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Regelwerk, Biotechnologie
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PsychKG - Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten
- Berlin -

Vom 17. Juni 2016
(GVBl. Nr. 16 vom 28.06.2016 S. 336; 27.09.2021 S. 1117 21)
Gl.-Nr.: 2127-2



Archiv: 1985

Teil 1
Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereiche, Begriffsbestimmungen

(1) Dieses Gesetz regelt

  1. die Hilfen für psychisch erkrankte Personen, die erforderlich sind, um die Erkrankung zu heilen, deren Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern sowie der gesellschaftlichen Ausgrenzung der Personen entgegenzuwirken, ihre soziale Wiedereingliederung zu ermöglichen und eine Unterbringung zu vermeiden,
  2. die Unterbringung psychisch erkrankter Personen, die aufgrund ihrer Erkrankung sich selbst oder bedeutende Rechtsgüter anderer erheblich gefährden, sowie
  3. die strafrechtsbezogene Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt.

(2) Psychisch erkrankte Personen im Sinne dieses Gesetzes sind

  1. Personen mit psychischen Erkrankungen einschließlich einer Abhängigkeit von stoffgebundenen oder nicht stoffgebundenen Suchtmitteln und
  2. Personen mit psychischen Störungen von erheblichem Ausmaß mit Krankheitswert.

(3) Untergebrachte Personen

  1. im Sinne des Dritten Teils sind die in einer Einrichtung nach § 18 Absatz 1 untergebrachten Personen,
  2. im Sinne des Vierten Teils sind die in der klinisch-forensischen Einrichtung nach § 44 Absatz 1 untergebrachten Personen,
  3. im Sinne des Fünften Teils sind die in einer Einrichtung nach § 18 Absatz 1 oder in der klinisch-forensischen Einrichtung nach § 44 Absatz 1 untergebrachten Personen.

(4) Rechtliche Vertretung im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet eine Person,

  1. die als rechtliche Betreuerin oder rechtlicher Betreuer oder als Vormund bestellt wurde,
  2. die rechtsgeschäftlich von der betroffenen Person bevollmächtigt wurde oder
  3. der die elterliche Sorge obliegt.

(5) Versorgungsregion im Sinne dieses Gesetzes ist der Bezirk.

(6) Psychosoziale Arbeitsgemeinschaften im Sinne dieses Gesetzes sind Gremien, die die Aufgabe haben, die Zusammenarbeit aller an der Versorgung psychisch erkrankter Personen beteiligten Personen, Institutionen, Behörden und Verbände innerhalb der Versorgungsregion zu fördern und damit eine gemeindenahe und bedarfsgerechte psychiatrische Versorgung mit zu entwickeln und aufrechtzuerhalten.

(7) Gemeindepsychiatrische Verbünde im Sinne dieses Gesetzes sind vertragliche Zusammenschlüsse der wesentlichen psychiatrischen Leistungserbringer in einer Versorgungsregion, um mit Hilfe verbindlich vereinbarter gemeinsamer Qualitätsstandards die Versorgung psychisch erkrankter Personen zu gewährleisten.

§ 2 Anwendungsgrundsätze

(1) Bei allen Hilfen und Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ist auf die individuelle Situation und auf die besonderen Bedürfnisse der psychisch erkrankten Person oder der untergebrachten Person Rücksicht zu nehmen. Die Würde und die persönliche Integrität der Person sind zu achten und zu schützen. Ihre individuelle Autonomie einschließlich der Freiheit, Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen, und ihre Unabhängigkeit sind zu respektieren.

(2) Einschränkungen der Rechte einer psychisch erkrankten Person oder einer untergebrachten Person unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Teil 2
Hilfen und Eingriffsbefugnisse gegenüber psychisch erkrankten Personen

Abschnitt 1
Hilfesystem

§ 3 Angebote psychiatrischer Pflichtversorgung

Im Land Berlin müssen die für eine bedarfsgerechte psychiatrische Versorgung individuellen und institutionellen Angebote im ambulanten, niedrigschwelligen, teilstationären, stationären, komplementären, rehabilitativen und pflegerischen Bereich in erreichbarer Nähe vorhanden sein. Dies schließt eine umfassende und frühzeitige Information und Beratung psychisch erkrankter Personen ein. Das Zusammenwirken aller an der Versorgung in einem Bezirk Beteiligten bildet das System der regionalisierten psychiatrischen Pflichtversorgung.

§ 4 Hilfen

(1) Ziel der Hilfen für eine psychisch erkrankte Person ist es, durch rechtzeitige und umfassende Beratung, durch persönliche Betreuung oder Vermittlung oder durch andere geeignete Maßnahmen, insbesondere durch eine frühzeitige ambulante Behandlung, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten und dadurch

  1. eine stationäre Behandlung oder eine Unterbringung nach dem Dritten Teil entbehrlich zu machen (vorsorgende Hilfe) oder zu verkürzen (begleitende Hilfe) oder
  2. der psychisch erkrankten Person nach einer klinischen Behandlung oder einer Unterbringung nach dem Dritten oder Vierten Teil die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern und eine erneute klinische Behandlung oder Unterbringung zu verhindern (nachgehende Hilfe).

(2) Die erforderlichen Hilfen sind nach dem individuellen Hilfebedarf der psychisch erkrankten Person und aufeinander abgestimmt mit ihr zu vereinbaren und zu erbringen. Bei minderjährigen Personen sind die rechtliche Vertretung und unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben das Jugendamt hinzuzuziehen. Geschlechts- und kultursensible sowie behinderungsbedingte Aspekte sind zu berücksichtigen.

(3) Die Hilfen werden nach Möglichkeit so erbracht, dass die psychisch erkrankte Person sie in Anspruch nehmen kann, ohne ihren gewohnten Lebensbereich aufgeben zu müssen. Stationäre Hilfen sollen nur dann geleistet werden, wenn das Ziel der Hilfen auf anderem Wege nicht erreicht werden kann.

(4) Psychisch erkrankte Personen haben einen Anspruch auf die erforderlichen Hilfen nach diesem Gesetz. Dabei sind die Wünsche psychisch erkrankter Personen zu berücksichtigen.

(5) Die Hilfen, insbesondere Beratungen und Informationen, werden auch für Personen erbracht, die mit einer psychisch erkrankten Person in Beziehung stehen. Sie sollen Verständnis für die besondere Lage der psychisch erkrankten Person wecken und insbesondere die Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Unterstützung der psychisch erkrankten Person fördern.

§ 5 Niedrigschwellige Angebote

Niedrigschwellige Angebote sind Bestandteil der bezirklichen psychiatrischen Pflichtversorgung. Sie dienen der erforderlichen Ergänzung und Verknüpfung der Leistungen nach den Büchern des Sozialgesetzbuches und dem Gesundheitsdienst-Gesetz und sind in jedem Bezirk vorzuhalten. Zu den niedrigschwelligen Angeboten zählen insbesondere

  1. Kontakt- und Beratungsstellen,
  2. Beratungsstellen für alkohol- und medikamentenabhängige Personen,
  3. Stellen, die psychisch erkrankten Personen Beschäftigungsmöglichkeiten bieten (Zuverdienste), und
  4. der Berliner Krisendienst.

Darüber hinaus sind regional ausgerichtete Beratungsstellen für drogenmissbrauchende und -abhängige Personen vorzuhalten.

§ 6 Aufgaben und Eingriffsbefugnisse des Sozialpsychiatrischen Dienstes und des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes 21

(1) Der Sozialpsychiatrische Dienst und der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst haben insbesondere folgende Aufgaben:

  1. Beratung und psychosoziale Unterstützung, die Vermittlung und Koordinierung von Hilfen nach § 4, wenn eine psychisch erkrankte Person oder eine ihr nahestehende Person diese Hilfen in Anspruch nehmen will oder wenn einem dieser Dienste bekannt wird, dass eine Person einer dieser Hilfen bedarf;
  2. psychisch erkrankte Personen oder ihnen nahestehende Personen ambulant aufzusuchen, sie über vorsorgende, begleitende und nachsorgende Leistungen für psychisch erkrankte Personen zu informieren und sie gegebenenfalls mit Anbietern dieser Leistungen in Verbindung zu bringen;
  3. die Abgabe fachgutachterlicher Stellungnahmen gegenüber Dritten;
  4. die einleitende Koordination von Maßnahmen zum Schutz vor Fremd- oder Eigengefährdung;
  5. die Durchführung von Unterbringungen nach dem Dritten Teil.

(2) Die Sozialpsychiatrischen Dienste werden in den Gesundheitsämtern durch eine Fachärztin oder einen Facharzt mit einer Facharztausbildung im Bereich der Psychiatrie geleitet. Die Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienste werden in den Gesundheitsämtern durch eine Fachärztin oder einen Facharzt mit einer Facharztausbildung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie geleitet.

(3) Für eine psychisch erkrankte Person ist der Dienst zuständig, in dessen Bezirk diese Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte oder in dem der Anlass für ein Tätigwerden hervortritt.

(4) Liegen gewichtige Anzeichen dafür vor, dass eine Person psychisch erkrankt ist, und steht zu befürchten, dass die betreffende Person sich selbst erheblichen Schaden zufügen oder bedeutende Rechtsgüter Dritter gefährden wird, kann der zuständige Dienst

  1. die betreffende Person auffordern, sich beraten und bei einer Ärztin oder einem Arzt ihrer Wahl untersuchen zu lassen,
  2. selbst eine ärztliche Untersuchung mit Einwilligung der betreffenden Person durchführen oder,
  3. wenn eine Aufforderung nach Nummer 1 von vornherein unzweckmäßig erscheint oder nicht befolgt wird, bei der betroffenen Person mit ihrer Einwilligung einen Hausbesuch vornehmen, um eine Beratung anzubieten oder unmittelbar dort eine ärztliche Untersuchung durchführen.

Die betroffene Person ist über ihre Rechte und die Möglichkeit zur Beschwerde gemäß § 11 aufzuklären.

(5) Ist ein Hausbesuch undurchführbar oder nicht zweckmäßig oder kann die erforderliche ärztliche Untersuchung nicht vorgenommen werden, ist die Aufforderung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 unter Androhung einer zwangsweisen Vorführung zu wiederholen. Eine notwendig werdende Vorführung erfolgt auf Veranlassung des zuständigen Dienstes durch die Polizei Berlin.

(6) Wird bei einer ärztlichen Untersuchung nach Absatz 4 eine psychische Erkrankung festgestellt und ist zu befürchten, dass die psychisch erkrankte Person sich selbst erheblichen Schaden zufügen oder bedeutende Rechtsgüter Dritter erheblich gefährden wird, ist die Person aufzufordern, sich in ambulante oder stationäre Behandlung zu begeben. Der psychisch erkrankten Person sind zuvor die Ergebnisse der Untersuchung mitzuteilen. Folgt die psychisch erkrankte Person der Aufforderung nicht, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach dem Dritten Teil vorliegen.

(7) Der zuständige Dienst gibt der betreffenden Person in den Fällen der Absätze 4 bis 6 vor Durchführung der jeweiligen Maßnahme Gelegenheit, eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen. Ist die betreffende Person dazu nicht in der Lage, benachrichtigt der zuständige Dienst unverzüglich eine der betreffenden Person nahestehende Person, sofern dies nicht dem mutmaßlichen Willen der betreffenden Person widerspricht. Die Betreuerin oder der Betreuer ist zu benachrichtigen, wenn für die psychisch erkrankte Person eine solche oder ein solcher nach Buch 4 Abschnitt 3 Titel 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestellt ist. Bei minderjährigen Personen ist außerdem das Jugendamt unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zu informieren.

§ 7 Zusammenarbeit im Hilfesystem

(1) Alle an der Erbringung von vorsorgenden, begleitenden und nachgehenden Hilfen Beteiligten arbeiten eng zusammen, um psychisch erkrankten Personen die für sie bestmögliche Hilfe anzubieten. Dies sind insbesondere

  1. der Sozialpsychiatrische Dienst, der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst des jeweiligen Bezirksamtes sowie das Jugendamt,
  2. die psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Krankenhäuser und Fachabteilungen an Krankenhäusern,
  3. die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch,
  4. die Verbände der freien Wohlfahrtspflege und die in ihnen organisierten Leistungserbringer sowie
  5. andere öffentliche, freigemeinnützige und private Stellen, Organisationen und Einrichtungen, soweit sie an psychiatrischen Hilfen mitwirken.

(2) Die an der gemeindepsychiatrischen Versorgung beteiligten Dienste und Leistungserbringer sind zur Sicherstellung der Versorgung innerhalb einer Versorgungsregion zur Zusammenwirkung verpflichtet. Die Bezirke wirken darauf hin, dass die Leistungserbringer gemeinsam die Sicherstellung der psychiatrischen Versorgung für psychisch erkrankte Personen in ihrem Bezirk übernehmen.

(3) Die an der gemeindepsychiatrischen Versorgung beteiligten Dienste und Leistungserbringer sind zur Zusammenarbeit mit den

Einrichtungen zur Durchführung von strafrechtsbezogenen Unterbringungen nach dem Teil 4 verpflichtet.

§ 8 Förderung ehrenamtlicher Unterstützung

Die in diesem Gesetz genannten Dienste und Einrichtungen fördern die ehrenamtliche Tätigkeit zur Unterstützung psychisch erkrankter Personen. Darüber hinaus sollen ehrenamtliche Tätigkeiten von Angehörigen und die Selbsthilfe psychisch erkrankter Personen gefördert werden.

Abschnitt 2
Organisatorisches

§ 9 Behördliche Zuständigkeiten

(1) Die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung nimmt die Planungs-, Grundsatz- und Steuerungsaufgaben hinsichtlich der psychiatrischen Hilfen und des Versorgungssystems wahr. Hierzu gehören auch die klinische und die komplementäre Versorgung der strafrechts- und strafprozessrechtsbezogenen Unterbringungen von Personen nach den §§ 63, 64 und 67h des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Mai 2016 (BGBl. I S. 1254) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, nach § 7 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 17. Juli 2015 (BGBl. I S. 13 32) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und nach den §§ 81 und 126a der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2525) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Die Bezirke stellen die Wahrnehmung und die Koordination bei der Versorgung psychisch erkrankter Personen in ihrem Zuständigkeitsbereich mit Hilfe einer institutionalisierten Psychiatrie- und Suchthilfekoordination sicher.

§ 10 Beiräte und Steuerungsgremien

(1) Das für das Gesundheitswesen zuständige Mitglied des Senats schlägt dem Abgeordnetenhaus von Berlin einen aus fachkundigen Personen bestehenden Beirat für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin vor, der das für das Gesundheitswesen zuständige Mitglied des Senats in allen Fragen einer bedarfsgerechten Versorgung psychisch erkrankter Personen berät (Landesbeirat für psychische Gesundheit). Der Vorschlag umfasst die Mitglieder und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter. Nach deren Vorstellung im zuständigen Fachausschuss und anschließender Beratung wählt das Abgeordnetenhaus von Berlin die Mitglieder und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter für die Dauer der Legislaturperiode.

(2) Das für das Gesundheitswesen zuständige Mitglied des Bezirksamtes beruft einen aus fachkundigen Personen bestehenden Beirat, der es in allen Fragen einer bedarfsgerechten Umsetzung der Versorgung psychisch erkrankter Personen berät (Bezirksbeirat für psychische Gesundheit).

(3) Die Bezirksämter bilden Psychosoziale Arbeitsgemeinschaften oder Gemeindepsychiatrische Verbünde. Diese wirken auf eine Zusammenarbeit aller Personen, Behörden, Institutionen und Verbände hin, die an der Betreuung psychisch erkrankter Personen beteiligt sind.

(4) Jeder Bezirk bildet ein Steuerungsgremium zur verbindlichen Koordination der Erbringung von außerklinischen Hilfen bei Vorliegen komplexer Hilfebedarfe.

(5) An den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Beiräten und Gremien sind auch Personen mit eigener Erfahrung bezüglich psychischer Erkrankungen und deren Angehörige oder Organisationen, die solche Angehörigen vertreten, zu beteiligen.

(6) Jeder Beirat und jedes Gremium gibt sich eine Geschäftsordnung. Das Nähere regelt die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung durch Verwaltungsvorschriften. Die Gremien sind geschlechtsparitätisch zu besetzen. § 15 des Landesgleichstellungsgesetzes findet Anwendung.

§ 11 Beschwerde- und Informationsstelle

Die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung gewährleistet, dass in Angelegenheiten der psychiatrischen Versorgung individuelle Beschwerden entgegengenommen und die Beschwerdeführenden im Prozess der Beschwerdebearbeitung beraten und begleitet werden sowie die Arbeit der Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher nach den §§ 12 und 52 und der Besuchskommissionen unterstützt wird (Beschwerde- und Informationsstelle). Sie kann sich hierfür Dritter bedienen. Die Beschwerde- und Informationsstelle ist hinsichtlich ihrer einzelfallbezogenen Aufgabenwahrnehmung fachlich eigenständig und unabhängig von Weisungen. Die unter § 7 genannten Beteiligten erteilen den Mitarbeitenden der Beschwerde- und Informationsstelle auf Anforderung die zur Bearbeitung von Beschwerden erforderlichen Auskünfte unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften.

§ 12 Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher

Patientenfürsprecherinnen oder -fürsprecher in psychiatrischen Krankenhäusern und psychiatrischen Abteilungen eines Krankenhauses werden nach § 30 des Landeskrankenhausgesetzes vom 18. September 2011 (GVBl. S. 483), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 17. Juni 2016 (GVBl. S. 336) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, gewählt. Sie wirken über die in § 30 Absatz 3 des Landeskrankenhausgesetzes genannten Aufgaben hinaus beratend mit und unterstützen die Krankenhäuser durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge, insbesondere hinsichtlich des therapeutischen Klimas. Sie helfen bei der Eingliederung der Patientinnen und Patienten nach der Entlassung und bei der Aufklärung der Öffentlichkeit über psychische Erkrankungen.

§ 13 Besuchskommissionen

(1) Zur Überprüfung der Einrichtungen nach § 18 Absatz 1 und § 44 Absatz 1 bildet die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung mindestens zwei Besuchskommissionen. Die Besuchskommissionen überprüfen, ob die Einrichtungen die Vorschriften dieses Gesetzes einhalten, insbesondere die mit der Unterbringung und der Behandlung verbundenen Aufgaben erfüllen und die Rechte der untergebrachten Personen wahren.

(2) Den Besuchskommissionen gehören folgende Personen an:

  1. eine Fachärztin oder ein Facharzt mit einer Facharztausbildung im Bereich der Psychiatrie,
  2. eine in der Behandlung oder der Betreuung psychisch erkrankter Personen erfahrene Fachkraft,
  3. eine Person mit juristischem Sachverstand,
  4. eine Angehörigenvertreterin oder ein Angehörigenvertreter,
  5. eine psychiatrieerfahrene Person,
  6. eine Person des öffentlichen Lebens und
  7. eine Ärztin oder ein Arzt mit einer abgeschlossenen Weiterbildung oder einer mindestens fünfjährigen Berufserfahrung im Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie oder eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut.

(3) Die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung schlägt dem Abgeordnetenhaus von Berlin auf Vorschlag des Landesbeirats für psychische Gesundheit die Mitglieder der Besuchskommissionen sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter vor. Nach deren Vorstellung im zuständigen Fachausschuss und anschließender Beratung wählt das Abgeordnetenhaus von Berlin die Mitglieder und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter für die Dauer von fünf Jahren. Geschlechts- und kultursensible sowie behinderungsbedingte Aspekte sind bei der Auswahl der Personen und der Zusammensetzung der Besuchskommissionen zu berücksichtigen. Die Besuchskommissionen sind geschlechtsparitätisch zu besetzen. § 15 des Landesgleichstellungsgesetzes findet Anwendung. Eine erneute Berufung ist zulässig. Die Namen der Mitglieder der Besuchskommissionen und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter sind den Einrichtungen bekannt zu geben.

(4) Die Besuchskommissionen besuchen in der Regel einmal jährlich jede der in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen. Die Besuche können je nach Ermessen der Besuchskommissionen unangemeldet oder aber angemeldet erfolgen. Das in Absatz 2 Nummer 7 genannte Mitglied nimmt nur an Besuchen der Einrichtungen teil, in denen minderjährige Personen untergebracht sind.

(5) Zu den Besuchen der Einrichtungen im Sinne des Absatzes 4 Satz 4 haben die Besuchskommissionen eine Vertreterin oder einen Vertreter des Jugendamtes, in dessen Bezirk die zu überprüfende Einrichtung liegt, hinzuzuziehen. Die Vertreterinnen und Vertreter der Jugendämter werden von der für das Gesundheitswesen zuständigen Senatsverwaltung auf Vorschlag des zuständigen Bezirksamts für fünf Jahre berufen. Die Besuchskommissionen sollen zu ihren Besuchen die Patientenfürsprecherin oder den Patientenfürsprecher der jeweiligen Einrichtung hinzuziehen. Sie können bei Bedarf weitere fachkundige Personen hinzuziehen. Die nach diesem Absatz hinzugezogenen Personen haben während der Besuche die gleichen Rechte und Pflichten wie die Mitglieder der Besuchskommissionen.

(6) Die Einrichtungen sind verpflichtet, die Besuchskommissionen zu unterstützen und ihnen insbesondere die gewünschten Auskünfte zu erteilen.

(7) Die Einrichtungen haben den untergebrachten Personen Gelegenheit zu geben, sich bei einem Besuch der Besuchskommissionen an diese oder an einzelne Mitglieder der Besuchskommissionen mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden zu wenden. Personenbezogene Unterlagen dürfen von den Besuchskommissionen nur mit ausdrücklicher Einwilligung der jeweiligen untergebrachten Person oder ihrer rechtlichen Vertretung eingesehen werden.

(8) Die Besuchskommissionen fertigen über jeden ihrer Besuche in einer Einrichtung einen Bericht an, der dem jeweiligen Einrichtungsträger zur Stellungnahme vorzulegen ist. Sie legen dem Landesbeirat für psychische Gesundheit jährlich einen Gesamtbericht über das Ergebnis ihrer Besuche vor. Der Landesbeirat für psychische Gesundheit nimmt zu dem Gesamtbericht Stellung und leitet beides an die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung weiter. Über die Besuche von Einrichtungen, in denen minderjährige Personen untergebracht sind, legen die Besuchskommissionen dem Landesbeirat für psychische Gesundheit jährlich einen besonderen Gesamtbericht vor, den der Beirat zusammen mit einer eigenen Stellungnahme an die für Jugend zuständige Senatsverwaltung weiterleitet. Im Abstand von zwei Jahren legt die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung dem Abgeordnetenhaus die Gesamtberichte der Besuchskommissionen sowie die Stellungnahmen des Landesbeirats für psychische Gesundheit zur Kenntnisnahme vor.

(9) Die Mitglieder der Besuchskommissionen sind von Weisungen unabhängig. Sie sind zur Verschwiegenheit über die bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. Kenntnisse, die sie über persönliche Belange von untergebrachten Personen erlangen, sind vertraulich zu behandeln. Sie dürfen nur in einer Weise in die Berichte nach Absatz 8 aufgenommen werden, die keine identifizierenden Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen. Die Sätze 1 bis 3 finden auf die nach Absatz 5 hinzugezogenen Personen entsprechende Anwendung.

(10) Die Mitglieder der Besuchskommissionen nehmen ein Ehrenamt wahr und erhalten für jede Teilnahme an einem Besuch eine Aufwandsentschädigung. Ihre Arbeit ist von Weisungen unabhängig.

(11) Die Besuchskommissionen geben sich jeweils eine Geschäftsordnung.

§ 14 Verordnungsermächtigung

Die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere zu regeln:

  1. zur Gewährleistung der Beschwerde- und Informationsstelle nach § 11 und zu den Besuchskommissionen nach § 13 sowie
  2. zum Zusammenwirken der Beschwerde- und Informationsstelle, der Besuchskommissionen sowie der Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher.

Teil 3
Unterbringung zur Gefahrenabwehr

Abschnitt 1
Allgemeines

§ 15 Begriff und Voraussetzungen der Unterbringung

(1) Eine Unterbringung im Sinne des Teils 3 liegt vor, wenn eine psychisch erkrankte Person gegen ihren Willen oder gegen den Willen der für sie aufenthaltsbestimmungsberechtigten Person oder im Zustand der Willenlosigkeit in eine Einrichtung nach § 18 Absatz 1 eingewiesen oder in der Einrichtung zurückgehalten wird oder verbleiben soll.

(2) Eine psychisch erkrankte Person darf nur untergebracht werden, wenn und solange durch ihr krankheitsbedingtes Verhalten eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit oder für besonders bedeutende Rechtsgüter Dritter besteht und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Kann die Gefahr bereits durch eine ambulante Behandlung, auch im Rahmen einer psychiatrischen Institutsambulanz, oder durch eine teilstationäre Behandlung beseitigt werden, so ist die Unterbringung nicht anzuordnen oder zu beenden. Die fehlende Bereitschaft, sich behandeln zu lassen, rechtfertigt für sich allein nicht die Unterbringung.

(3) Von einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne von Absatz 2 Satz 1 ist dann auszugehen, wenn infolge der psychischen Erkrankung ein Schaden stiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder bereits begonnen hat oder wenn sein Eintritt zwar unvorhersehbar, aber wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls jederzeit zu erwarten ist.

(4) Die Unterbringung darf nicht angeordnet oder muss wieder beendet werden, wenn bereits eine strafrechtsbezogene Unterbringung angeordnet worden ist.

§ 16 Zweck der Unterbringung

Zweck der Unterbringung ist die Abwehr einer der in § 15 Absatz 2 Satz 1 genannten Gefahren. Zugleich dient sie der Heilung, Besserung oder Linderung oder der Verhütung einer Verschlimmerung der psychischen Krankheit oder der psychischen Störung der untergebrachten Person.

§ 17 Rechtsstellung der untergebrachten Person

Eine in Einrichtungen nach § 18 Absatz 1 untergebrachte Person ist in ihrer Würde und in ihrer persönlichen Integrität zu achten und zu schützen. Die untergebrachte Person unterliegt nur den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit, soweit sie sich zwingend aus den Zwecken der Unterbringung oder aus den Anforderungen an ein geordnetes Zusammenleben in der Einrichtung ergeben. Die in § 2 formulierten Grundsätze sind anzuwenden.

Abschnitt 2
Organisatorisches

§ 18 Einrichtungen, Gliederung und Ausstattung

(1) Die Unterbringung erfolgt in psychiatrischen Krankenhäusern, in psychiatrischen Fachabteilungen in Krankenhäusern oder in für psychisch erkrankte Menschen geeigneten Heimen (Einrichtungen) oder in Teilen von solchen Einrichtungen.

(2) Die Einrichtungen sind baulich so zu gestalten, organisatorisch so zu gliedern und personell so auszustatten, dass eine auf die unterschiedlichen Anforderungen der untergebrachten Personen abgestimmte Behandlung ermöglicht und deren Wiedereingliederung in die Gesellschaft gefördert wird. Den besonderen Erfordernissen von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden ist Rechnung zu tragen.

(3) Die Einrichtungen haben eine Behandlung der untergebrachten Personen nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand der medizinischen, psychotherapeutischen, pflegerischen und heilpädagogischen Erkenntnisse zu gewährleisten. Sie haben über die hierfür erforderlichen Fachkräfte zu verfügen.

(4) Die Einrichtungen müssen über die Voraussetzungen zur Durchführung von freiheitsentziehenden Maßnahmen verfügen. Gesicherte Freiflächen sind in angemessener Größe vorzuhalten und zur Freizeitgestaltung zur Verfügung zu stellen. Kinder, Jugendliche und Heranwachsende sind von Erwachsenen abgegrenzt unterzubringen. Geschlechts- und kultursensible sowie behinderungsbedingte Aspekte sind zu berücksichtigen. Bei der Durchführung von freiheitsentziehenden Maßnahmen ist das Entweichen der untergebrachten Personen durch geeignete Maßnahmen zu verhindern.

(5) Die mit hoheitlicher Gewalt nach § 19 beliehenen Einrichtungen melden der für das Gesundheitswesen zuständigen Senatsverwaltung halbjährlich zum 30. Juni und 31. Dezember Daten über Aufnahmen und Entlassungen, Grund und Dauer der Unterbringungen sowie Art, Anzahl und Dauer von Zwangsbehandlungen nach § 28 Absatz 6 und Absatz 7 und die Anzahl besonderer Sicherungsmaßnahmen nach § 39 Absatz 2, getrennt nach den Nummern 1 bis 5.

§ 19 Beleihung

Die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung bestimmt die an der Unterbringung beteiligten Einrichtungen. Soweit es erforderlich ist, ist sie ermächtigt, ihnen die Aufgaben zur Unterbringung psychisch erkrankter Personen nach diesem Teil des Gesetzes widerruflich zu übertragen und sie mit hoheitlicher Gewalt zu beleihen.

§ 20 Fachaufsicht, Zuständigkeiten

(1) Die Fachaufsicht über die Durchführung der Unterbringung zur Gefahrenabwehr obliegt dem jeweils örtlich zuständigen Bezirksamt. Der Fachaufsicht unterliegen alle Einrichtungen in dem jeweiligen Bezirk, in denen Unterbringungen zur Gefahrenabwehr durchgeführt werden, und ihre hieran beteiligten Beschäftigten.

(2) Im Rahmen seiner Fachaufsicht kann das zuständige Bezirksamt insbesondere

  1. sein Informationsrecht wahrnehmen, indem es Auskünfte und Berichte sowie die Vorlage von Akten und sonstigen Unterlagen verlangt, und Prüfungen anordnen,
  2. sein Weisungsrecht ausüben, indem es Einzelweisungen erteilt, und
  3. aufgrund seines Selbsteintrittsrechts eine Angelegenheit unmittelbar an sich ziehen, wenn eine erteilte Einzelweisung nicht befolgt wird.

Eine Einsichtnahme in die in den Krankenakten enthaltenen besonderen personenbezogenen Daten ist nur mit Einwilligung der untergebrachten Person zulässig. Der Aufsichtsbehörde ist auf Verlangen jederzeit Zugang zu den Räumlichkeiten der Einrichtung zu gewähren. Macht die Aufsichtsbehörde von ihrem Eintrittsrecht Gebrauch und entstehen ihr hierbei Aufwendungen, hat der Träger der Einrichtung diese zu übernehmen.

(3) Soweit zur Ausführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz die Entscheidung oder die Mitwirkung der Einrichtung oder ihrer Leitung vorgesehen ist, ist hierfür die ärztliche Leitung oder, soweit es sich um ein für psychisch erkrankte Personen geeignetes Heim oder einen Teil eines Heimes handelt, die Heimleitung zuständig.

(4) Aufsichtsrechte nach anderen Gesetzen bleiben unberührt.

§ 21 Kosten der Unterbringung

Die Kosten der Unterbringung zur Gefahrenabwehr in einer Einrichtung und die Kosten der in diesem Zusammenhang erforderlichen Untersuchungen und Behandlungen trägt die untergebrachte Person selbst, soweit nicht ein Träger der Sozialversicherung oder ein sonstiger Dritter zur Kostentragung vorrangig verpflichtet ist.

Abschnitt 3
Unterbringung

§ 22 Antrag auf Unterbringung

Eine Unterbringung wird mit dem schriftlichen Antrag des Sozialpsychiatrischen Dienstes oder des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes des Bezirksamtes an das zuständige Gericht eingeleitet.

§ 23 Vorläufige behördliche Unterbringung 21

(1) Bestehen dringende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen, und kann eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, kann das Bezirksamt eine vorläufige Unterbringung längstens bis zum Ablauf des auf die Anordnung folgenden Tages anordnen. Eine vorläufige behördliche Unterbringung erfolgt ausschließlich in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer psychiatrischen Fachabteilung eines Krankenhauses.

(2) Kann das Bezirksamt die Unterbringung nach Absatz 1 nicht rechtzeitig anordnen, ist die Anordnung einer vorläufigen Unterbringung auch durch die Polizei Berlin oder durch ein psychiatrisches Krankenhaus oder eine psychiatrische Fachabteilung eines Krankenhauses im Sinne des § 18 Absatz 1 bis zum Ablauf des auf die Anordnung folgenden Tages zulässig. Die Anordnung einer vorläufigen Unterbringung durch die Polizei Berlin ist nur zulässig, wenn sie auch eine Ärztin oder ein Arzt für erforderlich hält. Hierbei kann es sich auch um die aufnehmende Ärztin oder den aufnehmenden Arzt des Krankenhauses handeln, in der die betroffene Person vorläufig untergebracht werden soll. Das Krankenhaus unterrichtet das Bezirksamt, in dessen Bezirk es liegt, unverzüglich über die vorläufige Unterbringung.

(3) Die aufnehmende Ärztin oder der aufnehmende Arzt des Krankenhauses hat nach der Aufnahmeuntersuchung der betroffenen Person unverzüglich zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen. Liegen sie nicht vor, ist die Person zu entlassen.

(4) Das Bezirksamt hat unverzüglich die gerichtliche Anordnung der Unterbringung zu beantragen, wenn es die Unterbringung für erforderlich hält. Die betroffene Person ist darüber zu informieren.

(5) Der betroffenen Person ist Gelegenheit zu geben, eine Angehörige oder einen Angehörigen oder eine sonstige Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen. Ist sie selbst zu einer solchen Benachrichtigung nicht in der Lage, übernimmt dies der zuständige Dienst des aufnehmenden Krankenhauses, sofern dies nicht dem mutmaßlichen Willen der betroffenen Person widerspricht. Bei minderjährigen Personen sind die rechtliche Vertretung und das Jugendamt zu unterrichten. Entsprechend ist bei psychisch erkrankten Personen zu verfahren, für die eine Betreuerin oder ein Betreuer nach Buch 4 Abschnitt 3 Titel 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit dem Aufgabenkreis des Rechts der Aufenthaltsbestimmung bestellt ist oder die eine Person zur rechtsgeschäftlichen Vertretung schriftlich und unter ausdrücklicher Einbeziehung der freiheitsentziehenden Unterbringung bevollmächtigt haben.

(6) Personenbezogene Daten, die der Polizei Berlin bei der vorläufigen Unterbringung nach Absatz 2 bekannt werden, dürfen nur zur Durchführung dieses Gesetzes und zur Aufklärung von Straftaten verwendet werden.

(7) Die psychisch erkrankte Person ist in verständlicher Art und Weise über ihre Rechte, den gerichtlichen Rechtsschutz und die Möglichkeit zur Beschwerde gemäß § 11 aufzuklären. Die Gründe für die vorläufige behördliche Unterbringung gegen den Willen der betreffenden Person sind, einschließlich des erfolglos gebliebenen Versuches, die Einwilligung zu erreichen, und der Aufklärung über die Möglichkeit zur Beschwerde, zu dokumentieren.

§ 24 Örtliche Zuständigkeit des Bezirksamtes

(1) Soweit Maßnahmen des Bezirksamtes nach diesem Abschnitt 3 vorgesehen sind, ist hierfür das Bezirksamt zuständig, in dessen Bezirk die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte oder in dem der Anlass für ein Tätigwerden entsteht.

(2) Befindet sich die betroffene Person bereits in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer psychiatrischen Fachabteilung eines Krankenhauses, so ist zunächst das Bezirksamt zuständig, in dessen Bezirk das Krankenhaus liegt.

(3) Das nach Absatz 2 tätig gewordene Bezirksamt gibt das Verfahren umgehend an das nach Absatz 1 zuständige Bezirksamt ab. Zur Durchführung eines einfachen und zweckmäßigen Verfahrens kann das Bezirksamt, in dessen Bezirk das Krankenhaus liegt, das Verfahren ausnahmsweise weiterführen, sofern dies nicht den Interessen der betroffenen Person entgegensteht.

§ 25 Durchführung der Unterbringung 21

Die Durchführung der Unterbringung zur Gefahrenabwehr einer psychisch erkrankten Person erfolgt durch das zuständige Bezirksamt. Bei einer Unterbringungsanordnung durch die Polizei Berlin veranlasst dieser auch die Beförderung in die Einrichtung. Ist die vorläufige Unterbringung nach § 23 Absatz 2 von einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer psychiatrischen Fachabteilung eines Krankenhauses angeordnet worden, so hat das Krankenhaus auch die Unterbringung vorzunehmen.

§ 26 Gerichtliche Verfahrensvorschriften

Für das gerichtliche Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2018) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

Abschnitt 4
Behandlung und Betreuung

§ 27 Aufklärung

(1) Im Rahmen der Aufnahme ist die psychisch erkrankte Person durch die aufnehmende Ärztin oder durch den aufnehmenden Arzt unverzüglich über ihre Rechte und Pflichten, die Rechtsfolgen der Unterbringung, den gerichtlichen Rechtsschutz und die Möglichkeit zur Beschwerde gemäß § 11 aufzuklären. Dies hat in geeigneter Form in einer ihr verständlichen Sprache zu erfolgen. Erlaubt der Gesundheitszustand der psychisch erkrankten Person diese Aufklärung nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufnahme, so ist sie nachzuholen, sobald dies möglich ist. Dabei ist die psychisch erkrankte Person insbesondere über die Organisation und die Ordnung in der Einrichtung einschließlich der Zulässigkeit des Auslesens von Datenspeichern nach § 99 zu informieren.

(2) Die Aufklärung nach Absatz 1 ist zu dokumentieren und durch die Unterschrift der Ärztin oder des Arztes zu bestätigen.

§ 28 Behandlung

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf eine zweckmäßige, notwendige und dem jeweils allgemein anerkannten Stand der medizinischen, pflegerischen, therapeutischen und heilpädagogischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung der Erkrankung, die zu ihrer Unterbringung geführt hat (Anlasserkrankung). Zur Behandlung gehören auch die notwendigen Untersuchungen und die ergotherapeutischen, psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Maßnahmen. Darüber hinaus schließt die Behandlung Angebote und Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Gesundheitsförderung ein. Geschlechts- und kulturspezifische Aspekte sind zu berücksichtigen.

(2) Die diagnostischen Erkenntnisse und die vorgesehene Behandlung sind der untergebrachten Person und gegebenenfalls ihrer rechtlichen Vertretung zu erläutern. Das Aufklärungsgespräch ist in einer Weise zu führen, dass die untergebrachte Person Grund, Bedeutung und Tragweite ihrer Erkrankung und die vorgesehenen Behandlungsmaßnahmen erfassen und verstehen kann.

(3) Jede ärztliche Maßnahme bedarf der Einwilligung der untergebrachten Person. Die Einwilligung ist ausdrücklich zu erklären und zu dokumentieren. Dabei muss die untergebrachte Person in der Lage sein, Grund, Bedeutung und Tragweite von Erkrankung und erforderlicher Behandlung zu verstehen und Entscheidungen danach auszurichten (Einwilligungsfähigkeit).

(4) Ist die untergebrachte Person nicht einwilligungsfähig, so kann die Bestellung einer Betreuerin oder eines Betreuers angeregt werden.

(5) Fehlt der untergebrachten Person die Einwilligungsfähigkeit und hat sie bereits eine Bevollmächtigte oder einen Bevollmächtigten oder ist bereits eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt, so sind der mutmaßliche Wille der untergebrachten Person und die Durchführung oder Untersagung einer ärztlichen Maßnahme durch die Bevollmächtigte oder den Bevollmächtigten oder die Betreuerin oder den Betreuer und den behandelnden Arzt nach den §§ 1901a und 1901b des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 396) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, zu ermitteln. Die in einer Patientenverfügung oder als natürlicher Wille zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der Behandlung ist zu beachten.

(6) Kann eine untergebrachte Person aufgrund ihrer krankheitsbedingten Einwilligungsunfähigkeit die mit einer Behandlung gegebene Chance einer Heilung nicht erkennen oder nicht ergreifen, ist ausnahmsweise eine ihrem natürlichen Willen widersprechende, insbesondere medikamentöse Zwangsbehandlung der Anlasserkrankung zulässig, wenn diese ausschließlich mit dem Ziel vorgenommen wird, die Einwilligungsfähigkeit überhaupt erst zu schaffen oder wiederherzustellen. Eine Zwangsbehandlung darf nur als letztes Mittel und nur unter strikter Einhaltung der folgenden Maßgaben durchgeführt werden:

  1. Weniger eingreifende Behandlungen haben sich als erfolglos erwiesen oder können nicht vorgenommen werden.
  2. Der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch, eine auf Vertrauen gegründete Einwilligung in die Behandlung zu erreichen, ist erfolglos geblieben.
  3. Die untergebrachte Person ist gemäß Absatz 2 durch eine Ärztin oder einen Arzt über das Ob und Wie der vorgesehenen Zwangsbehandlung entsprechend ihrer Verständnismöglichkeit aufzuklären.
  4. Die vorgesehene Zwangsbehandlung muss erfolgversprechend sein. Ihr zu erwartender Nutzen muss deutlich die mit ihr einhergehenden Belastungen oder möglichen Schäden überwiegen. Eine Veränderung des Kernbereichs der Persönlichkeit muss dabei ausgeschlossen sein.
  5. Die Zwangsbehandlung ist durch eine Ärztin oder einen Arzt der Einrichtung anzuordnen. Dabei sind auch die Art und die Intensität der ärztlichen und pflegerischen Überwachung festzulegen.
  6. Die Zwangsbehandlung ist hinsichtlich ihrer Art und Dauer, gegebenenfalls einschließlich erforderlicher Wiederholungen, zeitlich zu begrenzen. Die Medikation und die durchzuführenden Kontrollen sind von der anordnenden Ärztin oder dem anordnenden Arzt auf Wirksamkeit und mögliche Unverträglichkeiten einzelfallbezogen genau zu bestimmen.
  7. Vor der Durchführung der Zwangsbehandlung der untergebrachten volljährigen Person hat die Einrichtung die vorherige Zustimmung des Betreuungsgerichts einzuholen. Betrifft die beabsichtigte Zwangsbehandlung eine minderjährige untergebrachte Person, ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich.
  8. Die Zwangsbehandlung ist insgesamt unverzüglich abzubrechen, wenn sie sich als nicht mehr verhältnismäßig erweist.
  9. Nach Abschluss der Zwangsbehandlung sind ihr Verlauf, ihre Wirkungen und die daraus zu ziehenden Folgerungen mit der untergebrachten Person zu besprechen. Hierbei ist die psychisch erkrankte Person in verständlicher Art und Weise über ihre Rechte, den gerichtlichen Rechtsschutz und die Möglichkeit zur Beschwerde gemäß § 11 aufzuklären. Die Aufklärung ist zu dokumentieren.

(7) Bei Lebensgefahr oder gegenwärtiger erheblicher Gefahr für die eigene Gesundheit (Gefahr im Verzuge) ist eine, insbesondere medikamentöse Zwangsbehandlung der untergebrachten Person auch gegen ihren natürlichen Willen zulässig, wenn

  1. die Durchführung besonderer Sicherungsmaßnahmen nach § 39 nicht ausreicht oder geeignet ist, um die Gefahr abzuwenden,
  2. die untergebrachte Person nicht einwilligungsfähig ist und
  3. der Einrichtung eine wirksame Patientenverfügung, die eine die Selbstgefährdung abwehrende Behandlung untersagt, nicht vorliegt.

Die Entscheidungen über die Anordnung der Zwangsbehandlung und ihre Überwachung trifft eine Ärztin oder ein Arzt. Soll nach der akuten Notfallsituation eine Weiterbehandlung der untergebrachten Person erfolgen, ist unverzüglich die Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen. Die rechtliche Vertretung wird über die Durchführung einer Zwangsbehandlung unverzüglich informiert. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch bei der Notfallbehandlung zu beachten. Die ohne oder gegen den Willen der untergebrachten Person vorgenommenen Maßnahmen sind zu beenden, wenn sie nicht mehr zur Lebensrettung oder zur Abwendung gegenwärtiger Gesundheitsgefahr erforderlich sind oder mit Einwilligung fortgesetzt werden können. Sobald möglich, sind Voraussetzung, Verlauf und Folgerungen der Notfallbehandlung mit der untergebrachten Person zu besprechen. Hierbei ist die psychisch erkrankte Person in verständlicher Art und Weise über ihre Rechte, den gerichtlichen Rechtsschutz und die Möglichkeit zur Beschwerde gemäß § 11 aufzuklären. Die Aufklärung ist zu dokumentieren.

(8) Jede Zwangsbehandlung ist unter Nennung ihrer maßgeblichen Gründe, der Beachtung ihres Zwangscharakters, der Art und Weise der Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen, der Überwachung ihrer Wirkung und des Ergebnisses der Nachbesprechung mit der untergebrachten Person gemäß § 82 ausführlich zu dokumentieren.

§ 29 Behandlungsplan

(1) Die Behandlung der Anlasserkrankung erfolgt nach einem Behandlungsplan. Dieser ist zeitnah nach der Aufnahme zu erstellen und mit der untergebrachten Person und ihrer rechtlichen Vertretung zu erörtern. Der Behandlungsplan ist entsprechend dem Gesundheitszustand der untergebrachten Person laufend zu überprüfen und fortzuschreiben. In den Behandlungsplan sind Erkenntnisse aus früheren Behandlungen einzubeziehen, soweit dies mit vertretbarem Aufwand möglich ist.

(2) Der Behandlungsplan hat die Persönlichkeit, das Alter, den Entwicklungsstand und die Lebensverhältnisse der untergebrachten Person zu berücksichtigen. Er umfasst auch die erforderlichen Maßnahmen, die der untergebrachten Person nach der Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft ermöglichen sollen. Der Behandlungsplan enthält insbesondere Angaben über die notwendigen Untersuchungen, über die ärztlichen, pflegerischen, ergotherapeutischen, heilpädagogischen, psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Maßnahmen sowie über Angebote und Maßnahmen des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung. Darüber hinaus soll er Möglichkeiten zur Einbeziehung von nahestehenden Personen in die Behandlung und zur Gestaltung der Unterbringung aufzeigen.

§ 30 Offene Unterbringung

(1) Sobald es die Behandlung der untergebrachten Person ohne Gefährdung des Unterbringungszwecks nach § 16 zulässt, soll die Unterbringung nach Möglichkeit in offener und nicht freiheitsbeschränkender Form durchgeführt werden.

(2) Die Unterbringung soll nach Anhörung des Bezirksamtes von Anfang an in offener Form durchgeführt werden, wenn dies die Behandlung fördert, die untergebrachte Person die mit dieser Unterbringungsform verbundenen Anforderungen erfüllt und nicht zu befürchten ist, dass sie die offene Form der Unterbringung missbrauchen wird.

(3) Gegen den Willen der untergebrachten Person ist ihre Behandlung in offener Form der Unterbringung nicht zulässig.

(4) Die Behandlung in einer offenen Form der Unterbringung ist dem zuständigen Gericht vorher mitzuteilen.

§ 31 Beurlaubung

(1) Eine Beurlaubung im Sinne dieses Gesetzes ist das rechtmäßige Fernbleiben von der Einrichtung. Diese liegt immer dann vor, wenn die untergebrachte Person der Unterbringungseinrichtung nicht nur tagsüber stundenweise, sondern auch über Nacht rechtmäßig fern bleiben darf.

(2) Die untergebrachte Person kann für einen zusammenhängenden Zeitraum von bis zu 14 Kalendertagen durch die ärztliche Leitung der Einrichtung beurlaubt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Gesundheitszustand und die persönlichen Verhältnisse der untergebrachten Person dies zulassen und ein Missbrauch dieser Maßnahme nicht zu befürchten ist. Die Beurlaubung kann mit Auflagen und Weisungen, insbesondere mit der Verpflichtung zur Weiterführung der ärztlichen Behandlung, verbunden werden.

(3) Vor einer Beurlaubung von mehr als 14 Kalendertagen durch die ärztliche Leitung der Einrichtung ist der Sozialpsychiatrische Dienst oder der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst des zuständigen Bezirksamtes anzuhören.

(4) Die Beurlaubung soll widerrufen werden, wenn

  1. die untergebrachte Person eine ihr erteilte Auflage oder Weisung nicht oder nicht im vorgesehenen Sinn befolgt oder
  2. befürchtet werden muss, der Zustand der untergebrachten Person werde sich infolge ihres Verhaltens so erheblich verändern, dass von ihr erneut eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung im Sinne des § 15 Absatz 2 Satz 1 ausgeht.

Kehrt die untergebrachte Person nach dem Widerruf ihrer Beurlaubung nicht in die zuständige Einrichtung zurück, ist hierüber der Sozialpsychiatrische Dienst oder der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst zu informieren.

(5) Von jeder bevorstehenden Beurlaubung und jedem Widerruf einer Beurlaubung sind der zuständige Sozialpsychiatrische Dienst oder der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst und die rechtliche Vertretung der untergebrachten Person rechtzeitig zu unterrichten. Die Durchführung der Beurlaubung ist dem Gericht mitzuteilen.

§ 32 Gestaltung der Unterbringung

Die Unterbringung ist unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Hierzu gehört auch der tägliche Aufenthalt im Freien. Die Bereitschaft der untergebrachten Person, an der Erreichung des Zwecks ihrer Unterbringung mitzuwirken, soll geweckt, ihr Verantwortungsbewusstsein für ein geordnetes Zusammenleben in der Einrichtung soll gefördert werden.

Abschnitt 5
Leben und Ordnung in der Einrichtung

§ 33 Hausordnung

(1) Jede Einrichtung erlässt eine Hausordnung, die der Zustimmung der für das Gesundheitswesen zuständigen Senatsverwaltung bedarf.

(2) Die Hausordnung enthält insbesondere Regelungen über die Ausgestaltung der Räume, die Einbringung von Sachen, die Einkaufsmöglichkeiten, die Festlegung von Raucherbereichen, die allgemeinen Besuchszeiten, die Nutzung von Telekommunikations- und Unterhaltungsmedien, die Freizeitgestaltung sowie den regelmäßigen Aufenthalt im Freien. Den in der Einrichtung Beschäftigten, den untergebrachten Personen und ihren Angehörigen, den Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprechern sowie, soweit möglich, psychiatrieerfahrenen Personen hat die Einrichtung bei der erstmaligen Erstellung der Hausordnung und bei jeder Überarbeitung Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben.

(3) Durch die Hausordnung dürfen Rechte der untergebrachten Personen nicht weiter eingeschränkt werden als nach diesem Gesetz zulässig.

§ 34 Erwerb und Besitz persönlicher Gegenstände

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, persönliche Gegenstände zu erwerben, zu benutzen und in ihrem Zimmer aufzubewahren sowie eigene Kleidung zu tragen.

(2) Dieses Recht darf nur eingeschränkt werden, wenn erhebliche gesundheitliche Nachteile für die untergebrachte Person oder erhebliche Gefahren für die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung zu befürchten sind.

§ 35 Information, Kommunikation

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, allgemein zugängliche Medien und Kommunikationsmittel zur Information und Kommunikation zu nutzen sowie unbeschränkt und ungeöffnet Schreiben abzusenden und zu empfangen. Sie kann auf eigene Kosten Telefongespräche über die Telefoneinrichtungen oder andere von der Einrichtung zur Verfügung gestellte Kommunikationsmittel führen.

(2) Liegen hinreichende Anhaltspunkte für die Gefahr des Einschmuggelns von Suchtstoffen oder gefährlichen Gegenständen vor, können befristet Schreiben angehalten oder, wenn dies zur Abwehr der Gefahren nicht ausreicht, eingesehen und Telefongespräche mitgehört werden. Diese Maßnahmen sind auch zulässig, wenn die Kommunikation eine erhebliche Selbstgefährdung für die untergebrachte Person befürchten lässt oder geeignet ist, erhebliche Rechtsgüter Dritter oder die Sicherheit der Einrichtung erheblich zu gefährden. Angehaltene Schreiben werden an die Absenderin oder den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus den Gründen des Satzes 1 untunlich ist, aufbewahrt. Schriftwechsel darf nur in Anwesenheit der untergebrachten Person eingesehen werden. Die Maßnahmen nach Satz 1 sind durch eine Ärztin oder einen Arzt anzuordnen. Sie sind zu dokumentieren. Eine erneute befristete Anordnung ist zulässig. § 82 Absatz 2 gilt entsprechend.

(3) Von Eingriffen ausgenommen ist die Kommunikation der untergebrachten Person mit ihrer rechtlichen Vertretung, ihrer anwaltlichen Vertretung, einer Notarin, einem Notar, der oder dem für ihre Religions-, Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft zuständigen Seelsorgerin oder Seelsorger, den Gerichten, Behörden und Staatsanwaltschaften, den Aufsichtsbehörden, der Beschwerde- und Informationsstelle, den Besuchskommissionen, der Patientenfürsprecherin oder dem Patientenfürsprecher, der oder dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, den Volksvertretungen des Bundes und der Länder, Bezirksverordnetenversammlungen der Berliner Bezirke sowie deren Mitgliedern, dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und Strafe und weiteren Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist, sowie bei ausländischen Staatsangehörigen mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen ihres Heimatlandes in der Bundesrepublik Deutschland und der Härtefallkommission nach der Härtefallkommissionsverordnung.

(4) Kenntnisse, die bei Eingriffen in das Recht auf Information und Kommunikation erlangt werden, sind vertraulich zu behandeln. Sie dürfen über die zur Abwehr der in Absatz 2 genannten Gefahren hinaus an Behörden, die zur Verfolgung von Straftaten zuständig sind, nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte zur Abwehr der in § 138 Absatz 1 und 2 des Strafgesetzbuches aufgeführten Straftaten oder einer gefährlichen oder schweren Körperverletzung, einer Entziehung Minderjähriger, einer Freiheitsberaubung, eines Diebstahls in den Fällen der §§ 244 und 244a des Strafgesetzbuches, eines besonders schweren Falles des Diebstahls, einer Erpressung, einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung oder einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz mitgeteilt werden. § 100 ist zu beachten.

§ 36 Besuche

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, im Rahmen der Hausordnung Besucherinnen und Besucher ihrer Wahl zu empfangen.

(2) Dieses Recht darf nur eingeschränkt werden, wenn eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit der untergebrachten Person, der Rechtsgüter Dritter oder der Sicherheit der Einrichtung zu befürchten ist. Der Eingriff in das Recht auf Besuch ist durch eine Ärztin oder einen Arzt anzuordnen. § 82 Absatz 2 gilt entsprechend.

(3) Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Sicherheit der Einrichtung gefährdet wird, kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich die besuchende Person durchsuchen lässt.

(4) Besuche dürfen bei der Befürchtung einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit der untergebrachten Person oder der Sicherheit der Einrichtung überwacht werden. Die Übergabe von Gegenständen während der Besuche kann von der Erlaubnis der Einrichtung abhängig gemacht werden. Hierüber sind die Besucherinnen und Besucher vor Antritt des Besuchs zu unterrichten.

(5) Die Einrichtung darf einen Besuch abbrechen, wenn durch die Fortsetzung des Besuchs erhebliche Nachteile für die Gesundheit der untergebrachten Person oder die Gefährdung der Sicherheit der Einrichtung zu befürchten ist.

(6) Besuche der rechtlichen, anwaltlichen oder notariellen Vertretung in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtssache dürfen nicht untersagt werden. Auf die Durchsuchung der besuchenden Person und die Übergabe von Gegenständen sind die Absätze 3 und 4 Satz 2 anzuwenden. Eine inhaltliche Überprüfung der mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen findet nicht statt.

(7) Kenntnisse, die bei Eingriffen in das Recht auf Besuch erlangt werden, sind vertraulich zu behandeln. Für ihre Weitergabe gilt § 35 Absatz 4 Satz 2 entsprechend. Die Daten der besuchenden Personen sind spätestens 14 Tage nach dem Besuch zu löschen, soweit ihre Speicherung nicht für die in § 35 Absatz 4 Satz 2 genannten Zwecke weiterhin erforderlich ist. § 100 ist zu beachten.

§ 37 Freizeit, Sport

Während der Unterbringung fördert die Einrichtung die Aufrechterhaltung bestehender und die Anbahnung neuer sozialer Kontakte der untergebrachten Person, soweit diese ihrer Wiedereingliederung dienen. Darüber hinaus soll die Einrichtung für die Gestaltung therapiefreier Zeit Gelegenheit zu sinnvoller Beschäftigung geben und Angebote zu musischer, sportlicher und gesellschaftlicher Betätigung unterbreiten.

§ 38 Religionsausübung

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, innerhalb der Einrichtung an den Veranstaltungen von Religions-, Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften teilzunehmen und ihren Glauben nach den Regeln ihrer Religions-, Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft auszuüben. Auf die Beachtung religiöser Speisevorschriften durch die untergebrachte Person ist Rücksicht zu nehmen.

(2) Auf ihren Wunsch ist die untergebrachte Person durch die Einrichtung zu unterstützen, wenn sie Kontakt mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger aufnehmen will.

(3) Erwerb und Besitz von Gegenständen des religiösen Gebrauchs sind frei.

(4) Aus erheblichen Gründen der Gefährdung der Behandlung und der Sicherheit in der Einrichtung kann die untergebrachte Person von der Teilnahme an religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Die Anordnung hierzu und die Bestimmung der Dauer des Ausschlusses trifft eine Ärztin oder ein Arzt. Die oder der für die Religions-, Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft der untergebrachten Person zuständige Seelsorgerin oder Seelsorger soll nach Möglichkeit vorher gehört werden. § 82 Absatz 2 gilt entsprechend.

§ 39 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Besteht die gegenwärtige Gefahr, dass die untergebrachte Person sich selbst tötet, ihre eigene Gesundheit oder bedeutende Rechtsgüter Dritter erheblich schädigt oder die Einrichtung ohne Erlaubnis verlassen will, können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn und solange dieser Gefahr nicht durch weniger eingreifende Maßnahmen begegnet werden kann. Besondere Sicherungsmaßnahmen sind nur aufgrund der Anordnung durch eine Ärztin oder einen Arzt zulässig.

(2) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind

  1. die Beschränkung und das Verbot des Aufenthalts im Freien,
  2. die Wegnahme oder das Vorenthalten von Gegenständen,
  3. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände,
  4. die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen (Fixierung) und
  5. die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen (Fixierung) in Zusammenhang mit einer durch eine Ärztin oder einen Arzt vorgenommenen medikamentösen Sedierung.

Wird eine besondere Sicherungsmaßnahme nach Satz 1 Nummer 3 bis 5 vorgenommen, sind die geeignete und erforderliche Überwachung durch therapeutisches oder pflegerisches Fachpersonal und das erforderliche Maß an ärztlicher Kontrolle zu gewährleisten. Darüber hinaus ist bei einer besonderen Sicherungsmaßnahme nach Satz 1 Nummer 4 und 5 eine ständige persönliche Begleitung sicherzustellen.

(3) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen erst angeordnet werden, wenn therapeutische Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder von vornherein aussichtslos erscheinen. Jede besondere Sicherungsmaßnahme ist befristet anzuordnen, ärztlich zu überwachen und unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen sind. Eine Verlängerung ist unzulässig.

(4) Anordnung, Begründung, Kontrolle und Beendigung besonderer Sicherungsmaßnahmen sind zu dokumentieren.

(5) Von jeder Anordnung sind die rechtliche Vertretung der untergebrachten Person oder eine ihr nahestehende Bezugs- oder Vertrauensperson und gegebenenfalls ihre anwaltliche Vertretung unverzüglich zu benachrichtigen. Überschreiten die Maßnahmen gemäß Absatz 2 Nummer 3 bis 5 die Dauer von mehr als 18 Stunden oder werden diese regelmäßig wiederkehrend angeordnet, sind sie nur mit Genehmigung des zuständigen Gerichts zulässig. Ohne die Genehmigung sind diese Maßnahmen nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. Die Maßnahmen sind zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Die Beendigung der Maßnahmen ist dem zuständigen Gericht anzuzeigen.

Abschnitt 6
Beendigung der Unterbringung

§ 40 Entlassungsvorbereitung, Benachrichtigung des Bezirksamtes

Die Einrichtung informiert möglichst im Einvernehmen mit der untergebrachten Person frühzeitig das zuständige Bezirksamt, bei einer minderjährigen Person auch das zuständige Jugendamt, über die bevorstehende Entlassung und hierzu bereits eingeleitete Maßnahmen. Die Einrichtung ist verpflichtet, an der Abstimmung und Einleitung weiterer Hilfsangebote mitzuwirken.

§ 41 Entlassung aus der Unterbringung

Ist die Unterbringungsfrist abgelaufen oder der Unterbringungsbeschluss nach den Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgehoben worden, ist die untergebrachte Person aus der Einrichtung zu entlassen.

Teil 4
Strafrechtsbezogene Unterbringung

Abschnitt 1
Regelungsgegenstand, Ziele, Rechtsstellung

§ 42 Regelungsgegenstand, Ziele

(1) Die strafrechts- und strafprozessrechtsbezogene Unterbringung erfasst Personen, die nach

  1. § 63, § 64 oder § 67h des Strafgesetzbuches,
  2. § 7 des Jugendgerichtsgesetzes oder
  3. § 81 oder § 126a der Strafprozessordnung, soweit die Durchführung der Unterbringung am jeweiligen Ziel nach der Strafprozessordnung ausgerichtet ist,

in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind.

(2) Ziel bei einer nach § 63 des Strafgesetzbuches in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Person ist es, einen Zustand zu erreichen, in dem von der Person keine weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten mehr zu erwarten sind. Bei einer nach § 64 des Strafgesetzbuches in einer Entziehungsanstalt untergebrachten Person ist eine Heilung anzustreben. Ist dieses Ziel nicht erreichbar, ist die Person vor einem Rückfall in den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und der Begehung weiterer hangbedingter erheblicher rechtswidriger Taten zu bewahren. Diesen Zielen sind Behandlung und Betreuung sowie Maßnahmen zur sozialen Rehabilitation verpflichtet. Entsprechendes gilt für die nach § 7 des Jugendgerichtsgesetzes unter gebrachten Personen. Die Allgemeinheit ist vor weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten zu schützen. Die strafrechtsbezogene Unterbringung dient der Abwehr künftiger Gefahren, nicht dem Zweck, Schuld auszugleichen.

(3) Die Bereitschaft der untergebrachten Person zur Mitwirkung an ihrer Behandlung und der Wiedereingliederung ist zu wecken, stetig zu fördern und zu unterstützen.

(4) Soweit es dieses Gesetz zulässt, hat die Gestaltung der Unterbringung den allgemeinen Lebensverhältnissen zu entsprechen. Schädlichen Folgen der Freiheitseinschränkungen ist entgegenzuwirken.

§ 43 Rechtsstellung der untergebrachten Person

(1) Eine im psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt untergebrachte Person ist in ihrer Würde und ihrer persönlichen Integrität zu achten und zu schützen. Der untergebrachten Person ist Raum und Gelegenheit zu geben, ihr Recht auf Privatheit und Individualität erhalten und entwickeln zu können, soweit dies mit den Vorschriften dieses Gesetzes vereinbar ist.

(2) Einer untergebrachten Person dürfen nur die in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit auferlegt werden, soweit sie sich zwingend aus den Zwecken der Unterbringung ergeben, die ungestörte Wahrnehmung des Behandlungsangebots anderer untergebrachter Personen gewährleisten oder aus erheblichen Gründen der Sicherheit oder Ordnung in dem psychiatrischen Krankenhaus oder der Entziehungsanstalt oder zum Schutz erheblicher Rechtsgüter Dritter unerlässlich sind. Alle vorzunehmenden Rechtseinschränkungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und dürfen die betroffene untergebrachte Person nicht mehr und nicht länger als erforderlich beeinträchtigen.

(3) Bevor Rechte eingeschränkt werden, ist im Gespräch oder auf andere vermittelnde Weise zu versuchen, die Konfliktsituation zu bereinigen. Eine Einschränkung von Rechten in disziplinarischer Absicht ist unzulässig.

(4) Eingriffe in die Rechte der untergebrachten Person sind nach den Vorgaben des § 82 in der Patientenakte gesondert zu dokumentieren und zu begründen.

(5) Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 109 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 152 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend.

Abschnitt 2
Organisatorisches

§ 44 Zuständigkeit, Aufsicht

(1) Die Durchführung der strafrechtsbezogenen Unterbringung erfolgt im Krankenhaus des Maßregelvollzugs Berlin (klinisch-forensische Einrichtung), das Vollzugsbehörde ist.

(2) Die Fachaufsicht über die Durchführung der strafrechtsbezogenen Unterbringung obliegt der für das Gesundheitswesen zuständigen Senatsverwaltung (Aufsichtsbehörde). Die klinisch-forensische Einrichtung und ihre Beschäftigten unterliegen unmittelbar der Fachaufsicht durch die Aufsichtsbehörde.

(3) Im Rahmen ihrer Fachaufsicht kann die Aufsichtsbehörde insbesondere

  1. ihr Informationsrecht wahrnehmen, indem sie Auskünfte und Berichte sowie die Vorlage von Akten und sonstigen Unterlagen verlangt, und Prüfungen anordnen,
  2. ihr Weisungsrecht ausüben, indem sie Einzelweisungen erteilt, sowie
  3. aufgrund ihres Selbsteintrittsrechts eine Angelegenheit unmittelbar an sich ziehen, wenn eine erteilte Einzelweisung nicht befolgt wird, und den Beschäftigten der klinisch-forensischen Einrichtung Weisungen unmittelbar erteilen.

Eine Einsichtnahme in Krankenakten ist nur mit Zustimmung der jeweiligen untergebrachten Person zulässig. Die klinisch-forensische Einrichtung hat der Aufsichtsbehörde auf Verlangen jederzeit Zugang zu ihren Räumlichkeiten zu gewähren.

§ 45 Vollstreckung

(1) Die Aufsichtsbehörde regelt im Einvernehmen mit der für Justiz zuständigen Senatsverwaltung die örtliche und sachliche Zuständigkeit der klinisch-forensischen Einrichtung in einem Vollstreckungsplan.

(2) Zur Durchführung der strafrechtsbezogenen Unterbringung können mit anderen Bundesländern Vollzugsgemeinschaften gebildet werden. Die Unterbringung kann aufgrund besonderer Vereinbarungen auch in klinisch-forensischen Vollzugseinrichtungen außerhalb des Landes Berlin vollzogen werden.

(3) Die Aufsichtsbehörde ist zum Abschluss von Vereinbarungen nach Absatz 2 ermächtigt.

(4) Vor der Verlegung einer untergebrachten Person nach Absatz 2 in eine klinisch-forensische Einrichtung außerhalb des Landes Berlin oder vor einer Übernahme einer untergebrachten Person aus einem anderen Bundesland in die klinisch-forensische Einrichtung des Landes Berlin und bei der vorübergehenden Aufnahme einer unterzubringenden Person im Rahmen der Vollstreckungshilfe für die Vollstreckungsbehörde eines anderen Bundeslandes ist die Zustimmung der Aufsichtsbehörde einzuholen.

§ 46 Verlegung

(1) Eine untergebrachte Person kann aus besonderen Gründen auf eigenen Antrag oder auf Antrag der Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung mit ihrer Zustimmung oder der Zustimmung ihrer rechtlichen Vertretung in eine andere Einrichtung als die nach dem Vollstreckungsplan zuständige klinisch-forensische Einrichtung verlegt werden. Als Gründe kommen insbesondere die Förderung der therapeutischen Ziele für die untergebrachte Person und deren Wiedereingliederung in Betracht.

(2) Ohne ihre Zustimmung darf eine untergebrachte Person abweichend vom Vollstreckungsplan nur verlegt werden, wenn das Ziel der Unterbringung mit den Mitteln der zuständigen klinisch-forensischen Einrichtung nicht oder nicht mehr erreicht werden kann und eine Verlegung zur Förderung der therapeutischen Ziele für die untergebrachte Person und deren Wiedereingliederung nach der Entlassung als geeignete Maßnahme geeignet ist.

(3) Eine Verlegung ist auch aus unabweisbaren Gründen der Vollzugsorganisation oder der Sicherheit der klinisch-forensischen Einrichtung oder zum Schutz Dritter zulässig. Die Gründe für eine Verlegung nach Satz 1 sind der untergebrachten Person mitzuteilen und gemäß § 82 zu dokumentieren.

(4) Eine Verlegung wird nach Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde und der für die untergebrachte Person zuständigen Vollstreckungsbehörde von der ärztlichen Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung angeordnet. Im Verfahren der Verlegung unterrichtet die abgebende klinisch-forensische Einrichtung unverzüglich die Vollstreckungsbehörde.

§ 47 klinisch-forensische Einrichtung zur Durchführung der Unterbringung

(1) Die klinisch-forensische Einrichtung ist psychiatrisches Krankenhaus und Entziehungsanstalt im Sinne des § 42 Absatz 1. Sie wird durch die Krankenhausleitung geleitet. Das Nähere hierzu regelt § 31 des Landeskrankenhausgesetzes.

(2) Die klinisch-forensische Einrichtung kann in Abteilungen untergliedert und auf mehrere Standorte verteilt sein. Abteilungen sind fachärztlich zu leiten. Sind in einer Abteilung überwiegend solche Personen untergebracht, bei denen nicht die ärztliche Behandlung im Vordergrund steht, ist auch eine psychotherapeutische oder fachpsychologische Leitung zulässig. Alle Abteilungsleitungen sind gegenüber der Krankenhausleitung der klinisch-forensischen Einrichtung weisungsgebunden.

(3) Die Verantwortung innerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung für die Anordnung und Durchführung von therapeutischen Maßnahmen trägt die ärztliche Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung, die zugleich Vollzugsleitung ist. Mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde kann die ärztliche Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung die Vollzugsleitung für eine Abteilung ganz oder teilweise der jeweiligen Abteilungsleitung übertragen. Die jeweilige Vollzugsleitung ist verpflichtet, die fachliche Durchführung der Unterbringungen in ihrem Verantwortungsbereich zu gewährleisten und für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen Sorge zu tragen.

§ 48 Gliederung und Ausstattung der klinisch-forensischen Einrichtung

(1) Die klinisch-forensische Einrichtung ist baulich so zu gestalten, organisatorisch so zu gliedern und personell so auszustatten, dass sie eine auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der untergebrachten Personen abgestimmte Behandlung und Wiedereingliederung ermöglicht und den erforderlichen Schutz Dritter sicherstellt. Den besonderen Erfordernissen jugendlicher und heranwachsender Personen ist Rechnung zu tragen.

(2) Die klinisch-forensische Einrichtung hat eine Behandlung der untergebrachten Personen nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand der medizinischen, pflegerischen, therapeutischen und heilpädagogischen Erkenntnisse zu gewährleisten.

(3) Die klinisch-forensische Einrichtung muss über die Voraussetzungen für offene und für geschlossene Unterbringung verfügen. Jugendliche und Heranwachsende sind von Erwachsenen abgegrenzt unterzubringen. Geschlechts- und kultursensible sowie behinderungsbedingte Aspekte sind zu berücksichtigen. In der geschlossenen Unterbringung ist das Entweichen der untergebrachten Personen durch geeignete Maßnahmen zu verhindern.

(4) Die klinisch-forensische Einrichtung meldet der für das Gesundheitswesen zuständigen Senatsverwaltung halbjährlich zum 30. Juni und 31. Dezember Daten über die Art, Anzahl und Dauer von Zwangsbehandlungen nach § 57 Absatz 2 und 3 und die Anzahl besonderer Sicherungsmaßnahmen nach § 72 Absatz 3, getrennt nach den Nummern 1 bis 7.

§ 49 Qualitätssicherung und Fortbildung

(1) Die klinisch-forensische Einrichtung hat den allgemein anerkannten Stand der medizinischen, pflegerischen, psychotherapeutischen, soziotherapeutischen und heilpädagogischen Erkenntnisse in Behandlung, Pflege, Betreuung und Wiedereingliederung zu berücksichtigen. Dazu sind regelmäßig interne qualitätssichernde Maßnahmen durchzuführen.

(2) Zur Gewährleistung der baulic-htechnischen und organisatorischen Sicherheit der klinisch-forensischen Einrichtung sind ebenfalls regelmäßig qualitätssichernde Maßnahmen vorzunehmen.

(3) Die klinisch-forensische Einrichtung fördert und vermittelt die für die Tätigkeit ihrer Beschäftigten notwendigen zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten durch Fortbildungsmaßnahmen. Darüber hinaus sollen die Beschäftigten Gelegenheit zur Weiterbildung und zu Hospitationen in Einrichtungen anderer Bundesländer und des Versorgungssystems der allgemeinen Psychiatrie erhalten.

§ 50 Wissenschaft und Forschung

(1) Zur Förderung der Behandlung, Pflege, Betreuung und Wiedereingliederung der untergebrachten Personen sowie zur Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten kann die klinisch-forensische Einrichtung mit solchen Personen, Organisationen, Behörden und Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung zusammenarbeiten, die die Durchführung und die Ziele der strafrechtsbezogenen Unterbringung fördern. Hierbei sollen insbesondere die Behandlungsmethoden wissenschaftlich weiterentwickelt und ihre Ergebnisse für eine verbesserte Gestaltung der Unterbringung nutzbar gemacht werden.

(2) Die klinisch-forensische Einrichtung kann einzelnen oder Gruppen von Beschäftigten die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben ermöglichen und sie dabei unterstützen.

§ 51 Beschwerdemanagement

(1) Jede untergebrachte Person hat das Recht, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden an die klinisch-forensische Einrichtung, an die Aufsichtsbehörde, an die Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher in forensisch-psychiatrischen Einrichtungen, an die Besuchskommissionen oder an die Beschwerde- und Informationsstelle zu wenden.

(2) Die klinisch-forensische Einrichtung organisiert die erforderlichen Verfahrensabläufe und macht diese sowie die jeweiligen Ansprechpersonen in ihrem Bereich bekannt.

(3) Kenntnisse, die im Rahmen des Beschwerdemanagements über persönliche Angelegenheiten der untergebrachten Person erlangt werden, sind vertraulich zu behandeln. Sie dürfen nur mit ausdrücklicher Einwilligung der untergebrachten Person und nur zu dem Zweck verwertet werden, zu dem sie mitgeteilt worden sind.

(4) Durch die Inanspruchnahme des Beschwerdemanagements wird weder das Recht zur Dienstaufsichtsbeschwerde noch sonst ein Rechtsweg ausgeschlossen.

§ 52 Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher in forensisch-psychiatrischen Einrichtungen

(1) Für Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher in forensisch-psychiatrischen Einrichtungen gilt § 12 entsprechend. Sie sollen darüber hinaus über einschlägige Kenntnisse in der forensischen Psychiatrie verfügen oder Erfahrungen im Umgang mit psychiatrischen Einrichtungen oder Strafvollzugseinrichtungen besitzen.

(2) Die Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher in forensisch-psychiatrischen Einrichtungen legen abweichend von § 30 Absatz 3 Satz 4 und 5 des Landeskrankenhausgesetzes der Aufsichtsbehörde und der klinisch-forensischen Einrichtung jährlich einen Erfahrungsbericht vor.

§ 53 Beirat für forensische Psychiatrie

Die Aufsichtsbehörde kann einen Beirat für forensische Psychiatrie bilden. Der Beirat hat die Aufgabe, die Aufsichtsbehörde zu beraten. Der Beirat ist geschlechtsparitätisch zu besetzen. § 15 des Landesgleichstellungsgesetzes findet Anwendung. Das Nähere hierzu kann die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung in Verwaltungsvorschriften bestimmen.

Abschnitt 3
Aufnahme und Behandlung der Anlasskrankheit

§ 54 Aufnahmeverfahren

(1) Die untergebrachte Person ist unverzüglich nach ihrer Aufnahme in der klinisch-forensischen Einrichtung fachärztlich zu untersuchen und spätestens am nächsten Werktag der zuständigen Abteilungsleitung oder deren Vertretung vorzustellen. Befand die untergebrachte Person sich bereits auf anderer Rechtsgrundlage in der klinisch-forensischen Einrichtung, ist gegebenenfalls unmittelbar nach Eintritt der Rechtskraft der Unterbringungsanordnung nach § 63 oder § 64 des Strafgesetzbuches ein aktueller Status zu erheben.

(2) Als Ergebnis der Untersuchung ist auch festzuhalten, in welcher Weise von der untergebrachten Person gegenwärtig erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind (Gefährlichkeit). Danach ist das Maß der zur Sicherung der untergebrachten Person erforderlichen Freiheitseinschränkungen auszurichten und festzulegen.

(3) Die Befunde und die daraus gezogenen Folgerungen sind zu dokumentieren.

(4) Im Rahmen der Aufnahme ist die psychisch erkrankte Person durch die aufnehmende Ärztin oder den aufnehmenden Arzt unverzüglich über ihre Rechte und Pflichten, die Rechtsfolgen der Unterbringung, den gerichtlichen Rechtsschutz und die Möglichkeit zur Beschwerde gemäß § 11 aufzuklären. Dies hat in geeigneter Form in einer ihr verständlichen Sprache zu erfolgen. Erlaubt der Gesundheitszustand der psychisch erkrankten Person diese Aufklärung nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufnahme, so ist sie nachzuholen, sobald dies möglich ist. Dabei ist die psychisch erkrankte Person insbesondere über die Organisation und die Ordnung in der klinisch-forensischen Einrichtung einschließlich der Zulässigkeit des Auslesens von Datenspeichern nach § 99 zu informieren.

(5) Die Aufklärung nach Absatz 4 ist zu dokumentieren und durch die Unterschrift der Ärztin oder des Arztes zu bestätigen.

(6) Die Betreuerin oder der Betreuer ist zu benachrichtigen, wenn für die psychisch erkrankte Person eine solche oder ein solcher nach Buch 4 Abschnitt 3 Titel 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestellt ist. Auf Wunsch der untergebrachten Person ist eine Person ihres Vertrauens unverzüglich über die Aufnahme zu benachrichtigen. Gegebenenfalls ist die untergebrachte Person bei der Regelung familiärer, persönlicher, finanzieller oder behördlicher Angelegenheiten zu unterstützen.

§ 55 Behandlungs- und Eingliederungsplan

(1) Unverzüglich nach der Aufnahme oder dem Eintritt der Rechtskraft der Unterbringungsanordnung ist ein vorläufiger Behandlungsplan für die untergebrachte Person aufzustellen. Innerhalb von acht Wochen nach der Aufnahme oder dem Eintritt der Rechtskraft der Unterbringungsanordnung ist ein weitergehender Behandlungs- und Eingliederungsplan zu erstellen, der die Persönlichkeit, das Alter, den Entwicklungsstand und die Lebensverhältnisse der untergebrachten Person sowie die von ihr ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit berücksichtigt. In die Behandlungs- und Eingliederungsplanung sind die untergebrachte Person und gegebenenfalls ihre rechtliche Vertretung einzubeziehen.

(2) Der Behandlungs- und Eingliederungsplan erstreckt sich im Wesentlichen auf die Form der Unterbringung, die Zuweisung zu einer Behandlungsgruppe, auf medizinische, pflegerische, psychotherapeutische und heilpädagogische Behandlungen, auf Betreuung, Unterricht und Ergotherapie sowie auf Maßnahmen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft.

(3) Der Behandlungs- und Eingliederungsplan ist spätestens alle sechs Monate zu überprüfen und der Entwicklung der untergebrachten Person anzupassen. Dabei sind die Erfolge der zwischenzeitlichen Behandlung und ihre Auswirkungen auf die Gefährlichkeit der untergebrachten Person sowie danach auszurichtende Veränderungen der Freiheitseinschränkungen zu berücksichtigen.

§ 56 Behandlung der Anlasskrankheit

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf Behandlung ihrer psychischen Krankheit, Störung oder Behinderung, die der Unterbringung zugrunde liegt (Anlasskrankheit), entsprechend dem jeweils allgemein anerkannten Stand der medizinischen, pflegerischen, psychotherapeutischen und pädagogischen Erkenntnisse, sowie auf sozial- und milieutherapeutische Betreuung entsprechend dem jeweils allgemein anerkannten Stand von Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Bei Jugendlichen umfasst die Behandlung auch die Erziehung und die Beschulung.

(2) Das Leistungsangebot schließt die Pflicht der klinisch-forensischen Einrichtung ein, die untergebrachte Person stetig zur Mitwirkung an der Behandlung zu motivieren.

(3) Die diagnostischen Erkenntnisse und die vorgesehene Behandlung sind der untergebrachten Person und gegebenenfalls ihrer rechtlichen Vertretung zu erläutern. Das Aufklärungsgespräch ist so zu führen, dass die untergebrachte Person Grund, Bedeutung und Tragweite ihrer Erkrankung und die vorgesehenen Behandlungsmaßnahmen erfassen und verstehen kann.

(4) Die Behandlung bedarf der Einwilligung der untergebrachten Person. Die Einwilligung ist ausdrücklich zu erklären. Dabei muss die untergebrachte Person in der Lage sein, Grund, Bedeutung und Tragweite von Erkrankung und erforderlicher Behandlung zu verstehen und Entscheidungen danach auszurichten (Einwilligungsfähigkeit). Bei einer in einwilligungsfähigem Zustand oder als natürlicher Wille zum Ausdruck gebrachten Ablehnung der Behandlung ist diese zu unterlassen. In diesem Fall ist die untergebrachte Person auf die medizinischen und rechtlichen Folgen der Ablehnung einer indizierten und angebotenen Behandlung besonders hinzuweisen.

(5) Ist die untergebrachte Person einwilligungsunfähig und liegt eine von ihr verfasste Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches vor, ist nach dem daraus zu ermittelnden Patientenwillen zu verfahren.

(6) Ist die untergebrachte Person einwilligungsunfähig und liegt eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Situation zu, sind die Behandlungswünsche oder der mutmaßliche Wille der untergebrachten Person entsprechend § 1901a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu ermitteln. Auch in diesen Fällen ist die Ablehnung der Behandlung beachtlich. Ist weder ein Behandlungswunsch noch ein mutmaßlicher Wille feststellbar, ist eine Entscheidung über die Behandlung am Wohl der untergebrachten Person entsprechend § 1901 Absatz 1 bis 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches auszurichten.

(7) Die Ermittlung des Patientenwillens und die Entscheidung über die durchzuführende Behandlung obliegen der ärztlichen Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung.

(8) Ist die untergebrachte Person aufgrund der Anlasskrankheit über einen längeren Zeitraum nicht in der Lage, das auf ihren Zustand ausgerichtete Behandlungsangebot zur Erreichung des Unterbringungszieles für sich förderlich in Anspruch zu nehmen, so kann dieses Angebot reduziert werden. Der Anspruch auf die Leistungen bleibt unverändert bestehen und kann jederzeit wieder wahrgenommen werden.

(9) Ist der untergebrachten Person gestattet, der klinisch-forensischen Einrichtung über Nacht fernzubleiben, oder befindet sie sich in offener Unterbringung außerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung (§ 69 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 oder 5), bestehen ihre Ansprüche nach dem Behandlungs- und Eingliederungsplan fort.

§ 57 Zulässige Zwangsmaßnahmen bei der Behandlung der Anlasskrankheit

(1) Kann eine untergebrachte Person aufgrund ihrer krankheitsbedingten Einwilligungsunfähigkeit die mit einer Behandlung gegebene Chance einer Heilung nicht erkennen oder nicht ergreifen, ist ausnahmsweise eine ihrem natürlichen Willen widersprechende insbesondere medikamentöse Zwangsbehandlung der Anlasserkrankung zulässig, wenn diese ausschließlich mit dem Ziel vorgenommen wird, die Einwilligungsfähigkeit überhaupt erst zu schaffen oder wiederherzustellen, um die untergebrachte Person auf diese Weise durch Aufnahme oder Fortsetzung der Behandlung mit ihrer Einwilligung entlassungsfähig zu machen.

(2) Eine nach Absatz 1 zulässige Zwangsbehandlung darf nur als letztes Mittel und nur unter strikter Einhaltung der folgenden Maßgaben durchgeführt werden:

  1. Weniger eingreifende Behandlungen haben sich als erfolglos erwiesen oder können nicht vorgenommen werden.
  2. Der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch, eine auf Vertrauen gegründete Einwilligung in die Behandlung zu erreichen, ist erfolglos geblieben.
  3. Die untergebrachte Person ist gemäß § 56 Absatz 3 durch eine Ärztin oder einen Arzt über das Ob und Wie der vorgesehenen Zwangsbehandlung entsprechend ihrer Verständnismöglichkeit aufzuklären.
  4. Die vorgesehene Zwangsbehandlung muss erfolgversprechend sein. Ihr zu erwartender Nutzen muss deutlich die mit ihr einhergehenden Belastungen oder möglichen Schäden überwiegen. Eine Veränderung des Kernbereichs der Persönlichkeit muss dabei ausgeschlossen sein.
  5. Die Zwangsbehandlung ist durch eine Ärztin oder einen Arzt der Einrichtung anzuordnen. Dabei sind auch die Art und die Intensität der ärztlichen und pflegerischen Überwachung festzulegen.
  6. Die Zwangsbehandlung ist hinsichtlich ihrer Art und Dauer, gegebenenfalls einschließlich erforderlicher Wiederholungen, zeitlich zu begrenzen. Die Medikation und die durchzuführenden Kontrollen sind von der anordnenden Ärztin oder dem anordnenden Arzt auf Wirksamkeit und mögliche Unverträglichkeiten einzelfallbezogen genau zu bestimmen.
  7. Die beabsichtigte Vornahme der Zwangsbehandlung ist der untergebrachten Person so rechtzeitig anzukündigen, dass dieser die Möglichkeit bleibt, innerhalb einer Frist von 14 Tagen gemäß § 109 Absatz 1 Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 152 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, dagegen vorbeugenden Rechtsschutz nachzusuchen. Die untergebrachte Person ist über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu informieren. Betrifft die beabsichtigte Zwangsbehandlung eine minderjährige untergebrachte Person, ist die gesetzliche Vertretung ebenfalls zu informieren.
  8. Vor der Durchführung der Zwangsbehandlung ist die Überprüfung der Erforderlichkeit der Maßnahme durch eine von der klinisch-forensischen Einrichtung unabhängige Person mit ausgewiesenem Sachverstand in Angelegenheiten strafrechtsbezogener Unterbringung zu gewährleisten. Das Nähere hierzu wird durch Verwaltungsvorschriften geregelt.
  9. Die Zwangsbehandlung ist insgesamt unverzüglich abzubrechen, wenn sie sich als nicht mehr verhältnismäßig erweist.
  10. Nach Abschluss der Zwangsbehandlung sind ihr Verlauf, ihre Wirkungen und die daraus zu ziehenden Folgerungen mit der untergebrachten Person zu besprechen. Hierbei ist die psychisch erkrankte Person in verständlicher Art und Weise über ihre Rechte, den gerichtlichen Rechtsschutz und die Möglichkeit zur Beschwerde gemäß § 11 aufzuklären. Die Aufklärung ist zu dokumentieren.

(3) Bei Lebensgefahr oder gegenwärtiger erheblicher Gefahr für die eigene Gesundheit (Gefahr im Verzuge) ist eine, insbesondere medikamentöse Zwangsbehandlung der untergebrachten Person auch gegen ihren natürlichen Willen zulässig, wenn

  1. die Durchführung besonderer Sicherungsmaßnahmen nach § 72 nicht ausreicht oder geeignet ist, um die Gefahr abzuwenden,
  2. die untergebrachte Person nicht einwilligungsfähig ist und
  3. der Einrichtung eine wirksame Patientenverfügung, die eine die Selbstgefährdung abwehrende Behandlung untersagt, nicht vorliegt.

Die Entscheidungen über die Anordnung der Zwangsbehandlung und ihre Überwachung trifft eine Ärztin oder ein Arzt. Soll nach der akuten Notfallsituation eine Weiterbehandlung der untergebrachten Person erfolgen, gilt Absatz 2 Nummer 8. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch bei der Notfallbehandlung zu beachten. Die ohne oder gegen den Willen der untergebrachten Person vorgenommenen Maßnahmen sind zu beenden, wenn sie nicht mehr zur Lebensrettung erforderlich sind oder mit Einwilligung fortgesetzt werden können. Sobald möglich, sind Voraussetzung, Verlauf und Folgerungen der Notfallbehandlung mit der untergebrachten Person zu besprechen. Hierbei ist die psychisch erkrankte Person in verständlicher Art und Weise über ihre Rechte, den gerichtlichen Rechtsschutz und die Möglichkeit zur Beschwerde gemäß § 11 aufzuklären. Die Aufklärung ist zu dokumentieren.

(4) Nächste Bezugs- oder Vertrauenspersonen der untergebrachten Person sowie ihre rechtliche Vertretung sind unverzüglich über die Durchführung einer Zwangsbehandlung zu unterrichten. Ihnen kann insbesondere auf Wunsch der untergebrachten Person angeboten werden, dieser gegebenenfalls auch außerhalb regulärer Besuchszeiten persönlich nahe zu sein, soweit nicht erhebliche Gesundheits- oder Sicherheitsbedenken dem entgegenstehen.

(5) Jede Zwangsbehandlung ist unter Nennung ihrer maßgeblichen Gründe, der Beachtung ihres Zwangscharakters, der Art und Weise der Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen, der Überwachung ihrer Wirkung und des Ergebnisses der Nachbesprechung mit der untergebrachten Person gemäß § 82 ausführlich zu dokumentieren.

§ 58 Besondere interne und externe Überprüfung

(1) Bei jeder untergebrachten Person ist vor Ablauf der ersten drei Jahre der Unterbringung durch die klinisch-forensische Einrichtung in besonders ausführlicher Weise zu überprüfen, ob die weitere Unterbringung noch erforderlich ist. Diese Überprüfung und die für und gegen eine Fortdauer der Unterbringung sprechenden Tatsachen sowie die sich daraus ergebende Einschätzung der Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger Taten sind ausführlich zu dokumentieren.

(2) Bei den untergebrachten Personen, bei denen das Gericht aufgrund der Strafprozessordnung im Rahmen der Überprüfung nach § 67e des Strafgesetzbuches ein Gutachten eingeholt hat, ist vor Ablauf von weiteren drei Jahren der Unterbringung durch die klinisch-forensische Einrichtung das Gutachten einer oder eines Sachverständigen oder eine ausführliche Stellungnahme einer therapeutischen Mitarbeiterin oder eines therapeutischen Mitarbeiters der klinisch-forensischen Einrichtung einzuholen. Die oder der Sachverständige darf keine Mitarbeiterin oder kein Mitarbeiter der klinisch-forensischen Einrichtung sein. Die therapeutische Mitarbeiterin oder der therapeutische Mitarbeiter darf nicht in der Abteilung tätig sein, in der sich die untergebrachte Person befindet. Die in Satz 2 und 3 genannten Personen dürfen mit der untergebrachten Person zuvor nicht befasst gewesen sein.

(3) Bei den untergebrachten Personen, bei denen sich im Verlauf der Behandlung die Beurteilung der Gefahr der Verletzung erheblicher Rechtsgüter Dritter als besonders schwierig erweist, kann die klinisch-forensische Einrichtung zu jedem ihr zweckmäßig erscheinenden Zeitpunkt das Gutachten einer oder eines externen Sachverständigen einholen.

(4) Sachverständige im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und des Absatzes 3 müssen Fachärztin oder Facharzt für Psychiatrie, Psychologische Psychotherapeutin oder Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder Diplom-Psychologin oder Diplom-Psychologe sein und über einschlägige forensische Erfahrungen verfügen.

(5) Das nach Absatz 2 Satz 1 oder Absatz 3 erstellte Sachverständigengutachten soll

  1. sich zur Frage der Erforderlichkeit einer weiteren Unterbringung äußern,
  2. darlegen, in welcher Weise die Unterbringungsbedingungen der untergebrachten Person im Hinblick auf das Erreichen ihres individuellen Unterbringungsziels förderlich oder hinderlich erscheinen, und
  3. Vorschläge für das weitere Vorgehen enthalten.

Satz 1 ist auf die ausführliche Stellungnahme nach Absatz 2 Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(6) Die ärztliche Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung teilt das Ergebnis der eigenen besonderen Überprüfung nach Absatz 1 und das Ergebnis des Sachverständigengutachtens oder der ausführlichen Stellungnahme, jeweils verbunden mit einer eigenen Stellungnahme, unverzüglich der Vollstreckungsbehörde mit.

(7) Unabhängig von den regelmäßigen Überprüfungspflichten hat die klinisch-forensische Einrichtung jederzeit gegenüber der Vollstreckungsbehörde die Aussetzung oder die Beendigung der Unterbringung oder eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge anzuregen, wenn sie die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen für erfüllt hält. Bei einer nach § 64 des Strafgesetzbuches untergebrachten Person hat die klinisch-forensische Einrichtung die Vollstreckungsbehörde unverzüglich über eine nicht oder nicht mehr bestehende hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg zu unterrichten.

Abschnitt 4
Sonstige Behandlung und Wiedereingliederung

§ 59 Behandlung sonstiger Krankheiten, Gesundheitsförderung, Hygiene

(1) Eine untergebrachte Person hat in entsprechender Anwendung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch Anspruch auf Krankenbehandlung, Vorsorgeleistungen und sonstige Maßnahmen, die nicht im Zusammenhang mit der Anlasskrankheit stehen.

(2) Die diagnostischen Erkenntnisse und die vorgesehene Behandlung sind der untergebrachten Person und gegebenenfalls ihrer rechtlichen Vertretung in einem Aufklärungsgespräch zu erläutern. Das Aufklärungsgespräch ist so zu führen, dass die untergebrachte Person Grund, Bedeutung und Tragweite ihrer Erkrankung und die vorgesehenen Behandlungsmaßnahmen erfassen und verstehen kann.

(3) Die Behandlung bedarf der Einwilligung der untergebrachten Person. Die Einwilligung ist ausdrücklich zu erklären. Dabei muss die untergebrachte Person einwilligungsfähig sein. Die in einwilligungsfähigem Zustand, in einer Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches oder als natürlicher Wille zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der Behandlung ist zu beachten. Dies gilt auch bei Lebensgefahr oder erheblicher Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person. Die Anwendung von Zwang ist unzulässig.

(4) Ist eine untergebrachte Person längerfristig einwilligungsunfähig, so ist die Bestellung einer Betreuerin oder eines Betreuers anzuregen.

(5) Ist eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt, richtet sich die Ermittlung des Willens der untergebrachten Person und die Entscheidung über die Durchführung oder Untersagung einer ärztlich indizierten Behandlung nach den §§ 1901a und 1901b des Bürgerlichen Gesetzbuches.

(6) Die untergebrachte Person ist anzuhalten, auf ihre eigene Gesundheit zu achten und auf die der anderen Personen in der klinisch-forensischen Einrichtung in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen. Hygienevorschriften sind einzuhalten. Zum allgemeinen Gesundheitsschutz und zur Hygiene sind eine zwangsweise körperliche Untersuchung einschließlich einer Blutentnahme und andere körperliche Eingriffe, die von einer Ärztin oder einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung der untergebrachten Person zulässig, wenn kein Nachteil für ihre Gesundheit zu befürchten ist, sowie weitere Maßnahmen und Handlungen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind. Die Bestimmungen über die Anwendung des unmittelbaren Zwangs (§§ 80 und 81) sind zu beachten.

(7) Ist der untergebrachten Person gestattet, der klinisch-forensischen Einrichtung über Nacht fernzubleiben, oder befindet sie sich in offener Unterbringung außerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung (§ 69 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 oder 5), besteht ihr Anspruch nach Absatz 1 fort. Die Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt außerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung und die Behandlung in einem anderen Krankenhaus bedürfen der Zustimmung der klinisch-forensischen Einrichtung.

§ 60 Schule und Ausbildung

(1) Die klinisch-forensische Einrichtung gewährleistet einer untergebrachten Person ohne Schulabschluss in den zum Schulabschluss führenden Fächern ein Angebot an Unterricht innerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung.

(2) Einer untergebrachten Person mit Schulabschluss ist die Gelegenheit zu geben, entsprechend ihrer Eignung und ihren Fähigkeiten einen weiterführenden Schulabschluss anzustreben.

(3) Einer untergebrachten Person ist entsprechend ihrer Eignung und ihren Fähigkeiten Gelegenheit zur Berufsausbildung, zur beruflichen Fortbildung, zu einer Umschulung oder zur Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen zu geben.

(4) Die Wahrnehmung der Angebote und Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 ist der untergebrachten Person auch außerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung zu ermöglichen, sofern das Maß an Freiheitseinschränkungen dies gestattet.

(5) Aus einem Zeugnis oder einer Teilnahmebescheinigung darf die Unterbringung nicht ablesbar sein.

§ 61 Beschäftigung und Arbeit

Die klinisch-forensische Einrichtung soll der untergebrachten Person ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprechende einfache Tätigkeiten, die Teilnahme an einer Arbeitstherapie oder die Verrichtung von Arbeit (Vollzugsarbeitsverhältnis) anbieten. Arbeitstherapie und Arbeit dienen insbesondere dem Ziel, der untergebrachten Person Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Beendigung der Unterbringung zu vermitteln und diese zu erhalten oder zu fördern.

§ 62 Maßnahmen zur Wiedereingliederung

(1) Die klinisch-forensische Einrichtung strebt eine kontinuierliche und verbindliche Zusammenarbeit mit dem bezirklichen psychiatrischen Pflichtversorgungssystem nach § 3, mit im weiteren Sinne der Wiedereingliederung förderlichen Institutionen und Personen, mit Betroffenen- und Selbsthilfeverbänden sowie mit Angehörigenorganisationen an und fördert sie.

(2) Bei jugendlichen und heranwachsenden untergebrachten Personen ist der Kontakt mit nahen Angehörigen, vor allem mit den Eltern, besonders zu fördern. Darüber hinaus soll die klinisch-forensische Einrichtung mit Jugendämtern, Schul- und Bildungseinrichtungen sowie anderen in der Jugendarbeit tätigen Organisationen und Vereinen zusammenarbeiten.

(3) Zur Vorbereitung der Entlassung unterstützt die klinisch-forensische Einrichtung die untergebrachte Person bei der Beschaffung von Arbeit und Unterkunft. Soweit erforderlich hilft sie ihr beim Aufbau persönlicher Beziehungen und gibt ambulanten sozialen Diensten, der Führungsaufsichtsstelle und der Bewährungshilfe frühzeitig Gelegenheit, Vorbereitungen für die Betreuung nach der Entlassung zu treffen. Die Weitergabe personenbezogener Daten bedarf der Einwilligung der untergebrachten Person oder ihrer rechtlichen Vertretung. Die §§ 89 und 90 sind zu beachten.

(4) Um das vorgesehene Unterbringungsziel zu erreichen, kann die untergebrachte Person, sobald ihr Behandlungsfortschritt dies zulässt, in eine weiterführende oder in eine sonstige Betreuungseinrichtung mit verbindlicher Kooperation zwischen dem Einrichtungsträger und der klinisch-forensischen Einrichtung verlegt werden. Die Vorschriften der §§ 74 bis 78 gelten entsprechend. Die Vollstreckungsbehörde und gegebenenfalls die rechtliche Vertretung der untergebrachten Person sind unverzüglich über die Verlegung zu informieren.

Abschnitt 5
Leben und Ordnung in der klinisch-forensischen Einrichtung

§ 63 Hausordnung

(1) Die klinisch-forensische Einrichtung erlässt eine Hausordnung, die der Zustimmung der Aufsichtsbehörde bedarf.

(2) Die Hausordnung enthält insbesondere Regelungen über die Ausgestaltung der Räume, die Einbringung von Sachen, den Lieferservice und andere Einkaufsmöglichkeiten, die Festlegung von Raucherbereichen, die allgemeinen Besuchszeiten, die Kommunikation mit anderen Personen, die Nutzung von Telekommunikations- und Unterhaltungsmedien, die Freizeitgestaltung sowie den regelmäßigen Aufenthalt im Freien. Sie hat die Sprechzeiten im Rahmen des Beschwerdemanagements nach § 51 aufzuführen. Den in der klinisch-forensischen Einrichtung Beschäftigten, den untergebrachten Personen und ihren Angehörigen, der Patientenfürsprecherin oder dem Patientenfürsprecher sowie, soweit möglich, psychiatrieerfahrenen Personen, ist bei der erstmaligen Erstellung der Hausordnung und bei jeder Überarbeitung Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben.

(3) Durch die Hausordnung dürfen Rechte der untergebrachten Personen nicht weiter eingeschränkt werden als nach diesem Gesetz zulässig.

§ 64 Erwerb und Besitz persönlicher Gegenstände

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, persönliche Gegenstände zu erwerben, zu benutzen und aufzubewahren sowie eigene Kleidung zu tragen.

(2) Aus erheblichen Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der klinisch-forensischen Einrichtung, zum Schutz erheblicher Rechtsgüter Dritter, um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden oder zur Gewährleistung der ungestörten Wahrnehmung des Behandlungsangebots anderer untergebrachter Personen, darf einer untergebrachten Person auferlegt werden, ihre Gegenstände nur durch die Vermittlung der klinisch-forensischen Einrichtung zu beziehen. Aus den gleichen Gründen dürfen bereits vorhandene und neu erworbene Sachen kontrolliert, ihr Besitz vorübergehend eingeschränkt und ganz verboten sowie ihre Wegnahme angeordnet werden. Dies gilt auch beim Eintreffen und der Entgegennahme von Paketen für eine untergebrachte Person. Die Entscheidung hierüber trifft im Einzelfall die ärztliche oder psychotherapeutische Leitung der für die untergebrachte Person zuständigen Abteilung oder Station.

(3) Bei Schriftstücken, die die Betreuerin oder der Betreuer oder die anwaltliche Vertretung der untergebrachten Person übergeben will, ist eine Kontrolle des Inhalts ausgeschlossen.

(4) Eingebrachte Sachen, die die untergebrachte Person nicht in ihrem persönlichen Gewahrsam haben darf, sind für sie mit Sorgfalt aufzubewahren. Soweit Gegenstände und Sachen der untergebrachten Person den zur Verfügung stehenden Raum übertreffen, hat die untergebrachte Person für eine Unterbringung außerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung zu sorgen. Ist sie dazu nicht willens oder nicht in der Lage, kann die klinisch-forensische Einrichtung insoweit nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag tätig werden.

(5) Aus erheblichen Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der klinisch-forensischen Einrichtung, zum Schutz erheblicher Rechtsgüter Dritter, um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden oder zur Gewährleistung der ungestörten Wahrnehmung des Behandlungsangebots anderer untergebrachter Personen sind Bargeldbeträge, die über den täglich oder wöchentlich üblichen Verfügungsbedarf hinausgehen, auf das Eigengeldkonto der untergebrachten Person einzuzahlen. Wertsachen der untergebrachten Person können von der klinisch-forensischen Einrichtung in sicheren Gewahrsam genommen werden. Die klinisch-forensische Einrichtung wird ermächtigt, hierzu einheitliche oder auf die jeweils unterschiedlichen Bedingungen der Abteilungen abgestimmte Regelungen zu erlassen. Die Regelungen bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

§ 65 Information, Kommunikation und Mediennutzung

(1) Die klinisch-forensische Einrichtung unterstützt die untergebrachte Person dabei, ihre kommunikative Kompetenz zu erhalten und zu fördern. Sie stellt die organisatorischen und sachlichen Voraussetzungen bereit, die zur Wahrnehmung des Rechts auf Information und Kommunikation erforderlich sind.

(2) Aus erheblichen Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der klinisch-forensischen Einrichtung, des Schutzes erheblicher Rechtsgüter Dritter, um den eigenen Behandlungs- und Wiedereingliederungserfolg nicht zu gefährden oder zur Gewährleistung der ungestörten Wahrnehmung des Behandlungsangebots anderer untergebrachter Personen ist es zulässig, das Recht auf Information und Kommunikation einzuschränken oder die Nutzung von eigenen Anlagen, Geräten, Datenträgern und Medien durch die untergebrachte Person zu verbieten. Aus denselben Gründen können durch die Vollzugsleitung Einschränkungen und Verbote auch für die klinisch-forensische Einrichtung insgesamt oder für einzelne Abteilungen oder Stationen angeordnet werden. Diese Maßnahmen können sich auf den Inhalt der ein- und ausgehenden Kommunikation und Information sowie auf die gegebenenfalls hierzu erforderlichen Anlagen, Geräte, Datenträger und Medien beziehen. § 82 Absatz 2 gilt entsprechend.

(3) Liegen hinreichende Anhaltspunkte für eine der in Absatz 2 genannten Eingriffsvoraussetzungen vor, kann die Vollzugsleitung eine optische und akustische Überwachung der ein- und ausgehenden Information und Kommunikation anordnen. Die Maßnahme ist zu beenden, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. § 82 Absatz 2 gilt entsprechend.

(4) Von Eingriffen ausgenommen ist die Kommunikation der untergebrachten Person mit ihrer Betreuerin oder ihrem Betreuer, ihrer anwaltlichen oder notariellen Vertretung, der oder dem für ihre Religions-, Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft zuständigen Seelsorgerin oder Seelsorger, den Gerichten, Behörden und Staatsanwaltschaften, den Aufsichtsbehörden, der Beschwerde- und Informationsstelle, den Besuchskommissionen, der Forensisch-psychiatrischen Patientenfürsprecherin oder dem Forensisch-psychiatrischen Patientenfürsprecher, der oder dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, den Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern, dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und Strafe und weiteren Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist, so wie bei ausländischen Staatsangehörigen mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen ihres Heimatlandes in der Bundesrepublik Deutschland.

(5) Kenntnisse, die bei Eingriffen in das Recht auf Information und Kommunikation erlangt werden, sind vertraulich zu behandeln. Sie dürfen über die zur Abwehr der in Absatz 2 genannten Gefahren hinaus an Behörden, die zur Verfolgung von Straftaten zuständig sind, nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte zur Abwehr der in § 138 Absatz 1 und 2 des Strafgesetzbuches aufgeführten Straftaten oder einer gefährlichen oder schweren Körperverletzung, einer Entziehung Minderjähriger, einer Freiheitsberaubung, eines Diebstahls in den Fällen der §§ 244 und 244a des Strafgesetzbuches, eines besonders schweren Falles des Diebstahls, einer Erpressung, einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung oder einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz mitgeteilt werden. § 100 ist zu beachten.

§ 66 Besuche

(1) Die klinisch-forensische Einrichtung unterstützt die Aufrechterhaltung bestehender und die Anbahnung neuer familiärer und anderer sozialer Kontakte zu solchen Personen, die die Wiedereingliederung der untergebrachten Person fördern. Die untergebrachte Person hat das Recht, im Rahmen der Hausordnung Besucherinnen und Besucher ihrer Wahl zu empfangen. Dritte haben das Recht, eine untergebrachte Person zu besuchen, wenn und soweit diese in den Besuch einwilligt.

(2) Liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass von dem Besuch eine Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person oder für bedeutende Rechtsgüter Dritter oder eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung in der klinisch-forensischen Einrichtung ausgeht, kann das Zustandekommen des Besuchskontakts davon abhängig gemacht werden, dass sich die besuchende Person durchsuchen lässt. Unter den gleichen Voraussetzungen kann der Besuch überwacht, in seiner Dauer begrenzt, abgebrochen oder untersagt werden. Die Anordnung trifft die ärztliche oder psychotherapeutische Leitung der zuständigen Abteilung. Hierüber sind die Besucherinnen und Besucher vor Antritt des Besuchs zu unterrichten. § 82 Absatz 2 gilt entsprechend.

(3) Besuche der Betreuerin oder des Betreuers, der anwaltlichen oder notariellen Vertretung in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtssache dürfen nicht untersagt werden. Auf die Durchsuchung der besuchenden Person ist Absatz 2 Satz 1 entsprechend anzuwenden. Eine inhaltliche Überprüfung der mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen findet nicht statt.

(4) Kenntnisse, die bei Eingriffen in das Recht auf Besuch erlangt werden, sind vertraulich zu behandeln. Für ihre Weitergabe gilt § 65 Absatz 5 Satz 2 entsprechend. Die Daten der besuchenden Personen sind spätestens 14 Tage nach dem Besuch zu löschen, soweit ihre Speicherung nicht für die in § 65 Absatz 5 Satz 2 genannten Zwecke weiterhin erforderlich ist. § 100 ist zu beachten.

§ 67 Therapiefreie Zeit

(1) Die klinisch-forensische Einrichtung bietet der untergebrachten Person Möglichkeiten zur Unterhaltung und persönlichen Entfaltung insbesondere in den Bereichen Sport, Spiel, Musik, künstlerische Gestaltung, Kultur, Wissen und gesellschaftliche Entwicklungen an. Die untergebrachte Person ist anzuregen und dabei zu unterstützen, von diesen Angeboten aktiv Gebrauch zu machen. Dazu sollen insbesondere auch an Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen geeignete Angebote vorgehalten werden.

(2) Der untergebrachten Person ist der regelmäßige Aufenthalt von mindestens einer Stunde täglich im Freien zu gewährleisten.

(3) In den Bereichen der Absätze 1 und 2 dürfen einer untergebrachten Person nur solche Einschränkungen auferlegt werden, die zur ungestörten Wahrnehmung des Behandlungsangebots anderer untergebrachter Personen, aus erheblichen Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der klinisch-forensischen Einrichtung oder zum Schutz erheblicher Rechtsgüter Dritter unerlässlich sind.

§ 68 Religionsausübung

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, innerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung an den Veranstaltungen von Religions-, Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften teilzunehmen und ihren Glauben nach den Regeln ihrer Religions-, Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft auszuüben. Auf die Beachtung religiöser Speisevorschriften durch die untergebrachte Person ist Rücksicht zu nehmen.

(2) Auf ihren Wunsch ist die untergebrachte Person durch die klinisch-forensische Einrichtung zu unterstützen, wenn sie Kontakt mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger aufnehmen will.

(3) Erwerb und Besitz von Gegenständen des religiösen Gebrauchs sind frei.

(4) Aus erheblichen Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der klinisch-forensischen Einrichtung kann in die Freiheit der Religionsausübung und in das Recht des Absatzes 3 eingegriffen werden. Die oder der für die Religions-, Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft der untergebrachten Person zuständige Seelsorgerin oder Seelsorger soll nach Möglichkeit vorher gehört werden. § 82 Absatz 2 gilt entsprechend.

Abschnitt 6
Behandlungsbegleitende Sicherungsmaßnahmen

§ 69 Maß der Freiheitseinschränkungen

(1) Soweit und solange von der untergebrachten Person infolge ihrer psychischen Krankheit, Störung oder Behinderung oder ihres Hanges zum Suchtmittelmissbrauch eine Verletzung erheblicher Rechtsgüter Dritter zu erwarten ist, ist die klinisch-forensische Einrichtung berechtigt und verpflichtet, zum Schutz dieser Rechtsgüter in das Freiheitsrecht der untergebrachten Person einzugreifen. Art und Weise, Intensität sowie Dauer der Freiheitseinschränkungen sind auf die erwarteten Verletzungshandlungen, die von der untergebrachten Person ausgehen können, zu beziehen und an ihr auszurichten.

(2) Das Ziel jeder Unterbringung ist auch auf die erneute vollständige Wahrnehmung der Freiheitsrechte durch die untergebrachte Person gerichtet. Die Rücknahme von nicht mehr erforderlichen Freiheitseinschränkungen stellt keine Vergünstigung für Wohlverhalten dar, sondern ist unter Beachtung der Schutzpflicht für Dritte integrativer Bestandteil der Behandlung und aller weiteren Wiedereingliederungsangebote und -maßnahmen. Die Rücknahme von Freiheitseinschränkungen bietet der untergebrachten Person die Möglichkeit, den Erfolg ihrer Behandlung auch außerhalb der stationären Unterbringung überprüfbar darzustellen.

(3) Freiheitseinschränkungen und Freiheitsrechte sind in folgende Stufen gegliedert:

  1. Stufe 0: Die untergebrachte Person ist nicht berechtigt, die klinisch-forensische Einrichtung zu verlassen.
  2. Stufe 1: Die untergebrachte Person ist berechtigt, die klinisch-forensische Einrichtung in Begleitung einer in der klinisch-forensischen Einrichtung beschäftigten Person zu verlassen (Ausführung).
  3. Stufe 2: Die untergebrachte Person ist berechtigt, die klinisch-forensische Einrichtung ohne Begleitung zu verlassen (Ausgang, Freigang).
  4. Stufe 3: Die untergebrachte Person ist berechtigt, über eine Nacht oder mehrere Nächte der klinisch-forensischen Einrichtung fernzubleiben, ohne außerhalb zu wohnen.
  5. Stufe 4: Die untergebrachte Person ist berechtigt, sich über mehr als eine Nacht in einer externen Einrichtung oder in der eigenen Wohnung aufzuhalten (externer Wohnaufenthalt zur Vorbereitung der Wiedereingliederung und Entlassung).

Die klinisch-forensische Einrichtung kann innerhalb dieser Stufen für ihren Bereich weitere differenzierende Regelungen vornehmen, die der Aufsichtsbehörde zur Kenntnis zu geben sind. Alle Vollzugslockerungen der Stufen 2 bis 5 werden der Vollstreckungsbehörde rechtzeitig von der klinisch-forensischen Einrichtung mitgeteilt.

§ 70 Entscheidungen über das Maß der Freiheitseinschränkungen

(1) Die Entscheidung über die Art und Weise, die Intensität und die Dauer von Freiheitseinschränkungen, über die Wiedergewährung von Freiheitsrechten sowie über deren Rücknahme oder Widerruf trifft die ärztliche Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung.

(2) Die Wiedergewährung und die Wahrnehmung von Freiheitsrechten können mit Auflagen und Weisungen verbunden werden. Dazu können insbesondere gehören:

  1. sich der Aufsicht einer namentlich bestimmten Person zu unterstellen,
  2. die psychische Krankheit, die zur Unterbringung geführt hat, mit Einwilligung der untergebrachten Person außerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung behandeln zu lassen,
  3. Anordnungen zum Aufenthaltsort und zu Verhaltensweisen außerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung zu befolgen und
  4. sich zu bestimmten Zeiten an festgelegten Orten persönlich einzufinden.

(3) Die Wahrnehmung von Freiheitsrechten kann auch aus wichtigen Gründen wie familiären oder geschäftlichen Angelegenheiten oder zur Teilnahme an Gerichtsterminen gewährt werden. Der untergebrachten Person kann gestattet werden, außerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung ein vertragliches Arbeitsverhältnis einzugehen. Die für den Arbeitgeber erforderlichen Informationen über die untergebrachte Person hat diese selbst oder mit ihrer Einwilligung die klinisch-forensische Einrichtung zu übermitteln.

(4) Bei einer untergebrachten Person, bei der die Beurteilung der Art und Weise sowie der Schwere weiterer zu erwartender erheblicher rechtswidriger Taten besondere Schwierigkeiten bietet, kann vor der Rücknahme von Freiheitseinschränkungen, bei denen eine Aufsicht durch in der klinisch-forensischen Einrichtung beschäftigte Personen nicht mehr vorgesehen ist, das Gutachten einer oder eines externen Sachverständigen eingeholt werden. § 58 Absatz 2 Satz 2 und 4, Absatz 4 und 5 Satz 1 ist entsprechend anzuwenden.

(5) Die Wahrnehmung von Freiheitsrechten durch eine untergebrachte Person berührt nicht die Verantwortung der klinisch-forensischen Einrichtung für den Schutz erheblicher Rechtsgüter Dritter. Die klinisch-forensische Einrichtung hat das Verhalten der untergebrachten Person während der Wahrnehmung von Freiheitsrechten zu beobachten und insbesondere positiv und negativ auffällige Verhaltensweisen zu dokumentieren.

(6) Wird der klinisch-forensischen Einrichtung eine Gefährdung erheblicher Rechtsgüter Dritter aufgrund des Verhaltens der untergebrachten Person bekannt, hat sie zu prüfen, ob die erfolgte Gewährung von Freiheitsrechten zurückzunehmen oder zu widerrufen ist. Eine Entscheidung hierüber ist insbesondere dann zu treffen, wenn

  1. Umstände eintreten oder nachträglich bekannt werden, die die Gewährung von Freiheitsrechten nicht gerechtfertigt erscheinen lassen,
  2. die untergebrachte Person ihre Freiheitsrechte missbraucht oder
  3. die untergebrachte Person den ihr erteilten Auflagen oder Weisungen nicht nachkommt.

§ 71 Kontrollen, Durchsuchung, körperliche Untersuchung

(1) Aus Gründen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung in der klinisch-forensischen Einrichtung, des Schutzes erheblicher Rechtsgüter Dritter oder zur Gewährleistung der ungestörten Wahrnehmung des Behandlungsangebots anderer untergebrachter Personen dürfen eine untergebrachte Person, ihre Sachen und ihr Wohn- und Schlafbereich durchsucht werden.

(2) Liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass eine untergebrachte Person Waffen oder andere gefährliche Gegenstände oder Stoffe, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, am Körper mit sich führt, darf bei ihr eine mit Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorgenommen werden.

(3) Die körperliche Durchsuchung der untergebrachten männlichen Personen darf nur von Männern, die der untergebrachten weiblichen Personen nur von Frauen vorgenommen werden. Sie ist nur in einem geschlossenen Raum und nur in Anwesenheit einer weiteren Mitarbeiterin oder eines weiteren Mitarbeiters gleichen Geschlechts und nur bei Abwesenheit anderer untergebrachter Personen vorzunehmen. Die geschlechtsspezifische Zuordnung bei der Durchsuchung gilt nicht in Bezug auf ärztliches Personal.

(4) Liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass eine untergebrachte Person Stoffe, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, im Körper oder in Körperhöhlen mit sich führt, kann eine körperliche Untersuchung der untergebrachten Person angeordnet werden. Diese ist durch eine Ärztin oder einen Arzt vorzunehmen.

(5) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung können allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den Gebrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

(6) Die Durchsuchung oder Untersuchung ist ausführlich mit dem Anlass, den Namen der beteiligten Personen und dem Ergebnis zu dokumentieren. Vollzugsrelevante Ergebnisse der Durchsuchungen der Sachen und des Wohn- und Schlafbereichs der untergebrachten Person sowie einer körperlichen Untersuchung der untergebrachten Person sind der Strafvollstreckungsbehörde mitzuteilen.

§ 72 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen eine untergebrachte Person können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn aufgrund ihres Zustandes oder ihres Verhaltens eine erhöhte Fluchtgefahr, die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder Lebensgefahr oder eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person besteht.

(2) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen erst angeordnet werden, wenn Möglichkeiten der Kommunikation, der Deeskalation oder sonstiger therapeutischer oder pädagogischer Einflussnahme erfolglos geblieben sind oder von vornherein aussichtslos erscheinen.

(3) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind

  1. der Entzug oder das Vorenthalten von Gegenständen,
  2. die ständige Beobachtung,
  3. die räumliche Trennung von anderen untergebrachten Personen (Absonderung),
  4. die Beschränkung und das Verbot des Aufenthalts im Freien,
  5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände,
  6. die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen (Fixierung) und
  7. die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen (Fixierung) mit medikamentöser Sedierung.

(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur auf Anordnung der jeweiligen ärztlichen Abteilungsleitung oder deren Vertretung vorgenommen werden. Bei Gefahr im Verzug dürfen sie auch von einer anderen Ärztin oder einem anderen Arzt der Abteilung vorläufig angeordnet werden. Die Entscheidung der ärztlichen Abteilungsleitung oder ihrer Vertretung ist unverzüglich einzuholen.

(5) Jede besondere Sicherungsmaßnahme darf nur befristet angeordnet und nach Intensität und Dauer nur solange aufrechterhalten werden, wie es ihr Zweck erfordert. Die Maßnahmen nach Absatz 3 Nummer 1 bis 4 sind höchstens für die Dauer von 14 Tagen zulässig. In Ausnahmefällen kann eine Verlängerung um weitere 14 Tage angeordnet werden. Bei Maßnahmen nach Absatz 3 Nummer 5 bis 7 sind die geeignete und erforderliche Überwachung durch therapeutisches oder pflegerisches Fachpersonal und das erforderliche Maß an ärztlicher Kontrolle zu gewährleisten. Darüber hinaus ist bei einer Maßnahme nach Absatz 3 Nummer 6 oder 7 eine ständige persönliche Begleitung sicherzustellen.

(6) Jede besondere Sicherungsmaßnahme ist unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen sind.

(7) Anordnung, Begründung und Beendigung besonderer Sicherungsmaßnahmen sind zu dokumentieren.

(8) Von jeder Anordnung ist die rechtliche Vertretung der untergebrachten Person oder eine ihr nahestehende Bezugs- oder Vertrauensperson und gegebenenfalls ihre anwaltliche Vertretung unverzüglich zu benachrichtigen.

§ 73 Festnahmerecht

Eine untergebrachte Person, die entwichen ist, eine Entweichung während einer Ausführung versucht oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung aufhält, kann durch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der klinisch-forensischen Einrichtung oder auf ihre Veranlassung hin durch die Polizei als Vollzugshilfe festgenommen und in die klinisch-forensische Einrichtung zurückgebracht werden. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gemäß § 80 ist zulässig.

Abschnitt 7
Finanzielle Regelungen

§ 74 Unterbringungs- und Nebenkosten

(1) Die Kosten der strafrechtsbezogenen Unterbringung trägt das Land Berlin. Zu diesen Kosten gehören auch die Aufwendungen zur ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung, die in der klinisch-forensischen Einrichtung oder außerhalb im Rahmen einer Lockerungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme entstehen, sowie Zahnersatz, soweit er während der Unterbringung unvermeidbar erforderlich ist. Ansprüche gegen vorrangig verpflichtete Sozialleistungsträger bleiben unberührt.

(2) Zu den Nebenkosten gehören insbesondere Aufwendungen für Bekleidung und der Barbetrag zur persönlichen Verfügung. Die Nebenkosten trägt die untergebrachte Person selbst. Soweit sie dazu nicht in der Lage ist und keine Ansprüche gegen vorrangige Sozialleistungsträger hat, gilt § 78.

(3) Entstehen Aufwendungen zur schulischen oder beruflichen Aus-, Fort- oder Weiterbildung oder für Umschulungsmaßnahmen, sind hierfür die vorrangig verpflichteten Leistungsträger heranzuziehen. Bei Bedarf unterstützt die klinisch-forensische Einrichtung hierbei die untergebrachte Person.

§ 75 Motivationszulagen

(1) Eine untergebrachte Person, die an einer Arbeitstherapie teilnimmt, erhält hierfür eine Motivationszulage, die Kosten trägt das Land Berlin.

(2) Eine untergebrachte Person, die an einem Unterricht oder an beruflichen Maßnahmen über § 60 Absatz 1 hinaus teilnimmt, die ihre Wiedereingliederungschancen verbessern, erhält als Anreiz für die Teilnahme an fördernden Maßnahmen und zum Ausgleich für insoweit nicht leistbare Arbeitstherapie oder Arbeit ebenfalls eine Motivationszulage.

(3) Die Aufsichtsbehörde wird ermächtigt in Abstimmung mit der für Finanzen zuständigen Senatsverwaltung, Berechnungsmaßstäbe und Höhe der Motivationszulagen durch Verwaltungsvorschriften zu regeln.

(4) Die Motivationszulagen, sofern kein vorrangig verpflichteter Leistungsträger herangezogen werden kann, sind auf die Leistungen nach § 78 anzurechnen, soweit sie einen Betrag in Höhe des Freibetrags nach § 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2557) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, übersteigen.

§ 76 Entgelt für Arbeit, Beiträge zur Arbeitslosenversicherung

(1) Eine untergebrachte Person, die im Rahmen eines Vollzugsarbeitsverhältnisses mit der klinisch-forensischen Einrichtung im weitesten Sinne wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistungen verrichtet, erhält hierfür ein Entgelt.

(2) Die Aufsichtsbehörde wird ermächtigt in Abstimmung mit der für Finanzen zuständigen Senatsverwaltung, Berechnungsmaßstäbe und Höhe der Entgelte durch Verwaltungsvorschriften zu regeln.

(3) Erhält eine untergebrachte Person nach Absatz 1 ein Entgelt, ist die klinisch-forensische Einrichtung verpflichtet, hiernach fällige Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen. Die Regelungen des § 16 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 30. Mai 2016 (BGBl. I S. 1254) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, bleiben hiervon unberührt.

(4) Bei einer untergebrachten Person, die nach § 70 Absatz 3 Satz 2 mit Genehmigung der klinisch-forensischen Einrichtung ein vertragliches Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitgeber begründet, hat die klinisch-forensische Einrichtung den Arbeitgeber über die Unterbringung zu informieren und darauf zu achten, dass die vereinbarte Vergütung nicht die Bemessungsgrenze, die für Strafgefangene in vergleichbarer Beschäftigungssituation gilt, unterschreitet. Die untergebrachte Person hat den Arbeitsvertrag und die Abrechnungen der klinisch-forensischen Einrichtung gegenüber offenzulegen. Wird die Bemessungsgrenze unterschritten oder die Offenlegung des Arbeitsvertrages oder der Abrechnungen verweigert, kann die klinisch-forensische Einrichtung die Genehmigung zum Abschluss eines Arbeitsvertrags verweigern oder zurücknehmen.

§ 77 Überbrückungsgeld

(1) Um einer untergebrachten Person nach der aufgrund rechtskräftiger Entscheidung angeordneten Entlassung aus der Unterbringung die Wiedereingliederung in allgemeine Lebensverhältnisse zu erleichtern, ist in geeigneten Fällen ein Überbrückungsgeld aus Vollzugsarbeitsverhältnissen zu bilden. Die Bildung von Überbrückungsgeld stellt eine vorübergehende Verfügungsbeschränkung der untergebrachten Person über ihr Vermögen dar.

(2) Das Überbrückungsgeld wird aus den während der Unterbringung erzielten Einkünften der untergebrachten Person gebildet, soweit diese über die Einkünfte keine anderweitige Verfügung getroffen hat.

(3) Die Höhe des Überbrückungsgeldes ist nach dem Betrag festzusetzen, den die untergebrachte Person und ihre Unterhaltsberechtigten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch als notwendigen Lebensunterhalt für den ersten Monat nach der Entlassung und gegebenenfalls für eine Mietkaution benötigen. Das Überbrückungsgeld wird in monatlichen Raten gebildet, deren Höhe die klinisch-forensische Einrichtung festsetzt. Die Höhe des Überbrückungsgeldes soll den Betrag nicht überschreiten, der nach den Vorschriften über den Einsatz des Vermögens nach § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom Einsatz oder von der Verwertung ausgenommen ist.

(4) Das Überbrückungsgeld wird von der klinisch-forensischen Einrichtung gesondert verwahrt und mit dem für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist üblichen Zinssatz verzinst.

(5) Das Überbrückungsgeld und gegebenenfalls die Mietkaution werden der untergebrachten Person oder ihrer rechtlichen oder anwaltlichen Vertretung bei der Entlassung ausgezahlt. Mit Zustimmung der untergebrachten Person kann das Überbrückungsgeld auch ganz oder teilweise an ihre Unterhaltsberechtigten ausgezahlt werden.

(6) Die Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung kann gestatten oder selbst veranlassen, dass ein Teilbetrag oder das gesamte Überbrückungsgeld für Ausgaben verwendet wird, die unmittelbar der Vorbereitung der Wiedereingliederung dienen.

(7) Hinsichtlich der Unpfändbarkeit von Überbrückungsgeld gilt § 104.

§ 78 Barbetrag und andere Sozialleistungen

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf die Gewährung eines Barbetrags zur persönlichen Verfügung (Taschengeld) und einen angemessenen Betrag für Bekleidung. Die Höhe des Barbetrags richtet sich nach § 27b Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Der Betrag für die angemessene Bekleidung richtet sich nach der von der für das Sozialwesen zuständigen Senatsverwaltung festgesetzten Höhe für Einrichtungen im Land Berlin. Für die Ermittlung der Bedürftigkeit sind die Maßstäbe des § 19 Absatz 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch anzuwenden.

(2) Bei der Beantragung von Sozialleistungen, auf die die untergebrachte Person einen Anspruch hat, wird sie bei Bedarf durch die klinisch-forensische Einrichtung unterstützt. Die klinisch-forensische Einrichtung verwaltet die gewährten Leistungen und zahlt sie an die untergebrachte Person aus. § 77 Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Soweit die untergebrachte Person Sozialleistungen beantragt oder erhält, sind die Regelungen zur Mitwirkung und Angabe von Tatsachen sowie zu den Grenzen ihrer Mitwirkungspflicht nach den §§ 60, 65 und 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015), das zuletzt durch Artikel 1b des Gesetzes vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2408) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, zu beachten.

(4) Zuständig für die Leistungen nach Absatz 1 sind die Bezirksämter von Berlin. Nummer 13 Absatz 7 der Anlage zu § 4 Absatz 1 Satz 1 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 1996 (GVBl. S. 302, 472), das zuletzt durch Artikel 1 und 2 des Gesetzes vom 17. Juni 2016 (GVBl. S. 331) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt unberührt.

(5) Für untergebrachte Personen, die Leistungen nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, erhalten, gelten Absatz 1 bis 4 entsprechend. Soweit das Landesamt für Gesundheit und Soziales für die Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständig ist, erstreckt sich die Zuständigkeit auch auf die Leistungsgewährung nach Absatz 1.

§ 79 Eigengeld, Verwahrung von Geld, Verfügung über Bargeld

(1) Die klinisch-forensische Einrichtung führt für jede untergebrachte Person ein Eigengeldkonto. Auf diesem Konto werden alle Zahlungen der klinisch-forensischen Einrichtung und die Beträge geführt, die die untergebrachte Person bei der Aufnahme mitbringt und während der Unterbringung erhält.

(2) Verfügungsberechtigt über das Eigengeldkonto sind die untergebrachte Person und gegebenenfalls ihre rechtliche Vertretung.

(3) Die Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung kann im Einzelfall Verfügungsbeschränkungen über das Eigengeldkonto anordnen, um die Erreichung der in § 42 Absatz 2 genannten Ziele der Unterbringung nicht zu gefährden oder um erhebliche Rechtsgüter Dritter zu schützen.

(4) Die Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung kann für alle untergebrachten Personen eine Verfügungsbeschränkung hinsichtlich des Umgangs mit Bargeld treffen, wenn dies erforderlich ist, um das verantwortliche Zusammenleben in dem gemeinsamen Bereich zu gewährleisten.

(5) Die für eine untergebrachte Person zuständige Therapeutin oder der für eine untergebrachte Person zuständige Therapeut kann der untergebrachten Person eine Verfügungsbeschränkung hinsichtlich des Umgangs mit Bargeld auferlegen, um die Erreichung der in § 42 Absatz 2 genannten Ziele der Unterbringung nicht zu gefährden, um erhebliche Rechtsgüter Dritter zu schützen oder um das verantwortliche Zusammenleben der untergebrachten Personen mit anderen zu gewährleisten.

Teil 5
Unmittelbarer Zwang, Umgang mit Daten

Abschnitt 1
Unmittelbarer Zwang, Anordnungen

§ 80 Unmittelbarer Zwang

(1) Beschäftigte der Einrichtungen, die Unterbringungen nach diesem Gesetz durchführen, dürfen gegenüber untergebrachten Personen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn und soweit dieser aus erheblichen Gründen erforderlich ist, um die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung oder den Schutz erheblicher Rechtsgüter Dritter aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen oder um Entweichungen zu verhindern. Hinsichtlich des Rechts zur Festnahme bleibt § 73 unberührt. Auch ohne Einwilligung zulässige Behandlungsmaßnahmen und Maßnahmen zum allgemeinen Gesundheitsschutz und zur Hygiene können mit Hilfe unmittelbaren Zwanges vorgenommen werden.

(2) Gegenüber anderen als den untergebrachten Personen darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn die anderen Personen

  1. es unternehmen, untergebrachte Personen zu befreien,
  2. unbefugt in den Bereich der Einrichtung eindringen oder
  3. sich trotz Aufforderung zum Verlassen weiterhin unbefugt im Bereich der Einrichtung aufhalten.

(3) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt und ihre Hilfsmittel. Als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt kommen ausschließlich geeignete Fesseln in Betracht.

(4) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist anzudrohen. Die Androhung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn der unmittelbare Zwang sofort angewendet werden muss, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

(5) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs hat zu unterbleiben, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(6) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist zu dokumentieren.

§ 81 Anordnung und Remonstration

(1) Eine Anordnung darf nicht erteilt und nicht befolgt werden, wenn dadurch Rechte untergebrachter Personen verletzt oder rechtswidrige Taten begangen würden.

(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Anordnungen sind der anordnenden oder der vorgesetzten Person vorzutragen, soweit es den Umständen nach möglich ist.

Abschnitt 2
Dokumentationspflichten und Einsichtsrechte

§ 82 Dokumentation von Leistungen und Eingriffen

(1) Die einer psychisch erkrankten Person oder einer untergebrachten Person angebotenen und die tatsächlich erbrachten diagnostischen, therapeutischen und rehabilitativen Leistungen zur Behandlung und Wiedereingliederung sowie alle finanziellen und ihnen gleichstehenden Zuwendungen sind zu dokumentieren. Bei einer Einschränkung von bisher erbrachten Leistungen ist anzugeben, ob sie auf einer Verweigerungshaltung beruhen oder darauf, dass die psychisch erkrankte Person oder die untergebrachte Person nicht in der Lage ist, die angebotenen Leistungen in Anspruch zu nehmen.

(2) Eingriffe in die Rechte einer psychisch erkrankten Person oder einer untergebrachten Person sind zu dokumentieren. Dabei ist anzugeben, ob sie aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung, aufgrund der Störung der Wahrnehmung des Behandlungsangebots anderer untergebrachter Personen oder zum Schutz erheblicher Rechtsgüter Dritter erforderlich waren. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Dokumentation von Eingriffen und Zwangsmaßnahmen bei der Behandlung der Anlasserkrankung (§ 28 Absatz 1 Satz 1) oder der Anlasskrankheit (§ 56 Absatz 1 Satz 1), bei sonstiger Gesundheitsfürsorge und bei besonderen Sicherungsmaßnahmen.

§ 83 Einsichtsrechte in Akten und Dateien

(1) Die psychisch erkrankte Person oder die untergebrachte Person und ihre rechtliche oder anwaltliche Vertretung haben das Recht, unentgeltlich Auskunft über alle die psychisch erkrankte Person oder die untergebrachte Person betreffenden Daten zu erhalten oder selbst Einsicht in die entsprechenden Akten und Dateien zu nehmen. Schutzwürdige Belange Dritter sind zu beachten. Personen, zu deren Arbeits- oder Dienstpflicht die Behandlung, Betreuung, Sicherung oder Verwaltung einer untergebrachten Person gehört, sind nicht Dritte im Sinne des Satzes 2.

(2) Aktenauskunft und Akteneinsicht sind kostenlos. Bei einer Einsichtnahme haben die psychisch erkrankte oder die untergebrachte Person und die anderen einsichtsberechtigten Personen das Recht, sich aus den Akten Notizen zu machen oder selbst Ablichtungen vorzunehmen.

(3) Einer psychisch erkrankten Person oder einer untergebrachten Person sind auf schriftlichen Antrag aus den über sie geführten Akten Ablichtungen einzelner Dokumente und aus automatisierten Dateien Ausdrucke eines Teilbestandes der Daten zu fertigen, soweit die Akten oder Dateien dem Einsichtsrecht unterliegen. Für die Anfertigung von Ablichtungen und Ausdrucken können Gebühren erhoben werden.

Abschnitt 3
Verarbeitung und Schutz personenbezogener Daten

§ 84 Anwendbarkeit anderer Vorschriften

Soweit in diesem Gesetz nichts anderes geregelt ist, gelten für die Tätigkeit der Einrichtungen, Dienste und Gremien im Anwendungsbereich dieses Gesetzes das Berliner Datenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1990 (GVBl. 1991 S. 16, 54), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 30. Mai 2016 (GVBl. S. 282) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und das Berliner Informationsfreiheitsgesetz vom 15. Oktober 1999 (GVBl. S. 561), das zuletzt durch Gesetz vom 23. Juni 2015 (GVBl. S. 285) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

§ 85 Verarbeitung personenbezogener Daten

(1) Eine Verarbeitung personenbezogener Daten umfasst das Erheben, Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren, Löschen und das Nutzen von personenbezogenen Daten. Die Dienste nach § 6 und die Einrichtungen nach Teil 3 und 4 dürfen personenbezogene Daten der psychisch erkrankten Person oder der untergebrachten Person verarbeiten, soweit

  1. die Verarbeitung zur rechtmäßigen Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist,
  2. die Verarbeitung nach anderen Rechtsvorschriften erlaubt ist oder
  3. die psychisch erkrankte Person oder die untergebrachte Person in die Verarbeitung ausdrücklich eingewilligt hat.

(2) Werden Daten einer psychisch erkrankten Person oder einer untergebrachten Person mit ihrer Kenntnis und Einwilligung verarbeitet, so ist die betroffene Person in geeigneter Weise über den Zweck der Verarbeitung aufzuklären. Werden Daten bei einer psychisch erkrankten Person oder einer untergebrachten Person aufgrund einer durch Rechtsvorschrift festgelegten Auskunftspflicht erhoben und verarbeitet, so ist die betroffene Person auf die Rechtsgrundlage hinzuweisen und über die Empfängerin oder den Empfänger der Daten aufzuklären. Sofern keine Pflicht zur Auskunft besteht, ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, dass sie die Auskunft verweigern kann. Sind die Angaben für die Gewährung einer Leistung erforderlich, so ist die betroffene Person über die möglichen Folgen einer Auskunftsverweigerung aufzuklären.

(3) Eine Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung der psychisch erkrankten Person oder der untergebrachten Person beruht. Ist die betroffene Person zu einer solchen Entscheidung nicht in der Lage, entscheidet ihre rechtliche Vertretung. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, so ist sie in der Gestaltung der Erklärung besonders hervorzuheben.

(4) Personenbezogene Daten dürfen in Akten und Dateien aufgenommen und gespeichert werden, soweit dies für die Erfüllung der jeweiligen in diesem Gesetz vorgesehenen Aufgaben erforderlich ist oder eine Verpflichtung zur Dokumentation besteht.

(5) Die psychisch erkrankte Person oder die untergebrachte Person ist über den Zweck der Verarbeitung zu unterrichten. Die psychisch erkrankte Person oder die untergebrachte Person ist auf die Folgen einer Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen.

(6) Die in oder außerhalb von Unterbringungseinrichtungen nach Teil 3 und 4 tätigen und mit der Untersuchung, Beratung, Behandlung, Wiedereingliederung oder Sicherung von untergebrachten Personen beauftragten

  1. Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Apothekerinnen und Apotheker sowie Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
  2. Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychologischen Psychotherapeuten,
  3. Berufspsychologinnen und Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung sowie
  4. staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie staatlich anerkannten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen

(Berufsgeheimnisträger) sind im Hinblick auf den Austausch personenbezogener Daten untereinander zur Beachtung des Schutzes personenbezogener Daten verpflichtet.

(7) Soweit die Berufsgeheimnisträger gleichzeitig oder nacheinander dieselbe psychisch erkrankte Person oder untergebrachte Person behandeln, unterliegen sie im Verhältnis zueinander nicht der Schweigepflicht und sind zur umfassenden Information und Auskunft in dem Umfang verpflichtet, wie dies zum Zwecke einer zielgerichteten gemeinsamen und kontinuierlichen Behandlung erforderlich ist, eine wirksame Einwilligung der betroffenen Person vorliegt oder eine gegenseitige Offenbarung von Gesetzes wegen vorgesehen oder zulässig ist.

(8) Im Übrigen findet § 203 des Strafgesetzbuches Anwendung. Darüber hinaus ist allen bei den Trägern der Hilfen oder den Trägern von Einrichtungen oder in den Einrichtungen beschäftigten oder von diesen beauftragten Personen, die an der Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz beteiligt sind, die unbefugte Offenbarung fremder Geheimnisse und personenbezogener Daten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, untersagt. Von nichtärztlich tätigen Personen, die an der Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz beteiligt sind, dürfen Daten nur unter den Voraussetzungen offenbart werden, unter denen eine der in § 203 Absatz 1 oder 3 des Strafgesetzbuches genannten Personen dazu befugt wäre.

§ 86 Erhebung und Übermittlung erkennungsdienstlicher Daten

(1) Zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Unterbringung nach dem Teil 4 werden von jeder strafrechtsbezogen untergebrachten Person erkennungsdienstliche Unterlagen angefertigt. Hierzu können Lichtbilder aufgenommen, äußerliche körperliche Merkmale festgestellt und Messungen vorgenommen werden. Die Aufnahme von Lichtbildern darf nur mit Kenntnis der strafrechtsbezogen untergebrachten Person erfolgen. Diese Unterlagen sind, soweit sie nicht zugleich für die Behandlung benötigt werden, getrennt von den Krankenunterlagen aufzubewahren.

(2) Die nach Absatz 1 erhobenen und die weiteren zur Identifizierung oder zur Festnahme erforderlichen Daten dürfen nur an die Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden, soweit dies für Zwecke der Fahndung nach und zur Festnahme von einer entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der klinisch-forensischen Einrichtung aufhaltenden strafrechtsbezogen untergebrachten Person erforderlich ist.

(3) Die nach Absatz 1 erhobenen Daten sind nach der Entlassung der strafrechtsbezogen untergebrachten Person unverzüglich zu löschen. Die Löschung ist in den Akten oder Dateien, die über die betroffene Person geführt werden, zu dokumentieren.

§ 87 Erhebung von Daten untergebrachter Personen bei Dritten

(1) Personenbezogene Daten über eine untergebrachte Person können auch ohne deren Mitwirkung und Kenntnis im Einzelfall bei Dritten erhoben werden, soweit deren Kenntnis zur Erreichung des Zwecks der Unterbringung unerlässlich ist, wenn

  1. eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt oder
  2. die zu erfüllende Aufgabe ihrer Art oder ihrem Zweck nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich macht oder
  3. die Erhebung bei der untergebrachten Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der untergebrachten Person überwiegen, die der Erhebung ohne ihre Mitwirkung entgegenstehen.

(2) Zulässig ist insbesondere die Erhebung von Daten gerichtlicher Entscheidungen und von gutachterlichen Stellungnahmen aus den Akten der gerichtlichen Verfahren, die

  1. der Durchführung der gegenwärtigen Unterbringung zugrunde liegen oder sie sonst betreffen oder
  2. die eine frühere Unterbringung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung betreffen,

soweit dies zur Erreichung des mit der gegenwärtigen Unterbringung angestrebten Zwecks erforderlich ist.

(3) Nichtöffentliche Stellen sind auf die Rechtsvorschrift, die zur Auskunft verpflichtet, ansonsten auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen.

§ 88 Schutzvorkehrungen

(1) Akten und Dateien mit personenbezogenen Daten sind, soweit der Inhalt der Daten dies erfordert, durch technische und organisatorische Maßnahmen gegen unbefugten Zugang und unbefugten Gebrauch zu schützen.

(2) Besondere Arten personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Absatz 9 des Bundesdatenschutzgesetzes sind besonders zu sichern.

§ 89 Datenübermittlung, Zusammenwirken von Behörden und Einrichtungen

Die Träger der Hilfen nach Teil 2 und die Einrichtungen nach Teil 3 und 4 dürfen personenbezogene Daten untereinander und an die bezirklichen Steuerungsgremien nach § 10 Absatz 4 nur zu dem Zweck übermitteln, zu dem sie erhoben worden sind, oder soweit die Übermittlung zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben der übermittelnden Stelle nach diesem Gesetz oder nach anderen Gesetzen erforderlich ist.

§ 90 Datenübermittlung an Dritte

(1) Einrichtungen nach Teil 3 und 4 dürfen außer mit Einwilligung der untergebrachten Person personenbezogene Daten an Personen und Stellen außerhalb der Einrichtung nur übermitteln, wenn und soweit dies erforderlich ist

  1. zur Weiterbehandlung der untergebrachten Person in einem Krankenhaus oder einer Einrichtung, in die sie verlegt worden ist oder verlegt werden soll,
  2. zur Erläuterung einer Anfrage der Einrichtung an einen Dritten, die zum Zwecke der Durchführung der Unterbringung nach Teil 3 und 4 gestellt wird,
  3. zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Gesundheit oder persönliche Freiheit eines Dritten oder für andere bedeutende Rechtsgüter, wenn die Abwendung der Gefahr ohne die Weitergabe der Daten nicht möglich ist,
  4. zur Abwehr erheblicher Nachteile für untergebrachte Personen, sofern diese Nachteile die Geheimhaltungsinteressen überwiegen und die Abwehr der Nachteile anders als durch die Weitergabe der Daten nicht möglich ist,
  5. im Rahmen eines Verfahrens über die Bestellung einer rechtlichen Vertretung für die untergebrachte Person,
  6. zur Durchsetzung von Ansprüchen der Einrichtung, zur Abwehr von behaupteten Ansprüchen Dritter oder zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die gegen die Einrichtung gerichtet sind,
  7. zur Wahrnehmung gesetzlicher Befugnisse der Einrichtung gegenüber der Vollstreckungsbehörde, der Strafvollstreckungskammer, den nach dem Jugendgerichtsgesetz zuständigen Gerichten, der Bewährungshilfe, der Jugendgerichtshilfe, dem Sozialpsychiatrischen Dienst, dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst oder der rechtlichen Vertretung der betroffenen Person oder
  8. zur Ausübung der Fachaufsicht nach § 20 oder § 44 Absatz 2 und 3.

(2) Die Übermittlung von Daten

  1. zur Durchführung einer Maßnahme der Schul- oder Berufsausbildung, der Umschulung oder der Berufsförderung oder zur Berufsausübung außerhalb der Einrichtung und
  2. zur Unterrichtung der Besuchskommissionen

darf nur erfolgen, wenn die untergebrachte Person damit einverstanden ist.

(3) Die empfangende Stelle oder Person darf die ihr übermittelten personenbezogenen Daten nur für die Zwecke verwenden, für die sie übermittelt worden sind.

§ 91 Datenübermittlung zum Zweck der Planung und Steuerung

Die Einrichtungen, Dienste und Institutionen nach § 7 Absatz 1 Satz 2 erteilen der für das Gesundheitswesen zuständigen Senatsverwaltung die erforderlichen Auskünfte, die zum Zwecke der Planung und Steuerung nach § 9 Absatz 1 notwendig sind. Die Auskünfte sind von der erteilenden Stelle vor der Übermittlung zu anonymisieren.

§ 92 Datenübermittlung an die Straßenverkehrsbehörde

Ergeben sich während der Unterbringung Tatsachen, die über die Zeit der Unterbringung hinaus die Fahrtauglichkeit einer untergebrachten Person beeinträchtigen könnten, ist die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt der jeweiligen Unterbringungseinrichtung befugt, der hierfür zuständigen Straßenverkehrsbehörde davon Kenntnis zu geben.

§ 93 Datenübermittlung an Sachverständige

(1) Sachverständigen, die von der klinisch-forensischen Einrichtung nach § 58 Absatz 2 Satz 1 oder Absatz 3 oder nach § 70 Absatz 4 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden sind, können die zur Erfüllung dieses Auftrags erforderlichen Akten und Daten über die strafrechtsbezogen untergebrachte Person zur Einsichtnahme vorgelegt, in Papierform übergeben oder in elektronischer Form übermittelt werden.

(2) Die klinisch-forensische Einrichtung und die an der Übermittlung von Akten und Daten beteiligten Personen sind verpflichtet, die zum Schutz der zu übermittelnden Akten und Daten erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen. Eine elektronische Übermittlung von Daten ist ausschließlich verschlüsselt zulässig.

§ 94 Datenübermittlung für wissenschaftliche Zwecke

In Bezug auf die Daten über strafrechtsbezogen untergebrachte Personen gilt § 476 der Strafprozessordnung entsprechend mit der Maßgabe, dass auch elektronisch gespeicherte personenbezogene Daten übermittelt werden können, auch auf elektronischem Wege.

§ 95 Regelmäßige Datenübermittlung an die Aufsichtsbehörde

(1) Zur Wahrnehmung der Fachaufsicht über die klinisch-forensische Einrichtung sind der Aufsichtsbehörde regelmäßig Informationen

  1. zur Aufnahme (Aufnahmeersuchen und Urteil) und zur Entlassung (Entlassungsanordnung),
  2. zum Verlauf der Unterbringung,
  3. zur strafrechtsbezogenen Situation und
  4. zur Fortdauer der Unterbringung sowie zur Aufhebung der Unterbringungsanordnungen (Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und der nach dem Jugendgerichtsgesetz zuständigen Gerichte)

zu übermitteln.

(2) Für die Übermittlung der personenbezogenen Daten nach Absatz 1 trägt die ärztliche Leitung der klinisch-forensischen Einrichtung die Verantwortung.

§ 96 Verarbeitung von Daten der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozessordnung

Personenbezogene Daten über Personen, die nach § 126a der Strafprozessordnung untergebracht sind, dürfen von der klinisch-forensischen Einrichtung und von der Aufsichtsbehörde zur ordnungsgemäßen Durchführung der Unterbringung einschließlich der Erfüllung der ärztlichen Dokumentationspflicht und zur Ausübung der Aufsicht verarbeitet werden.

§ 97 Übermittlungsverantwortung, Unterrichtungspflicht

(1) Bei der Übermittlung personenbezogener Daten trägt die übermittelnde Stelle die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung.

(2) Der psychisch erkrankten Person oder der untergebrachten Person ist die Übermittlung ihrer personenbezogenen Daten mitzuteilen. Bei beabsichtigten Übermittlungen ist sie über die vorgesehenen Empfängerinnen und Empfänger sowie den Zweck der Übermittlung aufzuklären. Von einer Mitteilung kann nur dann abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe dafür sprechen, dass infolge der Mitteilung eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit entstehen könnte.

§ 98 Optisch-elektronische Überwachung der klinisch-forensischen Einrichtung

(1) Die Beobachtung von Freiflächen und Außenseiten der klinisch-forensischen Einrichtung, in der sich strafrechtsbezogen untergebrachte Personen befinden, mit Hilfe optisch-elektronischer Anlagen ist zulässig, soweit dies zum Zweck der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Unterbringung und der Sicherheit der Einrichtung erforderlich ist, insbesondere um das Betreten bestimmter Bereiche durch Unbefugte zu verhindern.

(2) Die Beobachtung innerhalb von Räumen, in denen sich strafrechtsbezogen untergebrachte Personen befinden, mittels optisch-elektronischer Anlagen ist nicht zulässig.

(3) Die nach Absatz 1 mittels optisch-elektronischer Anlagen erhobenen Daten dürfen für einen Zeitraum von bis zu 48 Stunden zum Zwecke der Prüfung einer weitergehenden Speicherung gespeichert werden. Eine Speicherung über diesen Zeitraum hinaus ist nur zulässig, soweit und solange dies zur Verfolgung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit erforderlich ist. Im Übrigen sind die Daten zu löschen.

§ 99 Auslesen von Datenspeichern

(1) Elektronische Datenspeicher und elektronische Geräte mit Datenspeicher, die untergebrachte Personen mit oder ohne Erlaubnis der jeweiligen Einrichtung besitzen, dürfen auf einzelfallbezogene schriftliche Anordnung der Leitung dieser Einrichtung ausgelesen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Unterbringung entsprechend dem in § 16 genannten Zweck oder den in § 42 Absatz 2 genannten Zielen erforderlich ist. Die dabei erhobenen Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit dies nach dem in Satz 1 genannten Zweck unerlässlich ist.

(2) Die nach Absatz 1 erhobenen Daten dürfen nicht weiterverarbeitet werden, soweit sie

  1. zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung der untergebrachten Person gehören und die weitere Verarbeitung auch unter Berücksichtigung der in Absatz 1 genannten Interessen der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Unterbringung unzumutbar ist oder
  2. zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung Dritter gehören.

(3) Daten, die nach Absatz 2 nicht weiterverarbeitet werden dürfen, sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache der Erfassung der Daten und deren Löschung sind in den Akten, die über die untergebrachte Person geführt werden, zu dokumentieren. Diese Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.

(4) Die untergebrachte Person ist bei ihrer Aufnahme über die Möglichkeit des Auslesens von Datenspeichern zu belehren.

§ 100 Verwertung von Erkenntnissen aus Überwachungsmaßnahmen

(1) Bei der Überwachung der Besuche und der Kommunikation einer untergebrachten Person und bei der Überwachung des Inhaltes von Sendungen bekannt gewordene personenbezogene Daten sind in Akten und Dateien der Unterbringungseinrichtung eindeutig als solche zu kennzeichnen. Die sie selbst betreffenden Daten dürfen mit Zustimmung der untergebrachten Person nur für Zwecke der Behandlung verarbeitet werden.

(2) Soweit die in Absatz 1 bezeichneten Daten dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung (§ 99 Absatz 2) zuzurechnen sind, dürfen sie nicht verarbeitet werden. Solche Daten sind zu löschen. Die Erfassung der Daten und ihre Löschung sind in den Akten, die über die untergebrachte Person geführt werden, zu dokumentieren. Diese Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.

§ 101 Aufbewahrung

Aufzeichnungen der Träger der Hilfen oder der Einrichtungen, Dienste und Stellen, die an der Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz beteiligt sind, über amts-, gerichts- und vertrauensärztliche sowie über gutachterliche Tätigkeiten sind dreißig Jahre aufzubewahren. Aufzeichnungen nach Satz 1 dürfen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht mehr verwertet werden und sind zu löschen. Die Löschungsfristen beginnen mit dem ersten Tag des auf das Jahr der Entlassung folgenden Kalenderjahres. Die Bestimmungen des Archivgesetzes des Landes Berlin vom 14. März 2016 (GVBl. S. 96), in der jeweils geltenden Fassung, bleiben unberührt.

Teil 6
Schlussvorschriften

§ 102 Erlass von Ausführungsvorschriften

Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften erlässt die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung.

§ 103 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes; Artikel 8 Absatz 1 Satz 1 und 2 der Verfassung von Berlin vom 23. November 1995 (GVBl. S. 779), die zuletzt durch Gesetz vom 22. März 2016 (GVBl. S. 114) geändert worden ist), auf Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes; Artikel 16 der Verfassung von Berlin) sowie auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes; Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 der Verfassung von Berlin) eingeschränkt.

§ 104 Anwendung von Bundesrecht

Dieses Gesetz ersetzt nach Artikel 125a Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes in seinem Geltungsbereich die §§ 136 bis 138 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 152 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, mit Ausnahme der Vorschriften über

  1. den Pfändungsschutz des Überbrückungsgeldes (§ 138 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit § 51 Absatz 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes) und
  2. das gerichtliche Verfahren (§ 138 Absatz 3 in Verbindung mit §§ 109 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes).

§ 105 Evaluation

Dieses Gesetz ist hinsichtlich einer Weiterentwicklung der menschenrechtskonformen Gestaltung, insbesondere hinsichtlich einer stärkeren Ausrichtung des Gesetzes vorrangig auf Hilfen und hinsichtlich der Vermeidung einer zwangsweisen Unterbringung und Behandlung von psychisch erkrankten Personen, in jeder Legislaturperiode einmal extern zu evaluieren. Grundlage der Evaluation sind anonymisierte Daten insbesondere der Beschwerde- und Informationsstelle, der Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher, der Besuchskommissionen sowie der Einrichtungen im Sinne des § 18 Absatz 1 und Statistiken der Sozialpsychiatrischen Dienste. Dem Abgeordnetenhaus sind die Ergebnisse als Vorlage zur Beschlussfassung vorzulegen.

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