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Die Gefahrstoffverordnung
Empfehlungen zur Umsetzung in der Praxis
(Quelle: Bergbau- und Steinbruchs-Berufsgenossenschaft)
Am 01.01.2005 ist nach sehr langer Vorgeschichte die neue Gefahrstoffverordnung in Kraft getreten. Eine Novellierung, insbesondere der alten Umgangsvorschriften war erforderlich geworden, nachdem die Europäische Richtlinie "Chemische Arbeitsstoffe (98/24/EG) eine Umsetzung in nationales Recht erforderte.
Im Folgenden soll ein erster Einruck von wichtigen Details der Verordnung vermittelt und Empfehlungen für die praktische Umsetzung gegeben werden.
Zentrale Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzgesetz
Eine erste Neuerung besteht darin, dass die Ermächtigungsgrundlage der neuen GefStoffV nunmehr auch das Arbeitsschutzgesetz ist. Auch inhaltlich sind damit unmittelbar die Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes mit zu berücksichtigen. In dem § 5 des Arbeitschutzgesetzes wird der sogenannten Gefährdungsbeurteilung eine zentrale Rolle zugewiesen. Der Unternehmer muss danach die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen ermitteln, Maßnahmen des Arbeitsschutzes treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit gewährleisten und die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen. Dabei ist ständiges Ziel die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten.
Auch die neue GefStoffV weist der Gefährdungsbeurteilung eine zentrale Rolle zu. Dabei wird für jeden Arbeitsplatz, an dem Tätigkeiten mit Stoffen, Zubereitungen oder Erzeugnissen vorgenommen werden, unterstellt, dass ein Mindestmaß an Sicherheitsmaßnahmen immer erforderlich ist. Die GefStoffV spricht von sogenannten Schutzstufen, die das Schutzniveau angeben und denen die jeweiligen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zuzuordnen sind. Für die genannten Arbeitsbereiche mit den Mindestschutzmaßnahmen gilt die Schutzstufe 1. Die Gefährdungsbeurteilung nach GefStoffV hat nunmehr die zentrale Aufgabe, festzustellen, ob die Schutzstufe 1 für die betreffenden Arbeitsbereiche ausreicht oder ob weitergehende Schutzmaßnahmen zu treffen sind. Dazu müssen Informationen beschafft, Maßnahmen sowohl zur Verminderung der Gefahr als auch zur Erfolgskontrolle dieser Maßnahmen festgelegt und zuletzt das Ergebnis dokumentiert werden. Dabei sind eine Reihe von Kriterien genannt, nach denen die Gefährdung beurteilt werden kann (Abb. 1). Sie gliedern sich in solche, die bereits vor der ersten Gefährdungsbeurteilung an einem Arbeitsplatz bekannt sind (z.B. die gefährlichen Eigenschaften von Stoffen oder Zubereitungen, die vorhandenen Informationen aus dem Sicherheitsdatenblatt, die bekannten physikalisch chemischen Gefährdungen (wie z. b. Brand- oder Explosionsgefahr) oder die Arbeitsplatzgrenzwerte oder biologischen Grenzwerte). Ebenso können die Möglichkeit einer Substitution bestimmter Stoffe oder die Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit den Gefahrstoffen einschließlich ihrer Menge, bzw. die Wirksamkeit der ggf. getroffenen oder zu treffenden Schutzmaßnahmen vorab berücksichtigt werden. Die zusätzlichen Kriterien, nämlich Art, Ausmaß und Dauer der Exposition bzw. die Ergebnisse arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen, die ebenfalls für die Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden sollen, stehen nicht unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit zur Verfügung. Sie sind jedoch bei einer Wiederholung der Gefährdungsbeurteilung unbedingt zu berücksichtigen bzw. aus analogen Tätigkeiten vorab abzuschätzen. Nachdem die Informationen vorliegen, sind Maßnahmen für die Umsetzung und Erfolgskontrollmaßnahmen festzulegen. Die GefStoffV schlägt hier im Baukastensystem der schon bereits genannten Schutzstufen verschiedene dieser Maßnahmen vor. Grundsätzlich muss jedoch im Einzelfall auch die Möglichkeit geprüft werden, ob das Abweichen von den Schutzstufen nicht im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes möglich und nötig ist. Andere Gefährdungen als diejenigen, die sich auf die "klassischen" Gefahrstoffeigenschaften (etwa giftig, krebserzeugend oder ätzend) beziehen, zum Beispiel die physikalischchemischen, sind ausdrücklich nicht ins Schutzstufenmodell einbezogen und sind bei der Abwägung immer getrennt und zusätzlich zu behandeln. Die GefStoffV selbst weist nicht auf außerhalb ihres Regelungsbereiches liegende Gefährdungen, wie z.B. Lärm oder Vibrationen hin, doch sind diese unter Bezugnahme auf das Arbeitsschutzgesetz immer mit einzubeziehen.
Kriterien der Gefährdungsbeurteilung
➣ gefährliche Stoffeigenschaften ➣ vorliegende Stoffinformationen ➣ konkrete Expositionsbedingungen einschl. Expositionshöhe und -dauer ➣ physikalischchemische Gefährdung - Möglichkeiten einer Substitution - Arbeitsbedingungen ➣ vorhandene Stoffgrenzwerte ➣ Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen ➣ Ergebnisse arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen. |
Infolge der wirklich zentralen Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung legt die GefStoffV fest, dass sie nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden darf (Abb. 2). Dieser Begriff wird nicht näher konkretisiert. Sollte er mit Hilfe seines eigenen Personals, insbesondere also der Betriebsärzte bzw. der Fachkräfte für Arbeitssicherheit, dazu nicht in der Lage sein, muss er sich
Gefährdungsbeurteilung fachkundig durchführen! Nötigenfalls fachkundig beraten lassen!
Fachkundig sind insbesondere Sicherheitsfachkräfte und Betriebsärzte! |
fachkundig beraten lassen. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass selbstverständlich auch die Berufsgenossenschaften und ihre Institute und Präventionsabteilungen für solche Beratungen zur Verfügung stehen. Im Übrigen wird von der GefStoffV auch die Möglichkeit eröffnet, bereits vom Hersteller oder Inverkehrbringer von Gefahrstoffen Gefährdungsbeurteilungen zu übernehmen, wenn der diese mitliefert. Hier ist sicher ein gewisser Vorbehalt angezeigt, denn mitgelieferte Gefährdungsbeurteilungen können sich immer nur auf das konkrete Produkt beziehen und damit immer nur schematisch und standardisiert sein und die konkreten Bedingungen vor Ort niemals vollständig berücksichtigen. Wie bereits ausgeführt, steht dem Unternehmer mit dem Sicherheitsdatenblatt bzw. mit der Kennzeichnung der von ihm im Betrieb vorgesehenen Produkte eine Reihe von Informationen zur Verfügung. Die GefStoffV verlangt jedoch ausdrücklich auch eine Gefährdungsbeurteilung für solche Stoffe oder Zubereitungen, die z.B. nicht kennzeichnungspflichtig sind, da sie Gehaltsgrenzen an bestimmten Stoffen in Zubereitungen unterschreiten. Die Verantwortung für die richtige Gefährdungsbeurteilung liegt hier ebenfalls beim Unternehmer. Sie ist sicher in diesen Fällen relativ schwer wahrzunehmen.
DA immer die Kombinationswirkung verschiedener Gefährdungen zu berücksichtigen ist, kann sich im einzelnen Fall die Gefährdungsbeurteilung selbst als komplex erweisen. Dem Unternehmer werden hier jedoch viele Freiheiten gelassen. Wenn er z.B. in einem untertägigen Salzbergwerk die Entscheidung treffen muss, ob ein Kleber verwendet werden soll, der mit dem Lösemittel Tichlorethen eine krebserzeugende Substanz enthält oder ob er statt dessen mit der Wahl von benzinkohlenwasserstoffhaltigen Klebern die Brandgefahr in der Grube erhöht, bleibt seiner fachkundig getroffenen Entscheidung vorbehalten. Nebenbei bemerkt, muss darauf hingewiesen werden, dass in dem konkret genannten Beispiel durchaus ein Konflikt zur Gesundheitsschutz-Bergverordnung (GesBergV) und den dortigen Bestimmungen nicht ausgeschlossen erscheint.
Nach abgeschlossener Gefährdungsbeurteilung sind die Ergebnisse zu dokumentieren. Die GefStoffV kennt jetzt zwei verschiedene Dokumentationsintensitäten. Für solche Tätigkeiten, bei denen nur eine geringe Gefährdung identifiziert worden ist, muss die Dokumentation "nicht detailliert" erfolgen. Für alle anderen gilt diese Erleichterung nicht. Nur dann ist von einer geringen Gefährdung auszugehen, wenn die Maßnahmen der Schutzstufe 1 ausreichen. In diesem Fall erlaubt die GefStoffV sogar einen kompletten Ausstieg aus den weiteren Bestimmungen (Abb. 3). Damit sind für solche Tätigkeiten mit geringer Gefährdung keine weiteren Maßnahmen nach GefStoffV erforderlich.
Bei geringer Gefährdung, und wenn die getroffenen Maßnahmen ein sicheres Arbeiten erlauben, Ausstieg aus der Verordnung! |
Der Arbeitgeber hat dann ein Verzeichnis der in Betrieb verwendeten Gefahrstoffe zu führen. In diesem muss auf die Sicherheitsdatenblätter hingewiesen werden. Das Verzeichnis muss allen betroffenen Beschäftigten und ihren Vertretern zugänglich sein. Bereits hier sei darauf hingewiesen, dass für krebserzeugende, mutagene und fruchtbarkeitsgefährdende Stoffe weitere Dokumentationspflichten folgen. Damit wird der Arbeitgeber in der Tat durch eine ganze Reihe solcher Pflichten zusätzlich belastet.
Es bleibt zu klären, unter welchen Bedingungen aus den weiteren Bestimmungen ausgestiegen werden kann, wann also die Maßnahmen der Schutzstufe 1 ausreichen. Die Verantwortung für diese Entscheidung liegt allein beim Unternehmer. Wenn sich nämlich aus der Gefährdungsbeurteilung für bestimmte Tätigkeiten "aufgrund
nur dann müssen keine weiteren Maßnahmen getroffen werden. Damit werden insgesamt 5 unbestimmte Rechtsbegriffe für die Entscheidung zugrunde gelegt. Der Arbeitgeber ist also gut beraten, seine Verantwortung an dieser Stelle sehr ernst zu nehmen. Zwar reicht die entsprechende Dokumentation vorerst aus, doch ist in den Fällen, in denen sich z.B. wegen eines eingetretenen Schadensfalls der festgelegte Maßnahmenkatalog als unzureichend erwiesen hat, der Unternehmer hinsichtlich der angewandten Fachkunde nachweispflichtig. Nur wenn er seiner Verpflichtung fachkundig nachgekommen ist, kann weder von einer vorsätzlichen noch von einer grob fahrlässigen Mitwirkung an dem Schadensereignis ausgegangen werden. Die Prüfung, ob wirklich in Schutzstufe 1 verblieben werden kann, sollte also immer sehr genau erfolgen. Es ist in der Tat sogar zu empfehlen, zunächst intern immer davon auszugehen, dass mindestens die Schutzstufe 2 beim Umgang mit Gefahrstoffen zu wählen ist. (Abb. 4) Doch muss nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Verordnung ausdrücklich auch für den Umgang mit Gefahrstoffen die Schutzstufe 1 "will". Sie ist also kein Ausnahmetatbestand, sondern soll unter den beschriebenen Bedingungen regelmäßig angewendet werden.
Empfehlung: Bei Umgang mit Gefahrstoffen immer zunächst vom Vorliegen der Schutzstufe 2 ausgehen und Maßnahmen der Schutzstufe 1 und 2 umsetzen. |
Was sind nun die in Schutzstufe 1 vorgeschriebenen Maßnahmen? Ein Vorbild für diesen Maßnahmenkatalog findet sich bereits in der derzeit schon gültigen Technischen Regel Gefahrstoffe 500 "Schutzmaßnahmen: Mindeststandards". Die Maßnahmen umfassen eine geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsorganisation sowie die Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel. Die Anzahl der Beschäftigten sollte ebenso wie Dauer und Ausmaß der Exposition begrenzt werden. Angemessene Hygienemaßnahmen sind zu treffen und der Stand der Technik ist bei verwendeten Arbeitsverfahren und -methoden bereits hier einzuhalten. Ein interessantes Detail findet sich ebenfalls im § 8. Dort heißt es nämlich, dass in Schutzstufe 1 auch die Funktion und Wirksamkeit der Technischen Schutzmaßnahmen regelmäßig zu überprüfen ist. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Verpflichtung zur Verwendung technischer Schutzmaßnahmen, zum Beispiel aus technischer Sicht nicht automatisch bedeutet, dass man sich in einer höheren Schutzstufe bewegen muss. Auch dann, wenn ein sicheres Arbeiten nur mit technischer Schutzeinrichtung erfolgen kann, ist nach GefStoffV unter Umständen der Verbleib in Schutzstufe 1 und damit der Ausstieg aus allen weiteren Maßnahmen denkbar! Die in den Schutzstufenpaketen beschriebenen Maßnahmen gelten beim Übergang in eine höhere Schutzstufe additiv. So sind also immer, auch in Schutzstufe 2 oder 3, Dauer und Ausmaß der Exposition sowie die Anzahl der Beschäftigten zu begrenzen.
Wenn auch für die Schutzstufe 1 nur verhältnismäßig geringe Voraussetzungen (Abb. 5) gelten, so muss doch festgehalten werden, dass immer auch an diesen Arbeitsplätzen das Vorliegen der Gefährdungsbeurteilung Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeiten ist.
Schutzmaßnahmen der Stufe 1
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Wenn sich nun erwiesen hat, dass die Maßnahmen der Schutzstufe 1 nicht ausreichen, wird automatisch der Übergang in die Schutzstufe 2 erforderlich. In der Schutzstufe 2 findet sich als zentraler Punkt, dass die Prüfung auf eine mögliche Substitution gefährlicher Arbeitsstoffe bzw. Verfahren unbedingt erforderlich ist. Entsprechende Aktivitäten sind zu dokumentieren. In den Fällen, in denen eine Substitution nicht möglich ist, ist in der folgenden Rangfolge die Durchführung weiterer Maßnahmen, wie die Verwendung von Verfahren nach dem Stand der Technik, kollektiver Schutzmaßnahmen an der Gefahrenquelle oder geeigneter organisatorischer Maßnahmen, unabdingbar. Sollten auch diese nicht ausreichen, muss individuell geschützt werden, z.B. auch durch die Anwendung persönlicher Schutzausrüstung. Ein Novum im Bereich der persönlichen Schutzausrüstung ist, dass der Begriff der belastenden PSA eingeführt wird. Nur für belastende PSA darf das Tragen keine ständige Maßnahme sein. Daraus kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass bei nicht belastender PSA keine Ausnahmegenehmigung durch die Behörde mehr erforderlich ist. Auch wenn die GefStoffV nicht mehr ausdrücklich fordert, dass persönliche Schutzausrüstung "geeignet" sein muss, sollte doch auch in Zukunft nur solche verwendet werden. An einer späteren Stelle wird noch darauf einzugehen sein, dass die Auswahl der persönlichen Schutzausrüstung gemäß der neuen GefStoffV derzeit nicht ganz unproblematisch ist.
Der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW)
➣ gibt an, ab welcher Konzentration eines Stoffes akut oder chronisch schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen nicht zu erwarten sind! ➣ TRK-Werte sind abgeschafft! ➣ Unterhalb der AGW-Konzentration besteht keine Gefährdung |
Ab der Schutzstufe 2 sind auch die Arbeitsplatzgrenzwerte relevant. Erst ab hier muss der Arbeitgeber ermitteln, ob sie eingehalten sind. Er kann dies durch Messungen oder andere gleichwertige Beurteilungsverfahren tun; auch die Einhaltung von noch zu veröffentlichenden verfahrens- und stoffspezifischen Kriterien (durch den Ausschuss Gefahrstoffe - AGS) kann ein Mittel der Wahl
sein. Mit der Einführung von Arbeitsplatzgrenzwerten hat die neue GefStoffV eine weitere zentrale neue Begriffsfindung vorgenommen. Der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) ist nämlich gem. § 3 Abs. 6 der Grenzwert für die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffs in der Luft am Arbeitsplatz in Bezug auf einen gegebenen Referenzzeitraum. (Abb. 6) Er gibt an, ab welcher Konzentration eines Stoffs akut oder chronisch schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen nicht zu erwarten sind.
Hier werden abstrakt Mittelungszeiträume wie der 8-Stundenmittelwert oder der 15-Minutenkurzzeitwert wieder eingeführt. Besonders interessant ist jedoch, dass die alten TRK-Werte (Technische Richtkonzentration) insbesondere für krebserzeugende Arbeitsstoffe damit abgeschafft werden, denn diese sind ja gerade nicht gesundheitsbasiert, d. h. bei ihrer Einhaltung kann eben nicht von der Abwesenheit von Gefahren für die Gesundheit der Beschäftigten ausgegangen werden. Damit wird z.B. die Auswahl geeigneter persönlicher Schutzausrüstung erschwert. Derzeit gibt es, obwohl die GefStoffV bereits ein Jahr in Kraft ist, noch keine Listen von Arbeitsplatzgrenzwerten. Äußerungen aus dem Bundesministerium deuten jedoch darauf hin, dass alsbald die alten MAK-Werte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1:1 als Arbeitsplatzgrenzwerte übernommen werden. Ob dieses im Einzelfall bestimmter, bereits vorhandener MAK-Werte aus der TRGS 900 zu Friktionen führen wird, bleibt abzuwarten. Die Überprüfung der Arbeitsplatzgrenzwerte erfolgt mit dem Ziel, deren Einhaltung herbeizuführen. Wenn dies nicht möglich ist, sind unverzüglich zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich, insbesondere auch die Bereitstellung persönlicher Schutzausrüstung. Messungen sollten durch fachkundige Institutionen erfolgen. Hier ist auch künftig der Arbeitgeber dann entlastet, wenn er akkreditierte Messstellen beauftragt. Allerdings ist nicht mehr festgelegt, wer diese Akkreditierungen vornimmt (früher "die Länder"). Etwas verwirrend wirkt der Hinweis auf solche Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, bei denen keine Arbeitsplatzgrenzwerte vorliegen. Hier muss der Arbeitgeber die Wirksamkeit von betroffenen Schutzmaßnahmen durch geeignete Beurteilungsmethoden nachweisen. Liegen diese nicht vor, ist in jedem Fall eine Messung erforderlich. Damit sind offensichtlich jedoch vereinfachte Messungen gemeint, die dokumentieren können, dass die getroffenen Maßnahmen wirksam gewesen sind.
Schutzstufe 2 entspricht weitgehend dem Abschnitt V der alten GefStoffV! |
Es bleibt festzuhalten, dass die Schutzstufe 2 nach Auffassung der Rezensenten (Abb. 7) weitgehend dem alten Abschnitt 5 der GefStoffV entspricht. Es wird empfohlen, um Übergangsprobleme zu vermeiden, immer dann von einer Gültigkeit der Schutzstufe 2 beim Umgang mit Gefahrstoffen auszugehen, wenn nicht zwingend eine höhere Schutzstufe erforderlich ist. Für diesen Fall kann sicher auch übergangsweise von einer weiteren Anwendung der an sich nicht mehr geltenden Technischen Regeln ausgegangen werden, zumindest bis diese vom AGS durch neue ersetzt worden sind.
Wenn die Maßnahmen der Schutzstufe 2 nicht ausreichen, bzw. wenn giftige, sehr giftige, krebserzeugende, erbgutverändernde oder fruchtbarkeitsgefährdende Stoffe der Kategorie 1 oder 2 an den Arbeitsplätzen vorliegen, sind mindestens zusätzliche Maßnahmen der Schutzstufe 3 zu treffen. In dieser Schutzstufe wird neu die Pflicht zur Prüfung auf Verwendung geschlossener Systeme eingeführt. Wenn diese nicht bestehen, sind weitere Maßnahmen erforderlich. Als wesentliche Neuerung kommt hier hinzu, dass für die betreffenden Arbeitsbereiche Zugangsbeschränkungen einzurichten sind. Nur wenn in diesen Fällen krebserzeugende, erbgutverändernde und fruchtbarkeitsgefährdende Stoffe gehandhabt werden müssen (sogenannten CMRF-Stoffe) ist der Übergang in die Schutzstufe 4 zusätzlich erforderlich. In der Schutzstufe 4 wird nun immer von einer Messverpflichtung ausgegangen. Zusätzlich wird für bestimmte Tätigkeiten, insbesondere bei Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten, bei denen die Möglichkeit einer beträchtlichen Erhöhung der Exposition gegenüber CMRF-Stoffen der Kategorien 1 oder 2 vorherzusehen ist, eine weitere Eskalationsstufe der Schutzmaßnahmen beschrieben. Hier wird also innerhalb der Schutzstufe 4 die Durchführung weiterer Maßnahmen gefordert. Es besteht nunmehr die Pflicht, die Dauer der Exposition der Beschäftigten so weit wie möglich zu verkürzen, Schutzkleidung und Atemschutzgeräte zur Verfügung zu stellen und diese Maßnahmen auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Grundsätzlich wird das früher übliche Reinluftrückführungsverbot auch für die Schutzstufe 4 ausgesprochen. Für die Beschäftigten und ihre Vertreter wird, allerdings erst in § 14 , das Recht ausgesprochen, die getroffenen Maßnahmen, insbesondere diejenigen bei erhöhter Exposition, nachprüfen zu können. Eine weitere Dokumentationspflicht kommt hier ebenfalls dazu. Es ist ein aktualisiertes Verzeichnis der Beschäftigten zu führen, die Tätigkeiten ausüben, bei denen die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung eine Gefährdung der Gesundheit oder der Sicherheit der Beschäftigten erkennen lassen. Hier ist ggf. sogar die Exposition mit zu dokumentieren. Arzt und zuständige Behörde haben Zugang zu diesem Verzeichnis. Jeder Beschäftigte hat Zugang zu den ihn betreffenden persönlichen Angaben, die nicht personenbezogenen Informationen müssen allen Beschäftigten und ihren Vertretern zugänglich sein.
Im Unterschied zu den anderen Schutzstufen wird für die Schutzstufe 4 eine gesonderte Ausstiegmöglichkeit ausgesprochen. Die betreffenden Maßnahmen gelten dann nicht, wenn ein Arbeitsplatzgrenzwert, der für die betreffenden Tätigkeiten festgelegt wurde, eingehalten wird oder wenn vom AGS veröffentlichte verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (VSK) angewendet werden. Aber selbst dann kann nach Aussage der GefStoffV nicht auf Messungen verzichtet werden. Als einschränkender Kommentar muss hier jedoch angeführt werden, dass für diese Tätigkeiten weder Arbeitsplatzgrenzwerte noch verfahrens- und stoffspezifische Kriterien, die ja gerade an die dauerhaft sichere Einhaltung von Arbeitsplatzgrenzwerten geknüpft waren, existieren, noch auf absehbare Zeit bestehen werden. Sollte es beabsichtigt sein, diese Vorschriften mit Leben zu füllen, bedarf es neuer konkretisierender Ausführungen, z.B. des AGS.
Weitere Arbeitgeberpflichten
Im Abschnitt, der sich mit Betriebsstörungen, Unfällen und Notfällen im Betrieb beschäftigt, wird die rechtzeitige Festlegung vorbeugender Maßnahmen vorgeschrieben. Dies, und das ist eine begrüßenswerte Neuerung, beinhaltet auch die Durchführung von einschlägigen Sicherheitsübungen in regelmäßigen Abständen. Im Bereich der Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten findet sich die wohlbekannte schriftliche Betriebsanweisung wieder, für die jedenfalls auf den ersten Blick, keine besonderen Neuerungen in der neuen Verordnung enthalten sind. Ebenfalls noch vorhanden ist die "mündliche Unterweisung, mindestens 1 x jährlich und vor Aufnahme der Beschäftigung durchzuführen. Hier wurde jedoch neu für die Beschäftigten, die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen, eine allgemeine arbeitsmedizinisch toxikologische Beratung vorgeschrieben. Sie soll im Rahmen der gerade erwähnten Unterweisung erfolgen, und falls dies aus arbeitsmedizinischen Gründen erforderlich ist, unter Beteiligung des Arztes durchgeführt werden.
In einem weiteren gesonderten Paragraphen werden zum Thema Fremdfirmeneinsatz bestimmte Aussagen getroffen. Zunächst wird die Verantwortung des Arbeitgebers als Auftraggeber festgeschrieben, nur solche Firmen zu beauftragen, die eine besondere Fachkunde und Erfahrung im Zusammenhang mit den durchzuführenden Arbeiten haben. Bei der Möglichkeit der gegenseitigen Gefährdung der verschiedenen Belegschaften wird die Bestellung eines Koordinators vorgeschrieben, wie er z.B. bereits bei Arbeiten in kontaminierten Bereichen bekannt ist. Allerdings erhält dieser Koordinator in der Verordnung keine zusätzlichen Kompetenzen. Es besteht grundsätzlich eine Pflicht zum Zusammenwirken der verschiedenen Gewerke und zur Erstellung einer gemeinsamen Gefährdungsbeurteilung.
Arbeitsmedizin
Auch im Bereich der arbeitsmedizinischen Vorsorge enthält die neue Verordnung eine Reihe von Neuerungen.
Der Unternehmer muss in diesem Zusammenhang einen Arzt beauftragen und die Sorge für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge übernehmen. Er muss abhängig von bestimmten Randparametern entweder arbeitsmedizinische Untersuchungen für die Beschäftigten veranlassen oder anbieten. Er hat dem Arzt (Abb. 8) eine Begehung der Arbeitsplätze zu ermöglichen und ihm alle erforderlichen Auskünfte über die Arbeitsverhältnisse, insbesondere über die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung zu erteilen. Er muss ihm Einsicht in bestimmte Verzeichnisse geben, die im Vorfeld bereits erwähnt worden sind. Er hat ferner die Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen und angemessen auf Beschäftigungsbedenken als Resultat von Pflichtuntersuchungen zu reagieren. Dazu hat der Arbeitgeber (nicht der Betriebsarzt) eine Vorsorgekartei mit diesen Pflichtuntersuchungen zu führen. Als Arzte dürfen, im Gegensatz zu früherer Praxis, nur noch Fachärzte für Arbeitsmedizin oder solche mit der Zusatzbezeichnung "Betriebsmedizin" beauftragt werden. Andere Fachärzte oder Allgemeinmediziner dürfen hier nicht mehr eingesetzt werden. Die früher erforderliche Ermächtigung von Betriebärzten ist generell weggefallen. In diesem Zusammenhang stellen sich natürlich gewisse Fragen: was beispielsweise mit alten, evtl. bewährten Vertragsverhältnissen eines Betriebs, z.B. mit einem Internisten geschieht, der seinerseits den Betrieb sehr gut kennt, jetzt aber infolge der neuen Bestimmungen nicht mehr beauftragt werden darf. Die angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge umfasst jetzt zusätzlich zu den arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen eine Reihe weiterer Pflichten, als da sind: Die arbeitsmedizinische Beurteilung gefahrstoff- und tätigkeitsbedingter Gesundheitsgefahren, die Aufklärung und Beratung der Beschäftigten, die arbeitsmedizinisch begründete Empfehlung zur Überprüfung von Arbeitsplätzen sowie die Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes. Auch die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen selbst sind umfangreicher beschrieben. Sie umfassen nun auch die Begehung oder die Kenntnis des Arbeitsplatzes, d. h. hier wird im Sinne der Beschäftigten den Medizinern auferlegt, sich intensiv mit den Verhältnissen am Arbeitsplatz zu beschäftigen. Neben den bekannten Umfängen der Untersuchungen wie Anamnese, Diagnose und Dokumentation der Ergebnisse wird jetzt explizit eine individuelle arbeitsmedizinische Beratung gefordert.
Beteiligung der Arbeitsmediziner an der Gefährdungsbeurteilung und der Unterweisung. |
Im Gegensatz zu früher wird jetzt nicht mehr nur zwischen Erst- und Nachuntersuchungen unterschieden, sowie solchen aus besonderem Anlass. Jetzt gibt es neben diesen bereits bekannten 3 Untersuchungsarten noch Nachuntersuchungen bei Beendigung der Tätigkeit sowie Nachuntersuchungen bei Tätigkeiten bei krebserzeugenden oder erbgutverändernden Stoffen auch nach Beendigung der Beschäftigung. Letzteres beschreibt die im berufsgenossenschaftlichen Umfeld seit vielen Jahren bewährten nachgehenden Untersuchungen. Was mit der Nachuntersuchung bei Beendigung der Tätigkeit gemeint ist, ist derzeit noch unklar. Insbesondere ist nicht recht klar, zu welchem Zweck diese Untersuchungen durchgeführt werden sollen. Die weitestgehenden Veränderungen betreffen jedoch den Sachverhalt, dass es nunmehr 2 Niveaus der einzelnen Untersuchungen selbst gibt. Die GefStoffV unterscheidet zwischen Pflichtuntersuchungen und Angebotsuntersuchungen. Der Unternehmer muss Pflichtuntersuchungen bei den Beschäftigten durchführen lassen, wenn in einer im Anhang V Nr. 1 veröffentlichten Liste von Gefahrstoffen die Arbeitsplatzgrenzwerte nicht eingehalten werden (z.B. für einatembaren Staub), oder wenn Tätigkeiten entsprechend einer 2. Liste in Anhang V Nr. 2.1 durchgeführt werden (z.B. Feuchtarbeit). Darüber hinaus werden selbstverständlich solche Tätigkeiten mit Gesundheitsgefährdung durch direkten Hautkontakt, welche die erste der beiden genannten Listen betreffen, mit berücksichtigt. Die entsprechende Gefahrstoffliste hat derzeit 35 Einträge. Für die Versicherten von Bergbau-Berufsgenossenschaft und Steinbruchsberufsgenossenschaft sind dabei die folgenden aus Sicht der Rezensenten besonders relevant:
Um ein Beispiel zu nennen: Wenn der derzeit gültige Grenzwert für A-Staub (alveolengängigen Staub) von 3 mg/m3 überschritten wird, müssen die betreffenden Beschäftigten arbeitsmedizinisch untersucht werden (Abb. 9).
Arbeitsmedizinische Pflicht-Untersuchungen (Beispiele)
➣ Bei Überschreitung des Allgemeinen Staubgrenzwertes (A- und E-Staub). ➣ Bei Überschreiten von 3 mg/m3 Schweißrauch. |
Die Liste der zur Pflichtuntersuchungen qualifizierenden Tätigkeiten umfasst derzeit 7 Einträge. Besonders relevant ist hier sicher die Tatsache, dass Schweißen und Trennen von Metallen bei Überschreitung einer Luftkonzentration von 3 mg/m3 Schweißrauch eine dieser Tätigkeiten ist.
Angebotsuntersuchungen, d. h. solche Untersuchungen, die den Beschäftigten lediglich angeboten werden müssen, für die aber keine Verpflichtung zur Durchführung besteht, werden dann fällig, wenn in der o. g. Liste
Anhang V Nr. 1 bei den betreffenden Gefahrstoffen die Arbeitsplatzgrenzwerte eingehalten werden, oder wenn Tätigkeiten nach einer 2. Liste im Anhang V Nr. 2.2 ausgeübt werden. In dieser 2. Tätigkeitsliste finden sich 2 hochinteressante Einträge: Die Tätigkeit mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Stoffen oder Zubereitungen der Kategorie 1 oder 2 und das Schweißen und Trennen von Metallen bei Einhaltung einer Luftkonzentration von 3 mg/m3Schweißrauch gehören dazu. Dieses bedeutet, dass für viele krebserzeugende Gefahrstoffe künftig nur noch Angebotsuntersuchungen erfolgen werden, dass aber bei der Tätigkeit Schweißen entweder bei Überschreiten des Grenzwertes Pflicht- oder bei Unterschreiten des Grenzwertes Angebotsuntersuchungen zu erfolgen haben. Ganz allgemein fehlt hier sicher auch die Angabe einer Bagatellgrenze, d. h. einer unteren Konzentrationsgrenze, ab der wegen mangelnder Gefährdungen Vorsorgeuntersuchungen entfallen können.
Die Vorsorgekartei mit den Einträgen über bestimmte Bedenken gegen eine weitere Beschäftigung der Versicherten, wird, wie früher üblich, weitergeführt. Es besteht jedoch der gravierende Unterschied, dass in dieser Kartei nur noch Ergebnisse von Pflichtuntersuchungen einfließen, denn für Angebotsuntersuchungen besteht keine Verpflichtung, dem Unternehmer die Ergebnisse mitzuteilen. Sollte sich also aus einer Angebotsuntersuchung arbeitsmedizinisch ergeben, dass erhebliche Bedenken gegen eine weitere Beschäftigung bestehen, dann würde davon notwendigerweise der Unternehmer nichts erfahren. Es liegt damit in der Verantwortung des Beschäftigten selbst, zwischen ökonomischen oder gesundheitlichen Aspekten für seine Zukunft oder die seiner Familie zu entscheiden.
Zusammenfassung
Mit der neuen GefStoffV sind die Gestaltungsmöglichkeiten des Unternehmers, damit aber mittelbar auch seine Verantwortung, stark gestiegen. Es bestehen durchaus gewisse Befürchtungen, dass angesichts der Vielzahl der neuen Aufgaben einige Unternehmer vor diesen kapitulieren oder gar den "leichten Weg" gehen werden, mit einem Verbleib in Schutzstufe 1 und dem Ausstieg aus den weiteren Vorschriften der GefStoffV um weitere Maßnahmen zu verhindern.
Vor dieser Vorgehensweise kann nicht nachdrücklich genug gewarnt werden, denn im ggf. eintretenden Schadensfall muss immer vom Unternehmer nachgewiesen werden, dass er zumindest fachkundig gehandelt hat.
Wegen der Vielzahl von Optionen, der derzeit noch fehlenden Technischen Regeln und der Tatsache, dass keine Übergangsfristen eingeräumt worden sind, ist die Rolle der Berufsgenossenschaften im Rahmen der Beratung der Unternehmen durch die neue Verordnung jedenfalls sehr gestärkt worden. Diese beginnt bereits bei der Informationsbeschaffung für die Gefährdungsbeurteilung. Während der Unternehmer sicherlich auf die hoffentlich jetzt besser werdenden Sicherheitsdatenblätter zurückgreifen kann und auch die Kennzeichnung von Produkten ihm hilfreich zur Seite stehen wird, bleibt seine Pflicht bestehen, dort wo die Produkte nicht gekennzeichnet sind, weitergehende Informationen zu beschaffen. Hier und bei der Erstellung von Branchenlösungen zur Erfüllung spezifischer Pflichten der GefStoffV in speziellen Fragen ist die Zusammenarbeit innerhalb dieser Branchen gefragt (Abb. 10). Die Berufsgenossenschaften stehen hier nach bewährtem Vorbild zur Verfügung.
Gemeinsam Branchenlösungen erarbeiten! |
Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilungen ist eine Reihe von Fakten zu bedenken. Ein wesentliches Problem besteht dabei immer in der Frage, was das Ziel der Gefährdungsbeurteilung und der damit verbundenen Maßnahmen sein soll, mit anderen Worten was "sichere" Bedingungen im konkreten Fall zu bedeuten haben. Bergbau-Berufsgenossenschaft und Steinbruchs-Berufsgenossenschaft geben an dieser Stelle die Empfehlung, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung als Ziel festzulegen, dass ggf. vorhandene Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) eingehalten werden (Abb. 11). Damit wäre ein Rahmen für die Maßnahmen aufgespannt, aber auch bereits die erforderlichen Aktionen für die Erfolgskontrolle, nämlich eine messtechnische oder anderweitige Überprüfung der Grenzwerteinhaltung gegeben. Für die Bereiche in denen keine AGW's vorliegen, ist in jedem Fall der Stand der Technik zu überprüfen. Als Einstieg in dieses Verfahren wird empfohlen, die alten TRK-Werte als Richtwerte zu wählen. Wenn sich im Rahmen der Erfolgskontrolle herausstellt, dass die TRK-Werte eingehalten werden, ist jedoch im Gegensatz zu der früher üblichen Vorgehensweise nicht ein Ende der Maßnahmen gekommen, sondern es ist weiterhin zu prüfen, ob die Expositionen und damit die Gefährdung der Mitarbeiter minimiert werden kann. Dennoch hätte ein Bezug auf die alten TRK-Werte den Vorteil, dass auch die zum 31.12.2004 eigentlich außer Kraft getretenen Technischen Regeln, die die TRK-Werte betreffen, weitgehend weiter verwendet werden könnten. Mit dieser Vorgehensweise in Bezug auf die Grenzwerte wäre sicherlich auch ein verlässlicher rechtlicher Rahmen für die Unternehmer gegeben, denn mit Bezug auf diese Daten, die ja im Laufe der vergangenen Jahre mit großer Sorgfalt und unter Einbeziehung des Sachverstands aller beteiligten Kreise zustande gekommen sind, könnte unterstellt werden, dass auf jeden Fall eine fachkundige Vorgehensweise vorgelegen hat.
Empfehlung: In der Gefährdungsbeurteilung die Einhaltung der Grenzwerte als Ziel formulieren! |
Es kann jedoch nicht nachdrücklich genug darauf hingewiesen werden, dass in allen Fällen auch auf mögliche Hautgefährdung bzw. auf das Vorliegen physikalischchemischer Gefährdungen zu achten ist. Über das Arbeitsschutzgesetz muss auch in anderer Hinsicht eine mögliche Gefährdung berücksichtigt werden. Zu denken ist hier z.B. an Gefährdung durch elektrische Betriebsmittel, Lärm oder Vibrationen.
Der Dokumentationsaufwand durch die neue Verordnung ist ebenfalls erhöht. Das Unternehmen muss dokumentieren, wie die Gefährdungsbeurteilung vorgenommen worden ist und zu welchem Ergebnis sie führte. Dabei können für geringe Gefährdungen auch vereinfachte Dokumentationsverfahren gewählt werden.
Die im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe werden auch wie bisher im Rahmen eines Katasters erfasst werden müssen. Neu ist jetzt, dass auch die Sicherheitsdatenblätter so vorgehalten werden müssen, dass für die Beschäftigten und ihre Vertreter Zugang vorliegt. Ab der Schutzstufe 3 sind die Ergebnisse der Messungen und Ermittlungen zur Überprüfung der Einhaltung von Arbeitsplatzgrenzwerten zu dokumentieren. Es wird hier ebenfalls nachdrücklich empfohlen, freiwillig diese Dokumentation bereits in Schutzstufe 2 vorzunehmen (Abb. 12). Denn sie stellt einen wesentlichen Nachweis darüber dar, dass der Unternehmer sorgfältig und fachgerecht ermittelt hat. Sollte sich nämlich aus den Ergebnissen dieser Ermittlungen, z.B. bereits in Stutzstufe 2 ergeben, dass ein Ausstieg möglich und ein Übergehen in die Schutzstufe 1 denkbar ist, dann ist die Dokumentation der Ermittlungsergebnisse unverzichtbar.
Empfehlung: Die Expositionsermittelung IMMER dokumentieren, auch in Schutzstufe 2! |
Wenn im Betrieb mit krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fruchtbarkeitsgefährdenden Stoffen umgegangen wird, besteht u. U. eine weitere Dokumentationspflicht, nämlich dann, wenn eine besonders hohe Exposition gegenüber diesen Stoffen vorauszusehen ist. An diese Dokumentation wird die Forderung gestellt, dass ein abgestuftes Einsichtsrecht der Belegschaft und ihrer Vertretung und natürlich auch der Behörde, mithin auch der Berufsgenossenschaft, besteht. Abschließend sind die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Pflichtuntersuchungen im Rahmen der Vorsorgekartei zu dokumentieren. Auch die daraus folgenden Maßnahmen müssen nachgehalten werden.
Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge sind viele neue Bestimmungen in Kraft getreten. Dabei ist insbesondere die Verpflichtung zu nennen, nur noch Fachärzte einzusetzen. Der Umfang der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist sehr stark erweitert worden. Die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen selbst werden gegliedert in Pflicht- und Angebotsuntersuchungen, wobei nur noch bei Pflichtuntersuchungen Bedenken gegen die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bekannt werden. Ein sehr problematischer Inhalt der neuen Verordnung ist, dass Bedenken die aus Angebotsuntersuchungen resultieren, nicht notwendigerweise dem Arbeitgeber bekannt werden.
Die Grenzwerte sind völlig neu geregelt worden. TRK-Werte, also Werte die sich am Stand der Technik orientieren, sind ersatzlos gestrichen worden. Dies betrifft insbesondere krebserzeugende Arbeitsstoffe. Bei Einhaltung der noch genauer festzulegenden Arbeitsplatzgrenzwerte braucht hingegen eine Gesundheitsgefahr im Allgemeinen nicht mehr befürchtet zu werden. Im Hinblick auf die Exposition nicht nur über den Luftpfad besteht jedoch nunmehr über die allgemeine Pflicht zur Einhaltung von Grenzwerten hinaus ein Minimierungsgebot.
Besonders problematisch ist, dass fast alle Technischen Regeln Gefahrstoffe, die in den letzten Jahrzehnten mit viel Mühe und Aufwand erstellt worden sind, durch die vorhandene GefStoffV auf Null gesetzt worden sind. Sie sind nicht ohne Weiteres mit dem neuen Verordnungstext kompatibel und müssen einzeln vom AGS auf Kompatibilität überprüft werden. Als Beispiele sind hier zu nennen:
Um nicht vor unlösbare Probleme gestellt zu werden, wird an dieser Stelle empfohlen, die Inhalte der alten Technischen Regeln so weit wie möglich weiter zu verwenden, bis Ersatz ausdrücklich vom AGS vorgelegt wird (Abb. 13).
Empfehlung: Die Inhalte der alten TRGS so weit wie möglich umsetzen! |
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die neue Verordnung deutlich komplexer geworden ist als die alte, dass keine Übergangsfristen zur Umsetzung der Vorschriften bestehen und dass der AGS die Aufgabe zugewiesen bekommen hat, die vielen ungelösten Probleme durch Technische Regeln zu klären. Bis das geschehen ist, verbleiben für die Arbeitgeber viele Unsicherheiten.
ENDE