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Entscheidung 2017/608 der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 93/16/COL vom 11. Mai 2016 Empfehlung der EFTA-Überwachungsbehörde über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund des in Anhang XI Ziffer 5cl des EWR-Abkommens genannten Rechtsakts (Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste) in der mit Protokoll 1 zum EWR-Abkommen und durch die sektoralen Anpassungen in Anhang XI zu diesem Abkommen geänderten Fassung für eine Vorabregulierung in Betracht kommen
(ABl. Nr. L 84 vom 30.03.2017 S. 7)
Die EFTA-Überwachungsbehörde 1 -
gestützt auf den in Anhang XI Ziffer 5cl des EWR-Abkommens genannten Rechtsakt (Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste) 2 (im Folgenden "Rahmenrichtlinie") in der mit Protokoll 1 zum EWR-Abkommen und durch die sektoralen Anpassungen in Anhang XI zu diesem Abkommen geänderten Fassung, insbesondere Artikel 15 Absatz 1,
gestützt auf die Empfehlung der EFTA-Überwachungsbehörde vom 5. November 2008 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die für eine Vorabregulierung in Betracht kommen 3 (im Folgenden "Empfehlung 2008 der Überwachungsbehörde") und die Leitlinien der Überwachungsbehörde zur Marktanalyse und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht 4,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Am 9. Oktober 2014 hat die Europäische Kommission (im Folgenden "Kommission") die Empfehlung 2014/710/EU 5 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Rahmenrichtlinie für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, veröffentlicht.
(2) Ausgangspunkt für die Überarbeitung der Empfehlung der Überwachungsbehörde über relevante Märkte ist die Empfehlung 2014/710/EU. Bei ihrer Überarbeitung vertrat die Überwachungsbehörde den Ansatz, dass die Marktentwicklungen mit einem EWR-Benchmark verglichen werden sollten und nicht nur die Marktsituation in den einzelnen EFTA-Staaten berücksichtigt werden sollte.
(3) Auf der Grundlage der Marktentwicklungen in den EFTA-Staaten scheint es wenig wahrscheinlich, dass die Funktionsweise der elektronischen Kommunikationsmärkte in den drei EFTA-Staaten allgemein in größerem Maße (als im Falle einzelner EU-Mitgliedstaaten) von der durchschnittlichen Funktionsweise der Märkte in der Europäischen Union oder im EWR insgesamt abweichen wird.
(4) Das Ziel des EWR-Abkommens besteht darin, "einen dynamischen und homogenen Europäischen Wirtschaftsraum zu errichten, der auf gemeinsamen Regeln und gleichen Wettbewerbsbedingungen beruht" 6. Angesichts dieses Ziels und der vorstehenden Erwägungen verabschiedet die Überwachungsbehörde eine an die Empfehlung 2014/710/EU angepasste Empfehlung, um eine einheitliche Anwendung des gemeinsamen regulatorischen Rahmens und Rechtssicherheit für Interessierte innerhalb der elektronischen Kommunikationsmärkte im EWR sicherzustellen.
(5) Die Rahmenrichtlinie schafft einen rechtlichen Rahmen für den Sektor der elektronischen Kommunikation, der unter anderem Konvergenzentwicklungen Rechnung tragen soll, indem sämtliche elektronischen Netze und Dienste vom Geltungsbereich der Richtlinie abgedeckt werden. Der Rechtsrahmen zielt unter anderem darauf ab, die sektorspezifische Vorabregulierung in dem Maße abzubauen, wie sich der Wettbewerb auf den Märkten entwickelt, und letztendlich die elektronische Kommunikation nur noch durch das Wettbewerbsrecht zu regeln.
(6) Artikel 15 der Rahmenrichtlinie sieht vor, dass die Überwachungsbehörde nach Anhörung der Öffentlichkeit und der nationalen Regulierungsbehörden eine Empfehlung in Bezug auf relevante Produkt- und Dienstmärkte erlässt.
(7) Im Einklang mit diesem Ziel werden in dieser Empfehlung Produkt- und Dienstmärkte festgelegt, die nach Artikel 15 Absatz 1 der Rahmenrichtlinie für eine Vorabregulierung in Betracht kommen. Jede Vorabregulierung dient letztlich dazu, im Interesse der Endnutzer einen nachhaltigen wirksamen Wettbewerb auf den Endkundenmärkten sicherzustellen. Es ist davon auszugehen, dass die nationalen Regulierungsbehörden mit der Zeit immer mehr Endkundenmärkte auch ohne eine Regulierung auf der Vorleistungsebene als wettbewerbsorientiert werden einstufen können, insbesondere angesichts der in den Bereichen Innovation und Wettbewerb zu erwartenden Verbesserungen.
(8) Da sich die Merkmale von Produkten und Diensten verändern können und dadurch möglicherweise neue Substitutionsmöglichkeiten auf der Angebots- und der Nachfrageseite entstehen, kann sich die Definition relevanter Märkte im Laufe der Zeit ändern. Da die Empfehlung 2008 der Überwachungsbehörde bereits seit über sieben Jahren in Kraft ist, sollte sie nun entsprechend den Marktentwicklungen seit ihrer Annahme überarbeitet werden. Diese Empfehlung ersetzt daher die Empfehlung 2008 der Überwachungsbehörde und gibt den nationalen Regulierungsbehörden eine Orientierungshilfe für künftige Marktüberprüfungen an die Hand.
(9) Artikel 15 Absatz 1 der Rahmenrichtlinie sieht vor, dass die Überwachungsbehörde diejenigen Märkte für elektronische Kommunikationsprodukte und -dienste aufgeführt, deren Merkmale die Auferlegung der in den Einzelrichtlinien dargelegten Verpflichtungen rechtfertigen können. Die Grundsätze des Wettbewerbsrechts werden deshalb in dieser Empfehlung angewandt, um Produktmärkte im Sektor der elektronischen Kommunikation zu definieren.
(10) Nach Artikel 15 Absatz 3 der Rahmenrichtlinie legen die nationalen Regulierungsbehörden unter weitestgehender Berücksichtigung dieser Empfehlung und der Leitlinien die relevanten Märkte entsprechend den nationalen Gegebenheiten - insbesondere der innerhalb ihres Hoheitsgebiets relevanten geografischen Märkte - im Einklang mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts fest.
(11) Nach Artikel 16 Absatz 3 der Rahmenrichtlinie werden Vorabverpflichtungen nur Märkten auferlegt, auf denen noch kein wirksamer Wettbewerb herrscht. Wie im Erwägungsgrund 27 der Richtlinie erläutert, sind dies Märkte, auf denen es ein oder mehrere Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gibt und die Instrumente des nationalen und des EWR-Wettbewerbsrechts nicht ausreichen, um das Problem zu lösen. Die Untersuchung der tatsächlichen Wettbewerbssituation sollte auch eine Klärung der Frage umfassen, ob der Markt potenziell wettbewerbsorientiert ist und somit ob das Fehlen eines wirksamen Wettbewerbs ein dauerhaftes Phänomen ist.
(12) Bei der Festlegung der Vorleistungsmärkte, die für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, bildet die Analyse der entsprechenden Endkundenmärke sowohl für die Überwachungsbehörde als auch für die nationalen Regulierungsbehörden den Ausgangspunkt. Diese Analyse der Endkundenmärkte erfolgt vorausschauend unter Berücksichtigung der nachfrageseitigen und gegebenenfalls der angebotsseitigen Substituierbarkeit über einen bestimmten Zeitraum. Bei der Definition relevanter Märkte nach Artikel 15 Absatz 3 der Rahmenrichtlinie sollten die nationalen Regulierungsbehörden ein geografisches Gebiet ermitteln, in dem die Wettbewerbsbedingungen einander gleichen oder hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten, in denen deutlich andere Wettbewerbsbedingungen herrschen, unterscheidet; dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der potenzielle Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht in seinem Netzgebiet einheitlich handelt oder ob er auf merklich unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen stößt, sodass seine Tätigkeit in einigen Bereichen beschränkt wird, in anderen jedoch nicht.
(13) Es sollte geprüft werden, ob auf den Endkundenmärkten ohne eine Regulierung, die auf der Feststellung beträchtlicher Marktmacht beruht, in der Vorausschau ein wirksamer Wettbewerb herrscht. Zudem sollten bei der Analyse die Auswirkungen anderer Vorschriften, die im gesamten fraglichen Zeitraum auf die relevanten Endkunden- und damit verbundenen Vorleistungsmärkte anwendbar sind, berücksichtigt werden.
(14) Bei der Durchführung der Marktanalyse nach Artikel 16 der Rahmenrichtlinie sollten Märkte in der Vorausschau und ausgehend von den bestehenden Marktverhältnissen geprüft werden. Im Rahmen der Analyse sollte unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen oder absehbaren Marktentwicklungen ermittelt werden, ob der Markt in der Vorausschau wettbewerbsorientiert ist, ob also der fehlende Wettbewerb von Dauer sein wird 7.
(15) Herrscht in der Vorausschau ohne eine Vorabregulierung kein wirksamer Wettbewerb auf dem fraglichen Endkundenmarkt, sollte der betreffende Vorleistungsmarkt, der für eine Vorabregulierung nach Artikel 16 der Rahmenrichtlinie in Betracht kommt, analysiert werden. Bei der Marktabgrenzung und der Analyse der Marktmacht auf einem bestimmten relevanten Vorleistungsmarkt zur Feststellung, ob dieser tatsächlich durch Wettbewerb gekennzeichnet ist, sollte der direkte und indirekte Wettbewerbsdruck berücksichtigt werden, und zwar unabhängig davon, ob der Wettbewerbsdruck durch elektronische Kommunikationsnetze, elektronische Kommunikationsdienste oder andere Arten von Diensten oder Anwendungen, die aus Endnutzersicht vergleichbar sind 8, ausgeht. Wird bei dem betreffenden Markt in der Vorausschau ohne eine Vorabregulierung der entsprechenden relevanten Märkte dagegen ein wirksamer Wettbewerb festgestellt, sollte die nationale Regulierungsbehörde zu dem Ergebnis kommen, dass auf der Vorleistungsebene keine Regulierung mehr benötigt wird. In einem solchen Fall sollte der entsprechende relevante Vorleistungsmarkt auf eine Aufhebung der Vorabregulierung hin geprüft werden. Wenn Vorleistungsmärkte in der Lieferkette vertikal miteinander verbunden sind, sollte zunächst der Vorleistungsmarkt geprüft werden, der sich in Bezug auf den fraglichen Endkundenmarkt an der Spitze der vorgelagerten Märkte befindet.
(16) Die im Anhang aufgeführten Vorleistungsmärkte können Merkmale aufweisen, die eine Vorabregulierung rechtfertigen, da sie die drei nachstehenden Kriterien erfüllen, die bereits in den früheren Fassungen dieser Empfehlung herangezogen wurden, um Märkte festzulegen, die für eine Vorabregulierung in Betracht kommen. Erstens ist zu prüfen, ob beträchtliche anhaltende Zugangshindernisse bestehen. Angesichts des dynamischen Charakters und der Funktionsweise der Märkte der elektronischen Kommunikation ist jedoch bei der Erstellung einer vorausschauenden Analyse zur Festlegung der relevanten Märkte, die für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, zu berücksichtigen, dass Zutrittsschranken möglicherweise in einem relevanten Zeitraum abgebaut werden können. Anhand des zweiten Kriteriums wird untersucht, ob eine Marktstruktur innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu wirksamem Wettbewerb tendiert. Bei der Zugrundelegung dieses Kriteriums ist der Stand des Infrastrukturwettbewerbs und des sonstigen Wettbewerbs hinter den Zutrittsschranken zu prüfen. Das dritte Kriterium ist erfüllt, wenn dem betreffenden Marktversagen mit wettbewerbsrechtlichen Mitteln allein nicht angemessen entgegengewirkt werden kann. Die wichtigsten Indikatoren, die bei der Prüfung des ersten und zweiten Kriteriums zu berücksichtigen sind, sind mit denen vergleichbar, die im Rahmen einer vorausschauenden Marktanalyse zur Ermittlung des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht herangezogen werden. Dies sind insbesondere Zutrittsschranken bei fehlender Regulierung (einschließlich des Umfangs der versunkenen Kosten), die Marktstruktur, das Marktergebnis und die Marktdynamik, einschließlich der Marktanteile und -trends, der Marktpreise und Marktpreisentwicklungen, sowie die Größe und Abdeckung konkurrierender Netze oder Infrastrukturen.
(17) Hinsichtlich des ersten Kriteriums sind für die Zwecke dieser Empfehlung zwei Arten von Zutrittsschranken relevant: strukturelle Zutrittsschranken und rechtliche oder regulatorische Zutrittsschranken. Strukturelle Zugangshindernisse ergeben sich aus der anfänglichen Kosten- oder Nachfragesituation, die zu einem Ungleichgewicht zwischen etablierten Betreibern und Einsteigern führt, deren Marktzugang so behindert oder verhindert wird. Beträchtliche strukturelle Hindernisse liegen beispielsweise vor, wenn absolute Kostenvorteile, erhebliche mengen- und/oder größenbedingte Vorteile, Kapazitätsengpässe und hohe versunkene Vergangenheit für den Markt charakteristisch sind. Ein entsprechendes strukturbedingtes Hindernis kann auch vorliegen, wenn die Bereitstellung eines Dienstes eine Netzkomponente erfordert, die sich technisch nicht oder nur zu hohen Kosten nachbauen lässt, sodass der Dienst für Mitbewerber unrentabel wird.
(18) Rechtliche und regulatorische Zutrittsschranken sind nicht auf ökonomische Bedingungen zurückzuführen, sondern ergeben sich aus legislativen, administrativen oder sonstigen Maßnahmen, die sich unmittelbar auf die Zutrittsbedingungen und/oder die Position von Betreibern auf dem relevanten Markt auswirken. Ein Beispiel für rechtliche oder regulatorische Zutrittsschranken, die den Zutritt zum Markt erschweren oder verhindern, ist eine nur begrenzte Anzahl von Unternehmen, die Zugang zu Frequenzen für die Bereitstellung grundlegender Dienste hat. Weitere Beispiele sind Preiskontrollen oder anderweitige preisspezifische Maßnahmen, die den Unternehmen auferlegt werden und sich nicht nur auf ihren Zugang, sondern auch auf ihre Stellung auf dem Markt auswirken. Rechtliche und regulatorische Zutrittsschranken, die in dem relevanten Zeitraum voraussichtlich beseitigt werden können, sollten normalerweise nicht als Zutrittsschranken im Sinne des ersten Kriteriums angesehen werden.
(19) Zutrittsschranken können bei innovativen, von stetigem technischen Fortschritt gekennzeichneten Märkten an Relevanz verlieren. Hier entsteht ein Wettbewerbsdruck häufig durch bevorstehende Innovationen möglicher Mitbewerber, die derzeit noch nicht auf dem Markt präsent sind. Auf derart innovationsbestimmten Märkten kann ein dynamischer oder längerfristiger Wettbewerb unter Firmen stattfinden, die nicht zwangsläufig auf einem vorhandenen "statischen" Markt miteinander konkurrieren. In dieser Empfehlung werden Märkte festgelegt, auf denen bestimmte Zutrittsschranken in absehbarer Zeit voraussichtlich bestehen bleiben. Bei der Entscheidung der Frage, ob Zutrittsschranken ohne Regulierung voraussichtlich weiterbestehen werden, ist zu prüfen, ob in der Branche Markteintritte häufig und erfolgreich stattfinden und ob ausreichend schnelle und andauernde Markteintritte die Marktmacht begrenzen können oder dies in Zukunft zu erwarten ist. Die Bedeutung der Zutrittsschranken hängt unter anderem von der für eine effiziente Tätigkeit erforderlichen Mindestleistung ("minimum efficient scale of output") und den versunkenen Kosten ab.
(20) Selbst auf einem Markt mit beträchtlichen Zutrittsschranken können andere strukturelle Faktoren bewirken, dass sich auf dem Markt innerhalb eines relevanten Zeitraums dennoch wirksamer Wettbewerb entwickelt. Ein Trend zu wirksamem Wettbewerb anhand des zweiten Kriteriums bedeutet, dass der Markt entweder innerhalb des Überprüfungszeitraums ohne eine Vorabregulierung den Status eines Marktes mit wirksamem Wettbewerb erreicht oder diesen Status nach diesem Zeitraum erreichen wird, sofern es für diesen Zeitraum Belege für eine positive Dynamik gibt. Eine Marktdynamik kann zum Beispiel aufgrund technischer Entwicklungen oder der Konvergenz von Produkten und Märkten entstehen, was dazu führen kann, dass auf verschiedenen Produktmärkten tätige Betreiber Wettbewerbsdruck aufeinander ausüben. Dies kann auch auf Märkten mit einer begrenzten - aber hinreichenden - Anzahl von Unternehmen mit unterschiedlichen Kostenstrukturen der Fall sein, die sich mit einer preiselastischen Nachfrage konfrontiert sehen. Ferner kann es einen Kapazitätsüberschuss auf einem Markt geben, der es konkurrierenden Firmen normalerweise ermöglichen würde, ihre Produktion als Reaktion auf eine Preiserhöhung sehr rasch zu erhöhen. Auf solchen Märkten können sich die Marktanteile mit der Zeit verändern und/oder die Preise sinken.
(21) Das dritte Kriterium dient der Bewertung der Angemessenheit der Abhilfemaßnahmen, die nach dem Wettbewerbsrecht auferlegt werden können, um einem festgestellten anhaltenden Marktversagen zu begegnen, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass Vorabverpflichtungen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht wirksam verhindern können. Wettbewerbsrechtliche Eingriffe reichen wahrscheinlich nicht aus, wenn z.B. im Rahmen einer Maßnahme zur Behebung eines anhaltenden Marktversagens umfassende Anforderungen zu erfüllen sind oder wenn häufig und/oder schnell eingegriffen werden muss. Die Vorabregulierung sollte daher als angemessene Ergänzung zum Wettbewerbsrecht angesehen werden, wenn wettbewerbsrechtliche Mittel allein nicht ausreichen würden, um ein festgestelltes anhaltendes Marktversagen angemessen zu beheben.
(22) Die Anwendung dieser drei kumulativen Kriterien dürfte die Anzahl der Märkte im Sektor der elektronischen Kommunikation begrenzen, womit zur Erreichung eines der Ziele des Rechtsrahmens - nämlich dem Ziel, die sektorspezifischen Vorabverpflichtungen in dem Maße abzubauen, wie sich der Wettbewerb auf den Märkten entwickelt - beigetragen wird. Wird eines der drei Kriterien nicht erfüllt, so deutet dies darauf hin, dass der Markt nicht als Markt festgelegt werden sollte, für den eine Vorabregulierung in Betracht kommt.
(23) Eine Vorabregulierung auf der Vorleistungsebene sollte als ausreichend angesehen werden, um potenzielle Wettbewerbsprobleme auf den verbundenen nachgelagerten Märkten zu beheben. Nachgelagerte Märkte sollten nur dann einer Vorabregulierung unterzogen werden, wenn der Wettbewerb auf dem betreffenden Markt trotz der Vorabregulierung auf dem verbundenen vorgelagerten Markt immer noch beträchtliche Marktmacht aufweist. Angesichts der Fortschritte, die dank der Regulierung beim Wettbewerb erreicht wurden, werden in dieser Empfehlung nur relevante Vorleistungsmärkte festgelegt. Es wird davon ausgegangen, dass durch die Regulierung dieser Märkte ein Mangel an wirksamem Wettbewerb auf der Vorleistungsebene, der wiederum die Ursache für festgestelltes Marktversagen auf den Endkundenmärkten ist, behoben werden kann. Weist eine nationale Regulierungsbehörde dennoch nach, dass Maßnahmen auf Vorleistungsmärkten erfolglos geblieben sind, kann eine Vorabregulierung des betreffenden Endkundenmarkts angezeigt sein, sofern die nationale Regulierungsbehörde festgestellt hat, dass der nach dieser Empfehlung vorgeschriebene Drei-Kriterien-Test positiv ausgefallen ist.
(24) Die im Anhang aufgeführten Märkte wurden anhand der genannten drei kumulativen Kriterien festgelegt. Die nationalen Regulierungsbehörden sollten von der Annahme ausgehen, dass die drei Kriterien auf diesen Märkten erfüllt sind. Kommt eine nationale Regulierungsbehörde jedoch zu dem Schluss, dass ohne eine Regulierung auf der Vorleistungsebene auf dem definierten Endkundenmarkt nachhaltiger Wettbewerb herrscht, sollte sie auch zu dem Schluss kommen, dass eine Vorabregulierung auf der Vorleistungsebene nicht mehr erforderlich ist.
(25) Bei den im Anhang aufgeführten Märkten kann eine nationale Regulierungsbehörde es dennoch für angebracht halten, auf der Grundlage der nationalen Gegebenheiten ihren eigenen Drei-Kriterien-Test anzuwenden. Eine nationale Regulierungsbehörde kann zu dem Ergebnis kommen, dass der Drei-Kriterien-Test im Rahmen der nationalen Gegebenheiten erfüllt ist oder nicht. Sind die Kriterien des Drei-Kriterien-Tests bei einem bestimmten in dieser Empfehlung aufgeführten Markt nicht erfüllt, sollte die nationale Regulierungsbehörde keine Regulierungsverpflichtungen in diesem Markt auferlegen.
(26) Die nationalen Regulierungsbehörden können andere Märkte als die in dieser Empfehlung genannten festlegen und dem Drei-Kriterien-Test unterziehen. Ist eine nationale Regulierungsbehörde zu dem Schluss gekommen, dass ohne eine Vorabregulierung in einem bestimmten Markt kein wirksamer Wettbewerb herrscht, und beabsichtigt sie, den entsprechenden Vorleistungsmarkt zu regulieren, und ist dieser Markt nicht in der Empfehlung aufgeführt, sollte sie in jedem Fall den Drei-Kriterien-Test durchführen. In einem solchen Fall muss zunächst der Vorleistungsmarkt analysiert werden, der sich im Verhältnis zum fraglichen Endkundenmarkt an der Spitze der vertikalen Lieferkette befindet. Eine nationale Regulierungsbehörde sollte die Märkte, die im Verhältnis zu einem regulierten vorgelagerten Input nachgelagert sind, schrittweise bis zum Endkundenmarkt prüfen, um festzustellen, ob auf ihnen bei einer Regulierung im vorgelagerten Bereich wirksamer Wettbewerb herrschen würde.
(27) Die in den Anhängen der Empfehlung der Überwachungsbehörde vom 14. Juli 2004 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die für eine Vorabregulierung in Betracht kommen 9, und der Empfehlung 2008 der Überwachungsbehörde aufgeführten Märkte, die im Anhang dieser Empfehlung nicht mehr genannt sind, sollten, wenn sie gegenwärtig nach Maßgabe der nationalen Gegebenheiten reguliert werden, von den nationalen Regulierungsbehörden ebenfalls anhand des Drei-Kriterien-Tests geprüft werden, um auf der Grundlage dieser nationalen Gegebenheiten festzustellen, ob diese Märkte noch immer für eine Vorabregulierung in Betracht kommen.
(28) Neu entstehende Märkte sollten gemäß der Rahmenrichtlinie keinen unangemessenen Vorabregulierungsverpflichtungen unterworfen werden, selbst wenn Marktvorreiter über Wettbewerbsvorteile verfügen. Als neu entstehende Märkte gelten Märkte, auf denen sich die Nachfrage-, Angebots- und Markzutrittsbedingungen aufgrund der Neuartigkeit der Produkte oder Dienste nur sehr schwer vorhersagen lassen und somit die Anwendung des Drei-Kriterien-Tests schwierig ist. Diese Märkte werden deshalb keinen unangemessenen Vorabregulierungsverpflichtungen unterworfen, um gemäß Artikel 8 der Rahmenrichtlinie die Innovation zu fördern; gleichzeitig ist eine Abschottung der Märkte durch den Marktführer zu verhindern, wie dies bereits in den Leitlinien der Überwachungsbehörde zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht 10 dargelegt ist. Ein schrittweise erfolgender Ausbau bestehender Netzinfrastrukturen geht nur selten mit einem neuen oder sich abzeichnenden Markt einher. Die mangelnde Substituierbarkeit eines Produkts muss sowohl aus Nachfrage- als auch aus Angebotssicht festgestellt worden sein, bevor gefolgert werden kann, dass das Produkt keinem bereits bestehenden Markt zuzuordnen ist. Das Entstehen neuer Endkundendienste kann zu einem neuen abgeleiteten Vorleistungsmarkt führen, soweit diese Endkundendienste nicht mit Hilfe von Produkten erbracht werden können, für die es bereits einen Vorleistungsmarkt gibt.
(29) Die nationalen Regulierungsbehörden stellen die Ergebnisse des Drei-Kriterien-Tests, der im Einklang mit dieser Empfehlung durchgeführt wird und in den Anwendungsbereich des Artikels 7 Absatz 3 der Rahmenrichtlinie fällt, der Überwachungsbehörde und den übrigen nationalen EWR-Regulierungsbehörden zur Verfügung. Wird eine geplante Maßnahme, die den Handel zwischen EFTA-Staaten im Sinne des Erwägungsgrunds 38 der Rahmenrichtlinie beeinträchtigt, nicht gemeldet, so kann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den betreffenden EFTA-Staat eingeleitet werden.
(30) Unter den im Anhang dieser Empfehlung genannten Märkten sind zwei Märkte, die in der Empfehlung 2008 der Überwachungsbehörde enthalten waren (Markt 1 und 2), nicht mehr aufgeführt, da sie die drei Kriterien des Tests nicht mehr erfüllen. Da es gewisse Unterschiede zwischen den EFTA-Staaten in Bezug auf die Geschwindigkeit der erwarteten oder absehbaren Marktentwicklungen gibt, die dieser Feststellung auf EWR-Ebene zugrunde liegen, kann es durch besondere nationale Gegebenheiten gerechtfertigt sein, dass eine nationale Regulierungsbehörde feststellt, dass auf dem Markt 1 der Empfehlung 2008 der Überwachungsbehörde oder auf anderen Endkundenmärkten, die mit dem Markt 2 der Empfehlung 2008 der Überwachungsbehörde zusammenhängen, in der Vorausschau ohne angemessene und verhältnismäßige Abhilfemaßnahmen auf Vorleistungsebene noch kein wirksamer Wettbewerb herrscht. Die nationalen Regulierungsbehörden könnten somit eine Beibehaltung der Vorabregulierung auf der Vorleistungsebene rechtfertigen, sofern der Drei-Kriterien-Test angesichts der nationalen Gegebenheiten für den nachfolgenden Überprüfungszeitraum erfüllt ist. Die übrigen Märkte der Empfehlung 2008 der Überwachungsbehörde erfordern nach wie vor eine Vorabregulierung, obwohl die Abgrenzung der Märkte 4, 5 und 6 der Empfehlung 2008 der Überwachungsbehörde geändert wurde. Die nationalen Regulierungsbehörden berücksichtigen bei der Abgrenzung dieser Märkte die nationalen Gegebenheiten.
(31) Die Öffentlichkeit sowie die nationalen Regulierungsbehörden und andere nationale Behörden in den EFTA-Staaten wurden zu dieser Empfehlung konsultiert 11
- empfiehlt:
Brüssel, den 11. Mai 2016.
2) ABl. Nr. L 108 vom 24.04.2002 S. 33.
3) Empfehlung der EFTA-Überwachungsbehörde vom 5. November 2008 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund des in Anhang XI Ziffer 5cl des EWR-Abkommens genannten Rechtsakts (Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste) in der mit Protokoll 1 zum EWR-Abkommen und durch die sektoralen Anpassungen in Anhang XI zu diesem Abkommen geänderten Fassung für eine Vorabregulierung in Betracht kommen (ABl. C 156 vom 09.07.2009 S. 18. und EWR-Beilage Nr. 36 vom 09.07.2009 S. 1).
4) Leitlinien der EFTA-Überwachungsbehörde vom 14. Juli 2004 zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste gemäß Anhang XI des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. C 101 vom 27.04.2006 S. 1. und EWR-Beilage Nr. 21 vom 27.04.2006 S. 1), im Folgenden "Leitlinien der Überwachungsbehörde zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht".
5) Empfehlung 2014/710/EU der Kommission vom 9. Oktober 2014 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen (ABl. Nr. L 295 vom 11.10.2014 S. 79).
6) Vierter Erwägungsgrund der Präambel zum EWR-Abkommen.
7) Randnummer 20 der Leitlinien der Überwachungsbehörde zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht. Vgl. Fußnote 4.
8) Wie beispielsweise Over-the-Top-Dienste ("OTT-Dienste"), die heute zwar noch nicht als direkte Substitute für Dienste, die Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste bereitstellen, angesehen werden können, die jedoch angesichts der technischen Entwicklungen in den kommenden Jahren ein stetiges Wachstum verzeichnen werden.
9) Empfehlung der EFTA-Überwachungsbehörde vom 14. Juli 2004 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund des in Anhang XI Ziffer 5cl des EWR-Abkommens genannten Rechtsakts (Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste) in das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum aufgenommen und durch die Entscheidung 194/04/COL angenommen wurden und für eine Vorabregulierung in Betracht kommen.
10) Vgl. Fußnote 4.
11) Die Konsultation fand vom 4. Februar bis zum 18. März 2016 statt.
Anhang |
Markt 1 | : | Anrufzustellung auf der Vorleistungsebene in einzelnen öffentlichen Telefonnetzen an festen Standorten |
Markt 2 | : | Anrufzustellung auf der Vorleistungsebene in einzelnen Mobilfunknetzen |
Markt 3 | : |
|
Markt 4 | : | Auf der Vorleistungsebene an festen Standorten bereitgestellter Zugang von hoher Qualität |
ENDE |