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Regelwerk, EU 2023, Chemikalien - EU Bund
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Durchführungsbeschluss (EU) 2023/2630 der Kommission vom 27. November 2023 in Bezug auf die ungelösten Einwände hinsichtlich der Bedingungen für die Erteilung einer Zulassung für das Produkt Procalx gemäß der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2023) 7956)
(Text von Bedeutung für den EWR)

(ABl. L 2023/2630 vom 29.11.2023)



Ergänzende Informationen
Liste zur Genehmigung/Zulassung und Nichtgenehmigung Wirkstoffe bzw. alter/neuer Wirkstoffe zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten ... (gestützt auf die VO (EU) 528/2012)

Die Europäische Kommission -

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten 1, insbesondere auf Artikel 36 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Am 30. April 2018 stellte Seacalx AS (im Folgenden "Antragsteller") bei den zuständigen Behörden Lettlands, Norwegens und des Vereinigten Königreichs gemäß Artikel 34 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 einen Antrag auf zeitlich parallele gegenseitige Anerkennung des Produkts Procalx (im Folgenden "Produkt"). Das Produkt ist zur Verwendung als Desinfektionsmittel der Produktart 3 (Hygiene im Veterinärbereich) gemäß Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 bestimmt und enthält als Wirkstoff Calciumoxid. Lettland ist der Referenzmitgliedstaat, der gemäß Artikel 34 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 für die Bewertung des Antrags zuständig ist.

(2) Bei dem Produkt handelt es sich um ein verstäubbares Pulver, das von berufsmäßigen Verwendern in der Aquakultur in teilgeschlossenen Netzgehegen verwendet werden soll, um die frei schwimmenden Stadien der Lachslaus (Lepeophtheirus salmonis) zu reduzieren. Die Lachslaus ist eine auf Lachs lebende Ruderfußkrebsart, die sich von der Haut und dem Blut der Fische ernährt, um zu überleben. Sie hat ein kurzes, frei schwimmendes Larvenstadium, in dem sie einen Wirt finden und sich an ihn anheften muss. Das Produkt ist über der Wasseroberfläche in den Netzgehegen, in denen der Lachs lebt, anzuwenden. Während es sich in der Wassersäule verteilt, kommt das Produkt mit den frei schwimmenden Lachsläusen in Berührung und tötet sie ab.

(3) Am 3. August 2020 übermittelte Norwegen der Koordinierungsgruppe gemäß Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 Einwände, denen zufolge das Produkt nicht in den Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 falle und daher nicht die Bedingungen gemäß Artikel 19 der genannten Verordnung erfüllen und somit nicht als Biozidprodukt zugelassen werden könne.

(4) Lettland ist der Auffassung, dass der Zweck des Produkts darin besteht, bestimmte Schadorganismen (Lachsläuse) zu zerstören, abzuschrecken, zu neutralisieren oder unschädlich zu machen sowie die Auswirkungen solcher Schadorganismen in dem Lebensraum der Fische zu verhindern oder zu bekämpfen, bevor diese sich an die Fische heften und sie infizieren, sodass das Produkt eine Funktion der allgemeinen Desinfektion des Wassers, in dem die Fische gehalten werden, hat und daher als Biozidprodukt der Produktart 3 betrachtet werden sollte. Lettland verwies auch auf den Vermerk Doc-biocides-2002/01 über die Abgrenzung zwischen Biozidprodukten und Tierarzneimitteln 2, der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten für die Richtlinien 98/8/EG 3, 2001/83/EG 4 und 2001/82/EG 5 des Europäischen Parlaments und des Rates vereinbart wurde. In diesem Vermerk heißt es, dass Produkte, die zur externen Abtötung von Ektoparasiten durch Behandlung der Anlagen und nicht des Tiers selbst in Bereichen verwendet werden, in denen Tiere untergebracht sind, gehalten oder befördert werden, als Biozidprodukte eingestuft werden; dies gilt auch für Fälle, in denen die Produkte wirken sollen, während sich die Tiere in den Anlagen befinden.

(5) Norwegen ist der Auffassung, dass das Produkt aufgrund des Wirksamkeitsanspruchs und der bestimmungsgemäßen Verwendung nicht als Biozidprodukt betrachtet werden kann, sondern vielmehr aufgrund seiner Aufmachung ein Tierarzneimittel ist, das in den Geltungsbereich der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates 6 fällt. Norwegen zufolge ist die Anwendung des Produkts zur Verringerung der Anzahl frei schwimmender Lachsläuse im Wasser auch ohne ausdrückliche Angabe einer medizinischen Wirkung als vorbeugende oder kurative Behandlung zu betrachten, die darauf abzielt, den Befall mit Lachsläusen - der bei Lachs eine Krankheit darstellt - zu verhindern oder zu verringern, und sie dient nicht nur zur Desinfektion des Wassers, in dem der Lachs lebt. Verwender erwarten, dass das Produkt einen Befall mit Lachsläusen behandelt oder verhindert, auch wenn keine Angabe einer therapeutischen oder präventiven Wirkung vorliegt. Norwegen weist darauf hin, dass, wie im Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-319/05 7 ausgeführt, "ein Erzeugnis [...] "als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet" wird, wenn es, gegebenenfalls auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich, ausdrücklich als ein solches "bezeichnet" oder "empfohlen" wird" oder "wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass dieses Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse". Nach Angaben Norwegens würden Fischzüchter keine Kosten auf sich nehmen, um die frei schwimmenden Lebensstadien von Krebstieren im Allgemeinen zu verringern, und der einzige Grund, diese Kosten auf sich zu nehmen, sei die erwartete Verringerung des anschließenden Lachslausbefalls. Darüber hinaus weist Norwegen darauf hin, dass das Produkt denselben Verabreichungsweg hat wie mehrere Tierarzneimittel, die für die Behandlung gegen einen Lachslausbefall zugelassen sind. Norwegen ist ferner der Ansicht, dass das Wasser, in dem sich die Fische aufhalten, nicht unter die Definition einer Tierhaltungseinrichtung fällt.

(6) Da in der Koordinierungsgruppe keine Einigung erzielt wurde, befasste Lettland am 26. Oktober 2020 gemäß Artikel 36 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 die Kommission mit dem ungelösten Einwand. Lettland übermittelte der Kommission gleichzeitig eine detaillierte Darstellung des Punktes, über den keine Einigung unter den Mitgliedstaaten erzielt werden konnte, sowie die Gründe für die unterschiedlichen Auffassungen. Eine Kopie dieser Darstellung wurde den betroffenen Mitgliedstaaten und dem Antragsteller übermittelt.

(7) Gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a erster Gedankenstrich der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 umfasst die Begriffsbestimmung von Biozidprodukt "jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen".

(8) Das Produkt enthält Calciumoxid, bei dem es sich um einen Wirkstoff im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 handelt und das zur Vernichtung von Schadorganismen im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g der genannten Verordnung bestimmt ist, da die Krebstiere, auf die es abzielt (Lepeophtheirus salmonis), unerwünscht oder für Tiere schädlich sind.

(9) Gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 ist eine Liste der unter diese Verordnung fallenden Arten von Biozidprodukten mit ihrer Beschreibung in Anhang V der genannten Verordnung aufgeführt. Aus Artikel 4 Absätze 2 und 3, Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe j der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 lässt sich ableiten, dass die Zuweisung zu einer entsprechenden Produktart ein integraler und wesentlicher Bestandteil der Genehmigung eines Wirkstoffs und der Zulassung von Biozidprodukten ist.

(10) Die Produktart 3 (Hygiene im Veterinärbereich) umfasst der Beschreibung in Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zufolge "Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich wie Desinfektionsmittel, desinfizierende Seifen, Produkte für Körper- und Mundhygiene oder mit antimikrobieller Funktion" sowie "Produkte zur Desinfektion von Materialien und Oberflächen im Zusammenhang mit der Unterbringung oder Beförderung von Tieren". Die Desinfektion ist definitionsgemäß ein Verfahren zur Vernichtung oder Inaktivierung von Mikroorganismen. Obwohl die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 keine Definition für "Desinfektionsmittel" oder "Desinfektion" umfasst, ist es eindeutig, dass Krebstiere nicht in den Anwendungsbereich von Desinfektionsverfahren gemäß der genannten Verordnung fallen, da in der Verordnung eine andere Produktart für Produkte, die unter anderem Krebstiere bekämpfen (Produktart 18 - Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden), festgelegt ist, die zu einer anderen Hauptgruppe von Produkten als Desinfektionsmittel (Hauptgruppe 3 - Schädlingsbekämpfungsmittel) gehört. Daraus folgt, dass die Verwendung eines Produkts zur Bekämpfung von Ruderfußkrebsen, bei denen es sich nicht um Mikroorganismen handelt, keine Desinfektion darstellt. Konkret bedeutet das, dass es sich nicht um eine Verwendung zur allgemeinen Desinfektion des Wassers, in dem Fische leben, handelt, wie sie Lettland dem Produkt zugeschrieben hat. Gemäß den Leitlinien der Europäischen Chemikalienagentur zur Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Volume II: Efficacy, Parts B+C: Assessment and evaluation) 8 ist ein Desinfektionsmittel ein Produkt, das die Zahl der Mikroorganismen in oder auf einer unbelebten Matrix auf ein Niveau reduziert, das für einen bestimmten Zweck als geeignet erachtet wird.

(11) Gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 darf ein Biozidprodukt, das nicht für das vereinfachte Verfahren gemäß Artikel 25 in Betracht kommt, nur zugelassen werden, wenn die Wirkstoffe in Anhang I aufgenommen oder für die betreffende Produktart genehmigt sind. Calciumoxid ist zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktart 2 (Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind) und der Produktart 3 (Hygiene im Veterinärbereich) genehmigt. Die Verwendung von Calciumoxid in Biozidprodukten der Produktart 18 (Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden) ist jedoch weder genehmigt noch wird eine Bewertung diesbezüglich durchgeführt.

(12) Um als Biozidprodukt der Produktart 18 zugelassen werden zu können, müsste der Wirkstoff Calciumoxid zunächst bewertet und für die Verwendung in Biozidprodukten der Produktart 18 genehmigt werden. Wenn die vorgeschlagenen Bedingungen für die Verwendung des Produkts als Insektizid jedoch zu glaubhaften Hinweisen dafür führen könnten, dass das Produkt in den Geltungsbereich der Verordnung (EU) 2019/6 fällt, und falls diese Hinweise bestätigt werden, sollte das Produkt gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 nicht in den Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 fallen.

(13) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen und wenngleich der Schluss gezogen werden könnte, dass das Produkt der Begriffsbestimmung eines Biozidprodukts im Hinblick auf die Produktart 18 gemäß Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 entspricht, ist die Kommission der Auffassung, dass das Produkt nicht der Beschreibung eines Biozidprodukts der Produktart 3 entspricht und die Bedingungen für die Zulassung unter dieser Produktart nicht erfüllt.

(14) Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Biozidprodukte

- hat folgenden Beschluss erlassen:

Artikel 1

Das mit der Nummer BC-EN039355-34 in das Register für Biozidprodukte eingetragene Produkt erfüllt die Voraussetzungen für eine Zulassung gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 nicht.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 27. November 2023

1) ABl. L 167 vom 27.06.2012 S. 1.

2) "Guidance document on Borderline between Directive 98/8/EC concerning the placing on the market of biocidal products, Directive 2001/83/EC concerning medicinal products for human use and Directive 2001/82/EC concerning veterinary medicinal products", Fassung vom 08.01.2008.

3) Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (ABl. L 123 vom 24.04.1998 S. 1).

4) Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001 S. 67).

5) Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001 S. 1).

6) Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 07.01.2019 S. 43).

7) Urteil des Gerichtshofs vom 15. November 2007, Kommission/Deutschland, C-319/05, ECLI:EU:C:2007:678, Rn. 44 bis 46.

8) European Chemicals Agency, Guidance on the Biocidal Products Regulation, Volume II Efficacy - Assessment and Evaluation (Parts B+C), Version 5.0, November 2022, https://echa.europa.eu/documents/10162/2324906/bpr_guidance_assessment_evaluation_part_vol_ii_part_bc_en.pdf/ae2e9a18-82ee-2340-9354-d82913543fb9?t=1667389376408, page 24.


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