umwelt-online: SSK - KiKK-Studie - Bewertung der epidemiologischen Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken (2)
zurück |
5 Bewertung der KiKK-Studie
5.1 Bewertung des Designs der KiKK-Studie
5.1.1 Expositionserfassung und radioökologische Aspekte
In der KiKK-Studie wird die Distanz zum nächsten Kernkraftwerk als Proxy für die Exposition gegenüber ionisierender Strahlung verwendet. Das gewählte Expositionsmaß 1/Abstand wird begründet mit einem vereinfachten gemittelten theoretischen Ausbreitungsmodell. Im Folgenden wird in Bezug auf die Expositionserfassung separat diskutiert, inwiefern aus radioökologischer Sicht der Abstand zum nächsten Kernkraftwerk die Exposition gegenüber ionisierender Strahlung widerspiegelt. Danach wird die Anwendung der Abstandsabhängigkeit in der Studie erörtert.
Distanz zum Kernkraftwerk als Expositionssurrogat
Mit dem Abstandsmaß wird nicht berücksichtigt, dass die Emissionen für die verschiedenen untersuchten Anlagen stark unterschiedlich sind und zeitlich variieren. Die Expositionen der Referenzperson Kleinkind unterscheiden sich um ca. einen Faktor 100 zwischen den Kernkraftwerken und in den verschiedenen Jahren. Dies stellt jedoch keine Beeinträchtigung der Analyse dar, da ein Fall mit 3 Kontrollkindern jeweils bezüglich Anlagenstandort und Diagnosezeitpunkt "gematcht" wurde. Problematischer ist die Tatsache, dass aufgrund der meteorologischen Verhältnisse eine deutliche Richtungsabhängigkeit der Ausbreitung zu erwarten ist. Mit dem isotropen Ausbreitungsmodell wird dies nicht berücksichtigt, was zu einer Fehlklassifikation der Exposition führt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass wegen einer solchen Fehlklassifikation eine Assoziation beobachtet wird, wenn tatsächlich keine besteht. Dasselbe gilt auch für die Strahlenexpositionen durch Ableitungen mit dem Abwasser, die geographisch an anderen Orten stattfinden und mit dem Abstandsmaß auch nicht berücksichtigt sind. Jedoch sind solche Expositionen im Vergleich zu denen aus Ableitungen mit der Fortluft sowieso von untergeordneter Bedeutung für die Bevölkerungsexposition.
Das Hauptproblem bei der Expositionsabschätzung ist, dass die Strahlenexpositionen gegenüber natürlichen und zivilisatorischen (einschließlich medizinischen) Quellen nicht ermittelt wurden. Diese Expositionen sind um Größenordnungen höher als die Strahlenexpositionen, die auf Kernkraftwerke zurückgeführt werden können, und weisen keine Abstandsabhängigkeit auf. Auch die Schwankungsbreite dieser Strahlenexpositionen ist im Untersuchungsgebiet erheblich höher als die Strahlendosen durch Kernkraftwerke. Daher ist der Abstand kein Maß für die individuelle Strahlenexposition.
Durch die ausschließliche Betrachtung des Abstandes zum Kernkraftwerk wird in der KiKK-Studie ein völlig unzureichendes Bild der gesamten Strahlenexposition der Betroffenen vermittelt. Dabei wurde die Fülle an Informationen, die über die natürliche und zivilisatorische Strahlenexposition der Bevölkerung, über die Ableitungen aus Kernkraftwerken und die dadurch bedingten Strahlenexpositionen sowie über andere zivilisatorische Strahlenexpositionen im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte angesammelt wurde, sowie das verfügbare radioökologische Wissen nicht genutzt. Ferner wurde kein Versuch unternommen, Strahlenexpositionen durch Kernkraftwerke zu berechnen, wie dies bei einer vergleichbaren französischen Studie gemacht wurde. Eine solche Modellierung der Strahlenexposition wäre nach Einschätzung der SSK bei entsprechendem Aufwand auch bei der KiKK-Studie möglich gewesen und hätte hilfreiche zusätzliche Erkenntnisse geliefert.
Kategorielle oder stetige Auswertung
Bei der statistischen Auswertung kann man die Daten in Kategorien einteilen und auswerten oder eine stetige Funktion an die Daten anpassen. Beides hat Vor- und Nachteile. Bei der kategoriellen Auswertung sind keine Annahmen über die Kurvenform der Expositions-Wirkungs-Beziehung nötig. Dafür hat eine Auswertung mit einem kontinuierlichen Expositionsmaß grundsätzlich eine höhere statistische Macht (Power) als eine kategorielle Auswertung. Bei der Anpassung eines
kontinuierlichen Expositionsmaßes an eine stetige Funktion besteht aber unter anderem die Gefahr, dass signifikante Effekte in einer oder mehreren Kategorien den gesamten Kurvenverlauf als erhöht erscheinen lassen, ohne dass dies in den übrigen Kategorien der Fall ist. Bei der gewählten stetigen Funktion (l/r) besteht insbesondere das Problem, dass es sich um eine nichtlineare Transformation des Abstandsmaßes handelt. Damit üben Beobachtungen in kleiner Distanz zum Kernkraftwerk einen größeren Einfluss auf die Schätzung des Abstandskoeffizienten aus als Beobachtungen in großer Distanz. Diese sogenannte "Hebelwirkung" ist in Abbildung 2 graphisch dargestellt. Die in der KiKK-Studie bestimmten Abstände der Fälle und Kontrollen von den Kernkraftwerken lagen zwischen 1 km und 92 km. Für das Abstandsmaß x = 1/r bedeutet dies, dass alle Werte im Intervall 1/km und 0,01/ km liegen. Von diesem Intervall entfallen auf Entfernungen kleiner 5 km 80 % [1/km, 0,2/km]. Aus Abbildung 2 wird ersichtlich, dass eine lineare Regression mit 1/Abstand als erklärende Variable fast unweigerlich signifikant werden muss, wenn sich das Ergebnis für die innerste Kategorie von den anderen Kategorien unterscheidet, obwohl nur ein geringer Anteil der Kontrollen und Fälle aus diesem Bereich stammen. Aus diesem Grund erachtet die SSK eine kategorielle Auswertung als adäquater.
Ergebnis der kategoriellen Auswertung (Punkte) für akute Leukämien bei Kindern unter 5 Jahren vs. 1/Abstand. Die Balken in x-Richtung kennzeichnen die Breite der jeweiligen Regionen, die Balken in y-Richtung die 95 %-Konfidenzintervalle der Odds Ratios. Die Darstellung entspricht der Darstellung in Abb. 1, lediglich die x-Achsen sind unterschiedlich (Abb. 1: x = r in km, Abb. 2: x = 1/r in km-1)
5.1.2 Auswahl der Studiengebiete
Die Studiengebiete wurden auf der Basis von Landkreisen ausgewählt. Landkreise haben jedoch zum Teil sehr unregelmäßige Formen. Dies hat zur Folge, dass in einigen Fällen relativ weit entfernt wohnende Personen Berücksichtigung fanden, während Personen aus dazwischen liegenden Gebieten nicht in die Studie einbezogen werden konnten. Darüber hinaus mussten Großstädte in mittlerer Entfernung ausgespart werden, weil sonst die ohnehin bestehende Unausgewogenheit der Entfernungsverteilung noch ausgeprägter gewesen wäre. Da jedoch Fälle und Kontrollen aus den gleichen Gebieten stammen, ist es unwahrscheinlich, dass hierüber das Ergebnis der Studie verfälscht wird.
5.1.3 Wohnort zum Zeitpunkt der Diagnose
Bei der Entwicklung von Leukämien muss man bei Kindern von Latenzzeiten im Bereich von mehreren Monaten bis mehreren Jahren ausgehen. Wird dann noch berücksichtigt, dass durch Strahlung in Gang gesetzte Leukämien bei sehr jungen Kindern mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits während der Embryonal-/Fetal-Entwicklung ausgelöst werden, dann ist der Wohnort zum Zeitpunkt der Diagnose der Erkrankung wenig aussagekräftig. Wenn man annimmt, dass die Exposition mit Strahlung (oder sonstigen Noxen) während der Schwangerschaft kritisch ist, stellt sich die Frage, ob sich das Umzugsverhalten zwischen Fällen (vor der Diagnose) und Kontrollen unterscheidet oder nicht:
5.1.4 Wohnorte und Aufenthaltsorte
Der Wohnort der Kinder muss nicht ihr Hauptaufenthaltsort sein. Auch Kleinkinder verbringen nicht die gesamte Zeit an ihrem Wohnort (sondern auch bei Großeltern, Tagesmüttern, in Kindertagesstätten ...). In diesem Falle würde mit dem Wohnort als Proxy für die Exposition eine Fehlklassifikation eingeführt, mit den unter Punkt 5.1.3 gemachten Implikationen. Um die wahre Expositions-Wirkungs-Beziehung abschätzen zu können, wäre es dann relevant zu wissen, wie stark die Expositionsmissklassifikation ist und ob sie sich zwischen Fällen und Kontrollen systematisch unterscheidet.
5.1.5 Alternative Standorte
In der KiKK-Studie wurden lediglich Kernkraftwerke als Mittelpunkt der Studienregionen gewählt. Es wäre sinnvoll gewesen, Kernkraftwerks-Planungsstandorte oder andere Industriestandorte, wie bereits in der Vergangenheit geschehen, zu überprüfen. Dies war aber nicht Gegenstand des Auftrags an die Autoren der KiKK-Studie.
5.2 Bewertung der Durchführung der KiKK-Studie
Die KiKK-Studie wurde nach den Grundsätzen der guten epidemiologischen Praxis durchgeführt. Die Autoren haben sich dabei streng an die Vorgaben des Auswerteplans gehalten. Sie sind lediglich bei der Berechnung des attributiven Risikos über die Vorgaben des Auswerteplans hinausgegangen. Es wurden von der SSK, wie auch bei der Überprüfung durch Darby und Read, keine Fehler bei der Durchführung entdeckt. Die Ergebnisse wurden vielmehr bestätigt. Letztlich kommt die SSK zu einer ähnlichen Bewertung der Schwächen der KiKK-Studie wie die Autoren der Studie in einer nachfolgenden Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt.
5.2.1 Untersuchung von Confoundern
In epidemiologischen Studien versteht man unter einem Confounder eine Störgröße, die einen verfälschenden Einfluss auf eine Expositions-Wirkungs-Beziehung ausübt. Damit dies geschieht, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Die Störgröße besitzt einen von der Einflussgröße unabhängigen Effekt, und die Störgröße hängt mit der Einflussgröße zusammen. Die epidemiologische Erfahrung zeigt allerdings, dass ein nennenswerter verzerrender Einfluss nur für eine starke Störgröße und einen ausgeprägten Zusammenhang mit der Einflussgröße statistisch nachweisbar ist.
Im Teil 2 der KiKK-Studie wurde versucht, mögliche Confounder, also Störgrößen, die einen Einfluss auf die Leukämieentstehung haben und gleichzeitig mit der Kernkraftwerksnähe assoziiert sein könnten, durch Befragung einer Teilpopulation der Studienteilnehmer zu identifizieren. Aufgrund einer insgesamt unzureichenden Bereitschaft zur Teilnahme an der Befragung, und insbesondere unterschiedlicher Bereitschaft zwischen Fällen und Kontrollen, konnten potenzielle Confounder nicht berücksichtigt werden. Es gibt (wie auch in der Studie aufgeführt) zumindest potenziell sehr viele Risikofaktoren für Leukämie im Kindesalter, die als Confounder wirken könnten, wenn sie auch mit Kernkraftwerks-Nähe assoziiert wären. Konkret kommen folgende Faktoren in Frage: Belastung durch Pestizide in der Landwirtschaft, chemische oder mikrobiologische Belastungen durch die Nähe zu Flüssen/Kühltürmen, niederfrequente Magnetfelder, Strahlenexposition der Eltern, sozioökonomische Faktoren sowie soziale Interaktion und die damit verbundene Exposition des Immunsystems (z.B. Zuwanderung und Krippenbesuch von Kleinkindern). Es ist auch zu bedenken, dass die Standorte von Kernkraftwerken bestimmte geografische Gemeinsamkeiten aufweisen, die mit unbekannten oder umwelthygienischen Risiken assoziiert sein könnten. So liegen z.B. alle deutschen Kernkraftwerke an größeren Flüssen.
Keiner der oben erwähnten potenziellen Risikofaktoren gilt jedoch als etabliert, und es ist davon auszugehen, dass derartige Risiken relativ klein sind (relatives Risiko < 2). Es ist daher unwahrscheinlich, dass ein einzelner Faktor, auch wenn er sehr stark mit der Distanz zum Kernkraftwerk korrelieren würde, die Analyseergebnisse erklären kann. Es muss gegenwärtig offen bleiben, ob das Zusammenwirken verschiedener Confounder das Studienergebnis erklären könnte.
5.2.2 Probleme bei der Rekrutierung der Kontrollen
Bei der Kontrollziehung gab es vier Probleme, deren Auswirkungen mit Hilfe von Sensitivitätsanalysen geprüft wurden:
Insgesamt deuten die Sensitivitätsanalysen auf eine geringere Abstandsabhängigkeit als die Hauptanalyse der Studie hin. Dies wird auch durch eine Berechnung des Leukämierisikos der unter 5-Jährigen in Gebieten näher als 5 km zum nächstgelegenen Kernkraftwerk relativ zum Risiko in Deutschland bestätigt: Das altersstandardisierte relative Risiko ist 1,41 mit einer unteren 95%-Konfidenzgrenze von 0,98.
5.2.3 Bevölkerungsfluktuation
Obwohl im Anhang zum Teil 1 der Studie zahlreiche Grafiken aufgeführt sind, die einen zum Teil erheblichen Zuzug von Personen in die Umgebung der Kernkraftwerke nachweisen, wurden Bevölkerungsfluktuationen nicht berücksichtigt. Hinzu kommt, dass im Rahmen von Revisionsarbeiten regelmäßig eine große Anzahl von Fremden in die Kraftwerksregionen kommt. Gerade ein erheblicher Zuzug von fremden Personen in ein zuvor ziemlich isoliertes Gebiet wird in Großbritannien mit einem Anstieg an Leukämien im Kindesalter in Beziehung gebracht. Dort war die Bevölkerungsdichte der Kernkraftwerks-Regionen allerdings deutlich niedriger als in Deutschland. Falls die Regionen um Kernkraftwerke genügend isoliert sind, um die Voraussetzungen der sogenannten Kinlen-Hypothese zu erfüllen, wäre damit ein erhöhtes Leukämierisiko für Kinder in der Nähe von Kernkraftwerken erklärbar. Die Kinlen-Hypothese besagt, dass für den Fall, dass in eine zuvor sehr isolierte Region ein massiver Zuzug von Personen erfolgt, ein Anstieg von Leukämie-Fällen zu erwarten ist.
5.2.4 Berücksichtigung der gesamten Strahlenexpositionen
In der Studie wurden Strahlenexpositionen natürlichen und zivilisatorischen (einschließlich medizinischen) Ursprungs nicht ermittelt, obwohl sie um Größenordnungen höher sind als die Strahlenexpositionen, die auf Kernkraftwerke zurückgeführt werden können. Auch die Schwankungsbreite der natürlichen Strahlenexposition ist im Untersuchungsgebiet erheblich höher als die Strahlendosen durch Kernkraftwerke. Dies wurde ebenfalls nicht berücksichtigt.
5.3 Bewertung der Ergebnisse der KiKK-Studie
Die Studie liefert Evidenz für eine erhöhte Inzidenz akuter Leukämien bei Kindern, die innerhalb eines 5 km-Radius um Kernkraftwerke leben. Eine unabhängige Überprüfung durch britische Epidemiologen anhand der Originaldaten bestätigte die Ergebnisse der KiKK-Studie.
Es gibt Studien in Deutschland und Großbritannien, die für Kinder ein erhöhtes Leukämierisiko gefunden haben, die in Gegenden lebten, wo Kernkraftwerke geplant., aber niemals gebaut wurden. Dieses Risiko war in Art und Stärke ähnlich wie in der Nähe existierender Kernkraftwerke. Daraus kann man schließen, dass Kernkraftwerke möglicherweise bevorzugt in Gegenden gebaut werden, wo das Risiko für kindliche Leukämien aufgrund anderer, noch nicht verstandener Ursachen erhöht ist.
Die SSK kommt zu dem Schluss, dass dieser Anstieg nicht kausal mit der Radioaktivität im Zusammenhang steht, die von Kernkraftwerken emittiert wird. Obwohl ionisierende Strahlung prinzipiell ein Risiko für die Entstehung von Leukämien darstellen kann, sind die radioaktiven Emissionen aus Kernkraftwerken um mehrere Zehnerpotenzen zu niedrig, um die in der KiKK-Studie beobachteten Risiken erklären zu können.
Einen deutlichen Hinweis darauf, dass tatsächlich ein kausaler Umweltfaktor vorhanden ist, der in Abhängigkeit vom Wohnort der Kinder variiert, findet sich ebenfalls in einer zusätzlichen Auswertung der Daten der KiKK-Studie durch Darby und Read: In ländlichen Regionen war das Leukämierisiko im Vergleich zu städtischen oder gemischten Regionen signifikant auf das 1,85-fache erhöht. Obwohl Kernkraftwerke bevorzugt in ländlichen Regionen gebaut wurden, erklärt das erhöhte kindliche Leukämierisiko auf dem Land nicht das erhöhte Risiko in der Nähe der Kernkraftwerke (siehe Abschnitt Darby-Studie). In jedem Fall ist es wahrscheinlich, dass das Leben auf dem Land nicht für sich genommen ein kausaler Faktor ist, .sondern dass das erhöhte Risiko mit bisher unbekannten ursächlichen Faktoren assoziiert ist.
5.4 Bewertung der Interpretationen der KiKK-Studie
5.4.1 Bewertung im Hinblick auf die Exposition
Das BfS hat in einem im Internet veröffentlichten Hintergrundpapier 7 im Hinblick auf die Exposition festgestellt. "Die Strahlenbelastung konnte nicht berücksichtigt werden, da es für die über 6000 Kinder an den entsprechenden Wohnorten weder Messergebnisse gibt, noch eine Modellierung der Strahlenexposition sinnvoll möglich ist. Als Ersatz für die nicht direkt bestimmbare Strahlenexposition wurde der Abstand zwischen Wohnung und Reaktor herangezogen."
Die SSK hat im Zusammenhang mit ihrer Stellungnahme zur KiKK-Studie geprüft:
Die SSK zieht aus dieser Prüfung folgende Schlussfolgerungen:
Die Strahlenexposition der Referenzpersonen durch die Ableitungen radioaktiver Stoffe aus Kernkraftwerken ist - trotz ihrer hohen Konservativität - so niedrig, dass die beobachteten erhöhten relativen Risiken für Leukämie in den 5 km-Radien der Kernkraftwerke der KiKK-Studie damit nicht erklärt werden können.
In Bezug auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der durch die Kernkraftwerke verursachten Strahlenexposition und dem in den 5 km-Radien um die Kraftwerke beobachteten erhöhten relativen Risiko für Leukämie im Kindesalter sieht die SSK die Bradford Hill-Kriterien (siehe Abschnitt B5 des Kapitels 6) als nicht erfüllt an.
5.4.2 Unabhängigkeit der statistischen Analysen
Man muss berücksichtigen, dass etwa zwei Drittel der Daten aus einer alten Analyse stammten (die zudem noch die Grundlage für die Hypothesengenerierung bildeten). Für diese "alten" Daten war also bereits bekannt, dass in den 5 km-Radien der Kernkraftwerke bei Kindern unter 5 Jahren vermehrt Leukämien beobachtet worden sind. Damit ist die vorliegende KiKK-Studie nur in dem Sinne "unabhängig", als dass eine andere Methodik bei der Daten-Analyse eingesetzt wurde. Dies hat keine Implikationen für die Studienresultate an sich, jedoch für die Interpretation der Ergebnisse im Gesamtkontext.
5.4.3 Statistisches Testverfahren
In der KiKK-Studie wurde einseitig getestet. Eine einseitige Testung ist dann berechtigt, wenn es sich um eine konfirmatorische Studie handelt. Dann können aber die Daten, die zur Generierung der Hypothese geführt haben, nicht gleichzeitig zur Testung der Hypothese verwendet werden.
Da die Autoren sich jedoch entschlossen haben, die alten Daten in die Analysen mit einzubeziehen, können diese Daten statistisch gesehen nicht als Hypothesengenerierend betrachtet werden, sodass eine zweiseitige Testung adäquat gewesen wäre.
Grundsätzlich wird dadurch aber nichts an der Signifikanz des Ergebnisses geändert. Eine zweiseitige Testung würde zu größeren Konfidenzintervallen und p-Werten führen. Die Autoren verstehen ihre Auswertung allerdings als konfirmatorisch, diese Sicht lässt sich aber wegen der Einbeziehung der "alten" Fälle nicht aufrechterhalten.
5.4.4 Problematik der stetigen Auswertung und der Verwendung des Attributivrisikos
In der KiKK-Studie wird untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen im Kindesalter und dem Abstand des Wohnortes vom Kernkraftwerk beobachtet wird. Dabei wird mittels einer Regressionsanalyse versucht, die Daten mit der stetigen Funktion 1/Abstand anzupassen. Der Vorteil der stetigen Funktion ist die Erhöhung der statistischen Aussagekraft (Power). Dem stehen mehrere Probleme gegenüber. Zum einen ist die Qualität der Modellanpassung zu berücksichtigen. Bei schlechter Übereinstimmung zwischen stetiger Funktion und beobachteten Daten wird das Gesamtergebnis möglicherweise von einem Teil der Daten getrieben. Ein weiteres Problem ist die Festlegung des Gültigkeitsbereichs des Modells. Hierfür braucht man zusätzliche Kriterien, denn es ist sicherlich nicht sinnvoll, den Zusammenhang in beliebig großem Abstand zu analysieren. Zusätzlich ergibt die Wahl der Funktion 1/Abstand eine starke Gewichtung der Erkrankungszahlen für geringere Abstände.
In der KiKK-Studie wurde neben der Analyse des Zusammenhangs des Abstandes zum Kernkraftwerk und der Erkrankungswahrscheinlichkeit das Attributivrisiko berechnet. Die Berechnung des Attributivrisikos, also die Umrechnung des relativen Risikos auf die betroffene Bevölkerungsgruppe, ist formal möglich. Sie sollte aber nur erfolgen, wenn der kausale Zusammenhang zwischen Exposition und Wirkung gut abgesichert ist. Ist das nicht der Fall, dann kann das Attributivrisiko Auswirkungen einer unsicheren Exposition auf eine Bevölkerungsgruppe suggerieren, deren wissenschaftliche Grundlage nicht ausreichend abgesichert ist. Entsprechende Ausführungen sind im wissenschaftlichen Anhang zu finden.
Darüber hinaus hat die kategorielle Auswertung gezeigt, dass eine Risikoerhöhung nur innerhalb des 5 km-Radius vorliegt (vgl. Kapitel 4). Somit ist es auch nicht zulässig, auf der Basis einer stetigen Funktion für größere Abstände jenseits von 5 km fiktive Erkrankungszahlen zu berechnen und als Attributivrisiko auszudrücken.
Generell erscheint es angemessener, den Zusammenhang mit dem Abstand kategoriell zu betrachten und die 1/Abstand-Berechnungen stark zu relativieren. Die Berechnung des Attributivrisikos sollte auf Kategorien beschränkt werden, die ein tatsächlich erhöhtes relatives Risiko zeigen.
6 Der Beratungsauftrag
Vom Bundesumweltministerium wurde der SSK ein umfangreicher Fragenkatalog zum Studienkonzept und zur Kausalität des in der KiKK-Studie ermittelten Ergebnisses vorgelegt.
Im Folgenden werden die Fragen des Beratungsauftrages beantwortet. (Hinweise: Die Fragen, die im Beratungsauftrag des BMU aufgeführt sind, sind kursiv dargestellt. Unvermeidlich kommt es zu gewissen Wiederholungen einiger Aspekte, die bereits in den Kapiteln 5.1 bis 5.4 dargestellt worden sind.)
A. Studienkonzept
A1 Entsprechen Datengewinnung, Datenhaltung, Datenqualität den Vorgaben der guten epidemiologischen Praxis?
Die Durchführung der Studie entspricht den Vorgaben der guten epidemiologischen Praxis. Dies wurde im Rahmen zweier Audits geprüft und bestätigt. Darüber hinaus erfolgte eine unabhängige Überprüfung zwischen dem 23. und 27. Juni 2008 durch Sarah Darby und Simon Read in Mainz. Bei dieser Überprüfung war ein vollständiger Zugriff auf alle Rohdaten gewährleistet. Aussagen zur Qualität dieser Rohdaten waren nicht Gegenstand der Prüfung. Der Abschlussbericht dieser Überprüfung ist Bestandteil des wissenschaftlichen Anhangs der vorliegenden Stellungnahme der SSK.
A2 Wurden die Fälle und Kontrollen adäquat ermittelt oder gab es statistische Verzerrungen dieser Daten?
Es wurden alle Kinder unter 5 Jahren, die zwischen 1980 und 2003 beim Deutschen Kinderkrebsregister Mainz als erkrankt gemeldet waren und zum Zeitpunkt der Diagnose in der Studienregion gelebt haben, in der Studie berücksichtigt. Das Deutsche Kinderkrebsregister Mainz hat eine lange Tradition und weist eine hohe Vollständigkeit auf (mehr als 95 % Erfassung der Leukämieerkrankungen). Von 1633 Fällen mussten nur 41 Fälle wegen nachvollziehbarer Kriterien von der Analyse ausgeschlossen werden. Abgesehen davon ist durch die Fallrekrutierung keine Verfälschung des Studienresultates zu erwarten.
Die Kontrollen wurden mittels eines "two stage random sampling" identifiziert. Im ersten Schritt wurde die Wohnortgemeinde einer Kontrolle zufällig ausgewählt, indem die Gemeinden entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil (zum Zeitpunkt der Diagnose des korrespondierenden Falles) je Alter/Geschlecht/Jahr gewichtet wurden. Im zweiten Schritt wurde dann innerhalb der Gemeinde eine Kontrolladresse angefragt. Als Datenbasis für die Kontrollziehung mussten die Gemeinden die Bevölkerung zum Zeitpunkt der Diagnose des korrespondierenden Falles berücksichtigen. Die beiden Schritte wurden sechsmal durchgeführt, um für jedes Fallkind im Idealfall sechs Kontrollen zu generieren. Grundsätzlich ist das methodische Vorgehen korrekt.
Es traten die folgenden Probleme auf: (i) Gemeinden in der Nähe von Kernkraftwerken verweigerten häufiger als andere Gemeinden die Bekanntgabe von Adressen von Kontrollpersonen. (ii) Nicht alle Gemeinden zogen die Kontrollen aus dem Diagnosejahr des korrespondierenden Falles. (iii) Für eine größere Anzahl von Kontrollpersonen (bzw. von erkrankten Personen, denen sie zugeordnet waren) waren die Adressangaben nicht korrekt. (iv) Ein Teil der Kontrollpersonen (bzw. der erkrankten Personen, denen sie zugeordnet waren) hätte nicht in die Studie eingeschlossen werden dürfen, da sie zum Stichzeitpunkt nicht im Studiengebiet wohnten. Entsprechende Sensitivitätsanalysen ergaben für die einzelnen Faktoren (teilweise nur geringfügig) kleinere Risikokoeffizienten. Obwohl der Gesamteinfluss dieser Faktoren nicht abgeschätzt werden konnte, geht die SSK davon aus, dass das Risiko innerhalb des 5 km-Radius unabhängig von diesen Störfaktoren signifikant erhöht ist.
A2.1 Waren die angewandten statistischen Methoden adäquat?
Die Daten wurden mittels konditionaler logistischer Regression modelliert. Das entspricht dem Standardverfahren für eine "matched" Fall-Kontrollstudie. Es wurde a priori definiert, eine Analyse mit kontinuierlichen Abstandsdaten (1/Abstand) durchzuführen und eine Analyse mit Abstandskategorien. Die Kategorien wurden vor dem Start der Analyse definiert (5 km-Radien). Alle wichtigen Analysen wurden von einem zusätzlichen Statistiker vom Koordinierungszentrum für klinische Studien (KKS) Mainz repliziert.
Üblicherweise werden in der Epidemiologie die (zweiseitigen) 95 %-Häufigkeitsintervalle ausgewiesen. Zu diskutieren ist die einseitige Hypothesentestung, d. h. die Berechnung eines einseitigen 95 %-Konfidenzintervalls. In Anbetracht der Vorgeschichte der Studie ist die einseitige Hypothesentestung zwar vertretbar, konsequenterweise hätten dann aber auch die alten Fälle, die vor Beginn der späteren Studie bekannt waren, ausgeschlossen werden müssen. Wenn man aber die alten Daten einbezieht, wäre ein zweiseitiger Test angemessener.
Insgesamt sind die statistischen Analysen solide und korrekt durchgeführt worden. Es gibt keine Hinweise auf undeklarierte posthoc-Analysen mit dem Zweck, statistische Signifikanzen zu kreieren, beispielsweise, indem die Definition der Abstandskategorien der beobachteten Fallverteilung angepasst wurde.
A2.2 Ist das Studiendesign adäquat, insbesondere die 1/r-Abhängigkeit?
Die 1/r-Abhängigkeit beschreibt den Abstand zum Kernkraftwerk, als Proxy für die Strahlenexposition ist sie nicht geeignet (siehe A 4.2). Aufgrund der gegebenen Datenverteilung lassen sich keine robusten Aussagen über die Abstandsabhängigkeit außerhalb des 5 km-Radius machen.
Dies wird bestätigt durch die Auswertung von Sarah Darby und Simon Read, die klar zeigt, dass sich die gefundene Assoziation auf den 5 km-Radius um die Kernkraftwerksstandorte beschränkt (siehe Tabelle 2 in Kapitel 2.4 und Kapitel 4).
Daher sollten sich alle Aussagen auf die Ergebnisse der kategoriellen Analyse beschränken. Insbesondere ist es irreführend, wenn die 1/r-Abhängigkeit verwendet wird, um außerhalb des 5 km-Radius Attributivrisiken und die Anzahl erkrankter Kinder zu berechnen, die den Kernkraftwerken zugeordnet werden. Wie im wissenschaftlichen Anhang ausführlich diskutiert, ergeben sich daraus hypothetische Erkrankungszahlen, die allein aus mathematischen Gründen um so größer werden, je weiter man sich von den Kernkraftwerksstandorten entfernt, ohne etwas über reale Risiken auszusagen.
A3 Wie weit ist die Wohnhistorie der Betroffenen berücksichtigt, ggf. welchen Einfluss hat sie, d.h. wie lange haben die Kinder bzw. ihre Eltern vor der Erkrankung am Wohnort bzw. in der Region (Landkreis) gelebt?
Der Abstand der Wohnorte der Fall- und Kontrollfamilien vom nächsten Kernkraftwerk wurde mit großem Aufwand und großer Sorgfalt erhoben. Allerdings wurde in der Hauptstudie jeweils nur der Wohnort zum Zeitpunkt der Diagnose der Erkrankung bestimmt. Eine Exposition zum Zeitpunkt der Diagnose einer Krebserkrankung kann jedoch nicht die Ursache für die Krebserkrankung sein. Vielmehr liegt in der Regel zwischen einer verursachenden Exposition und der Diagnose einer Krebserkrankung ein längerer Zeitraum (Latenzzeit). Deshalb wäre für eine Analyse eines möglichen Zusammenhangs mit dem Abstand eines möglichen Expositionsorts (= Wohnort) vorn nächsten Kernkraftwerk und einer Krebserkrankung die Erhebung der Wohnorthistorie vom Beginn der Schwangerschaft bis zur Diagnose der Erkrankung nötig gewesen.
Bei der Auswertung der Wohnhistorie im zweiten Teil der Studie wurden Wohnorte außerhalb des Studiengebietes nicht berücksichtigt. Es zeigte sich, dass zirka ein Drittel der Fall- und auch der Kontrollfamilien im Zeitraum zwischen Beginn der Schwangerschaft und Diagnose der Krebserkrankung umgezogen ist.
Insgesamt kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Vernachlässigung der Wohnhistorie, d. h. insbesondere der Latenzzeit zwischen dem Zeitpunkt einer möglichen Exposition und dem Diagnosezeitpunkt, zu einer Verzerrung der Ergebnisse geführt hat.
A4 Wie hoch war die Strahlenbelastung der Betroffenen einschließlich der natürlichen Strahlenbelastung?
Ausführlich ist diese Frage in Kapitel 5.4.1 beantwortet worden. Die nachstehende Tabelle (Tabelle 3) fasst die verschiedenen möglichen Beiträge zur individuellen Strahlenexposition der Betroffenen zusammen.
Bei einer Betrachtung des Strahlenrisikos ist stets die gesamte natürliche und anthropogene Strahlenexposition der Betroffenen zu berücksichtigen. Die zusätzliche Strahlenexposition durch Kernkraftwerke ist um mindestens den Faktor 1000 geringer als die natürliche Strahlenexposition. Sie ist ebenfalls um Größenordnungen geringer als die Variabilität der natürlichen Strahlenexposition an den verschiedenen Kraftwerksstandorten. Auch die sonstigen anthropogenen Expositionen sind in einer solchen Betrachtung zu berücksichtigen.
A4.1 Sind mögliche individuelle Risiken für die Kinder in die Studie einbezogen worden (z.B. vermehrt Untersuchungen mit radioaktiven Stoffen oder ionisierenden Strahlen, Strahlentherapie)?
In die Ergebnisse des Teils 1 der Studie sind solche individuellen Risiken nicht einbezogen worden. Es war vorgesehen, dies mit Hilfe des Teils 2 der Studie durchzuführen. Dies konnte jedoch wegen der unterschiedlichen Teilnahme der befragten Eltern von Fällen und Kontrollen an der Fragebogenaktion nicht umgesetzt werden.
A4.2 Kann aus dem Abstand auf die Dosis geschlossen werden?
Nein, es kann nicht aus dem Abstand auf die Dosis geschlossen werden. Im Studienzeitraum variieren die Ableitungen radioaktiver Stoffe mit der Fortluft an den einzelnen Kernkraftwerksstandorten und auch als Funktion der Zeit für die einzelnen Kernkraftwerke um mehr als den Faktor 100.
Die gesamte Strahlenexposition der Kinder der KiKK-Studie wird durch die hoch variablen natürlichen Strahlenexpositionen so dominiert, dass eine signifikante Abhängigkeit der gesamten Strahlenexposition vom Abstand zum nächstgelegenen Kernkraftwerk auszuschließen ist. Auch potenzielle zivilisatorische Strahlenexpositionen, die ebenfalls wesentlich höher sein können als die durch die Kernkraftwerke bewirkten Strahlenexpositionen, lassen keine Abstandsabhängigkeit von den Kernkraftwerken erwarten.
Das größte Problem liegt darin, dass die unterschiedlichen Emissionen der Kernkraftwerke gar nicht abgebildet werden. Damit erhält der Proxy Unsicherheiten für verschiedene Kraftwerke und unterschiedliche Jahre von mehreren Zehnerpotenzen. Wenn es jedoch um die Abnahme der Immission mit dem Abstand geht, ist dieser Punkt unerheblich, denn wenn für jedes einzelne Kernkraftwerk die Immission mit dem Abstand abnimmt, gilt dies auch für alle Kernkraftwerke zusammengenommen. Allerdings wären dann nicht die absoluten kraftwerksbedingten Expositionen als mögliche Verursachung der Erkrankungen zu betrachten, sondern lediglich die Unterschiede der Expositionen von Fällen zu Kontrollen aufgrund des Abstandsunterschiedes zu den Kernkraftwerken. Diese Expositionen sind naturgemäß noch wesentlich geringer als die absoluten Expositionen.
Tabelle 3 : Mögliche Beiträge zur individuellen Strahlenexposition der Bevölkerung
Exposition | Effektive Dosis oder -bereich | Betroffene |
Natürliche Strahlenexposition | 2,1 mSv pro Jahr (95 %-Häufigkeitsbereich 1,2 mSv - 4,6 mSv pro Jahr) | alle |
Kernwaffenversuche * | 1963: 0,15 mSv pro Jahr 2000: 0,005 mSv pro Jahr | |
Tschernobyl in Deutschland ** | Mittelwert ganz Deutschland: 1986: 0,11 mSv pro Jahr 1990: 0,025 mSv pro Jahr Seit 2000: < 0,02 mSv pro Jahr | |
Medizinische diagnostische Strahlenexposition, Bevölkerungsmittel in Deutschland | 1972: 0,5 mSv pro Jahr 2006: 1,9 mSv pro Jahr | Hypothetische "mittlere" Person |
Medizinische diagnostische Strahlenexposition | 0,01 mSv - 20 mSv pro Anwendung | Nur Betroffene |
Exposition durch nahe Verwandte nach Nuklearmedizin | < 1 mSv pro Jahr | |
Flugreisen | 0,006 mSv pro h
(Nordatlantik-Route) | |
Maximale Strahlenexposition für alle Altersgruppen an den ungünstigsten Einwirkungsstellen in der Umgebung von Kernkraftwerken | < 0,01 mSv pro Jahr (globale Aussage in den Parlamentsberichten) individuelle KKW der KiKK-Studie in verschiedenen Jahren: < 0,0001 mSv - 0,02 mSv pro Jahr | Hypothetische Referenzpersonen |
Reale Exposition der Referenzperson in der Umgebung von Kernkraftwerken durch Ableitungen | <<< 0,01 mSv pro Jahr | Nur Betroffene |
*) effektive Dosis integriert über 50 Jahre: 1,2 mSv
**) effektive Dosis (seit 1986) integriert über 50 Jahre: 0,5 mSv - 2,2 mSv
A4.3 Gibt es Unsicherheiten bei der Ermittlung der Dosis für die Kinder?
Es wurden in der KiKK-Studie keine Strahlendosen für Kinder ermittelt. Es wurden weder potenzielle Expositionen abgefragt, noch wurde der Versuch unternommen, die verschiedenen Beiträge zur Strahlenexposition der Kinder oder ihrer Eltern zu erfassen.
A5 Ist eine ähnliche abstandskorrelierte Krebs- bzw. Leukämierate auch bei anderen Industrieanlagen ggf. auch im Ausland bekannt bzw. gefunden worden und wissenschaftlich belegt?
Es gibt abstandskorrelierte Krebs- bzw. Leukämieraten auch bei anderen Industrieanlagen. So berichten beispielsweise Knox und Gilman über erhöhte Risiken im Umkreis von Standorten verschiedener Industrien (u. a. Öl-Raffinerien, Autofabriken, Autoreparaturwerkstätten, Lösungsmittelhersteller). Darüber hinaus gibt es ökologische Studien, die zeigen, dass in der Nähe von Planungsstandorten für Kernkraftwerke ebenfalls eine erhöhte Zahl von Leukämien im Kindesalter gefunden wird (siehe die folgende Antwort zu Frage A5.1).
A5.1 Ist bei den nicht untersuchten Kernkraftwerksstandorten bzw. geplanten Kernkraftwerksstandorten mit entsprechenden Ergebnissen zu rechnen?
Diese Frage ist ohne eine tatsächlich durchgeführte Analyse nicht zu beantworten. In der Vergangenheit haben allerdings (ökologische) Studien gezeigt, dass Leukämie- (und sonstige Krebs-) Häufigkeiten in der Umgebung von lediglich geplanten Kernkraftwerksstandorten ganz ähnlich waren wie in der Umgebung von in Betrieb befindlichen Kernkraftwerken.
Wie in Kapitel 3.2 genauer dargelegt, wurde im Jahr 2007 eine Meta-Analysevon Baker et al. zu kindlichen Leukämien und der Nähe zu Kernkraftwerken publiziert. Dort wird eine Reihe von Studien zitiert, die keine Veränderungen der Leukämieraten fanden, wenn Kernkraftwerke in Betrieb gingen oder abgeschaltet wurden. Andere Studien fanden in Planungsregionen von Kernkraftwerken erhöhte Risiken. Es wurde daher spekuliert, dass es eine andere Exposition als die ionisierende Strahlung ist, die für die beobachteten erhöhten Risiken verantwortlich ist. Ein solcher Faktor wurde bisher nicht identifiziert. Ebenfalls diskutiert wurde die Möglichkeit des "Population mixing", das mit einer Veränderung der Konzentration und/oder dem Auftreten von Krankheitserregern verbunden sein könnte; ein entsprechender Erreger (Virus, Bakterium) konnte aber bisher nicht identifiziert werden.
A6 Können die Ergebnisse auf Erwachsene übertragen werden?
Da viel dafür spricht, dass die Ätiologie bei Kindern und Erwachsenen unterschiedlich ist, ist grundsätzlich nicht bekannt, ob aus dem vermehrten Auftreten von Leukämien bei Kindern unterhalb von 5 Jahren im 5 km-Radius auf ein erhöhtes Risiko für Erwachsene geschlossen werden kann. Somit kann die Frage nicht beantwortet werden, ob sich die Ergebnisse auf Erwachsene übertragen lassen.
Einen Hinweis, dass es zumindest unwahrscheinlich ist, dass für Erwachsene ein ähnliches Ergebnis beobachtet wird, liefern die (ökologischen) Studien, die für die 5- bis 15-Jährigen bisher kein erhöhtes Leukämie-Risiko gefunden haben. Ebenso hat die Norddeutsche Lymphomstudie keinen Hinweis erbracht, dass Erwachsene durch Emissionen von Kernkraftwerken betroffen sein könnten.
Norddeutsche Leukämie- und Lymphomstudie
Die Norddeutsche Leukämie- und Lymphomstudie (NLL) ist eine bevölkerungsbezogene Fall-Kontrollstudie zu Ursachen und Risikofaktoren von inzidenten Leukämien, malignen Lymphomen und verwandten Erkrankungen in den Jahrgängen 1986 - 1998 in sechs Landkreisen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Eine Haupthypothese betrifft Expositionen gegenüber radioaktiven Emissionen aus Nuklearanlagen im Normalbetrieb. Die lebenslange Expositionsermittlung innerhalb der NLL basierte auf standardisierten, persönlichen, computergestützten Interviews mit 71,5 % der Fälle (N = 1430) und 54,5 % (N = 3041) der Kontrollen.
In die Analysen wurden alle relevanten Quellen der Strahlenexposition für die Allgemeinbevölkerung aufgenommen. Zur Quantifizierung der Exposition gegenüber Emissionen aus Nuklearanlagen im Normalbetrieb wurde das im Rahmen der Kernreaktorfernüberwachung verwendete Ausbreitungsmodell (AVV zu § 45 StrlSchV) für quantitative Berechnungen der Ingestionsdosis für verschiedene Nahrungsmittelgruppen (Blattgemüse, sonstige pflanzliche Produkte, Fleisch und Milch) sowie die Summe aus Inhalation und externer Strahlung auf die lebenslangen Wohn- und Arbeitsorte der NLL-Probanden angewendet.
Es wurden für keine der untersuchten Krankheitsentitäten systematisch erhöhte Risiken durch die Exposition von Radionukliden aus Emissionen von Nuklearanlagen im Normalbetrieb festgestellt.
Bemerkenswert ist, dass die NLL durchgeführt wurde, weil eine Inzidenzstudie zu Leukämien, Lymphomen und Myelomen im 5 km-Radius um die Nuklearanlagen von Geesthacht (Krümmel und GKSS) eine signifikant erhöhte Leukämierate gezeigt hatte. Die NLL fand für die gleiche Patientengruppe in derselben Region kein erhöhtes Risiko, wobei jetzt die individuellen Risiken der Patienten ebenso wie die einer Kontrollgruppe erfasst wurden und eine bessere Quantifizierung der Exposition mittels AVV-basierter Expositionsvariablen durchgeführt wurde.
Im Prinzip hätte die bei der NLL gewählte Expositionsquantifizierung mittels AVV-Ausbreitungsmodell auch für die KiKK-Studie zur Verfügung gestanden.
B. Kausalität
B1 Gibt es strahlenbiologische Erkenntnisse, die die Ergebnisse plausibel erklären können?
Erkenntnisse, wie es zur Leukämie-Entstehung bei Kindern kommt
Leukämien im Kindesalter stellen keine einheitliche Erkrankung dar. Vielmehr findet man zahlreiche Untergruppen, die durch unterschiedliche Gen-Expression, Antigene, chromosomale und molekulare Abnormitäten charakterisiert sind. Es gibt starke Hinweise, dass für das Auftreten der Leukämien im Kindesalter mehr als ein Ereignis eintreten muss. Einer gängigen Vorstellung gemäß werden zunächst genetische Veränderungen während der Fetalentwicklung induziert (z.B. Fusion des TEL-Gens auf Chromosom 12 und des AMLI -Gens auf Chromosom 21 vermutlich wegen fehlerhafter Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen). Während der Kindheit kann dann in Folge weiterer genetischer Veränderungen die Leukämie zum Ausbruch kommen. In beiden Schritten können Infektionen, Chemikalien, ionisierende Strahlung oder andere, bisher unbekannte, Umweltfaktoren eine Rolle spielen.
Implausibiltät eines ursächlichen Zusammenhangs
Wie im Abschnitt ,Gegenwärtiger Kenntnisstand' (Kapitel 3.4) erläutert, wäre für die Begründung von relativen Risiken, wie sie in der KiKK-Studie berichtet werden, ein Dosisunterschied ionisierender Strahlung innerhalb und außerhalb des 5 km-Radius um Kernkraftwerke von mindestens 10 mGy notwendig. Real durch Emissionen von Kernkraftwerken auftretende Strahlenexpositionen sind jedoch um wenigstens den Faktor 1000 niedriger (siehe Tabelle 3 in A4). Damit ist es strahlenbiologisch nicht plausibel, die Ergebnisse der KiKK-Studie durch die von Kernkraftwerken abgegebene ionisierende Strahlung zu erklären. Aus strahlenbiologischer Sicht müssen andere Faktoren als die ionisierende Strahlung die Erklärung für das Ergebnis der KiKK-Studie liefern.
B2 Welche Erkenntnisgrenzen gibt es bzgL der Übertragbarkeit der unter Punkt BI genannten strahlenbiologischen Erkenntnisse auf Kleinkinder?
Dass Kleinkinder ein höheres Strahlenrisiko aufweisen als Erwachsene, ist bekannt. Aber unter Punkt B1 wurde festgestellt, dass auch auf der Basis der strahlenbiologischen Erkenntnisse für Kleinkinder eine ursächliche Rolle ionisierender Strahlung zur Erklärung der Ergebnisse der KiKK-Studie nicht plausibel ist. Es muss also nicht auf der Basis der Daten für Erwachsene oder ältere Kinder auf das Strahlenrisiko für Kleinkinder geschlossen werden. So ergab eine Analyse der OSCC-Daten, dass sich das nach Strahlenexposition in utero für unter 5-Jährige beobachtete Krebsrisiko nicht wesentlich vom Risiko während der gesamten Kindheit unterscheidet. Andere Studien, in denen diese beiden Altersgruppen getrennt analysiert wurden, sind mit diesem Ergebnis konsistent.
Eine Besonderheit bei Kleinkindern ist, dass einige Erbkrankheiten mit einem deutlich erhöhten Risiko verbunden sind, eine kindliche Leukämie zu entwickeln (z.B. Down Syndrom, Fanconi Anämie, Ataxia teleangiectatica). Unter diesen Erbkrankheiten gibt es solche, die auch eine erhöhte Strahlenempfindlichkeit mit sich bringen (z.B. Ataxia teleangiectatica), sodass hier damit zu rechnen ist, dass die ohnehin schon erhöhte Strahlenempfindlichkeit von Kleinkindern weiter erhöht wird. Es gibt keine Erkenntnisse, ob es Subpopulationen bei Kleinkindern gibt, die von keiner Erbkrankheit betroffen sind, aber dennoch eine deutlich erhöhte Strahlenempfindlichkeit aufweisen. Sollte es solche Subpopulationen geben, so könnten sie allerdings auch nicht das Ergebnis der KiKK-Studie erklären, da dann eine Leukämie-Auslösung durch die natürliche Strahlenexposition sehr viel wahrscheinlicher wäre als diejenige durch die Kernkraftwerks-Emissionen.
B3 Gibt es andere Faktoren, die die gefundene Leukämierate erklären?
Es sind zahlreiche Faktoren benannt worden, die im Verdacht stehen, Leukämien im Kindesalter auszulösen bzw. zumindest an der Auslösung beteiligt zu sein. Allerdings gibt es außer der ionisierenden Strahlung nahezu keinen Faktor, der unumstritten wäre. Es spricht viel dafür, dass es sich bei der Leukämieentstehung um ein multifaktorielles Geschehen handelt, wobei der Beitrag der einzelnen Faktoren jeweils so gering ist, dass er nicht nachgewiesen werden kann. Diskutiert werden neben ionisierender Strahlung eine Vielzahl von Chemikalien, Infektionen, magnetische Felder, Sozialstatus, Geburtscharakteristika (Geburtsgewicht, Geburtsrangfolge, Stillen) und weitere.
B4 Kann aus den Ergebnissen dieser Studie durch Anwendung von Kausalitätskriterien z.B. nach Bradford Hill eine Kausalität abgeleitet werden?
Sir Austin Bradford Hill hat 1965 neun verschiedene Kriterien publiziert, um die Kausalität von epidemiologischen Assoziationen zu beurteilen. Das Kriterium Zeitlichkeit muss für das Vorliegen einer Kausalität erfüllt sein, alle anderen Kriterien müssen nicht notwendigerweise zutreffen. Im Folgenden sind die neun Kriterien im Hinblick auf die KiKK-Studie diskutiert, bei einigen Kriterien und bei der Gesamtbewertung wird zwischen der Abstandsabhängigkeit und einer Abhängigkeit von durch Kernkraftwerke bedingten Strahlenexpositionen differenziert.
Insgesamt ist es sehr unwahrscheinlich, dass die radioaktiven Emissionen aus Kernkraftwerken kausal mit Leukämie im Kindesalter assoziiert sind. Mit Ausnahme des Bradford Hill-Kriteriums ,Zeitlichkeit', das grenzwertig positiv ist, ist kein einziges der Kriterien positiv (siehe Tabelle 4). Die Höhe der Emissionen ist deutlich zu gering, um beim derzeitigen strahlenbiologischen Wissen die beobachtete Risikoerhöhung erklären zu können. Da im Rahmen der KiKK-Studie keine individuellen Strahlenexpositionen erhoben wurden, liefert die Studie keine Informationen darüber, ob ein Zusammenhang mit der Strahlenexposition beobachtet wurde.
Im Gegensatz dazu besteht in gewissem Umfang Evidenz für eine kausale Beziehung zwischen der Wohnortdistanz und der Leukämie im Kindesalter im 5 km-Radius. Mit Ausnahme der Bradford Hill-Kriterien "biologische Plausibilität", "Experiment/Tierversuche" und "Fehlen plausibler Alternativ-Erklärungen" werden die Kriterien positiv bewertet bzw. leisten keine Aussage. Damit stellt sich die Frage, auf welche Ursache bzw. Ursachen diese Beobachtung zurückzuführen ist. Diese Frage lässt sich aber ohne die Erfassung individueller Einflussfaktoren, wie dies für die KiKK-Studie Teil 2 geplant war, nicht beantworten.
Tabelle 4: Überblick über die Bewertung der Kausalitätskriterien nach Bradford Hill bezüglich der Abstandsabhängigkeit bzw. der Abhängigkeit von durch Kernkraftwerke bedingten Strahlenexpositionen: '+' steht für Evidenz, '0' für keine Aussage, '-' für Evidenz gegen die Kausalität.
Erklärungsvariable | Kausalitäts-Kriterium nach Bradford Hill | Gesamtbewertung | ||||||||
a) | b) | c) | d) | e) | f) | g) | h) | i) | ||
Unbekannter mit dem Abstand vom KKW korrelierter Faktor: stetige Auswertung | +/0 | 0/- | 0 | +/0 | 0/- | 0 | 0/- | 0/- | 0 | Es spricht mehr gegen einen kausalen Zusammenhang |
Unbekannter mit dem Abstand vom KKW korrelierter Faktor: kategorielle Auswertung | +/0 | + | 0 | +/0 | 0/- | 0 | 0/- | 0/- | 0 | Es spricht mehr für einen kausalen Zusammenhang |
Strahlenexposition durch KKW | 0 | 0 | +/0 | - | 0 | 0/- | 0/- | 0 | Es spricht sehr viel mehr gegen einen kausalen Zusammenhang |
B5 Welche weiteren Untersuchungen wären zur Klärung dieses Sachverhaltes erforderlich?
1 Erhebung weiterer Daten in Ergänzung zur KiKK-Studie
1.1 Erhebung des Mobilitätsverhaltens der Bevölkerung, inkl. Saisonarbeiter (Revisionspersonal, Landarbeiter) im Studiengebiet der KiKK-Studie.
1.2 Untersuchung von potenziellen Veränderungen der immunologischen Situation im Umfeld der Kernkraftwerke z.B. mit der Häufigkeit des Auftretens von Infektionserkrankungen als Indikator, um zu prüfen, ob Begleitumstände, die an Kernkraftwerksstandorten auftreten, für den Leukämieanstieg verantwortlich sein könnten.
2 Interdisziplinäre Grundlagenforschung zur Aufklärung der Ursachen und Mechanismen der Leukämieentstehung bei Kindern stärker fördern
Wie die Darstellung in Kapitel 3.1 der SSK-Stellungnahme zeigt, ist es weitgehend unklar, wie es zur Entstehung von Leukämien im Kindesalter kommt. Zur Klärung des Sachverhaltes ist es notwendig, in Zukunft verstärkt die Ursachen und biologischen Mechanismen der Leukämie-Entstehung zu untersuchen. Dies ist vor allem dann erfolgversprechend, wenn mehrere Disziplinen kooperieren (insbesondere Epidemiologie, Genetik, Immunologie, Molekularbiologie, Strahlenbiologie).
3 Epidemiologische Studien
Da Leukämien im Kindesalter außerordentlich seltene Ereignisse sind (in Deutschland treten etwa 4 bis 5 Fälle pro 100.000 Kinder pro Jahr auf), fehlte in der Vergangenheit vielen epidemiologischen Studien die Power, um überhaupt die Chance zu haben, eventuelle Effekte bzw. deren Verursacher zu entdecken. Daher sollten intensive Überlegungen angestellt werden, wie internationale Studien angelegt und finanziert werden können, um diese Schwierigkeiten zu überwinden.
Solche großen internationalen epidemiologischen Studien sollten sowohl Informationen über Umweltexpositionen wie auch genetische Informationen sammeln, damit Gen-Umwelt-Interaktionen untersucht werden können.
Dabei sollte ein breites Spektrum industrieller Anlagen (z.B. stahlverarbeitende Betriebe, Kohlekraftwerke, chemische Fabriken, Solarparks, Standorte mit einer großen Zahl von Windkraftanlagen) untersucht werden.
Die bisherige epidemiologische Forschung zum Thema beruhte zum Teil auf Fall-Kontrollstudien, die eine Kollaboration mit den Studienteilnehmern voraussetzten. Da eine 100-prozentige Teilnahmebereitschaft nicht erreicht werden kann und die Teilnahmebereitschaft für Fälle und Gesunde typischerweise unterschiedlich ist, kann Selektionsbias die Ergebnisse verzerren. Zukünftige epidemiologische Studien sollten deshalb auch auf anderen Studiendesigns beruhen.
______________
1) Kaatsch, P.; Spix, C.; Schmiedet, S.; Schulze-Rath, R.; Mergenthaler, A.; Blettner, M.: Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken.
Zusätzlich wurden Ergebnisse der KiKK-Studie in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert:
Kaatsch et al., Int. J. Cancer: 1220, 721-726 (2008) und Spix et al., Eur J Cancer. 44, 275-284 (2008)
2) In Fall-Kontrollstudien wird das Odds Ratio (OR) ermittelt, was man bei niedriger Prävalenz als eine gute Näherung fir das relative Risiko, was hier im Folgenden benutzt wird, verwenden kann.
3) Anmerkung:
Wenn im Folgenden von der KiKK-Studie gesprochen wird, so sind immer beide Teile der Studie gemeint; wird spezifisch Bezug genommen auf einen der beiden Teile, so wird dies durch die Bezeichnungen "KiKK-Studie Teil 1" und "KiKK-Studie Teil 2" deutlich gemacht.
Zusätzlich sollte man in diesem Zusammenhang auch die Publikationen Kaatsch et al., Int. J. Cancer: 1220, 721-726 (2008) und Spix et al., Eur. J. Cancer: 44, 275-284 (2008) der Vollständigkeit halber beachten.
4) Embryonale Tumoren entstehen während der Organbildung durch Gewebe-Fehldifferenzierung.
Zu den embryonalen Tumoren gehören unter anderen Wilmstumor, Retinoblastom und Neuroblastom.
5) β > 0 entspricht einer Erhöhung des Risikos mit zunehmender Nähe zu einem Kernkraftwerk.
6) Zahlenangaben aus dem Deutschen Kinderkrebsregister Mainz; http://info.imsd.unimainz.de/K_Krebsregister/
7) http://www.bfs.de/de/kerntechnik/kinderkrebs/hintergrund_kikk.pdf
ENDE |