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BPD 2021-2 - WEA
Windenergieanlagen
Bauprüfdienst (BPD)
- Hamburg -
Vom 1. Februar 2021
(BPD vom 01.02.2021)
Archiv: 1999-2, 2008-3, 20201-1
1. Gründe für die Herausgabe
Dieser Bauprüfdienst (BPD) gibt Hinweise zu den bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen (WEA) nach der Hamburgischen Bauordnung, die von den Bauaufsichtsbehörden durchgeführt werden. Der BPD 2020-1 ist nicht mehr anzuwenden.
Die Erläuterung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, welches der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) obliegt, ist nicht Gegenstand dieses BPD.
2. Wesentliche Änderungen
Dieser BPD beinhaltet gegenüber dem BPD 2020-1 folgende wesentlichen Änderungen:
3. Abkürzungsverzeichnis
Im BPD werden folgende Abkürzungen wiederholt verwendet:
WEA | Windenergieanlagen |
BauGB | Baugesetzbuch |
BauNVO | Baunutzungsverordnung |
BNatSchG | Bundesnaturschutzgesetz |
BPVO | Baupolizeiverordnung |
BauVorlVO | Bauvorlagenverordnung |
BImSchG | Bundes-Immissionsschutzgesetz |
HafenEG | Hafenentwicklungsgesetz |
HBauO | Hamburgische Bauordnung |
HmbBNatSchAG | Hamburgisches Gesetz zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes |
TKG | Telekommunikationsgesetz |
RL für WEA | Richtlinie für Windenergieanlagen; Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung, Fassung März 2015 (§ 81a Abs. 5 HBauO i. V. m. Lfd. Nr. A 1.2.8.7 der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen - VV TB -, Amtlicher Anzeiger Nr. 79, 2020, Seite 1745) |
TA Lärm | Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm |
4. BImSchV | Vierte Verordnung zur Durchführung des BImSchG (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen) |
4. Verfahrensgrundsätze
WEA sind bauliche Anlagen nach § 2 Abs. 1 HBauO und zugleich Anlagen nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG. Bei einer Gesamthöhe von mehr als 50 m (vgl. Nr. 4.4) wird ein Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG durchgeführt, bei einer Gesamthöhe von bis zu 50 m gelten die Verfahrensvorschriften der HBauO.
In Abhängigkeit von der Gesamthöhe ist die Errichtung, Änderung, Beseitigung bzw. der Betrieb von WEA
Die Gesamthöhe ist der Abstand zwischen der Geländeoberfläche (§ 2 Abs. 3 S. 3, 4 HBauO) und dem höchsten Punkt der Anlage, z.B. der Spitze eines senkrecht nach oben gerichteten Rotorblattes.
4.1. Verfahrensfreie WEA
(§ 60 HBauO)
Nach § 60 HBauO i. V. m. Anlage 2 (Verfahrensfreie Vorhaben) bedürfen folgende Vorhaben keiner Baugenehmigung:
Inhaltliche Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an verfahrensfreie Vorhaben gestellt werden, sind zu beachten (§ 59 Abs. 2 HBauO). Zulassungsentscheidungen nach anderen Vorschriften als der Hamburgischen Bauordnung und der auf diese gestützten Vorschriften sind einzuholen, z.B. die naturschutzrechtliche Genehmigung nach § 17 Abs. 3 BNatSchG.
4.2. Vereinfachtes Genehmigungsverfahren
(§ 61 HBauO)
Das vereinfachte Genehmigungsverfahren wird für die Errichtung und Änderung von WEA durchgeführt, die
Bauliche Anlagen mit einer Höhe von mehr als 30 m sind Sonderbauten (§ 2 Abs. 4 Nr. 2 HBauO) und von der Prüfung im vereinfachten Genehmigungsverfahren ausgeschlossen (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HBauO).
Die Beseitigung von WEA jeglicher Höhe wird im vereinfachten Genehmigungsverfahren geprüft, sofern sie nicht unter die Verfahrensfreiheit fallen (Nr. 4.1).
4.3. Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung
(§ 62 HBauO)
Ein Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung wird für WEA mit einer Gesamthöhe von bis zu 50 m durchgeführt, die
4.4. Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren
(§ 4 BImSchG)
Mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m (4. BImSchV, Anhang 1, Nr. 1.6) sind WEA immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig (§ 4 BImSchG). In Abhängigkeit von der Anzahl der WEA (ab 20) oder bei erheblichen Umweltauswirkungen wird ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG (mit Öffentlichkeitsbeteiligung) bzw. ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG (ohne Öffentlichkeitsbeteiligung) durchgeführt.
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist zu erteilen, wenn andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der WEA nicht entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung schließt andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen ein, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zulassungen, Bewilligungen etc. (Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG). Dies hat zur Folge, dass in diesen Fällen eine bauordnungsrechtliche Baugenehmigung entfällt (§ 59 Abs. 1 S. 2 HBauO).
4.5. Verfahrenswahl
(§ 59 HBauO)
Auf Verlangen der Bauherrin oder des Bauherrn wird für genehmigungsfreie Vorhaben nach § 60 ein Genehmigungsverfahren nach § 61 oder § 62 und für Vorhaben nach § 61 ein Baugenehmigungsverfahren nach § 62 durchgeführt (§ 59 Abs. 3 HBauO). Die Wahl des Genehmigungsverfahrens nach BImSchG (Nr. 4.4) für WEA mit einer Gesamthöhe unter 50 m ist nicht zulässig.
4.6. Zuständige Behörden
Verantwortliche für die Verfahrensvorschriften der HBauO sind in ihrem Zuständigkeitsbereich die Bauaufsichtsbehörden der Bezirksämter, der Hamburg Port Authority (HPA) bzw. der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. 1
Im bauaufsichtlichen Verfahren sind in Abhängigkeit vom gesetzlichen Prüfumfang von der Bauaufsichtsbehörde neben den Rechtsvorschriften, für deren Beurteilung sie selber zuständig sind, Anforderungen aus anderen Rechtsbereichen zu berücksichtigen. Die Bauaufsichtsbehörden beteiligen hierzu die jeweils zuständigen Fachrechtsdienststellen (§ 70 Abs. 5 HBauO), z.B. die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft zur Berücksichtigung des Artenschutzes (Nr. 11.3). Welche Belange anderer Rechtsbereiche berührt sein können und welche Fachrechtsdienststellen ggf. zu beteiligen sind, zeigt der BPD Zu prüfende Rechtsbereiche im Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung nach § 62 HBauO 2 auf.
Zuständige Stelle für die Durchführung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren von WEA ist die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft, Immissionsschutz und Abfallwirtschaft, Neuenfelder Straße 19, 21109 Hamburg. Die Erläuterung dieser Verfahren ist nicht Gegenstand dieses Bauprüfdienstes.
5. Bauvorlagen
Die Anforderungen an die Bauvorlagen ergeben sich aus § 4 BauVorlVO.
Sofern die entsprechenden Belange Prüfgegenstand im Verfahren sind, sind insbesondere die nachfolgenden Unterlagen von Bedeutung, die zur Beurteilung des Vorhabens erforderlich werden können und nach § 1 Abs. 6 BauVorlVO ggf. nachzufordern sind.
5.1. Zur Durchführung der bauordnungsrechtlichen Prüfung:
Standsicherheit nach § 14 BauVorlVO
Angaben zur Beurteilung der Auswirkungen auf das Stadtbild
5.2. Zur Durchführung der immissionsschutzrechtlichen Prüfung
5.3. Zur Durchführung der natur- und artenschutzrechtlichen Prüfung
5.3.1. Eingriffsregelung (Nr. 11.1)
5.3.2. Schutzgebiete und geschützte Landschaftsobjekte (Nr. 11.2)
5.3.4. Gesetzlich geschützte Biotope (Nr. 11.4)
5.4. Zur Berücksichtigung von Richtfunkverbindungen sowie Radaren und Messeinrichtungen der Bundesnetzagentur
Bei der Abforderung einer Stellungnahme müssen die Bauvorlagen des Vorhabens, wie Lageplan und Baubeschreibung, folgende Angaben enthalten:
Zusätzlich ist eine topografische Karte als Übersichtskarte in geeignetem Maßstab mit eingezeichnetem Bauvorhaben vorzulegen, da WEA häufig fernab von öffentlichen Straßen errichtet werden sollen.
Sofern zur Beurteilung des Vorhabens weitere Angaben bzw. Unterlagen erforderlich werden sollten, können sie nach § 1 Abs. 6 BauVorlVO nachgefordert werden.
6. Planungsrechtliche Zulässigkeit
WEA sind bauliche Anlagen (Vorhaben) im Sinne von § 29 BauGB. Bei der planungsrechtlichen Beurteilung des Vorhabens nach §§ 30 - 35 BauGB bzw. Hafenentwicklungsgesetz lassen sich drei Fallgruppen unterscheiden:
Die im Zusammenhang bebauten Ortsteile nach § 34 BauGB zählen in diesem Zusammenhang zu den Baugebieten.
6.1. WEA in Baugebieten und im Hafengebiet
6.1.1. Hauptanlagen
WEA sind planungsrechtlich als Anlagen für erneuerbare Energien zu behandeln. Diese sind Gewerbebetriebe im planungsrechtlichen Sinn. Als Hauptanlagen, die die gewonnene Energie in das öffentliche Versorgungsnetz einspeisen, sind WEA grundsätzlich auf Versorgungsflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB zulässig, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Zudem bietet § 11 Abs. 2 BauNVO die Möglichkeit, im Bebauungsplan Sondergebiete mit entsprechender Zweckbestimmung auszuweisen. Ansonsten sind WEA in Gewerbe- und Industriegebieten allgemein zulässig, sofern die Voraussetzungen nach anderen Rechtsbereichen vorliegen.
6.1.2. Untergeordnete Nebenanlagen (§ 14 Abs. 1 BauNVO)
WEA können als untergeordnete Nebenanlage nach § 14 Abs. 1 BauNVO in allen Baugebieten zulässig sein, wenn sie gegenüber der Hauptanlage untergeordnet sind, dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebietes selbst dienen (z.B. einem Wohngebäude oder als Gemeinschaftsanlage mehrerer Wohngebäude) und nicht der Eigenart des Baugebietes widersprechen. Soweit nicht ausdrücklich eingeschränkt oder ausgeschlossen, sind sie auch außerhalb der bebaubaren Flächen zulässig (§ 14 Abs. 1, § 23 Abs. 5 BauNVO).
D. h. WEA sind als untergeordnete Nebenanlage einzustufen, wenn
Zu a) Unterordnung
Im Ergebnis muss sich die Nebenanlage räumlichgegenständlich wie auch funktionell gegenüber der Hauptnutzung unterordnen. Zur Frage der Unterordnung kommt es wesentlich auf die Grundstücksgröße, die Bebauungsdichte und die Abmessung der Hauptanlage an 3. Folglich gelten für eine WEA in einem Gewerbe- oder Industriegebiet andere Abmessungen als für eine WEA in einem Wohngebiet.
Zu b) Funktionszusammenhang
Die WEA darf keine öffentliche (gewerbliche) Versorgungsanlage sein, sondern muss dem Privatgebrauch dienen. Eine Anlage kann auch mehrere Grundstücke in einem Baugebiet versorgen (Hinweis: Der durchschnittliche Jahresstromverbrauch liegt für einen 4-Personen Haushalt bei ca. 4.500 kWh). Wird teilweise Strom an das öffentliche Versorgungsnetz abgegeben, dienen die Anlagen auch der öffentlichen Versorgung im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes i. V. m. dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Sie können nach § 14 Abs. 2 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden (siehe Nr. 6.1.2).
Zu c) Eigenart des Baugebietes
Neben der planungsrechtlichen Ausweisung kommt es auch auf die tatsächliche Bebauung im Umfeld (im Hinblick auf Nutzung, Lage, Größe und Zuschnitt der Grundstücke sowie die Dichte der Bebauung) an. Pauschale Richtwerte können nicht gegeben werden, es ist immer eine konkrete Beurteilung des Einzelfalls erforderlich.
Eine dichte Wohnbebauung beispielsweise, wie sie vielfach in heutigen Einfamilienhausgebieten vorzufinden ist, steht der Zulässigkeit in der Regel entgegen.
6.1.3. Nebenanlagen (§ 14 Abs. 2 BauNVO)
Als Nebenanlagen sind WEA gemäß § 14 Abs. 2 BauNVO in allen Baugebieten ausnahmsweise zulässig, auch wenn sie nur teilweise der Versorgung des Gebietes dienen. Diese Anlagen versorgen primär ein oder mehrere Baugrundstücke und speisen im Übrigen den über den Eigenverbrauch hinausgehenden Strom in das öffentliche Versorgungsnetz ein.
Widerspricht eine WEA, die als Nebenanlage ein Baugebiet mit Elektrizität versorgen soll, der Eigenart des Baugebietes (siehe Nr. 6.1.2,) ist sie einer Ausnahme nicht zugänglich.
6.1.4. Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit (§ 15 BauNVO)
WEA als Haupt- oder Nebenanlagen in Bebauungsplänen unterliegen der Zulässigkeitsprüfung nach § 15 BauNVO.
Eine WEA darf nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung nicht der Eigenart eines Baugebietes widersprechen (§ 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO). Die maßgebende Eigenart wird durch die Festsetzungen des Bebauungsplans, die Bestandsbebauung sowie Lage, Größe und Zuschnitt des Baugrundstücks im Verhältnis zu den Grundstücken des Baugebietes geprägt. So kann eine WEA trotz dichter Bebauung in einem Industrie- und Gewerbegebiet zulässig sein, weil sie sich als technische Anlage in die baulichen Anlagen des Gebietes (z.B. Schornsteine, Hochspannungsmaste, Kühltürme) einfügt.
WEA sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO). Zu beachten sind hier z.B. Lärmentwicklung, der bewegte, periodische Schattenwurf der Rotorblätter und periodische Reflexionen des Sonnenlichts an den Rotorblättern, Turm oder Gondel als sog."Discoeffekt" (siehe Nr. 8.2 und 8.3).
Belästigungen und Störungen können von WEA auch in unmittelbarer räumlicher Nähe von Störfallbetrieben (Betriebsbereiche nach § 3 Abs. 5a BImSchG) ausgehen. Eisabfall, Eisabwurf, Rotorblattabriss, Turmversagen und Gondelbrand mit Absturz der Gondel können eventuell zu einer umgebungsbedingten Gefahrenquelle für einen Störfallbetrieb werden. Für den Anlagenbetreiber des Störfallbetriebes könnten sich gesetzliche Verpflichtungen zu Gegenmaßnahmen ergeben, da diese Vorsorgepflichten aus § 3 der Störfall-Verordnung (12. BImSchV) unterliegen. Beantragte WEA in der Nähe von Störfallbetrieben können folglich die Interessen des Anlagenbetreibers des Störfallbetriebes berühren. Es wird in derartigen Fällen empfohlen, diese am Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen (§ 13 Abs. 2 HmbVwVfG).
In Abhängigkeit von Art und Umfang möglicherweise vom Störfallbetrieb zu ergreifender Maßnahmen ist im Einzelfall zu bewerten, ob von der WEA Belästigungen und Störungen ausgehen, die zur Unzulässigkeit der WEA führen (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO). Zur Beurteilung von Art und Umfang möglicherweise vom Störfallbetrieb zu ergreifender Maßnahmen kann als sachverständige Stelle die für die Störfallverordnung zuständige Fachbehörde, Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft, Immissionsschutz und Abfallwirtschaft zum Verfahren hinzugezogen werden.
In nicht überplanten Bereichen nach § 34 Abs. 1 BauGB können diese Abwägungsprozesse über das Merkmal des "Einfügens" erfolgen.
6.1.5. Baugebiete nach BPVO
Die BPVO trifft keine Regelungen zu WEA. Unabhängig von einer notwendigen Prüfung der Zulässigkeit im Einzelfall ist jedoch davon auszugehen, dass WEA als Hauptanlagen im Industriegebiet sowie ggf. im Geschäftsgebiet mit gewerblicher Prägung zulässig sind, sofern alle weiteren Voraussetzungen erfüllt werden. Für Wohngebiete nach BPVO gelten die obigen generellen Aussagen zur planungsrechtlichen Zulässigkeit, da hier entsprechend der Rechtsprechung zur Auslegung der Wohngebietsfestsetzungen nach BPVO eine Beurteilung in Anlehnung an die aktuelle BauNVO erfolgt.
6.1.6. Hafengebiet
Das Hafengebiet ist im Sinne des HafenEG für Hafenzwecke bestimmt und gliedert sich nach § 2 Abs. 1 HafenEG in das Hafennutzungsgebiet und das Hafenerweiterungsgebiet. WEA können nach Maßgabe der Bestimmungen des HafenEG ausnahmsweise zugelassen werden, wenn sonstige Hafenzwecke und die Hafenplanungsverordnungen dem Bau einer WEA nicht entgegenstehen bzw. sie als Nebenanlage in unmittelbarem Zusammenhang mit einer im Hafengebiet zulässigen Nutzung stehen.
6.2. WEA im Außenbereich
WEA gehören im Außenbereich 4 grundsätzlich zu den privilegierten Vorhaben. Sie sind gemäß § 35 BauGB als untergeordnete Nebenanlagen (siehe Nr. 6.2.2) zu privilegierten Hauptnutzungen oder aber als selbständige Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 zulässig, sofern öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die Erschließung gesichert ist.
6.2.1. Hauptanlagen
Öffentliche Belange stehen dem Vorhaben im Außenbereich jedoch u. a. entgegen, wenn im Flächennutzungsplan eine Darstellung an anderer Stelle erfolgt (§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB). Hamburg hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und im Flächennutzungsplan Eignungsgebiete für WEA dargestellt. Beispiel:
Damit wird die planungsrechtliche Zulässigkeit von WEA als Hauptanlagen im Außenbereich faktisch auf diese Eignungsgebiete beschränkt, da nur in diesen Gebieten davon ausgegangen werden kann, dass keine öffentlichen Belange dem Vorhaben entgegenstehen. Mit der Darstellung der Eignungsgebiete im Flächennutzungsplan kann somit angenommen werden, dass Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege einem Vorhaben, vorbehaltlich der Einzelfallprüfung, nicht grundsätzlich entgegenstehen.
Außerhalb der ausgewiesenen Eignungsgebiete stehen öffentliche Belange der Errichtung einer WEA als Hauptanlage entgegen, so dass WEA im Außenbereich außerhalb der Eignungsgebiete in der Regel unzulässig sind.
6.2.2. Untergeordnete Nebenanlagen
Als untergeordnete Nebenanlagen, die der privaten Versorgung dienen, sind WEA auch außerhalb der Eignungsgebiete zulässig. Die Grundsätze zur Beurteilung untergeordneter Nebenanlagen, wie unter Nr. 6.1.2 dargestellt, können auch bei Nebenanlagen von privilegierten Nutzungen (z.B. einem landwirtschaftlichen Betrieb) im Außenbereich angewandt werden. Die naturschutzrechtlichen Vorgaben (siehe Nr. 11) sind dabei zu berücksichtigen.
6.2.3. Rückbauverpflichtung
Eine Voraussetzung für die Zulassung von WEA im Außenbereich ist deren Rückbau nach Aufgabe der Nutzung und die Beseitigung von Bodenversiegelungen (§ 35 Abs. 5 S. 2 und 3 BauGB). Sie sollen nach dauerhafter Nutzungsaufgabe nicht mehr den Außenbereich beeinträchtigen. Ziel der Regelung ist es, nach dem den § 35 BauGB insgesamt prägenden Leitgedanken der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs, Beeinträchtigungen der Landschaft durch endgültig aufgegebene Anlagen effektiv und konsequent zu verhindern. Grundsätzlich ist damit der komplette Rückbau einer Anlage erforderlich, also einschließlich der Fundamente (Flach- und Tiefgründungen) und versiegelter Flächen (z.B. Zuwegungen und Baustelleneinrichtungen).
Es erscheint geboten, die Rückbauverpflichtung vor dem Hintergrund auszulegen, dass im Außenbereich zulässige Vorhaben "in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise" auszuführen sind (§ 35 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Die Rückbauverpflichtung kann folglich als Verpflichtung zum vollständigen Rückbau verstanden werden, wenn der Rückbau in einer den Außenbereich schonenden und zusätzliche Versiegelung vermeidenden Weise erfolgen kann.
Eine Einzelfallprüfung kann in Abhängigkeit von den individuellen Rahmenbedingungen zu dem Ergebnis führen, dass die Entfernung von Pfahlgründungen aus Stahlbeton ab einer gewissen Tiefe zu zusätzlichen erheblichen Belastungen des Außenbereichs führen, die bei dessen dauerhaftem Verbleib im Boden vermeidbar wären. Die Belastungen können z.B. das Wasser-, Boden-, Immissions-, Abfall- und/oder Naturschutzrecht betreffen Wenn die Durchsetzung der Rückbauverpflichtung im Einzelfall also eine Verletzung der Pflicht zur Schonung des Außenbereiches durch Rückbau von Teilen der WEA darstellt, scheint es geboten, auf deren vollständigen Rückbau zu verzichten. So hat der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Betrachtung der Schutzgüter Boden und Wasser in bestimmten Eignungsgebieten für WEA den Umfang der Rückbauverpflichtung wie folgt festgelegt 5:
"Beim Rückbau von Windenergieanlagen ... im Außenbereich sind Versiegelungen einschließlich der Fundamente (bei Tiefgründung auch in Form von Pfählen) zwischen 1,5 m bis 2,5 m unter Geländeoberkante sowie Zuwegungen im Umfeld der Anlage zurückzubauen bzw. zu beseitigen." 6
Sofern im Einzelfall in Erwägung gezogen werden soll, von einer vollständigen Entfernung von Tiefgründungen abzusehen, ist sicherzustellen, dass konkrete öffentlich-rechtliche Belange, z.B. des Wasser-, Boden-, Immissions-, Abfall- oder Naturschutzrechtes, nicht entgegenstehen (§ 35 Abs. 1 BauGB). Dies erfordert die Beteiligung der hierfür zuständigen Behörden im Verfahren.
Die Einhaltung der Rückbauverpflichtung soll durch Baulast nach § 79 HBauO sichergestellt werden. Der Umfang des Rückbaus ist in der Verpflichtungserklärung festzulegen. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung kann auch in anderer Weise erfolgen, z.B. durch Beibringung einer Sicherheitsleistung in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer anerkannten Bank in Höhe der Rückbaukosten des Anlagenherstellers zugunsten der Freien und Hansestadt Hamburg vertreten durch die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft.
6.2.4. Sonderregelungen zur Windenergie
Mit Artikel 2 des "Gesetzes zur Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude und zur Änderung weiterer Gesetze" vom 08. August 2020 (BGBl. I S. 1728) wurde § 249 Abs. 3 BauGB neu gefasst. Danach können die Länder durch Landesgesetze bestimmen, dass § 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB auf Vorhaben, die der Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn sie bestimmte Mindestabstände zu den im Landesgesetz bezeichneten zulässigen baulichen Nutzungen zu Wohnzwecken einhalten. Ein Mindestabstand darf höchstens 1 000 Meter von der Mitte des Mastfußes der Windenergieanlage bis zur nächstgelegenen im Landesgesetz bezeichneten baulichen Nutzung zu Wohnzwecken betragen.
Hamburg macht von dieser Länderöffnungsklausel allerdings keinen Gebrauch. In dem Flächennutzungsplan sind mit den "Eignungsgebieten für Windenergieanlagen" Mindestabstände von WEA zu Wohnbebauungen bzw. Splittersiedlungen berücksichtigt 7. Daher werden keine weiteren Regelungen benötigt.
7. Bauordnungsrechtliche Anforderungen
7.1. Erschließung
(§ 4 Abs. 1 HBauO)
WEA sind wie andere bauliche Anlagen nur zulässig, wenn die Erschließung gesichert ist. Das Grundstück muss eine ausreichende Zufahrtsmöglichkeit aufweisen, die sowohl Errichtung als auch Wartung der WEA zulässt.
7.2. Abstandsflächen
(§ 6 HBauO)
Bei WEA handelt es sich gemäß § 2 Abs. 2 HBauO im Bereich des betretbaren Turmes sowie der Gondel um ein Gebäude. Die Rotorblätter erfüllen die Voraussetzungen für eine "selbständig benutzbare, überdeckte Anlage, die vom Menschen betreten werden kann" zwar nicht, doch gehen von ihnen Wirkungen wie von einem Gebäude aus. Infolgedessen finden die Anforderungen an die Einhaltung von Abstandsflächen Anwendung (§ 6 Abs. 1 S. 2 HBauO).
In einigen Landesbauordnungen (z.B. § 6 BauONRW, § 7 SaarlBO) gibt es Sonderregelungen zur Abstandsflächenbemessung bei WEA. Die HBauO enthält keine gesonderte Regelung, wodurch die allgemeinen Regelungen des § 6 HBauO anzuwenden sind.
"Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich nach der Wandhöhe, sie wird rechtwinklig zur Wand gemessen." (§ 6 Abs. 4 S. 1 HBauO). Die hierfür maßgebliche "Außenwand" ist bei einer WEA eine "fiktive Außenwand". Hierbei handelt es sich um die senkrechte Projektion der Gondel mit Rotor(blatt) auf die Geländeoberfläche.
Daraus resultiert folgende Abstandsflächenbemessung für eine WEA mit Horizontalachse:
Die Tiefe der Abstandsfläche (0,4 H) der WEA bemisst sich nach der Gesamthöhe der Anlage (Turm + senkrechtstehendes Rotorblatt = H * 0,4).
Diese ist einzuhalten ab einem Kreis um die Mittelachse der Anlage, dessen Radius durch den Abstand des senkrechtstehenden Rotorblatts vom Mastmittelpunkt bestimmt wird ("fiktive Außenwand").
Bei Anlagen mit einer vertikalen Achse ist die Gesamthöhe maßgeblich, die ebenfalls als Kreis abgebildet wird, wobei die Ausladung der Rotoren ("fiktive Außenwand") zu beachten ist.
7.3. Eisabwurf
Abgeleitet aus den allgemeinen Sicherheitsanforderungen der §§ 3 und 81a Abs. 1 S. 2 HBauO i. V. m. der RL für WEA (hier: Anlage A 1.2.8/6, Nr. 2 und 3, der VV TB) erfordert ein möglicher Eisabwurf gesonderte Anforderungen an Abstände zu Verkehrswegen und Gebäuden. In nicht besonders eisgefährdeten Gebieten (wie Hamburg) gelten Abstände größer als 1,5 x (Rotordurchmesser plus Nabenhöhe) als ausreichend 8. Sofern diese Abstände nicht eingehalten werden, ist eine gutachterliche Stellungnahme eines Sachverständigen erforderlich.
Von den in den Technischen Baubestimmungen enthaltenen Planungs-, Bemessungs- und Ausführungsregelungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen erfüllt werden (§ 81a Abs. 1, S. 3 HBauO). Die Sicherheit gegen Eisabwurf bei verringerten Abständen kann ggf. durch zusätzliche Einrichtungen wie Rotorblattheizung, Eiserkennungssysteme mit automatischer Abschaltung gewährleistet werden.
Hinweis: Für Kleinstanlagen mit einer überstrichenen Rotorfläche von bis zu 7 m2, einer maximalen Nennleistung von 1,0 kW und einer maximalen Höhe des Rotormittelpunktes von 7,0 m über Gelände kann aufgrund des geringen Gefährdungspotentials von einem Gutachten abgesehen werden.
7.4. Standsicherheit
(§ 15 HBauO)
Die Vorgaben zur Standsicherheit ergeben sich aus den einschlägigen Regelungen der HBauO sowie der RL für WEA (siehe Ziffer 5.1).
Für WEA, deren überstrichene Rotorfläche unter 200 m2 ist und die eine Spannung erzeugen, die unter 1.000 V Wechselspannung oder 1.500 V Gleichspannung liegt, dürfen nach DIN EN 61400-2 "Sicherheit kleiner Windenergieanlagen" nachgewiesen werden (RL für WEA).
Entsprechend der RL für WEA sind in die Baugenehmigung in der Regel folgende Auflagen und Hinweise aufzunehmen:
7.5. Typengenehmigung
(§ 65 HBauO)
Sofern eine Typengenehmigung für die betreffende Anlage besteht, entfällt die Verpflichtung zum individuellen Nachweis der bereits mit der Typenprüfung entschiedenen Fragen. Die sonstigen baurechtlichen Genehmigungen ersetzt sie nicht (§ 65 Abs. 4 HBauO). Zuständige Stellen für die Erteilung von Typengenehmigungen sind die DNV-GL SE, Hamburg 9 (§ 21 Abs. 2 PVO) sowie die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Amt für Bauordnung und Hochbau - BSW/ABH3.
7.6. Besondere Anforderungen
(§ 51 HBauO)
An WEA, die Sonderbauten sind (Gesamthöhe > 30 m), können besondere Anforderungen nach § 51 HBauO gestellt werden. Spezielle Vorgaben für besondere Anforderungen für WEA gemäß § 51 HBauO bestehen zurzeit in Hamburg nicht.
WEA bis 30 m Gesamthöhe unterliegen insoweit den "normalen" Anforderungen der HBauO.
7.7. Blitzschutz
(§ 43a Abs. 2 HBauO)
Für WEA sind Blitzschutzanlagen (§ 43a Abs. 2 HBauO und BPD 2/2013 "Blitzschutzanlagen" erforderlich. Die Anforderungen sind in der Norm DIN VDE 0185 geregelt.
WEA sind bauliche Anlagen, die infolge ihrer Höhe das Orts- und Landschaftsbild mitbestimmen. An sie können gemäß § 12 Abs. 2 HBauO besondere Anforderungen an die Gestaltung der Oberflächen und im Einzelfall auch an Standort und Höhe gestellt werden.
Anforderungen zur "Gestaltung" können sich auch aus § 15 BNatSchG zur Vermeidung von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes oder aus artenschutzrechtlichen Gründen ergeben.
8. Immissionsschutzrechtliche Anforderungen
(§ 22 ff. BImSchG)
WEA sind Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG und unterliegen im Baugenehmigungsverfahren den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen nach § 22 BImSchG.
Sie können in angrenzenden Baugebieten bzw. für in der Nachbarschaft vorhandene Wohn- und Arbeitsstättennutzungen Belästigungen und Störungen hervorrufen. Hierzu gehören insbesondere Lärmbelästigungen und Verschattungen durch sich bewegende Bauteile (Flügel) sowie Eisabwurf und Eisabfall. Der Antragsteller hat daher durch entsprechende Belege (z.B. Lärm-, Verschattungsgutachten) die Unbedenklichkeit nachzuweisen.
Im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 61 HBauO gehören die folgenden Kriterien zwar nicht zum direkten genannten Prüfumfang, sind jedoch aufgrund ihrer Relevanz im Hinblick auf § 15 BauNVO (siehe 6.1.4) im Rahmen der planungsrechtlichen Prüfung ebenfalls im Genehmigungsverfahren zu betrachten.
8.1. Lärmbelästigungen
Im Rahmen der Prüfung, ob erhebliche Belästigungen durch Geräuschimmissionen zu befürchten sind, ist die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) zu beachten.
Für WEA bis einschließlich 50 m Höhe (nicht genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 22 BImSchG) gelten die allgemeinen Grundsätze für die Prüfung nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen sowie eine vereinfachte Regelfallprüfung nach Nr. 4 TA Lärm. Auch hier ist entsprechend der in der BauNVO zum Ausdruck kommenden Wertung bei der Errichtung einer WEA von der abgestuften Schutzwürdigkeit der verschiedenen Baugebiete auszugehen.
Die Immissionsrichtwerte der TA Lärm sind maßgeblich.
Die Berücksichtigung einer Vorbelastung und damit auch bereits vorhandener Anlagen richtet sich nach den Vorgaben der Nr. 4.2.c TA Lärm und unterliegt dem sog. Relevanzkriterium.
Die Geräuschentwicklung der WEA ist anhand eines Nachweises eines unabhängigen Sachverständigen zu belegen (siehe Nr. 5 Bauvorlagen). Ein Nachweis ist in allen Betriebszuständen bis zum Erreichen der Nennleistung erforderlich.
Gebiet | |||||||
I | GE | MK MI MD | WS WA | WR | Kurgebiete Krankenhäuser Pflegeanstalten | ||
Richtwerte dB (A) | Tag Nacht | 70 | 65 | 60 | 55 | 50 | 45 |
70 | 50 | 45 | 40 | 35 | 35 |
Immissionsrichtwerte der TA Lärm in Abhängigkeit von der Gebietskategorie bzw. Einrichtungen. Nicht benannte Gebiete oder Einrichtungen sind entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit individuell einzuordnen (TA Lärm Nr. 6.6).
8.2. Schattenwurf
Der periodische Wechsel von Licht und Schatten auf ein Nachbargrundstück, verursacht durch den Rotor einer WEA, stellt eine erhebliche Belästigung z.B. für Wohn- und Arbeitsstättennutzungen 10 dar, da die natürlichen Lichtverhältnisse permanent verändert werden. Entsprechend ist ein Schattenwurf nur in geringem Umfang hinzunehmen.
Als Richtwert gelten hierbei 30 Std. pro Kalenderjahr und maximal 30 Minuten pro Tag. Die Einhaltung dieser Richtwerte ist vom Antragsteller gutachterlich durch eine Schattenwurf-Immissionsprognose nachzuweisen.
Als maximal zulässige theoretische Beschattungsdauer (inkl. bewölkter Phasen, d. h. astronomisch möglich) werden folgende Richtwerte zugrunde gelegt:
Maximale Beschattungsdauer
bei Sonnenständen > 3° 11
im Jahr | am Tag |
30 Stunden | 30 Minuten |
Bei Überschreitung der Werte für die astronomisch maximal mögliche Beschattungsdauer kommen unter anderem technische Maßnahmen zur zeitlichen Beschränkung des Betriebes der WEA in Betracht. Eine wichtige technische Maßnahme stellt als Gegenstand von Auflagen und Anordnungen die Installierung einer Abschaltautomatik dar, die mittels Strahlungs- oder Beleuchtungsstärkesensoren die konkrete meteorologische Beschattungssituation erfasst und somit die vor Ort konkret vorhandene Beschattungsdauer begrenzt. Für Abschaltautomatiken mit Strahlungssensoren beträgt der Wert für die tatsächliche, reale Schattendauer (meteorologische Beschattungsdauer) 8 Stunden pro Kalenderjahr.
8.3. Lichtreflexionen
Periodische Lichtreflexionen entstehen, wenn Sonnenlicht auf bewegte Rotorblätter, Turm oder Gondel fällt (sog. Discoeffekt). Sie können auch Auswirkungen auf weiter entfernte Nutzungen haben. Ihnen kann vorgebeugt werden durch die Verwendung nichtglänzender Rotoroberflächen, d. h. durch Auswahl entsprechender Farben (mittelreflektierende Farben mit matten Glanzgraden < 30 %).
9. Bundesfernstraßenrechtliche Anforderungen
Sofern die Errichtung einer WEA in den Anwendungsbereich des § 9 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) fällt, d. h. Bauverbote oder Zustimmungsvorbehalte berührt werden, sind die zuständigen Fernstraßenbehörden zu beteiligen. Dies ist das Fernstraßenbundesamt (FBA) bei den Bundesautobahnen und den außerhalb der Ortsdurchfahrten gelegenen Abschnitten der Bundesstraßen und bei Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende, Referat "Verkehrsbelange in der Stadtentwicklung" (BVM/VE3) bzw. Die Beteiligungspflicht gilt auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren (Zustimmungserfordernis nach § 61 Abs. 2 S. 2 HBauO).
10. Luftverkehrsrechtliche Anforderungen
Die zuständige Luftfahrtbehörde, d.h. die Behörde für Wirtschaft und Innovation, Amt Wirtschaft, Abteilung Luftverkehr - BWI/WL 2, hat auf der Grundlage des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) darüber zu wachen, dass bei der Errichtung oder Änderung von WEA die Luftverkehrssicherheit gewährleistet wird. Dies gilt nicht nur in der Nähe von Flugplätzen zur Sicherung des An- und Abflugverkehrs sondern auch außerhalb von Flugplätzen zur Sicherung des sonstigen Flugverkehrs. Das Luftverkehrsrecht gewährt der Luftfahrtbehörde Zustimmungsvorbehalte im Baugenehmigungsverfahren.
Die Berücksichtigung der Luftverkehrssicherheit im bauaufsichtlichen Verfahren erläutert der gleichnamige BPD 12. Er zeigt auf, wann die zuständige Luftfahrtbehörde am Genehmigungsverfahren zu beteiligen ist, ggf. auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren (§ 61 Abs. 2 S. 2 HBauO).
11. Natur- und artenschutzrechtliche Anforderungen
11.1. Eingriffsregelung
WEA unterliegen der Eingriffsregelung, soweit sie im Außenbereich errichtet werden (§ 14 ff. BNatSchG); Gleiches gilt für das Hafengebiet. Auf Vorhaben, die nach §§ 30, 33 oder 34 BauGB zu beurteilen sind, findet die Eingriffsregelung keine Anwendung (§ 18 BNatSchG), jedoch sind die Festsetzungen des Bebauungsplans zur Eingriffskompensation zu beachten. Bei den der Eingriffsregelung unterliegenden Vorhaben ist das Einvernehmen mit den für den Naturschutz und die Landschaftspflege zuständigen Dienststellen des Bezirksamtes gemäß § 8 HmbBNatSchAG herzustellen.
Zur Beurteilung der durch den Eingriff entstehenden Beeinträchtigungen hat der Bauherr die in Nr. 5.3.1 genannten Bauvorlagen vorzulegen.
WEA sind so zu planen und zu verwirklichen, dass der Eingriff so gering wie möglich ausfällt (§ 15 Abs. 1 BNatSchG). Als eingriffsmindernde Maßnahmen kommen vorzugsweise z.B. solche zur Verschiebung an einen weniger störenden Standort, zur Lage von Baustellen- und Wegeflächen, zur äußeren Gestaltung und Farbgebung der Anlage sowie zur Vermeidung von die Tierwelt störenden Bauzeiten in Frage.
Unvermeidbare Beeinträchtigungen sind entsprechend auszugleichen oder zu ersetzen (§ 15 Abs. 2 BNatSchG). Dabei geht es in erster Linie darum, naturnahe Flächen neu zu entwickeln und vorhandene Störungen des Landschaftsbildes zu beseitigen.
Der Bau einer WEA ist zu untersagen, wenn die Beeinträchtigungen weder vermieden noch in angemessener Frist ausgeglichen oder ersetzt werden können und die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft im Range vorgehen (§ 15 Abs. 5 BNatSchG).
Wenn Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht durchgeführt werden können, die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege nach Abwägung jedoch nicht vorrangig sind, ist eine Ersatzzahlung festzusetzen (§ 15 Abs. 6 BNatSchG). Die Ersatzzahlung ist durch den Bauherrn an das Sondervermögen Naturschutz und Landschaftspflege bei der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft zu entrichten.
11.2. Schutzgebiete und geschützte Landschaftsobjekte
Soweit WEA Auswirkungen auf Schutzgebiete des europäischen Netzes "Natura 2000" (§ 32 BNatSchG) haben könnten, sind die Bestimmungen gemäß § 33 f. BNatSchG zu beachten. Besteht demnach der Verdacht, dass eine derartige Anlage - unabhängig, ob sich der Standort innerhalb oder außerhalb eines Natura 2000-Gebietes befindet - eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des jeweiligen Natura 2000-Gebietes auslösen könnte, so ist eine Verträglichkeitsuntersuchung durchzuführen. Diese FFH-Verträglichkeitsuntersuchung soll die unter Nr. 5.3.2 genannten Inhalte umfassen.
Kommt die FFH-Verträglichkeitsprüfung zu dem Schluss, dass das Vorhaben die Erhaltungsziele des Natura 2000-Gebietes erheblich beeinträchtigen kann, so ist die Errichtung der WEA unzulässig. Zwar ist nach § 34 Abs. 4 BNatSchG eine Abweichungsprüfung eröffnet, doch dürften im Regelfall keine zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für WEA vorliegen und zumutbare Alternativen an anderen Standorten gegeben sein.
Soweit WEA in Schutzgebieten nach § 23 ff. BNatSchG (Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, Naturdenkmale) oder im Bereich von geschützten Landschaftsbestandteilen (nach der Baumschutzverordnung geschützte Gehölze) errichtet werden sollen, finden die dortigen Rechtsnormen Anwendung. So gilt z.B. in allen Naturschutzgebieten und in den meisten Naturdenkmalen ein absolutes Bauverbot, das nur im Rahmen einer Befreiung nach § 67 BNatSchG überwunden werden kann. In Landschaftsschutzgebieten unterliegt das Bauen in der Regel einem Genehmigungsvorbehalt. In wenigen "neueren" Landschaftsschutzgebieten (z.B. Marmstorfer Flottsandplatte) gelten ebenfalls Bauverbote, so dass auch hier das Bauen einer Befreiung bedarf. Im Bereich geschützter Landschaftsbestandteile sind ggf. Ausnahmen erforderlich.
11.3. Artenschutz
Für europarechtlich geschützte Arten ist zu prüfen, ob ein Verstoß gegen das Tötungs-, Störungs- und Zerstörungsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG vorliegt. Betroffen sein können vor allem die Artengruppen der Vögel und Fledermäuse. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, werden diese im Rahmen der Abarbeitung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung berücksichtigt. Für die Artenschutzprüfung sind die unter Nr. 5.3.3 genannten Vorlagen vorzulegen.
Im Einzelfall kann, in Abhängigkeit vom Prüfumfang des Genehmigungsverfahrens, gem. § 45 Abs. 7 BNatSchG durch die Behörde für Umwelt und Energie eine Ausnahmegenehmigung von der Beachtung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände erteilt werden, sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen.
11.4. Gesetzlich geschützte Biotope
Nach § 30 Abs. 1 BNatSchG und § 14 HmbBNatSchAG sind eine Reihe von Biotopen in Hamburg gesetzlich geschützt. Bei der Errichtung von WEA können insbesondere Trockenrasenstandorte, wertvolles Grünland und Gräben sowie Knicks betroffen sein. Alle Handlungen oder Maßnahmen, die zu einer Zerstörung oder erheblichen Beeinträchtigung dieser Biotope führen können, sind nach § 30 Abs. 2 BNatSchG verboten. Es ist also zu prüfen, ob durch die Errichtung einer WEA geschützte Biotope zerstört oder erheblich beeinträchtigt werden können. Falls dies bejaht wird ist, in Abhängigkeit vom Prüfumfang des Genehmigungsverfahrens, eine Ausnahmegenehmigung nach § 30 Abs. 3 BNatSchG durch die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft zu erteilen. Voraussetzung für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung ist, dass die Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können.
12. Berücksichtigung von Richtfunkverbindungen sowie Radaren und Messeinrichtungen der Bundesnetzagentur
Moderne Kommunikationstechnologien der verschiedenen im Wettbewerb stehenden Kommunikationsnetze erfordern den Einsatz von Richtfunkverbindungen. Sie ermöglichen eine schnelle und relativ kostengünstige Realisierung leistungsfähiger Übertragungswege. Bei der Errichtung von Windenergieanlagen (wie auch anderen Bauwerken) mit einer Höhe von mehr als 20 m kann es zur Beeinträchtigung von Richtfunkverbindungen kommen.
Zur Vermeidung von Richtfunkstörungen sind im Genehmigungsverfahren die betroffenen Richtfunkbetreiber zu beteiligen (§ 70 Abs. 5 HBauO). Namen und Anschriften der in Frage kommenden Richtfunkbetreiber teilt die Bundesnetzagentur 13 auf Anfrage der zuständigen Bauaufsichtsbehörde mit. Die Bundesnetzagentur verfügt über diese Informationen, weil sie die Frequenzen für das Betreiben von Richtfunkanlagen zuteilt (§ 55 TKG). Die Bundesnetzagentur prüft im Rahmen der Abfrage der Bauaufsichtsbehörden zudem, ob Funkstellen des Ortungsfunks (Radar) oder die im öffentlichen Interesse betriebenen Funkmessstationen der Bundesnetzagentur beeinflusst werden.
Die Auswahl bzw. die Errichtung der Sende- und Empfangsstandorte von Richtfunkstrecken und die damit verbundene Festlegung der Trassenführung erfolgen in Verantwortung der Richtfunkbetreiber. Der Schutz von Richtfunktrassen ist ausschließlich Angelegenheit der Richtfunkbetreiber. Informationen zu konkreten Trassenverläufen und technischen Parametern enthalten Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse und können nur direkt bei den Richtfunkbetreibern eingeholt werden.
Sicherheitsabstände zu Richtfunkstrecken sollten Entwurfsverfasserinnen und Entwurfsverfasser mit den betroffenen Richtfunkbetreibern schon in der Planungsphase von höheren Bauwerken bevorzugt im Außenbereich bzw. in Bebauungsplänen, in denen diese Belange nicht abgewogen wurden, abgestimmt haben. Die Bundesnetzagentur stellt für derartige Anfragen das Formular zur Abfrage der Betreiber von Richtfunkstrecken zur Verfügung, welches die für die Beantwortung benötigten Daten abfragt 14.
Die Bundesnetzagentur bittet bei der Abforderung einer Stellungnahme Angaben bzw. Dokumente (siehe Nr. 5.4) möglichst per E-Mail zu übermitteln an
Bundesnetzagentur
Referat 226/Richtfunk
Fehrbelliner Platz 3
10707 Berlin
E-Mail: 226.Postfach@BNetzA.de
Bei den Untersuchungen der Bundesnetzagentur werden Richtfunkstrecken militärischer Anwender nicht berücksichtigt. Diesbezügliche Prüfungsanträge sind zu stellen beim:
Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr
Referat Infra I 3
Fontainengraben 200
53123 Bonn
E-Mail: BAIUDBwToeB@Bundeswehr.org
13. Weitere Anforderungen
Die Nr. 6 bis 12 zeigen wesentliche materielle Anforderungen auf, die bei der Verwirklichung von WEA im Baugenehmigungsverfahren in Abhängigkeit vom jeweiligen Prüfumfang zu beachten sind. Im konkreten Einzelfall können weitere Rechtsvorschriften hinzukommen, z.B. der Denkmalschutz, oder oben genannte Anforderungen unbeachtlich sein. Nähere Informationen bietet der BPD Zu prüfende Rechtsbereiche im Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung nach § 62 HBauO, zu finden auf der Internetseite
https://www.hamburg.de/baugenehmigung/.
2) Siehe Internetseite "Wege zur Baugenehmigung" (http://www.hamburg.de/baugenehmigung/)
3) Vergleiche Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage, § 14 Rn. 7.14
4) Das gilt auch für Außengebietsausweisungen in Baustufenplänen. Die Rechtsprechung hat zunächst großflächige Außengebietsausweisungen im Jahr 2000 und sodann auch kleinflächige Außengebietsausweisungen im Jahr 2017 für unwirksam erklärt. Gemäß BPD Altes Planrecht sind Vorhaben in diesen Gebieten nach § 35 BauGB bzw. § 34 BauGB zu beurteilen.
5) Drucksache 20/98105 vom 31.10.2013 " . Änderung des Flächennutzungsplans und des Landschaftsprogramms (Eignungsgebiete für Windenergieanlagen in Hamburg), Ziffer 7.4.1.2 (Seite 41).
6) Siehe auch Senats-Drucksache 21/12294, Deutscher Bundestag Drucksache 15/2250 (Seiten 33, 93) und Urteil vom 17.10.2012 - BVerwG 4 C 5.11 (Rand-Nr. 19)
7) Siehe auch Begründung zur 133. Änderung des Flächennutzungsplans der Freien und Hansestadt (Seite 8)
8) Technische Baubestimmungen, Anlage 2.7/12, (Amtl. Anz. Nr. 20, 2015, Seite 477)
9) Fusion der Det Norske Veritas (DNV) und Germanischer Lloyd (GL) im Jahre 2013
10) Maßgebliche Immissionsorte sind z.B. Wohnräume, einschließlich Wohndielen, Schlafräume, einschließlich Übernachtungsräume in Beherbergungsstätten und Bettenräume in Krankenhäusern und Sanatorien, Unterrichtsräume in Schulen, Hochschulen und ähnlichen Einrichtungen, Büroräume, Praxisräume, Arbeitsräume, Schulungsräume und ähnliche Arbeitsräume
11) Der Schattenwurf unter 3° kann wegen Bewuchs, Bebauung und der zu durchdringenden Atmosphärenschichten in ebenem Gelände vernachlässigt werden.
12) Zu finden auf der Internetseite https://www.hamburg.de/baugenehmigung/ unter Bauprüfdienste
13) Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen
14) Auf der Internetseite der Bundesnetzagentur zu finden unter "Einzureichende Dokumente"
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