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Enteignungsgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern
- Mecklenburg-Vorpommern -

Vom 2. März 1993
(GVOBl. M-V S. 178; 22.11.2001 S. 438; 25.10.2005 S. 535 05)
Gl.-Nr.: 214-1



Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz gilt für alle Enteignungs-, Besitzeinweisungs- und Übernahmeverfahren und die damit verbundenen oder isolierten Entschädigungsverfahren im Land Mecklenburg-Vorpommern, soweit nicht bundesrechtliche oder besondere landesrechtliche Vorschriften anzuwenden sind.

§ 2 Enteignungszweck

(1) Nach diesem Gesetz kann enteignet werden, um

  1. Vorhaben zu verwirklichen, für die andere Gesetze die Enteignung ausdrücklich zulassen,
  2. andere Vorhaben zu verwirklichen für
    1. den Schutz von Boden, Wasser und Luft,
    2. die Wärmeversorgung,
    3. Rohrleitungen zum Transport von Rohstoffen oder Produkten in großen Mengen oder mit gefährlichen Eigenschaften,
    4. die Errichtung oder Änderung von Einrichtungen, die Schulen, Hochschulen oder anderen Zwecken der Kultur, Wissenschaft oder Forschung dienen,
    5. den Bau von Alten-, Pflegeheimen, Kindereinrichtungen, Krankenhäusern sowie anderen sozialen Zwecken dienenden Gebäuden,

sofern diese dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(2) Enteignungen von Grundstücken zur Entschädigung in Land (Ersatzland) und zu dem Zweck, durch Enteignung entzogene Rechte durch neue Rechte zu ersetzen, sind nur zulässig, wenn und soweit dieses Gesetz oder ein anderes Gesetz eine solche Art der Entschädigung vorsieht.

§ 3 Zulässigkeit der Enteignung 05

(1) Die Enteignung ist im Einzelfall nur zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.

(2) Die Enteignung setzt voraus, daß der Antragsteller sich ernsthaft um den freihändigen Erwerb des zu enteignenden Grundstücks zu angemessenen Bedingungen, unter den Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 und 3 des Baugesetzbuchs (BauGB) unter Angebot geeigneten anderen Landes, vergeblich bemüht hat. Sie setzt ferner voraus, daß der Antragsteller glaubhaft macht, er werde das Vorhaben innerhalb angemessener Frist ausführen.

(3) Für die Enteignung von Grundstücken zur Entschädigung in Land und für die Enteignung zu dem Zweck, entzogene Rechte durch neue Rechte zu ersetzen (§ 2 Abs. 2), gelten die §§ 90 und 91 BauGB sinngemäß.

(4) Für den Umfang, die Beschränkung und die Ausdehnung der Enteignung gilt § 92 BauGB sinngemäß.

§ 4 Gegenstand der Enteignung

(1) Durch Enteignung können

  1. das Eigentum an Grundstücken entzogen oder belastet werden;
  2. andere Rechte an Grundstücken entzogen oder belastet werden;
  3. Rechte entzogen werden, die zum Erwerb, zum Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken berechtigen oder die den Verpflichteten in der Benutzung von Grundstücken beschränken;
  4. soweit es in den durch dieses Gesetz für anwendbar erklärten Vorschriften des Fünften Teils des Baugesetzbuches vorgesehen ist, Rechtsverhältnisse begründet werden, die Rechte der in Nummer 3 bezeichneten Art gewähren;
  5. die Änderung oder Beseitigung vorhandener baulicher Anlagen und Einfriedungen angeordnet werden;
  6. die Befugnis begründet werden, bei der Ausführung von Vorhaben, für welche die Enteignung zulässig ist, Grundstücke vorübergehend zu benutzen.

(2) Die für die Entziehung oder Belastung des Eigentums an Grundstücken geltenden Vorschriften sind auf die Entziehung, Belastung oder Begründung der in Absatz 1 Nr. 2 bis 4 bezeichneten Rechte sinngemäß anzuwenden.

(3) Die für Grundstücke geltenden Vorschriften dieses Gesetzes sind entsprechend auch auf Grundstücksteile anzuwenden.

§ 5 Entschädigung

(1) Für die Enteignung ist Entschädigung zu leisten.

(2) Die §§ 93 bis 101, 102 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 bis 6 sowie § 103 BauGB sind sinngemäß anzuwenden. Die Rückenteignung (§ 102 BauGB) kann nicht verlangt werden, wenn

  1. der Enteignete selbst das Grundstück im Wege der Enteignung erworben hatte oder
  2. ein Verfahren zur Enteignung des Grundstücks zugunsten eines anderen eingeleitet worden ist und der enteignete frühere Eigentümer nicht glaubhaft macht, daß er das Grundstück innerhalb einer angemessenen Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwenden wird.

§ 6 Härteausgleich

(1) Wird ein bewohntes Grundstück enteignet, so soll einem Mieter, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten, der durch die Enteignungsmaßnahme sein Nutzungsrecht verliert, zur Vermeidung oder zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile, die in seinen persönlichen Lebensumständen, insbesondere im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, eine besondere Härte bedeuten und die durch die nach § 5 gewährte Entschädigung nicht abgedeckt und auch nicht durch sonstige Maßnahmen ausgeglichen werden, ein Geldausgleich gewährt werden, soweit es die Billigkeit erfordert (Härteausgleich). Der Härteausgleich kann auch durch ein zinsgünstiges Darlehen oder durch Zinsverbilligung eines Darlehens erbracht werden.

(2) Zur Leistung des Härteausgleichs ist der Enteignungsbegünstigte (§ 94 Abs. 2 BauGB) verpflichtet.

(3) Ein Härteausgleich ist nicht zu gewähren, soweit der Ausgleichsberechtigte es unterlassen hat oder unterläßt, den wirtschaftlichen Nachteil durch zumutbare Maßnahmen, insbesondere unter Einsatz eigener oder fremder Mittel, abzuwenden.

(4) Ein Härteausgleich ist nur auf Antrag zu gewähren. Diesen hat der Ausgleichsberechtigte schriftlich oder zur Niederschrift der Enteignungsbehörde bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung (§ 108 BauGB) zu stellen.

(5) Über einen Antrag auf Härteausgleich ist in dem Enteignungsbeschluß (§ 113 BauGB) zu befinden.

§ 7 Bindungswirkung

Ist in einem Planfeststellungsverfahren oder einem anderen förmlichen Verfahren eine für die Beteiligten verbindliche Entscheidung über die Zulässigkeit und die Art der Verwirklichung des Vorhabens getroffen worden, ist diese Entscheidung, wenn sie unanfechtbar ist oder ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, dem Enteignungsverfahren zugrunde zu legen und für die Enteignungsbehörde bindend. Gegen Maßnahmen nach diesem Gesetz können keine Einwendungen erhoben werden, über die im Planfeststellungsverfahren der Sache nach entschieden worden ist oder die durch die Planfeststellung ausgeschlossen sind.

§ 8 Vorverfahren bei mehreren Grundstücken

(1) Erstreckt sich das Vorhaben auf mehrere Grundstücke, so kann das Enteignungsverfahren erst eingeleitet werden, wenn die zuständige Behörde einen Plan festgestellt hat, der die Zulässigkeit und die Art der Verwirklichung des Vorhabens regelt, und dieser unanfechtbar ist oder ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. § 7 ist anzuwenden. Die Feststellung des Plans ist nur zulässig, wenn das Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit dient. Eines Planes nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die Enteignung in einem anderen Gesetz zugelassen ist, dem Vorhaben ein in einem Planfeststellungsverfahren festgestellter Plan zugrunde liegt und der Planfeststellungsbeschluß unanfechtbar ist oder ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.

(2) In einfach gelagerten Fällen kann die zuständige Behörde anstatt einer Planfeststellung einen Plan nach Anhörung der unmittelbar Betroffenen beschließen. Im übrigen findet Absatz 1 entsprechende Anwendung.

(3) Haben die Beteiligten zugestimmt oder liegt ein Vorhaben von unwesentlicher Bedeutung vor, kann die zuständige Behörde von einem Plan nach Absatz 1 oder Absatz 2 absehen.

§ 9 Enteignungsbehörde

(1) Enteignungsbehörde ist der Innenminister.

(2) An den Entscheidungen der Enteignungsbehörde, die aufgrund mündlicher Verhandlungen ergehen, wirken ehrenamtliche Beisitzer mit.

(3) Die ehrenamtlichen Beisitzer werden durch die Landesregierung bestellt. Die Verordnung zur Durchführung des Enteignungsverfahrens nach dem Baugesetzbuch gilt entsprechend.

§ 10 Enteignungsverfahren

(1) Das Enteignungsverfahren wird von der Enteignungsbehörde auf Antrag durchgeführt. Der Antragsteller hat mit dem Enteignungsantrag die für die Beurteilung des Vorhabens und die Bearbeitung des Enteignungsantrags erforderlichen Unterlagen einzureichen. Er muß insbesondere die zu enteignenden Gegenstände, soweit erforderlich unter Vorlage von Grundbuch- oder Katasterauszügen und Lageplänen, bezeichnen und die Namen und Anschriften der Beteiligten angeben.

(2) Die §§ 106 bis 122, 192 bis 194, 197, 198, 201, 208 bis 212 BauGB sowie die aufgrund des § 199 BauGB erlassenen Rechtsverordnungen sind sinngemäß anzuwenden. § 209 BauGB gilt sinngemäß auch für die Vorbereitung der Planung nach § 8.

§ 11 Vertreter von Amts wegen

(1) Um die Rechte Beteiligter zu wahren, hat das Vormundschaftsgericht auf Ersuchen der Enteignungsbehörde einen geeigneten Vertreter zu bestellen, wenn ein Vertreter nicht vorhanden ist:

  1. für einen Beteiligten, dessen Person unbekannt, oder für eine Person, deren Beteiligung ungewiß ist;
  2. für einen abwesenden Beteiligten, dessen Aufenthalt unbekannt oder dessen Aufenthalt zwar bekannt ist, der aber an der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten verhindert ist;
  3. für einen Beteiligten ohne Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes, wenn er der Aufforderung der Enteignungsbehörde, einen Vertreter zu bestellen, innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nachgekommen ist;
  4. für einen Beteiligten, der infolge einer psychischen Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage ist, in dem Enteignungsverfahren selbst tätig zu werden;
  5. für Gesamthandseigentümer oder Eigentümer nach Bruchteilen sowie für mehrere Inhaber eines sonstigen Rechts an einem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Recht, wenn die Enteignungsbehörde erfolglos versucht hat, auf die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters hinzuwirken, und auch eine alsdann den betroffenen Rechtsinhabern von der Enteignungsbehörde gesetzte Frist für die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters verstrichen ist;
  6. bei herrenlosen Grundstücken zur Wahrung der aus dem Eigentum sich ergebenden Rechte und Pflichten.

(2) Auf die Vertretungsmacht des nach Absatz 1 Nr. 5 bestellten Vertreters ist es ohne Einfluß, wenn während des Verfahrens ein Wechsel eines oder mehrerer Rechtsinhaber eintritt.

(3) Für die Bestellung des Vertreters ist das Vormundschaftsgericht zuständig, in dessen Bezirk das von der Enteignung betroffene Grundstück liegt.

(4) Der Vertreter hat gegen den Antragsteller des Enteignungsverfahrens Anspruch auf eine angemessene Vergütung und auf Erstattung seiner baren Auslagen. § 121 Abs. 2 Satz 2 erster Satzteil und Satz 3 sowie Absatz 3 erster Halbsatz BauGB gelten sinngemäß. Über den Anspruch entscheidet die Enteignungsbehörde.

(5) Im übrigen gelten für die Bestellung und für das Amt des Vertreters in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 4 die Vorschriften über die Betreuung, in den übrigen Fällen die Vorschriften über die Pflegschaft entsprechend.

§ 12 Verfahren vor den Gerichten

(1) Verwaltungsakte der Enteignungsbehörde sowie Verwaltungsakte der zuständigen Behörde nach § 10 Abs. 2 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 209 BauGB können nur durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden. Über den Antrag entscheidet das Landgericht, Kammer für Baulandsachen.

(2) Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 217 Abs. 2 bis 4, 218 bis 228 und § 231 BauGB sinngemäß.

(3) Gegen die Endurteile des Landgerichts findet die Revision an das Oberlandesgericht, Senat für Baulandsachen, statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1000 Euro übersteigt.

§ 13 Anwendung des Baugesetzbuches

Soweit in diesem Gesetz Bestimmungen des Baugesetzbuches für anwendbar erklärt werden, ist die Fassung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2254) mit den Änderungen vom 25. Juli 1988 und 31. August 1990 (BGBl. I S. 1093; II S. 889, 1122) maßgebend. Die in diesen Bestimmungen für die Bundesregierung enthaltenen Ermächtigungen gelten für die Landesregierung.

§ 14 Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig handelt, wer

  1. vorsätzlich unrichtige Angaben macht oder unrichtige Pläne oder Unterlagen vorlegt, um einen begünstigenden Verwaltungsakt zu erwirken oder einen belastenden Verwaltungsakt zu verhindern;
  2. Markierungen im Gelände wie Pfähle, Pflöcke und sonstige Markierungen, die Vorarbeiten nach § 209 BauGB dienen, wegnimmt, verändert, unkenntlich macht oder vorsätzlich oder leichtfertig unrichtig setzt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden.

(3) Behörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Enteignungsbehörde.

§ 15 Änderung anderer Gesetze

§ 16 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

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