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Bekanntmachung der Sicherheitsanforderungen für Seeschiffe auf Probefahrten
Vom 03.02.2021
(Vkbl. Nr. 4 vom 27.02.2021 S. 0110)
Probefahrten sind unverzichtbar zur Erprobung der sicherheitsrelevanten Ausrüstung, Einrichtungen und der Eigenschaften des Schiffes. Ziel dieser Regelung ist, klare Sicherheitsanforderungen für diese Fahrten vorzugeben, um Gefahren für Schiffe, die Schifffahrt oder Schifffahrtseinrichtungen, die Gesundheit, die Küste oder die Umwelt abzuwenden. Der rechtliche Anknüpfungspunkt für eine Probefahrtbescheinigung ist Abschnitt A.5 der Anlage 2 (zu § 9) der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV).
Die Sicherheitsanforderungen für Seeschiffe auf Probefahrten werden im Folgenden bekanntgemacht.
Dieses Regelwerk beinhaltet im Verhältnis zu den allgemeinen Sicherheitsanforderungen an Seeschiffe unter deutscher Flagge angemessene Sicherheitsanforderungen für eine zeitlich begrenzte Probefahrt. Diese spezifischen Sicherheitsmaßnahmen tragen den Besonderheiten von Probefahrten im Vergleich zu einem regulären Schiffsbetrieb Rechnung.
Geregelt sind vorliegend der Anwendungsbereich, die Begriffsbestimmungen und die Grundsätze, die Dauer der Probefahrt, die Anforderungen an Besetzung und Wachdienst, die Sicherheitsrolle, Unterweisungen und Anweisungen für den Notfall, die Zählung und Registrierung der Personen an Bord, die Rettungsmittel, die Sichtzeichen, Signale und Navigationsausrüstung, der Brandschutz, die Erprobung der Maschinen- und Ruderanlage und Ankereinrichtung, die Anforderungen an die Funkanlage, die Stabilität, die Medizinische Ausstattung, der Umweltschutz, die Organisation eines sicheren Schiffsbetriebes und ein Bescheinigungsmuster. Die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen für Seeschiffe auf Probefahrten wird vor Erteilung einer Probefahrtbescheinigung durch die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (Berufsgenossenschaft) überprüft und durch eine Probefahrtbescheinigung bestätigt.
1. Anwendungsbereich
Diese Regelung gilt auf Probefahrten in den inneren deutschen Gewässern und im deutschen Küstenmeer oder von einem deutschen Hafen zu demselben oder einem anderen deutschen Hafen.
2. Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Regelung ist
2.1. Schiff: ein Seeschiff, das die Bundesflagge führt;
2.2. Berufsgenossenschaft: Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation;
2.3. Probefahrt: die durchgeführte Erprobung eines Schiffes auf See vor dessen erster Indienststellung oder Wiederindienststellung nach einem Umbau oder Reparaturen.
2.4. SOLAS-Übereinkommen: Internationales Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See mit Protokollen von 1978 und 1988 (BGBl. 1979 II S. 141; 1980 II S. 525; 1983 II S. 784; 1994 II S. 2458, Anlageband) in der jeweils geltenden Fassung;
2.5. MARPOL-Übereinkommen: Internationales Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen (BGBl. 1982 II S. 2, 4, 24; 1996 II S. 399, Anlageband) in der jeweils geltenden Fassung;
2.6. ISM-Code: Internationaler Code für Maßnahmen zur Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs und zur Verhütung der Meeresverschmutzung, der von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation durch die Entschließung der Vollversammlung A.741 (18) vom 4. November 1993 in der Fassung der Entschließung des Schiffssicherheitsausschusses MSC.104 (73) vom 5. Dezember 2000 angenommen wurde, in der jeweils geltenden Fassung;
2.7. KVR: Kollisionsverhütungsregeln vom 13. Juni 1977 (BGBl. I S. 816), in der jeweils geltenden Fassung;
2.8. SchSV: Schiffssicherheitsverordnung vom 18. September 1998 (BGBl. I S. 3013, 3023) in der jeweils geltenden Fassung;
2.9. See-Umweltverhaltensverordnung: Verordnung über das umweltgerechte Verhalten in der Seeschifffahrt vom 13. August 2014 (BGBl. I S. 1371) in der jeweils geltenden Fassung.
3. Grundsätze
3.1. Vor Aufnahme der Probefahrt muss das Schiff einer Überprüfung durch die Berufsgenossenschaft hinsichtlich der Einhaltung dieser Sicherheitsanforderungen unterzogen werden.
3.2. Wenn die Überprüfung die Übereinstimmung mit den anwendbaren Vorschriften und Vorgaben diesen Sicherheitsanforderungen ergeben hat, erteilt die Berufsgenossenschaft eine Probefahrtbescheinigung für die nach Regel 4 festzulegende Höchstdauer der Probefahrt. Die Bescheinigung ersetzt die nach § 9 SchSV erforderlichen Schiffszeugnisse und -bescheinigungen. Diese muss an Bord des Schiffes mitgeführt werden.
3.3. Kann im Einzelfall eine dieser Sicherheitsanforderungen nicht erfüllt werden, kann die Berufsgenossenschaft gleichwertige Einrichtungen, Ausrüstungen und Maßnahmen festlegen.
4. Dauer der Probefahrt
Die Probefahrtbescheinigung wird befristet ausgestellt. Die Berufsgenossenschaft legt die Höchstdauer der Probefahrt nach Antragsprüfung fest.
5. Besetzung und Wachdienst
5.1. Das Schiff ist mit einer nach Qualifikation und Eignung ausreichenden Schiffsbesatzung zu besetzen, um unter allen Betriebszuständen einen sicheren, effizienten und gefahrlosen Schiffsbetrieb zu gewährleisten. Die Besatzungsmitglieder müssen über die nach den seeverkehrsrechtlichen Vorschriften erforderlichen Befähigungszeugnisse, Befähigungsnachweise und Qualifikationsbescheinigungen verfügen. Über die sichere Mindestbesetzung ist ein Schiffsbesatzungszeugnis zu erteilen. Das Schiffsbesatzungszeugnis ist bei der Berufsgenossenschaft zu beantragen und ist an Bord mitzuführen.
5.2. Nehmen mehr als 100 Personen an der Probefahrt teil und beträgt die Fahrtdauer mehr als drei Tage, müssen ein Schiffsarzt sowie ein Gesundheits- und Krankenpfleger an Bord sein. Letzterer kann ersetzt werden durch einen Rettungssanitäter oder Rettungshelfer.
5.3. Für die Dauer der Probefahrt ist ein Wachdienstplan auszuhängen. Der Plan muss enthalten:
6. Sicherheitsrolle, Unterweisungen und Anweisungen für den Notfall
6.1. Für die Dauer der Probefahrt ist eine Sicherheitsrolle gemäß Regel III/37 des SOLAS-Übereinkommens aufzustellen.
6.2. Die Besatzungsmitglieder sind vor Beginn der Probefahrt in der Bedienung und Benutzung
zu unterweisen. Die Unterweisung ist im Seetagebuch zu dokumentieren.
6.3. Für jede Person, die nicht zur Schiffsbesatzung zählt, sind klar verständliche Anweisungen vorzusehen, die in einem Notfall zu befolgen sind. Die Anweisungen müssen in deutscher Sprache abgefasst sein. Befinden sich Personen an Bord, die die deutsche Sprache nicht verstehen, sind die Anweisungen zusätzlich in der Sprache zu verfassen, die von den betroffenen Personen verstanden wird.
6.4. Die nach Regel 6.3 vorgeschriebenen Anweisungen müssen mindestens die folgenden Punkte enthalten:
6.5. Vor Beginn der Probefahrt muss eine Sicherheitsunterweisung der Personen stattfinden, die nicht zur Schiffsbesatzung zählen. Die Unterweisung muss die in der Regel 6.4 genannten Punkte umfassen. Die Unterweisung ist im Seetagebuch zu dokumentieren.
7. Zählung und Registrierung der Personen an Bord
7.1. Alle Personen an Bord sind vor dem Auslaufen des Schiffes zu zählen. Die Anzahl der Personen an Bord darf nicht die in der Probefahrtbescheinigung festgelegte Höchstzahl überschreiten.
7.2. Alle Personen an Bord sind vor dem Auslaufen zu registrieren. Hierbei sind folgende Angaben zu erfassen:
Die Angaben sind einer verantwortlichen Person (Registerführer) an Land vor dem Auslaufen zu übermitteln. Diese sind in einem Notfall oder für die Abwicklung nach einem Unfall der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger oder in anderen Such- und Rettungsbereichen den dort zuständigen Such- und Rettungsdiensten zu übermitteln. Die Daten dürfen nur zu den in Satz 4 genannten Zwecken verwendet werden. Die erhobenen Daten sind unverzüglich nach Beendigung der Probefahrt zu löschen.
7.3. Einzelheiten zu Personen, die mitgeteilt haben, dass sie in Notfallsituationen besondere Fürsorge oder Hilfe benötigen, müssen dokumentiert werden und sind dem Kapitän vor dem Antritt der Probefahrt zu melden.
8. Rettungsmittel
8.1. Das Schiff muss mit einsatzbereiten Überlebensfahrzeugen (Rettungsboote und Rettungsflöße) zur Aufnahme aller an Bord befindlichen Personen ausgerüstet sein.
8.2. Für jede Person an Bord des Schiffes muss eine Rettungsweste mitgeführt werden. Die Rettungswesten müssen an Bord so verteilt werden, dass sie ohne Weiteres zugänglich sind; ihr Aufbewahrungsort muss deutlich gekennzeichnet sein.
8.3. Für jedes Besatzungsmitglied ist ein Überlebensanzug mitzuführen.
8.4. Auf Schiffen mit einer Bruttoraumzahl von 500 und mehr ist mindestens ein Bereitschaftsboot mitzuführen.
8.5. Anweisungen für die Bedienung der Rettungsflöße und der Aussetzvorrichtungen für die Überlebensfahrzeuge und Bereitschaftsboote sind in deren unmittelbarer Nähe anzubringen.
9. Sichtzeichen, Signale und Navigationsausrüstung
9.1. Die nach den KVR erforderlichen Sichtzeichen und Schallsignale müssen ordnungsgemäß vorgesehen und betriebsbereit sein.
9.2. Die Navigationsausrüstung muss Regel V/19 des SOLAS-Übereinkommens entsprechen und betriebsbereit sein.
10. Brandschutz
10.1. Die für das Schiff vorgesehene Ausrüstung und die vorgesehenen Einrichtungen für den Brandschutz müssen betriebsbereit sein.
10.2. Die Brandmeldeanlage sowie die Rundspruchanlage müssen uneingeschränkt funktionsfähig sein.
11. Maschinen und Ruderanlage und Ankereinrichtung
Vor Antritt der Probefahrt ist die
soweit zu erproben, dass ein sicherer Schiffsbetrieb gewährleistet ist. Die Erprobung ist im Seetagebuch zu dokumentieren.
12. Funkanlage
Schiffe auf Probefahrt müssen mit einer betriebsbereiten Funkausrüstung für das zu befahrende Seegebiet gemäß Kapitel IV des SOLAS-Übereinkommens ausgerüstet sein.
13. Stabilität
Liegen geprüfte Stabilitätsunterlagen vor Antritt der Probefahrt nicht vor, ist eine vorläufige Stabilitätsrechnung durchzuführen. Für die Berechnung ist der geplante Betriebs- und Beladungszustand während der Probefahrt zugrunde zu legen. Unterlagen über die Stabilitätsrechnung sind der Schiffsführung zur Verfügung zu stellen, damit diese sich ein genaues Bild von der Stabilität des Schiffes unter den geplanten Betriebsbedingungen machen kann. Für die Dauer der Probefahrt ist sicherzustellen, dass ein wirksamer wetterdichter Verschlusszustand hergestellt werden kann.
14. Medizinische Ausstattung
Die medizinische Ausstattung an Bord muss dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und in ausreichendem Umfang entsprechend der Teilnehmerzahl mitgeführt werden. Über die ordnungsgemäße Ausstattung ist ein Nachweis, ausgestellt durch eine öffentliche Apotheke, zu erbringen.
15. Umweltschutz
Die Bestimmungen des MARPOL-Übereinkommens und der See-Umweltverhaltensverordnung sind unmittelbar anzuwenden.
16. Organisation eines sicheren Schiffsbetriebes
Für die Probefahrt von Schiffen mit einer Bruttoraumzahl von 500 und mehr muss ein von der Berufsgenossenschaft genehmigtes System für die Organisation von Sicherheitsmaßnahmen (Sicherheitsmanagementsystem) vorhanden sein. Das Sicherheitsmanagementsystem muss die folgenden Punkte des ISM-Code umfassen:
Bescheinigungsmuster | Anlage |
17. Bescheinigungsmuster
ENDE |