeit ohnehin nur in geringem Maße zur Gesamtlärmexposition beiträgt. Erfahrungsgemäß sind in der Praxis vielfach deutlich kürzere Messdauern als 5 Minuten ausreichend.
Für jede Tätigkeit fordert die DIN EN ISO 9612 eine dreimalige Messung des äquivalenten Dauerschallpegels LpAeq. Falls die Ergebnisse für eine Tätigkeit um 3 dB(A) oder mehr differieren, sind mindestens drei zusätzliche Messungen oder drei neue Messungen mit längeren Messzeiten erforderlich. Zur Ermittlung des für eine Tätigkeit m anzusetzenden A-bewerteten äquivalenten Dauerschallpegels LpAeq,T,m sind die einzelnen gewonnenen Messwerte nach folgender Gleichung energetisch zu ermitteln:
(5)
mit:
I - Anzahl der Messungen für die Tätigkeit m
LpAeq,T,mi - i-ter Messwert innerhalb der Tätigkeit m
Die Messwerte für eine Tätigkeit dürften jedoch eigentlich nur geringfügig voneinander abweichen, wenn man die Arbeitsschicht vernünftig in Tätigkeiten unterteilt und die Messdauer jeweils so wählt, dass das Ergebnis repräsentativ für die Lärmimmission bei der untersuchten Tätigkeit ist.
5.9.4 Berechnung des Lärmexpositionspegels
A) Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h
Aus den mittleren äquivalenten Dauerschallpegeln LpAeq,T,m der einzelnen Tätigkeiten m und den ermittelten Zeitdauern Tm der Tätigkeiten errechnet sich der Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h entsprechend der folgenden Gleichung:
(6)
mit:
LpAeq,T,m - äquivalenter Dauerschallpegel der Tätigkeit m
Tm - Zeitdauer der Tätigkeit
T0 - Bezugszeit, T0 = 8 h
M - Gesamtzahl der Tätigkeiten m
B) Wochen-Lärmexpositionspegel LEX,40h
Der Wochen-Lärmexpositionspegel LEX,40h lässt sich in ähnlicher Form berechnen, mit dem Unterschied, dass in die obige Gleichung (6) die jeweiligen Zeitdauern Tm für die Woche eingesetzt und die gesamte Lärmexposition auf 40 h bezogen wird:
(7)
mit:
LpAeq,T,m - Äquivalenter Dauerschallpegel der Tätigkeit m
Tm - Zeitdauer der Tätigkeit m innerhalb einer Arbeitswoche
M - Gesamtzahl der Tätigkeiten m
Abweichend von dieser relativ einfachen Rechenformel zur Ermittlung des Wochen-Lärmexpositionspegel sieht die DIN EN ISO 9612 zunächst die Berechnung der Tages-Lärmexpositionspegel für alle Tage der Woche vor, um daraus die Gesamtexposition zu berechnen und auf fünf Tage zu beziehen. Damit erhält man in mehreren Schritten schließlich dasselbe Ergebnis wie mit der hier angegebenen Rechenformel (7).
C) Vergleich von Tages- und Wochen-Lärmexpositionspegel
Wie die folgenden Beispielrechnungen zeigen, kann der Wochen-Lärmexpositionspegel je nach Arbeitsplatz niedriger oder höher als der Tages-Lärmexpositionspegel ausfallen.
Beispiele:
Der Wochen-Lärmexpositionspegel kann also höchstens 7 dB(A) niedriger ausfallen als der höchste Tages-Lärmexpositionspegel.
Der Wochen-Lärmexpositionspegel würde bei sieben Arbeitsschichten in der Woche also um 1,5 dB(A) höher ausfallen als der Tages-Lärmexpositionspegel.
5.9.5 Beispiele zur Berechnung des Lärmexpositionspegels nach Strategie 1
Mit den folgenden Beispielen sollen die einzelnen Schritte zur Berechnung des Tages-Lärmexpositionspegels erläutert werden, ohne dabei auf erforderliche mehrmalige Messungen für die einzelnen Tätigkeiten entsprechend Abschnitt 5.9.3 oder auf Fragen der Unsicherheit nach Abschnitt 5.10 einzugehen. Ein ausführliches Beispiel mit allen erforderlichen Messungen und Berechnungen findet sich z.B. im Anhang der Norm DIN EN ISO 9612 und im Taschenbuch "Lärmmessung im Betrieb" [5]. Wie bereits im Abschnitt 5.9.1 erwähnt, lassen sich die Berechnungen mit einem Taschenrechner oder den entsprechenden Rechenprogrammen durchführen.
Beispiel 1:
Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist die Lärmexposition für eine Gruppe von gleichartig eingesetzten Lkw-Fahrern im Fernverkehr zu ermitteln (personenbezogene Lärmexposition). Die Fahrer sind an jedem Arbeitstag durchschnittlich zehn Stunden auf Autobahnen und Landstraßen unterwegs. Für diese Tätigkeit wurde mit einem integrierenden Schallpegelmesser ein äquivalenter Dauerschallpegel LpAeq von 79 dB ermittelt (Messdauer ca. 8 h). Damit errechnet sich der Tages-Expositionspegel nach Gleichung (6) zu:
Damit wird der untere Auslösewert erreicht und es gilt die Informationspflicht über die Gefahren durch Lärm. Da man nicht ausschließen kann, dass sich Lärmbelastungen von mehr als 80 dB(A) ergeben, sollte man auch Gehör-Vorsorgeuntersuchungen anbieten.
Beispiel 2:
Es soll geprüft werden, ob an einem Arbeitsplatz ein Lärmbereich vorliegt.
Während der typischen siebenstündigen Arbeitsschicht treten an dem Arbeitsplatz, bedingt durch den Fertigungsablauf, vier unterschiedliche Lärmbelastungssituationen auf. Es bietet sich also an, die Arbeit in vier entsprechende Tätigkeiten aufzuteilen und die äquivalenten Dauerschallpegel für diese Tätigkeiten separat zu ermitteln. Die gemessenen äquivalenten Dauerschallpegel LpAeq,T,m und die zugehörigen Zeitdauern der Tätigkeiten sind im Bild 8 grafisch aufgetragen.
Abb. 8 Grafische Darstellung der Schalldruckpegel und der entsprechenden Zeitdauern innerhalb einer typischen Arbeitsschicht.
Die Berechnung des Tages-Lärmexpositionspegels nach der Strategie 1 soll hier anhand der Tabelle 9 erläutert werden, in die die für die einzelnen Tätigkeiten anzusetzenden äquivalenten Schalldruckpegel LpAeq,T,m und die Zeitdauern der Tätigkeiten Tm eingetragen sind (2. und 3. Spalte). Die in der 4. Spalte angegebene Formelgröße aus der Gleichung (6) beschreibt jeweils den Anteil der einzelnen Tätigkeit an der gesamten Lärmexposition. Diese Information kann bei der Planung von Lärmminderungsmaßnahmen von Interesse sein; so ist daraus beispielsweise abzulesen, dass die Tätigkeit II den größten Beitrag zum Lärmexpositionspegel liefert und man zur erfolgreichen Lärmminderung zunächst hier ansetzen sollte.
Entsprechend der unterhalb der Tabelle ausgeführten Berechnung ergibt sich der Tages-Lärmexpositionspegel aus der Addition der Einzelbeiträge (Gleichung (6)) und unter Bezug auf die für den Arbeitstag festgelegte Zeit T0 von 8 h (480 min).
Tabelle 9: Pegelwerte und Tätigkeitsdauern (Beispiel 2)
Tätigkeit-Nr. | Lm = LpAeq,T,m
[dB] |
Dauer der Tätigkeit
Tm [min] |
Formelgröße
Tm * 100,1 * Lm |
---|---|---|---|
I | 75 | 120 | 0,4 * 1010 |
II | 98 | 30 | 18,9 * 1010 |
III | 85 | 180 | 5,7 * 1010 |
IV | 90 | 90 | 9 * 1010 |
34 * 1010 |
Danach beträgt der ortsbezogene Tages-Lärmexpositionspegel
LEX,8h = 88,5 dB(A)
Da der Auslösewert von 85 dB(A) eindeutig überschritten wird, liegt hier ein Lärmbereich vor.
5.10 Messunsicherheit
5.10.1 Einflussfaktoren
A) Allgemeines
Zu einem vollständigen Messbericht bzw. einem Gutachten zur Lärmexposition gehört auch eine Angabe der Messunsicherheit. Die Messunsicherheit ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der ermittelte Lärmexpositionspegel in der Nähe eines Auslösewertes liegt und entschieden werden muss, ob dieser unter- oder überschritten wird.
Die Unsicherheit der ermittelten Lärmexposition hängt vor allem von den folgenden Einflussfaktoren ab:
- Messgerät und Kalibrierung
- Mikrofonposition
- Erfassung der längerfristig typischen Lärmexposition
B) Messgerät
Die Unsicherheit der Schallmessung hängt zunächst von der Qualität bzw. der Genauigkeitsklasse des eingesetzten Schallmessgerätes und des Kalibrators ab. Abhängig von der Genauigkeitsklasse des Schallpegelmessers definieren die entsprechenden Messgerätenormen unterschiedliche zulässige Fehlerabweichungen. Für genaue Messungen empfiehlt sich die Verwendung von Messgeräten, die den Anforderungen der Klasse 1 nach DIN EN 61672 [22] entsprechen (siehe Abschnitt 5.6). Schallpegelmesser der Genauigkeitsklasse 2 oder die hinsichtlich zulässiger Fehlerabweichungen damit vergleichbaren Personenschallexposimeter nach DIN EN 61252 [26] lassen insbesondere bei hochfrequenten Geräuschen größere Abweichungen erwarten.
C) Mikrofonposition
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Lärmexposition durch ortsfeste oder personengebundene Messungen zu erfassen (siehe Abschnitt 5.5). Bei der ortsfesten Messung können sich dadurch Unsicherheiten ergeben, dass das Mikrofon die übliche Position des Kopfes nicht genau trifft. Außerdem kann es Probleme geben, den Bewegungen des Beschäftigten mit dem Mikrofon in Ohrnähe zu folgen. Bei der personengebundenen Messung (Dosimetermessung) muss man mit Unsicherheiten durch Schallreflexionen oder Abschattungseffekte durch den Körper des untersuchten Beschäftigten rechnen [25]. Der Einfluss der Mikrofonposition hängt dabei außerdem von der Schallfeldsituation (Freifeld oder Diffusfeld), den Abmessungen oder der Anzahl der Lärmquellen sowie dem Abstand zu den Lärmquellen ab.
D) Erfassung der längerfristig typischen Lärmexposition
Die Unsicherheit bei der Erfassung der längerfristig typischen Lärmexposition ergibt sich durch die Stichprobennahme (begrenzte Messdauer, Zeitpunkt der Messung). Um diese Unsicherheit zu reduzieren, ist vor allem eine sorgfältige Arbeitsanalyse erforderlich. Bei der Messung ist zu beachten, dass alle relevanten Lärmexpositionen mit ihren zeitlichen Anteilen in die Berechnung eingehen (repräsentativer Arbeitstag) bzw. eine ausreichende Zahl an Stichprobenmesswerten aufgenommen wird. Je nach Messstrategie ist ggf. ein größerer Aufwand für die Arbeitsanalyse oder für die Durchführung der Messungen erforderlich.
5.10.2 Unsicherheit nach DIN EN ISO 9612
A) Allgemeines
Die DIN EN ISO 9612 beschreibt ein Verfahren zur Ermittlung der Unsicherheit entsprechend dem Internationalen Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen (DIN EN 13005 - Vornorm 6/1999 [30]). Da die Berechnungen relativ aufwändig sind, wurde als Hilfe ein Tabellen-Kalkulationsprogramm (Excel-Programm) entwickelt, das vom Deutschen Institut für Normung - DIN im Internet zur Verfügung gestellt wird: http://www.nals.din.de/cmd?level=tplartikel&cmstextid=101191
In die angebotenen Tabellen sind nur die Messwerte, die ermittelten Zeitdauern und einzelne Standardunsicherheiten (Standardabweichungen) einzutragen, um damit die auszuweisende Unsicherheit des ermittelten Lärmexpositionspegels zu berechnen. Zur Unsicherheit bei der Ermittlung des Spitzenschalldruckpegels werden in DIN EN ISO 9612 mangels ausreichender Erfahrungen keine Angaben gemacht.
Die Ermittlung der Unsicherheit nach DIN EN ISO 9612 und die Eingabe in das Kalkulationsprogramm soll im Folgenden erläutert werden. Dabei sind die Unsicherheiten nach der Tabelle 10 zu unterscheiden.
Tabelle 10: Bei der Unsicherheitsbetrachtung nach DIN EN ISO 9612 zu berücksichtigende Einflussfaktoren
Unsicherheitsquelle/Einflussfaktor | Standardunsicherheit | |
---|---|---|
Messgerät | u2 | |
Mikrofonposition | u3 | |
Tätigkeitsbezogene Messung: | Lärmpegel der einzelnen Tätigkeit | u1a |
Dauer der einzelnen Tätigkeit | u1b | |
Berufsbildbezogene Messung: | Stichprobennahme | u1 |
Aus den Standardunsicherheiten (Standardabweichungen) ui der einzelnen Eingangsgrößen und den zugehörigen Empfindlichkeitskoeffizienten ci lassen sich die entsprechenden Unsicherheitsbeiträge ci * ui berechnen und in Form einer Unsicherheitsbilanz tabellarisch darstellen.
Anmerkung:
Der Empfindlichkeitskoeffizient ci ist ein Maß dafür, wie ein geänderter Eingangswert den Wert des zu berechnenden Lärmexpositionspegels beeinflusst. Er errechnet sich durch partielle Ableitung der Funktion zur Bestimmung des Lärmexpositionspegels nach der entsprechenden Eingangsgröße. So ergibt sich beispielsweise bei einer tätigkeitsbezogenen Messung für den Messwert einer sehr leisen Tätigkeit ein niedriger Empfindlichkeitskoeffizient, weil dieser Messwert von geringem Einfluss auf die Unsicherheit des Lärmexpositionspegels ist.
Zur Berechnung der kombinierten Standardunsicherheit u des Lärmexpositionspegels sind die ermittelten Unsicherheitsbeiträge ci * ui nach der folgenden Gleichung zu addieren:
(8)
mit:
ci - Empfindlichkeitskoeffizient der einzelnen Eingangsgröße
ui - Standardunsicherheit der einzelnen Eingangsgröße
Aus der kombinierten Standardunsicherheit u errechnet sich die erweiterte Unsicherheit U durch Multiplikation mit dem Erweiterungsfaktor k:
U = k * u (9)
Durch die Addition der erweiterten Unsicherheit U zum Lärmexpositionspegel lässt sich der Vertrauensbereich beschreiben, in dem der Lärmexpositionspegel mit einer bestimmten Aussagewahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die DIN EN ISO 9612 verlangt die Ermittlung und Angabe eines einseitigen Vertrauensbereiches mit einer Aussagewahrscheinlichkeit von 95 % - entsprechend dem Erweiterungsfaktor k = 1,65. Somit ergibt sich die erweiterte Unsicherheit zu:
U = 1,65 * u. (10)
Das bedeutet, dass der berechnete Lärmexpositionspegel LEX,8h mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % unter dem Wert [LEX,8h + U] anzunehmen ist.
B) Unsicherheit der Messgeräte
Nach DIN EN ISO 9612 sind für die Messgeräte die Standardunsicherheiten u2 entsprechend der Tabelle 11 anzusetzen. Diese Standardunsicherheiten basieren auf empirisch ermittelten Werten und gelten für die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels LpAeq. Bei der Bestimmung des Spitzenschalldruckpegels LpCpeak muss man mit größeren Unsicherheiten rechnen.
Tabelle 11: Standardunsicherheit u2 aufgrund der Messgeräte
Typ des Messgerätes | Standardunsicherheit u2 in dB |
---|---|
Schallpegelmesser nach DIN EN 61672-1 der Klasse 1 | 0,7 |
Schallpegelmesser nach DIN EN 61672-1 der Klasse 2 | 1,5 |
Personenschallexposimeter nach DIN EN 61252 | 1,5 |
C) Unsicherheit aufgrund der Mikrofonposition
Entsprechend Abschnitt 5.10.1 C) muss man sowohl bei der ortsfesten Messung mit dem Handschallpegelmesser als auch bei der personengebundenen Messung mit dem Lärmdosimeter mit Unsicherheiten aufgrund der nicht idealen Mikrofonposition rechnen. Obwohl diese Unsicherheit genau genommen von der Schallfeldsituation (Freifeld oder Diffusfeld), den Abmessungen und der Anzahl der Lärmquellen sowie dem Abstand zu den Lärmquellen abhängt, hat man sich in DIN EN ISO 9612 darauf geeinigt, die Unsicherheit durch die nicht ideale Mikrofonposition jeweils vereinfachend mit einer Standardunsicherheit u3 von 1,0 dB anzusetzen.
D) Berechnung der Unsicherheit bei tätigkeitsbezogenen Messungen (Strategie 1)
Zur Ermittlung der Unsicherheit für die Erfassung der längerfristig typischen Belastung bei tätigkeitsbezogenen Messungen (Strategie 1) wird für jede einzelne Tätigkeit m die Standardunsicherheit u1a,m des berechneten Pegels aus der Streuung der Messwerte (mindestens 3) mit der folgenden Formel berechnet:
(11)
mit:
LpAeq,T,mi - einzelner Messwert LpAeq für eine Tätigkeit
L̇pAeq,T,mi - arithmetischer Mittelwert aus I gemessenen äquivalenten Dauerschallpegeln LpAeq
I - Gesamtzahl der tätigkeitsbezogenen Schallpegelmessungen (Stichproben)
Die Standardunsicherheit u1b,m für die Ermittlung der Zeitdauer der Tätigkeit m darf abgeschätzt oder aus den Ergebnissen mehrerer Zeitmessungen nach der folgenden Formel berechnet werden:
(12)
mit:
Tm,j - Ergebnis der einzelnen Zeitmessung bzw. Befragung zur Zeitdauer einer Tätigkeit
`Tm - arithmetischer Mittelwert aus J Zeitmessungen bzw. Befragungen für eine Tätigkeit
J - Gesamtzahl der ermittelten Zeitdauern
Unter Berücksichtigung der Standardunsicherheit für die Messgeräte u2 (siehe Tabelle 11) und der Standardunsicherheit aufgrund der Mikrofonposition u3 (u3 = 1,0 dB) lässt sich dann die kombinierte Standardunsicherheit u entsprechend Gleichung (8) und schließlich die erweiterte Unsicherheit U = 1,65 * u berechnen.
Da die Berechnungen für die einzelnen Tätigkeiten, die zugehörigen Empfindlichkeitskoeffizienten und die anschließende Summation mit hohem rechnerischem Aufwand verbunden sind, empfiehlt es sich, das bereits einleitend unter Abschnitt 5.10.2 angesprochene Tabellen-Kalkulationsprogramm zu nutzen.
E) Berechnung der Unsicherheit bei berufsbildbezogenen Messungen und Ganztags-Messungen (Strategie 2 und 3)
Bei berufsbildbezogenen Messungen (Strategie 2) und bei Ganztags-Messungen (Strategie 3) ist die Unsicherheit jeweils nach demselben Verfahren zu berechnen. Genau genommen sind die bei Ganztags-Messungen für einzelne Tage erfassten Mittelungspegel LpAeq nichts anderes als die Stichprobenmesswerte LpAeq,T,n bei berufsbildbezogenen Messungen.
Der Unsicherheitsbeitrag c1 * u1 durch die Stichprobennahme lässt sich in Abhängigkeit von der Standardunsicherheit u1 der einzelnen Stichprobenmesswerte LpAeq,T,n und der Anzahl der Messwerte N aus einer in DIN EN ISO 9612 gegebenen Wertetabelle ermitteln (Tabelle C.4 der Norm DIN EN ISO 9612). Anschließend kann man die kombinierte Standardunsicherheit u unter Einbeziehung der Unsicherheitsbeiträge durch die Messgeräte u2 (siehe Tabelle 11) und der Mikrofonposition u3 (u3 = 1,0 dB) mit der folgenden Gleichung berechnen:
(13)
(c2 = c3 = 1)
Die erweiterte Unsicherheit U ergibt sich entsprechend Gleichung (10) zu:
U = 1,65 * u (14)
Um sich diese Berechnungen zu erleichtern, empfiehlt sich auch hier die Anwendung des dafür entwickelten Tabellen-Kalkulationsprogramms (siehe Abschnitt 5.10.2).
5.11 Vergleich mit Auslösewerten
5.11.1 Allgemeines
In vielen Fällen mag es ausreichen, als Ergebnis nur den Lärmexpositionspegel zusammen mit der Unsicherheit bzw. der Genauigkeitsklasse anzugeben. Bei verschiedenen Aufgaben kann jedoch die Entscheidung gefragt sein, ob ein bestimmter Pegel unter- oder überschritten wird. Nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (§ 4 (1)) müssen die Messverfahren und -geräte geeignet sein, die jeweiligen Messgrößen zu bestimmen und zu entscheiden, ob die festgesetzten Auslösewerte eingehalten werden.
Da sich die frühere Praxis des Grenzwertvergleiches nach DIN 45645-2 (Juli 1997) durchaus bewährt hat und danach mit entsprechendem Messaufwand, d.h. bei Messungen nach der Klasse 1, immer eindeutige Entscheidungen möglich sind, wurde in der ersten Fassung dieses Lärmschutz-Arbeitsblattes das in den folgenden Abschnitten beschriebene Verfahren vorgeschlagen. Dieses verbindet den Grenzwertvergleich nach DIN 45645-2 mit der Unsicherheitsbetrachtung nach DIN EN ISO 9612. Die nach DIN EN ISO 9612 gewonnenen Ergebnisse werden danach in Abhängigkeit von der ermittelten Messunsicherheit in drei Genauigkeitsklassen unterteilt und diesen für den Vergleich mit Auslösewerten feste Unsicherheiten von ΔL von 0 dB, 3 dB und 6 dB zugeordnet (Konvention). Dieses Verfahren wurde inzwischen in den Technischen Regeln TRLV zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung übernommen. Da außerdem ein vereinfachtes Verfahren gewünscht wurde, wurde ein zusätzliches Verfahren geschaffen, das sich an dem relativ einfachen Verfahren der früheren DIN 45645-2 (Juli 1997) orientiert.
5.11.2 Genauigkeitsklassen in Abhängigkeit von der kombinierten Standardunsicherheit
Nach der DIN EN ISO 9612 wird die entsprechende Messung als ein Verfahren der Genauigkeitsklasse 2 (Ingenieur-Verfahren) verstanden. Tatsächlich können sich aber deutlich unterschiedliche Messunsicherheiten ergeben, und zwar abhängig von der gegebenen Geräuschsituation bzw. der Streuung der Stichprobenmesswerte, dem Stichprobenumfang und dem eingesetzten Schallmessgerät (Klasse 1 oder 2). So lassen sich z.B. kombinierte Standardunsicherheiten u von ca. 1,5 bis 6 dB errechnen, was nach der früher maßgeblichen Norm DIN 45645-2 (1997) Ergebnissen der Genauigkeitsklasse 1 bis 3 entspräche.
Zur Berücksichtigung dieser Unsicherheiten werden in den Technischen Regeln (TRLV) zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung drei Genauigkeitsklassen unterschieden. Diese ergeben sich in Abhängigkeit von der nach DIN EN ISO 9612 berechneten kombinierten Standardunsicherheit u aus der Tabelle 12. Die hier gewählte Stufung der kombinierten Standardunsicherheit 2 dB, 4 dB und 6 dB orientiert sich an der in der DIN 45645-2 (1997) für die Genauigkeitsklassen festgelegten Stufung der Klassen.
Tabelle 12: Unterscheidung von Genauigkeitsklassen in Abhängigkeit von der nach DIN EN ISO 9612 ermittelten kombinierten Standardunsicherheit u
Genauigkeitsklasse | 1 | 2 | 3 |
---|---|---|---|
Kombinierte Standardunsicherheit u (nach DIN EN ISO 9612) | ≤ 2 dB | ≤ 4 dB | ≤ = 6 dB |
5.11.3 Vereinfachtes Verfahren für die Festlegung der Genauigkeitsklasse
Bei der Durchführung von tätigkeitsbezogenen Messungen (Strategie 1) kann alternativ ein vereinfachtes Verfahren für die Ermittlung der Genauigkeitsklasse angewandt werden, das nur zwei Einflussfaktoren berücksichtigt:
Die Zuordnung der Genauigkeitsklasse erfolgt, indem die beiden in Tabelle 13 eingetragenen Einflussfaktoren zunächst für sich betrachtet der angegebenen Genauigkeitsklasse zugeordnet werden. Die dabei festgestellte Klasse mit der größten Unsicherheit bestimmt schließlich die Genauigkeitsklasse des Lärmexpositionspegels.
Tabelle 13: Festlegung der Genauigkeitsklasse in Abhängigkeit von der Klasse des Messgeräts und der geschätzten Unsicherheit (vereinfachtes Verfahren)
Genauigkeitsklasse | 1 | 2 | 3 |
---|---|---|---|
Messgerät (s. Abschnitt 5.6) | Klasse 1 | Klasse 1 oder Klasse 2 | Klasse 1 oder Klasse 2 |
Geschätzte Unsicherheit bei der Erfassung der längerfristig typischen Lärmexposition | ≤ 1,5 dB | ≤ 3 dB | ≤ 6 dB |
Die Unsicherheit bei der Erfassung der längerfristig typischen (repräsentativen) Lärmexposition ist dabei aufgrund der Arbeitsplatzsituation und der betrieblichen Messerfahrung in den drei Stufen
≤ 1,5 dB, ≤ 3 dB und ≤ 6 dB abzuschätzen.
Bei dieser Abschätzung ist zu berücksichtigen, dass neben den ermittelten Lärmbelastungswerten gegebenenfalls auch die für die einzelnen Tätigkeiten angenommenen Teilzeiten Einfluss auf das Ergebnis haben.
Anmerkung:
Es sei darauf hingewiesen, dass dieses vereinfachte Verfahren nur auf Ergebnisse nach der Strategie 1 anzuwenden ist, weil sich dabei die Unsicherheit der längerfristig typischen Lärmexposition auf der Grundlage der durchgeführten Arbeitsanalyse abschätzen lässt. Bei der Durchführung von Stichprobenmessungen nach Strategie 2 bzw. 3 geht man dagegen ohne Vorwissen an die Messung heran und kann die Unsicherheit der längerfristig typischen Lärmexposition bzw. die Qualität der Stichprobennahme erst durch die spätere statistische Auswertung beurteilen.
5.11.4 Vergleich des Lärmexpositionspegels mit Auslösewerten
Für die Entscheidung, ob einer der Auslösewerte unter- oder überschritten wird, werden in der TRLV Lärm den Genauigkeitsklassen 1 bis 3 die Werte 0 dB, 3 dB bzw. 6 dB als Unsicherheit ΔL zugeordnet (Tabelle 14).
Tabelle 14: Beim Vergleich mit Auslösewerten zu berücksichtigende Unsicherheiten
Genauigkeitsklasse | 1 | 2 | 3 |
---|---|---|---|
Unsicherheit ΔL | 0 dB | 3 dB | 6 dB |
Beim Vergleich des ermittelten Lärmexpositionspegels LEX,8h mit Auslösewerten ist jeweils zu prüfen, ob der Auslösewert unterhalb, innerhalb oder oberhalb des Pegelbereiches LEX,8h ± , d.h.
(LEX,8h - ΔL) bis (LEX,8h + ΔL)
liegt. Falls der Auslösewert unterhalb oder oberhalb dieses Pegelbereiches liegt, kann man feststellen, dass der Wert eindeutig über- oder unterschritten ist. Liegt der Auslösewert innerhalb dieses Pegelbereiches, ist keine eindeutige Entscheidung möglich. Entsprechend der TRLV Lärm ist dann von einer Überschreitung auszugehen.
Alternativ lassen sich natürlich auch zusätzliche Erhebungen anstellen, um ein Ergebnis besser abzusichern und ggf. einer höheren Genauigkeitsklasse zuordnen zu können. Lässt sich damit die Genauigkeitsklasse 1 erreichen, wird beim Vergleich mit Auslösewerten eine Unsicherheit ΔL von 0 dB angenommen, so dass in jedem Fall eine eindeutige Entscheidung möglich ist.
Beispiel zum Vergleich mit Auslösewerten:
Gegeben:
Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h = 84 dB(A),
Genauigkeitsklasse 2,
Auslösewerte La1 = 80 dB(A) bzw. La2 = 85 dB(A)
Lösung:
Für die Genauigkeitsklasse 2 ist die Unsicherheit ΔL mit 3 dB(A) festgelegt (Konvention).
Damit gilt:
LEX,8h = (84 ± 3) dB(A)
entsprechend einem Pegelbereich von:
81 dB(A) = LEX,8h = 87 dB(A)
Zur Veranschaulichung des Vergleichs mit den Auslösewerten zeigt Bild 9 eine graphische Darstellung des Messergebnisses im Vergleich zu den Auslösewerten.
Abb. 9 Darstellung des ermittelten Lärmexpositionspegels LEX,8h = 84 dB(A) einschließlich Unsicherheit ΔL im Vergleich zu den Auslösewerten
Der Auslösewert La1 von 80 dB(A) liegt eindeutig unter dem markierten Pegelbereich und wird deshalb überschritten. Da der Auslösewert La2 = 85 dB(A) innerhalb des gegebenen Pegelbereiches LEX,8h ± ΔL liegt, ist keine eindeutige Entscheidung über die Einhaltung dieses Grenzwertes möglich. Nach der TRLV Lärm ist eine Überschreitung des Auslösewertes La2 von 85 dB(A) anzunehmen.
Lässt sich der ermittelte Lärmexpositionspegel LEX,8h von 84 dB(A) durch zusätzliche Messungen besser absichern und der Genauigkeitsklasse 1 zuordnen, gilt als Unsicherheit für den Grenzwertvergleich ein ΔL von 0 dB(A):
LEX,8h = (84 ± 0) dB(A)
84 dB(A) < La2
Damit würde der Auslösewert La2 von 85 dB(A) unterschritten.
6 Messbericht
Die durchgeführten Geräuschimmissionsmessungen sollten ausführlich dokumentiert werden, damit die entsprechenden Messdaten bei späteren Rückfragen oder in Streitfällen vorliegen. Nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung besteht für den Unternehmer die Pflicht, die Ergebnisse in geeigneter Form zu dokumentieren und mindestens 30 Jahre aufzubewahren.
Falls häufig gleichartige Geräuschimmissionsmessungen mit gleicher Messausrüstung durchgeführt werden, kann es zweckmäßig sein, für den Messbericht spezielle Formulare vorzubereiten; das erleichtert die Erfassung und Auswertung der Messergebnisse und stellt außerdem sicher, dass keine wichtigen Angaben vergessen werden (Checkliste). Als Hilfe zur Durchführung entsprechender Geräuschmessungen werden z.B. in dem Taschenbuch "Lärmmessung im Betrieb" [5] geeignete Formblätter zur Dokumentation und Auswertung von tätigkeitsbezogenen Messungen (Strategie 1) angeboten.
Der Lärmexpositionspegel LEX,8h und der Spitzenschalldruckpegel LpCpeak sowie die Messunsicherheiten sind nach DIN EN ISO 9612 im Messbericht jeweils mit einer Stelle nach dem Komma anzugeben. Nach der TRLV Lärm ist nur bei Ergebnissen der Klasse 1 eine Angabe mit der ersten Dezimalstelle vorgesehen, während Ergebnisse nach Klasse 2 und 3 auf volle dB zu runden sind.
Ein vollständiger Messbericht nach DIN EN ISO 9612 sollte die folgenden Angaben enthalten:
1. | Allgemeine Angaben
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2. | Zweck/Zielsetzung der Messung
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3. | Verwendete Messgeräte
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4. | Arbeitsanalyse/Beschreibung des Arbeitsplatzes
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5. | Durchgeführte Messungen und Messergebnisse
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6. | Endergebnisse
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7. | Beurteilung, ggf. Vergleich mit Auslösewerten, Schlussfolgerungen |
[1] | Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung - LärmVibrationsArbSchV) vom 6. März 2007, BGBl. I, S. 261, letzte Änderung v. 19. Juli 2010, BGBl. I, S. 964 |
[2] | Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG) vom 7. August 1996, BGBl. I, S. 1246 |
[3] | Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung - TRLV Teil: Lärm. Gemeinsames Ministerialblatt Nr. 18-20/2010 vom 23. März 2010 |
[4] | DIN EN ISO 9612: Akustik - Bestimmung der Lärmexposition am Arbeitsplatz; Verfahren der Genauigkeitsklasse 2 (Ingenieurverfahren). (September 2009) |
[5] | Maue, J. H.: Lärmmessung im Betrieb - Anleitung zur normgerechten Ermittlung der Lärmexposition am Arbeitsplatz und der Geräuschemission von Maschinen. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2011 |
[6] | Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV) vom 12. August 2004. BGBl. I, S. 2179, zuletzt geändert durch Artikel 4 der Verordnung v. 19. Juli 2010, BGBl. I, S. 1793 |
[7] | Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz - ProdSG) vom 8. November 2011. BGBl. I, S. 2179 ergänzt durch die 9. Verordnung zum ProdSG (Maschinenverordnung - 9. ProdSV) vom 12. Mai 1993 |
[8] | Richtlinie 2003/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Februar 2003 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm). ABl. EU L 42 vom 15. Februar 2003, S. 38 |
[9] | Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG. ABl. EG Nr. L 399 vom 30. Dezember 1989, S. 18 |
[10] | VDI 2058 Blatt 3: Beurteilung von Lärm am Arbeitsplatz unter Berücksichtigung unterschiedlicher Tätigkeiten. (Februar 1999) |
[11] | DIN EN ISO 11 690-1: Akustik - Richtlinien für die Gestaltung lärmarmer maschinenbestückter Arbeitsstätten - Teil 1: Allgemeine Grundlagen. (Februar 1997) |
[12] | DIN Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG) vom 7. August 1996, BGBl. I, S. 1246 |
[13] | LSA 01-305: Geräuschminderung im Betrieb - Lärmminderungsprogramm. (BGI 675), 2008 |
[14] | Maue, J. H.: 0 Dezibel + 0 Dezibel = 3 Dezibel: Einführung in die Grundbegriffe und die quantitative Erfassung des Lärms. Begr. von H. Hoffmann und A.v. Lüpke. Hrsg.: Institut für Arbeitssicherheit - BGIA, Sankt Augustin, 9. aktualisierte und erw. Auflage. Erich Schmidt, Berlin 2009 |
[15] | Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 18. Dezember 2008, BGBl. Jg. 2008 Teil I Nr. 62, S. 2768 |
[16] | DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, Grundsatz G 20 "Lärm". Gentner, Stuttgart 2010 |
[17] | BGR/GUV-R 194: Regel - Benutzung von Gehörschutz. (Fassung Mai 2011) |
[18] | ISO 1999: Akustik - Bestimmung der berufsbedingten Lärmexposition und Einschätzung der lärmbedingten Hörschädigung. (Januar 1990) |
[19] | DIN 45645-2: Ermittlung von Beurteilungspegeln aus Messungen - Teil 2: Geräuschimmissionen am Arbeitsplatz. (Juli 1997) |
[20] | DIN 45645-2 (Entwurf): Ermittlung des Beurteilungspegels am Arbeitsplatz bei Tätigkeiten unterhalb des Pegelbereichs der Gehörgefährdung. (Entwurf Januar 2011) |
[21] | VDI 2058 Blatt 2: Beurteilung von Lärm hinsichtlich Gehörgefährdung. (Juni 1988) |
[22] | DIN EN 61672-1: Elektroakustik - Schallpegelmesser - Teil 1: Anforderungen. (Oktober 2003) |
[23] | VDI 3766: Ultraschall - Arbeitsplatz - Messung, Bewertung, Beurteilung und Minderung (Entwurf September 2011) |
[24] | Maue, J. H.: Lärmbelastung an Baustellenarbeitsplätzen - Einwirkung auf Maurer, Einschaler, Eisenflechter, Betonierer, Zimmerleute und Heizungs- und Sanitärinstallateure. BIA-Report 1/87, Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitssicherheit - BIA, Sankt Augustin 1987 |
[25] | Maue, J. H.: Ermittlung der Lärmexposition mit Hilfe von Schalldosimetern. Sicherheitstechnisches Informations- und Arbeitsblatt 210215. In: BGIA-Handbuch Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz 48. Lfg. 2006. Hrsg.: BGIA - Institut für Arbeitsschutz, Sankt Augustin. Erich Schmidt, Berlin, 2. Aufl. 2003 - Losebl.-Ausg. |
[26] | DIN EN 61252: Elektroakustik - Spezifikationen für Personenschallexposimeter. (Mai 2003) |
[27] | DIN EN 60942: Elektroakustik - Schallkalibratoren. (August 1998) |
[28] | Maue, J. H.: Die Bedeutung des Spitzenschalldruckpegels für die Beurteilung industrieller Arbeitsplätze. Sicherheitsingenieur 8/2009, S. 52-55 |
[29] | DIN 46641: Mittelung von Schallpegeln. (Juni 1990) |
[30] | DIN EN 13005 (Vornorm): Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen (Juni 1999) |
ENDE |