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Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Umweltministeriums und des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zur gesamtökologischen Beurteilung der Wasserkraftnutzung;
Kriterien für die Zulassung von Wasserkraftanlagen bis 1000 kW
- Baden-Württemberg -
Vom 15. Mai 2018
(GABl. Nr. 7 vom 25.07.2018 S. 403)
Az.: 5-8964.00
1 Bedeutung und Auswirkungen der Wasserkraftnutzung
Die Nutzung der Wasserkraft als eine wichtige erneuerbare Energiequelle ist ein grundlegendes Ziel der Klimaschutz- und Energiepolitik in Baden-Württemberg. Die Potenzialstudien des Landes zeigen, dass im Land noch Potenziale zur effizienten Energieerzeugung aus Wasserkraft bestehen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels, der Beeinträchtigung der Umwelt durch Schadstoffemissionen aller Art, der Endlichkeit fossiler Rohstoffe und der Energiewende liegt es daher im öffentlichen Interesse, die vorhandenen Potenziale zur Nutzung der Wasserkraft durch Modernisierung, Ausbau oder Neubau auszuschöpfen.
Jede einzelne Wasserkraftnutzung ist aber auch im Verhältnis zu den Eingriffen in das Gewässer zu sehen. Es ist ebenfalls ein wichtiges Ziel der Landesregierung insbesondere zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie natürliche und naturnahe Gewässerstrecken zu erhalten und bei naturfernen Gewässerstrecken eine naturnahe Entwicklung zu ermöglichen. Vor allem kleinere, reich strukturierte Fließgewässer haben als aquatischer Lebensraum eine besondere ökologische Bedeutung. Der Wasserkraftnutzung sind damit ökologische Grenzen gesetzt.
Diese Verwaltungsvorschrift enthält ergänzende Regelungen zur gesamtökologischen Beurteilung von Wasserkraftanlagen, zur Auslegung der Vorschriften des Wasserrechts, des Naturschutzrechts, der Umweltverträglichkeitsprüfung und des Fischereirechts. Nicht ökologische Aspekte wie z.B. die Auswirkungen auf die Hochwassersituation, den Lärmschutz oder auf andere Nutzer werden in dieser Verwaltungsvorschrift nicht behandelt.
2 Rechtliche Grundlagen für die Zulassung von Wasserkraftanlagen
2.1 Wasserrecht
Bei der Zulassung von Anlagen zur Nutzung der Wasserkraft sind im Rahmen der nachstehend genannten Verfahren (Nr. 2.1.1.1 und 2.1.1.2) insbesondere folgende Kriterien zu beachten:
Wenn kein Versagensgrund nach § 12 Abs.1 WHG vorliegt, soll eine Wasserkraftnutzung im Rahmen des Bewirtschaftungsermessens zugelassen werden,
Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers ist auch im Rahmen einer planfeststellerischen Abwägung in den Fällen zu beachten, in denen die Wasserkraftnutzung einen Gewässerausbau voraussetzt. Anlagen können insbesondere nicht zugelassen werden, wenn sie den Anforderungen der § § 27 und 33 bis 35 WHG oder zwingenden Regelungen des Natur- und Artenschutzrechts widersprechen. Diese Grundsätze gelten - mit Ausnahme des Verschlechterungsverbots - auch dann, wenn nach Ablauf der Befristung für eine unverändert bestehende Wasserkraftanlage die Zulassung neu erteilt werden soll. Erforderlichenfalls sind Zulassungen mit entsprechenden Inhalts- und Nebenbestimmungen nach § 13 WHG zu verbinden.
Bei bestehenden Wasserkraftanlagen, deren Zulassungsbefristung noch nicht abgelaufen ist, können die gesetzlichen Anforderungen durch nachträgliche Inhalts- und Nebenbestimmungen umgesetzt werden. Durch die Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von nachträglichen Regelungen in den Zulassungsbescheiden können bestehende Vorhaben unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entschädigungslos an die gesetzlichen Vorgaben angepasst werden. Dies gilt im Rahmen des § 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 WHG auch für alte Rechte und Befugnisse. Die §§ 34 Abs.2 und 35 Abs.2 WHG enthalten hinsichtlich der Durchgängigkeit und des Schutzes der Fischpopulation Sonderregelungen für vorhandene Wasserkraftanlagen.
2.1.1 Wasserrechtliche Verfahren
Die Wasserkraftnutzung stellt eine Inanspruchnahme des Wasserhaushalts (Gewässerbenutzung) dar, die einer wasserrechtlichen Zulassung bedarf.
2.1.1.1 Planfeststellungs-/Plangenehmigungsverfahren
Ist mit der Wasserkraftnutzung die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer (Gewässerausbau) verbunden, ist hierfür ein Planfeststellungsverfahren nach § 68 WHG durchzuführen, das ggf. den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung zu entsprechen hat (siehe unter Nummer 4). Insbesondere beim Neubau oder einer Erweiterung einer Wasserkraftanlage ist zu prüfen, ob es sich um einen Gewässerausbau handelt. Die im Zuge des Planfeststellungsbeschlusses bzw. der Plangenehmigung mitentschiedene Erlaubnis oder Bewilligung ist gesondert darzustellen; dies gilt auch hinsichtlich der vorzunehmenden Befristung der Erlaubnis oder Bewilligung.
2.1.1.2 Erlaubnis- und I3ewilligungsverfahren
Ist kein Planfeststeilungs- bzw. Plangenehmigungsverfahren durchzuführen. bedürfen Benutzungen der Gewässer der Zulassung in Form einer Erlaubnis oder einer Bewilligung (§ 8 WHG). Durch die Wasserkraftnutzung können mehrere Benutzungstatbestände des § 9 WHG erfüllt sein, nämlich:
Liegen mehrere Benutzungstatbestände vor, sind diese in einer Erlaubnis oder Bewilligung zu konzentrieren.
Die Erlaubnis kann als gehobene Erlaubnis erteilt werden, wenn hierfür ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Gewässerbenutzers besteht (§ 15 WHG). Ein solches berechtigtes Interesse ist u. a. das Investitionsschutzinteresse sowohl bei Neuanlagen als auch bei Ausbau und Erweiterung bestehender Anlagen.
Eine Bewilligung kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn die Benutzung ohne die mit der Bewilligung über die gehobene Erlaubnis hinausgehende gesicherte Rechtsstellung nicht zumutbar wäre (vgl. § 14 Abs. 1 Nr.1 WHG).
In Zweifelsfällen hat derjenige. der eine Bewilligung beantragt, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 WHG darzulegen Benutzungen nach § 9 Abs. 1 Nr.4 WHG mit Ausnahme des Wiedereinleitens von nicht nachteilig verändertem Triebwasser bei Ausleitungskraftwerken nicht bewilligungsfähig (vgl. § 14 Abs. 1 Nr.3 WHG)
Wird für eine Anlage, deren Erlaubnis abgelaufen ist, eine erneute Zulassung beantragt, ohne dass Ausbau- oder Erweiterungsmaßnahmen vorgenommen werden, liegen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr.1 WHG nicht vor.
Bewilligung, gehobene Erlaubnis und Erlaubnis sind auf angemessene Zeit zu befristen und die Befristung gesondert zu begründen. Dabei sind die wasserwirtschaftlichen Planungen, wie sie insbesondere den Bewirtschaftungsplänen zugrunde liegen, zu berücksichtigen. Für die Bewilligung nennt § 14 Abs. 2 WHG 30 Jahre als Obergrenze, die nur in besonderen Fällen überschritten werden kann.
2.1.2 Wasserrechtliche Anzeigepflicht bei Änderung bestehender Wasserkraftanlagen
Eine anzeigepflichtige Änderung einer Wasserbenutzungsanlage i. S. des § 18 und § 24 Abs.2 und 3 WG liegt dann vor, wenn die Anlagen in ihrem baulichen und technischen Zustand nachträglich geändert werden, ohne dass sich damit die Art, das Maß oder der Zweck der Benutzung ändern.
Keine Änderung nach § 18 und § 24 Abs.2 und 3 WG liegt vor, wenn durch das nachträgliche Auswechseln abgängiger oder verbrauchter Anlagenteile gleicher Art die Funktionstüchtigkeit der Benutzeranlage lediglich aufrechterhalten wird.
Von einer Anzeigepflicht ist auszugehen, wenn Änderungen an der Turbine oder der Einbau neuer Turbinen erfolgen oder durch technische Maßnahmen eine Steigerung der installierten Leistung erfolgen soll.
In diesem Zusammenhang wird auch auf die Anzeigepflicht nach § 34 Abs. 6 BNatSchG in Natura 2000-Gebieten hingewiesen.
2.1.3 Unterhaltung von Wasserkraftanlagen
Die Unterhaltung eines Gewässers umfasst seine Pflege und Entwicklung. Sie muss sich an den Bewirtschaftungszielen der §§ 27 bis 31 WHG ausrichten und darf die Erreichung dieser Ziele nicht gefährden. Sie muss den im Maßnahmenprogramm nach § 66 WG an die Gewässerunterhaltung gestellten Anforderungen entsprechen.
Dementsprechend sind nach § 31 Abs. 1 WG in Verbindung mit § 36 WHG auch die Wasserbenutzungsanlagen in, über, unter und an oberirdischen Gewässern von ihren Eigentümern und Besitzern so zu unterhalten und zu betreiben, dass keine schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten sind und die Gewässerunterhaltung nicht mehr erschwert wird, als es den Umständen nach unvermeidbar ist.
Die Vorschrift des § 31 Abs. 1 WG ermöglicht es hingegen nicht, einem Unternehmer die Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die mit der Wasserbenutzung in keinem Zusammenhang stehen. Dagegen haben die Eigentümer und Besitzer einer Wasserbenutzungsanlage dem Träger der Unterhaltungslast die durch die Anlage verursachten Mehraufwendungen zu erstatten (§ 31 Abs. 2 WG).
2.2 Naturschutzrecht
Aus dem Bereich des Naturschutzrechts werden insbesondere folgende Regelungen beim Ausbau der Wasserkraft relevant. Sind Naturschutzbelange berührt, ist eine frühzeitige Unterrichtung und Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde vorgeschrieben (§ 3 Abs.5 BNatSchG, § 6 NatSchG).
Auch die Vorhabensträger können sich vor der Antragsstellung nicht nur von der unteren Wasserbehörde, sondern auch von der Naturschutzbehörde beraten lassen.
2.2.1 Gesetzlich geschützte Biotope
Gewässer oder Gewässerabschnitte können gesetzlich geschützte Biotope nach § 30 Abs. 2 BNatSchG i.V. m. § 33 Abs. 1 NatSchG sein oder enthalten. Zum Beispiel stehen natürliche oder naturnahe Bereiche fließender und stehender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden natürlichen oder naturnahen Vegetation sowie ihrer natürlichen oder naturnahen Verlandungsbereiche, Altarme und regelmäßig überschwemmte Bereiche unter bundesgesetzlichem Biotopschutz. Handlungen, die solche Biotope beeinträchtigen - z.B. durch Veränderung des Wasserhaushalts oder gar zerstören, sind verboten. Ausnahmen sind möglich, wenn die Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können (§ 30 Abs. 3 BNatSchG). Falls nicht, kommt unter den Voraussetzungen des § 67 BNatSchG eine Befreiung in Betracht.
2.2.2 Schutzgebiete
Liegt das Vorhaben im Bereich eines speziell ausgewiesenen Schutzgebiets (Nationalpark, Naturschutzgebiet, Naturdenkmal, Landschaftsschutzgebiet, Biosphärengebiet, Naturpark, Geschützter Landschaftsbestandteil), sind die jeweiligen Spezialregelungen zu beachten.
2.2.3 Natura 2000-Gebiete
In Natura 2000-Gebieten (FFH- und Vogelschutzgebieten) stellen der Neu- oder Ausbau oder die wesentliche Änderung von Wasserkraftanlagen regelmäßig Projekte i.S. d. § 34 Abs. 1 BNatSchG dar. Projekte sind nach § 34 Abs. 1 BNatSchG i.V. m. § 38 NatSchG vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den für das jeweilige Natura 2000-Gebiet festgelegten Erhaltungszielen bzw. Schutzzwecken zu überprüfen, wenn sie - einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten - geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Letzteres wird im Rahmen einer Natura 2000-Verträglichkeitsvorprüfung ermittelt. Wird ein Gewässer, das ein Natura 2000-Gebiet durchfließt, außerhalb dieses Gebietes aufgestaut, kann dies im Einzelfall auch erhebliche Beeinträchtigungen auf europäische Vogelarten im Vogelschutzgebiet bzw. auf die im FFH-Gebiet vorkommenden FFH-Arten und FFH-Lebensraumtypen haben - auch wenn der Bau selbst außerhalb des Natura 2000-Gebiets erfolgt. Abstrakte Abstandsregelungen zu Natura 2000-Gebieten gibt es nicht. Ergibt die Verträglichkeitsprüfung, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist das Projekt unzulässig. Das Projekt kann jedoch ausnahmsweise zugelassen werden, wenn die Bestimmungen des § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG eingehalten sind.
2.2.4 Eingriffsregelung
Die Beseitigung, die Anlage, der Ausbau oder die wesentliche Änderung von Gewässern stellen in der Regel einen Eingriff in Natur und Landschaft dar (§ 14 Abs. 1 BNatSchG i.V. m. § 14 Abs.1 Nr.3 NatSchG). Sofern erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzgüter der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen (Arten/Biotope, Wasser, Boden, Luft/ Klima und Landschaftsbild) nicht vermeidbar sind, ist der Vorhabensträger zu Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen verpflichtet (§ 15 Abs. 1, 2 BNatSchG). Hierzu können auch Ökokontomaßnahmen herangezogen werden (§ 16 BNatSchG, § 16 NatSchG, Ökokontoverordnung BW - ÖKVO). Ist eine Realkompensation nicht möglich, hat der Vorhabensträger Ersatz in Geld an die Stiftung Naturschutzfonds des Landes Baden-Württemberg zu leisten (§ 15 Abs.5, 6 BNatSchG, § 15 Abs.4 NatSchG).
Die zur Durchführung des § 15 BNatSchG erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen erfolgen im Benehmen mit der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG).
2.2.5 Besonderer Artenschutz
Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass durch das Vorhaben die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG verwirklicht werden können, ist eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) vorzunehmen, Gegebenenfalls kann durch Vermeidungs- oder vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) der Eintritt der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände verhindert werden. Wenn dies nicht möglich ist, muss geprüft werden, ob eine artenschutzrechtliche Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erteilt werden kann.
2.2.6 Freihaltung von Gewässern und Uferzonen
Gemäß § 61 BNatSchG dürfen im Außenbereich an Bundeswasserstraßen und Gewässern erster Ordnung sowie an stehenden Gewässern mit einer Größe von mehr als 1 Hektar im Abstand bis 50 Meter von der Uferlinie keine baulichen Anlagen errichtet oder wesentlich geändert werden. Ausnahmen regelt § 61 Abs.2 und 3 BNatSchG.
2.3 Fischereirecht
Im Fischereigesetz für Baden-Württemberg (FischG) werden rechtliche Vorgaben zum Schutz der Fischbestände in §§ 38 ff gegeben. ≫Wer Anlagen zur Wasserentnahme oder Triebwerke errichtet, hat auf seine Kosten geeignete Vorrichtungen, die das Eindringen von Fischen verhindern, anzubringen und zu unterhalten≪ (§ 39 Abs. 1 FischG) und ≫Wer Anlagen in einem Gewässer errichtet, die den Wechsel der Fische verhindern oder erheblich beeinträchtigen, hat auf seine Kosten Fischwege oder sonstige für den Wechsel der Fische geeignete Einrichtungen von ausreichender Größe und Wasserbeschickung (Fischwege) anzulegen, zu betreiben und zu unter-. halten≪ (§ 40 Abs. 1 FischG). Die Regelungen des FischG ergänzen und konkretisieren die bundesgesetzlichen Vorgaben des WHG. Aufgrund des Vorrangs des Bundesrechts können ihnen aber keine strengeren Anforderungen entnommen werden. Ist für das Errichten von Anlagen und für Gewässerbenutzungen eine wasserrechtliche Zulassung erforderlich, hat die Wasserbehörde nach Maßgabe der wasserrechtlichen Vorschriften die Fischereibehörde des Regierungspräsidiums als Träger öffentlicher Belange zu beteiligen.
Die Fischereibehörde ist bei wasserrechtlichen Verfahren mit den Themen Mindestwasserführung, Durchgängigkeit und Schutz der Fischpopulation wichtiger Partner der Wasserbehörden. Stellungnahmen z.B. zu Zielfischarten und davon abgeleiteten Kriterien und Anforderungen sind eine wesentliche
Grundlage im Verfahren. Die abschließende Ermessensentscheidung obliegt der Wasserbehörde.
2.4 Umweltverträglichkeitsprüfung
Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) und damit die Feststellung der Umweltverträglichkeitspflicht (UVP-Pflicht) nach § § 5 ff. UVPG ist zu beachten (vgl. insbesondere § 5 Abs. 1 UVPG i.V.m. Anlage 1 Nr.13.13, 13.14 und 13.18.1 zum UVPG).
Des Weiteren sind für das Verfahren die Vorgaben des Umweltverwaltungsgesetze, des Landes (UVwG) zu berücksichtigen.
3 Fachliebe Kriterien für die Gesamtbeurteilung einer Wasserkraftnutzung
Bei der fachlichen Beurteilung der Zulässigkeit einer Wasserkraftnutzung sind sowohl die energiewirtschaftlichen Interessen einer Wasserkraftanlage als auch deren Auswirkungen auf die Umwelt zu prüfen.
Die Auswirkungen der Wasserkraftnutzung sind aus wasserwirtschaftlicher Sicht unter folgenden Gesichtspunkten fachlich zu analysieren und darzustellen:
Ferner müssen die Auswirkungen der Wasserkraftnutzung auch im Hinblick auf:
Darüber hinaus ist die Auswirkung der Wasserkraft zu prüfen auf:
Bei der Beurteilung einer Maßnahme ist auch zu prüfen, inwieweit im Bestand defizitäre Verhältnisse im Zuge der Umsetzung beseitigt werden können und ob und ggf. wie mögliche negative Auswirkungen gemindert werden können. Hierfür kommen z.B. die Beseitigung von Wanderungshindernissen, landschaftsangepasste Bauweisen der Anlagen, die (naturnahe) Gestaltung des Gewässers und der Uferstreifen oder Verbesserungen der Gewässermorphologie in Frage - jeweils unter Beachtung des vorliegenden Gewässertyps.
3.1 Durchgängigkeit oberirdischer Gewässer und Mindestwasserführung
3.1.1 Durchgängigkeit
Die Durchgängigkeit in Fließgewässern ist von zentraler Bedeutung für eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung mit dem Ziel, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts und als Lebensraum für Pflanzen und Tiere zu erhalten und zu verbessern (§ 6 WHG). Insbesondere mit Blick auf die Erreichung der Bewirtschaftungsziele der § § 27 bis 31 WHG gibt § 34 WHG explizit vor, dass die Durchgängigkeit des Gewässers - soweit zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele gemäß §§ 31 bis 34 WHG erforderlich - erhalten oder wiederhergestellt werden muss.
Bei der Durchgängigkeit für Tiere werden der Aufstieg (gegen die Strömung) und der Abstieg (mit der Strömung) betrachtet. Des Weiteren ist die Durchgängigkeit des Sedimentes als hydromorphologische Komponente wesentlich.
Für die lokalen Anforderungen an die Durchgängigkeit sind die Zielfischarten ausschlaggebend, nach denen sich die Bemessung der Wanderwege auszurichten hat. Für den Aufstieg und für den Abstieg können unterschiedliche Zielfischarten relevant sein. Es ist davon auszugehen, dass die aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit für aquatische Wirbellose (Makrozoobenthos) gewährleistet ist, wenn die Anforderungen für schwimmschwache, bodenorientiert wandernde Fischarten erfüllt sind.
Zur Gewährleistung der Durchgängigkeit muss eine Fischaufstiegsanlage am Wehr durch eine ausreichende Leitströmung für die Fische auffindbar sein. Lässt sich bei Ausleitungskraftwerken eine solche Leitströmung nicht durch Erhöhung der Dotation der Ausleitungsstrecke (Mindestabfluss) oder bauliche Maßnahmen (z.B. Strukturmaßnahmen) herstellen, ist eine weitere Fischaufstiegsanlage am Kraftwerk notwendig. Das für die Fischaufstiegsanlage am Kraftwerk notwendige Wasserdargebot ist zusätzlich zur Mindestwassermenge in der Ausleitungsstrecke bereitzustellen.
Die Fischereibehörde bestimmt anhand von Referenz-Fischzönosen, Ergebnissen abgeschlossener Fischbestandsuntersuchungen und eigenen Fachkenntnissen die Zielarten. Die Zielfischarten werden als Maß für die Auslegung der Wassertiefe, der Breite der Durchlässe und des Raumbedarfs herangezogen. Aus den Anforderungen der schwimmschwächsten Art wird die maximal zulässige Fließgeschwindigkeit bestimmt. Bei Divergenz dieser Anforderungen können auch mehrere Wanderkorridore geplant werden, wenn die Rahmenbedingungen dafür gegeben sind und insbesondere das Wasserdargebot dafür ausreicht. So wird gewährleistet, dass das gesamte Artenspektrum und möglichst alle Altersstadien die Anlage durchwandern können.
Zur Gewährleistung ihrer Funktionsfähigkeit müssen diese Anlagen regelmäßig unterhalten werden. Die Auffindbarkeit der Anlage (großräumig und im Nahbereich) muss durch eine geeignete Lage des Einstiegs und eine ausreichende Leitströmung gewährleistet werden.
Die Ziele, Grundlagen und gestalterischen Möglichkeiten zur Sicherstellung der Durchgängigkeit der Fließgewässer an Wasserkraftanlagen ergeben sich insbesondere aus den fachlichen Vorgaben der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken, 2005; Mindestwasserführung, 2018) und der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA M 509).
3.1.2 Mindestwasserführung
In der wasserrechtlichen Entscheidung ist die erforderliche Mindestwasserführung nach § 33 WHG ausdrücklich festzulegen. Die Festlegung der Mindestwasserführung ist bei Ausleitungskraftwerken von besonderer Bedeutung, da sich die Wasserentnahme infolge einer Wasserkraftnutzung auf einen längeren Gewässerabschnitt auswirkt. In der Regel wird bei einem Flusskraftwerk dagegen das entnommene Wasser unmittelbar unterhalb des Regelungsbauwerks wieder eingeleitet, so dass keine Ausleitungsstrecke entsteht. In Sonderfällen kann zum Erhalt von hochwertigen Lebensräumen direkt unterhalb von Wehren eine ausreichende Mindestwasserführung oder zur Belüftung ein Wehrüberfall auch bei Flusskraftwerken erforderlich sein.
Die Ermittlung der Mindestabflüsse erfolgt in einem zweistufigen Verfallen. In einem ersten Schritt werden standortbezogene Einstiegswerte für den Mindestabfluss aus hydrologischen Daten ermittelt. Diese Werte sind 'in einem zweiten Schritt an Hand der örtlichen Gegebenheiten zu überprüfen und ggf. nach oben oder nach unten anzupassen. Bei Bedarf können diese Abflüsse um einen dynamischen Anteil erhöht werden. Maßgebend sind die örtlich für das Gewässer ermittelten Werte.
3.1.2.1 Einstiegswert
Die Ermittlung des Einstiegswertes gilt nur für Standorte mit einem MQ größer als 0,4 m3/s. Für Standorte mit einem geringeren mittleren Abfluss können keine Einstiegswerte vorgegeben werden.
Bei Lachs- und Seeforellengewässern ist aufgrund der Größe dieser Zielfischarten ein Einstiegswert von 2/3 MNQ erforderlich. Der Einstiegswert für die Anlagen an anderen Gewässern wird über die Gewässergröße anhand der Größe des mittleren Abflusses MQ abgeleitet.
3.1.2.2 Örtliche Anpassung
Folgende Gesichtspunkte können im zweiten Schritt zur örtlichen Anpassung des Einstiegswertes führen:
Der anhand dieser Kriterien ermittelte Wert stellt den örtlich höher oder niedriger angepassten Mindestabfluss dar. Dieser angepasste Mindestabfluss ist in der Regel über das Jahr konstant.
3.1.2.3 Dynamische Erhöhung
In Einzelfällen kann eine zuflussabhängige dynamische Erhöhung des örtlich angepassten Mindestabflusses aus ökologischen Gründen erforderlich sein.
3.1.2.4 Kontrolle /Überwachung
Erforderliche Untersuchungen und Kontrolleinrichtungen zur Mindestwasserabgabe sind i.d.R. vom Antragsteller zu veranlassen. Art und Umfang der Untersuchungen und der Kontrolleinrichtungen sind frühzeitig mit der unteren Wasserbehörde ggf. unter Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde abzustimmen und können als Auflagen in die wasserrechtliche Genehmigung aufgenommen werden. Die Kosten tragen der Benutzer eines Gewässers und der Betreiber von Anlagen (§ 75 Abs. 2 Satz 1 WG).
Die Einhaltung der Mindestabflüsse ist durch entsprechende Gestaltung, Betrieb und Unterhaltung der Bauwerke zu gewährleisten. Dies ist im Rechtsverfahren nachzuweisen. Geeignete Kontrolleinrichtungen sind vorzusehen. Art und Umfang der Eigenkontrolle sowie Dokumentationen sind in der wasserrechtlichen Entscheidung festzulegen.
Die Kosten für die Überwachung der Mindestwasserabgabe tragen der Benutzer eines Gewässers und der Betreiber von Anlagen (§ 75 Abs. 2 Satz 1 WG),
Die Ziele, Grundsätze, Hintergrundinformationen und Beispiele sind in den Leitfäden der LUBW (Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken, 2005; Mindestwasserführung, 2018) beschrieben.
4 Rahmenbedingungen
Ein Neubau einer Wasserkraftanlage an freifließenden Strecken wird vor dem Hintergrund der Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme und im Hinblick auf den guten ökologischen Zustand/ Potenzial nur in Ausnahmefällen zugelassen werden können.
Eine Zulassung der Wasserkraftnutzung kann vorrangig an bestehenden Querbauwerken ermöglicht werden, wo die Nutzung als emissionsfreie regenerative Energie in der Gesamtschau zu einem Positiveffekt führt.
Nach § 23 Abs. 2 WG sind Schwall und Sunk zu vermeiden; die Wasserbehörde kann auf Antrag Ausnahmen zulassen.
5 Umweltauflagen
Bei Neuerteilung oder der zulassungspflichtigen Erweiterung von Wasserkraftanlagen werden der Mindestabfluss und die Durchgängigkeit sowie die Regelungen zum Natur- und Fischschutz und zur Überwachung in der wasserrechtlichen Entscheidung entschädigungslos festgelegt.
Bei widerrufbaren alten Rechten und alten Befugnissen wurde eine Entschädigung für den in Nummer IV genannten Mindestabfluss und die Herstellung der Durchgängigkeit schon bisher nicht gewährt. Alte Rechte und alte Befugnisse können entschädigungslos durch nachträgliche Anforderungen und Maßnahmen im Rahmen des § 13 Abs.2 WHG eingeschränkt werden, unabhängig davon ob sie widerruflich sind oder nicht § 20 Abs. 2 Satz 3 WHG). Die Erforderlichkeit der Beschränkung ist im Hinblick auf den verfolgten Zweck und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Entscheidung darzulegen.
Um die umwelt- und naturverträgliche Ausführung eines Bauvorhabens sicherzustellen und zu gewährleisten, dass alle maßgeblichen Belange insbesondere des Natur-, Arten-, Gewässer- und Bodenschutzes berücksichtigt werden, sollte in der Regel beim Neubau oder bei einer wesentlichen Änderung einer Wasserkaftanlage die Einsetzung einer ökologischen Baubegleitung vorgesehen werden (vgl. DWA M 619). Für die Bauausführung kann eine ökologische Baubegleitung abhängig von den Auswirkungen des Vorhabens im Rahmen der Zulassung als Inhalts- und Nebenbestimmung angeordnet werden. Sinnvoller ist jedoch aus fachlichen Gründen und zur Beschleunigung des Verfahrens bereits eine Einbindung in der Planungsphase, spätestens bei Erstellung der Ausführungspläne, im Rahmen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) bzw. -studie (UVS), der landschaftspflegerischen Begleitplanung (LBP), einer artenschutzrechtlichen Prüfung (saP), einer Natura 2000-Verträglichkeitsvorprüfung und ggf. darbüberhinausgehender umweltrelevanter Untersuchungen.
6 Antragstellung
6.1 Standortvorabklärung vor Durchführung eines Rechtsverfahrens
Auf Antrag des Unternehmers ist eine Vorabklärung tendenziell geeigneter Standorte möglich. Als Grundlage dazu können die Potenzialstudien des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft dienen (UM 2015). Eine Vorabklärung kann das Verfahren beschleunigen und dem Antragsteller im Falle einer Negativprognose unnötige Aufwendungen für eine vollständige Planung und für Gutachten ersparen.
Für die Standortvorabklärung sind folgende Verfahrensschritte vorgesehen:
In ihrer Tendenzaussage weist die Behörde ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei nur um eine summarische Prüfung ohne rechtliche Bindungswirkung handelt.
Die Vorabklärung soll nicht durch die Nachforderung zusätzlicher Unterlagen, wie etwa Gutachten, wesentlich verlängert werden. Dies würde dem Sinn und Zweck dieses summarischen beschleunigten Verfahrens widersprechen. Wenn Antragsteller die von der Behörde abgegebene Tendenzaussage nicht akzeptieren, können sie im Rahmen des wasserrechtlichen Verfahrens zur Vorlage der vollständigen Antragsunterlagen aufgefordert werden. Gegebenenfalls ist nach § 86 Abs. 1 Satz 2 WG zu verfahren.
6.2 Rechtsverfahren
Bau und Betrieb neuer Wasserkraftanlagen bedürfen dann eines Planfeststellungsverfahrens, wenn mit der Wasserkraftnutzung die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer (Gewässerausbau) und/oder die Errichtung von Dammbauten verbunden ist (siehe Hinweise zu 2.1.1.1) und die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Sofern keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, kann anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung erteilt werden (§ 68 Abs.2 WHG).
Wenn ein Gewässerausbau nicht notwendig ist, ist für die einschlägigen Benutzungstatbestände (Entnahme, Ableiten und Wiedereinleiten des Triebwassers, Aufstauen und Absenken von oberirdischen Gewässern, Anlage nach § 36 WHG) eine Erlaubnis oder Bewilligung (§ 8 i.V. m. § 9 Abs.1 Nr.1, 2 und 4 WHG, § 28 WG) erforderlich.
Im Zulassungsverfahren bedarf es im Hinblick auf die berührten Belange der Vorlage aussagekräftiger Unterlagen (z.B. Pläne, Gutachten), die von einem hierzu befähigten Sachverständigen gefertigt und unterzeichnet sein müssen (§ 86 Abs. 2 WG). Unzulässige und unvollständige Anträge können von der unteren Wasserbehörde abgelehnt werden, wenn der Antragsteller den Mangel nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist behoben hat (§ 86 Abs. 1 Satz 2 WG). Soweit es nur um eine Erlaubnis oder Bewilligung geht, ist zur verbindlichen Vorabklärung von einzelnen Fragen auch ein Vorbescheid zulässig.
7 Inkrafttreten
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft und ersetzt die Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Umweltministeriums, des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum und des Wirtschaftsministeriums zur gesamtökologischen Beurteilung der Wasserkraftnutzung; Kriterien für die Zulassung von Wasserkraftanlagen bis 1000 kW vom 30. Dezember 2006 (GABl. 2007 S.105); sie tritt am 26.07.2025 außer Kraft.
ENDE |