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VV LHundG NRW - Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz
- Nordrhein-Westfalen -
(MBl. NRW. 2003 S. 580; 25.07.2017 S. 737 17; 06.07.2020 S. 446 20; 16.07.2024 S. 805 24)
Gl.-Nr.: 2060
RdErl. des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - VI-7 - 78.01.52 - v. 2.5.2003
17 Zum Landeshundegesetz (LHundG NRW) vom 18. Dezember 2002 (GV.NRW. S. 656), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. September 2016 (GV.NRW. S. 790) geändert worden ist, ergehen folgende Verwaltungsvorschriften, zugleich als allgemeine Weisung nach § 9 Absatz 2 Buchstabe a des Ordnungsbehördengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 1980 (GV.NRW. S. 528), das zuletzt durch Gesetz vom 6. Dezember 2016 (GV.NRW. S. 1062) geändert worden ist:
1 Die in der Vergangenheit aufgetretenen und immer wieder auftretenden, zum Teil schwerwiegenden Vorfälle, bei denen Personen, insbesondere Kinder und ältere Menschen von Hunden angegriffen, schwer verletzt oder getötet wurden, machten es erforderlich, zum Schutz der Bevölkerung und zur Vorsorge gegen mögliche Gefährdungen das Landeshundegesetz zu erlassen. Damit werden in Nordrhein-Westfalen für die Haltung gefährlicher, näher bestimmter und größerer Hunde besondere Pflichten und für den Umgang mit diesen Hunden Verhaltensanforderungen festgelegt. Das Landeshundegesetz soll zu einem Rückgang der Beißvorfälle und bei den Hundehaltern zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit Hunden führen.
Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass für gefährliches Verhalten von Hunden die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse insbesondere aber die mangelnde Sachkunde und Eignung des Halters oder die falsche Erziehung und Ausbildung des Hundes sowie situative Einflüsse unterschiedlichster Art ursächlich sein können.
Die nach der Gefährlichkeit und dem Gefährdungspotenzial von Hunden abgestuften ordnungsrechtlichen Regelungsinstrumente des Landeshundegesetzes entsprechen weitgehend den Empfehlungen der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) vom 07./08. November 2001.
2 20 In dem Gesetz wird entsprechend den Empfehlungen der IMK teilweise an die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer Rasse angeknüpft. Danach gelten aufgrund der Rassezugehörigkeit als gefährlich Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier und deren Kreuzungen. Für diese Hunde hat der Bundesgesetzgeber bereits ein Einfuhr- und Verbringungsverbot erlassen. Bei Hunden der aufgeführten Rassen ist zuchtbedingt und durch rassespezifische Merkmale (wie z.B. die körperliche Konstitution, Größe, Gewicht, Beißkraft, Muskelkraft, Sprungkraft) oder wegen des Auffälligwerdens durch Beißvorfälle und vorhandener Aggressionsmerkmale (niedrige Beißhemmung, Beschädigungswille, herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Angriffe) ein höheres Gefahrenpotenzial zu vermuten. Eine Aussage über die individuelle Gefährlichkeit eines jeden Tieres dieser Rassen wird damit nicht getroffen.
Darüber hinaus sind auch solche Hunde - unabhängig von ihrer Rasse - gefährliche Hunde im Sinne des Landeshundegesetzes, die aggressionssteigernd gezüchtet oder ausgebildet wurden oder durch Fehlverhalten ihre Gefährlichkeit unter Beweis gestellt haben und dies nach einer amtstierärztlichen Begutachtung durch die zuständige Ordnungsbehörde verbindlich festgestellt wurde.
Für den Umgang mit gefährlichen Hunden stellt das Gesetz folgende strenge Anforderungen auf:
Erlaubnispflicht für die Haltung:
Neue Haltungen dürfen nur bei Vorliegen eines besonderen privaten oder öffentlichen Interesses erlaubt werden. Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis sind
Verhaltenspflichten:
Verstöße können überwiegend als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro geahndet werden.
3 Das Gesetz sieht - den Empfehlungen der IMK folgend - für 10 weitere Hunderassen besondere Regelungen vor. Auch Hunde dieser Rassen und deren Kreuzungen weisen rassespezifische Merkmale (beispielsweise niedrige Beißhemmung, herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Angriffe, Kampfinstinkt oder ein genetisch bedingter Schutztrieb) auf, die ein besonderes Gefährdungspotenzial begründen und unter präventiven Gesichtspunkten besondere Anforderungen an den Umgang erfordern.
Durch die Regelungen soll auch ein Ausweichen von Hundebesitzern aus "einschlägigen Kreisen" auf Hunde dieser Rassen erschwert werden. Auf Empfehlung der IMK neu aufgenommen wurden die Rassen Alano und American Bulldog.
Für Hunde der bestimmten 10 Rassen und deren Kreuzungen gelten Anforderungen wie für gefährliche Hunde mit folgenden Modifikationen:
Durch eine Übergangsvorschrift ist sichergestellt, dass Erlaubnisse und Entscheidungen über die Befreiung von der Anlein- und Maulkorbpflicht, die auf der Grundlage der Vorläuferregelung, der Landeshundeverordnung (LHV NRW), ergangen sind, fortgelten.
4 20 Unter präventiven Gesichtspunkten und zur Erhaltung des Schutzniveaus erschien dem Gesetzgeber die Regelung zu großen Hunden, wie sie im Wesentlichen bereits in der Landeshundeverordnung enthalten war, unverzichtbar. Große Hunde können objektiv allein wegen ihrer Größe oder ihres Gewichtes in Folge äußerer Überraschungsmomente erhöhte Gefahren für Menschen und Tiere hervorrufen und erheblichen Schaden verursachen. Zur Kategorie der großen Hunde gehören beispielsweise Hunde der Rassen Dobermann und Schäferhund, die in Beißstatistiken vordere Ränge einnehmen.
Der Umgang mit großen Hunden erfordert eine durch sachkundige Haltung geprägte frühe Sozialisation, konsequente Erziehung und eine feste Hand. Das Landeshundegesetz knüpft an die ordnungsrechtlichen Regelungen der Landeshundeverordnung an, vereinfacht und erleichert aber den Vollzug für Halterinnen oder Halter und zuständige Behörden.
Anforderungen an den Umgang mit großen Hunden sind:
Durch eine Übergangsvorschrift wird sichergestellt, dass unter Geltung der Landeshundeverordnung erfolgte Anzeigen, vorgelegte Bescheinigungen und Ähnliches fortgelten bzw. beim Vollzug des Gesetzes von den zuständigen Behörden anerkannt werden.
5 Über die Regelungen zu gefährlichen und großen Hunden hinaus wurden in das Gesetz für den Umgang mit allen Hunden allgemeine Grundpflichten aufgenommen.
Für alle Hunde gelten:
Dadurch wird der Unberechenbarkeit des Verhaltens eines Tieres und der dadurch möglichen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter (Grund für die zivilrechtliche Tierhalterhaftung) Rechnung getragen und das Risiko einer Gefährdung oder eines Schadenseintritts deutlich reduziert.
Die Zweckbestimmung verdeutlicht den Charakter des Gesetzes als spezielles Gefahrenvorsorge- und -abwehrgesetz in Bezug auf Hunde. Den durch unsachgemäßen Umgang des Menschen mit Hunden drohenden Gefahren soll begegnet werden.
2 Zu § 2 (Allgemeine Pflichten)
2.1 § 2 Abs. 1 normiert eine allgemeine Verhaltenspflicht, die für alle Personen gilt, die mit Hunden umgehen. Durch verantwortungsvolles Verhalten ist zu gewährleisten, dass die Hunde nicht gefährlich werden. Beim Führen können Gefahren beispielsweise entstehen, wenn Hunde von nicht geeigneten Personen geführt werden, sich losreißen können und durch ihr Weglaufen den Straßenverkehr gefährden oder ältere Menschen und Kinder im öffentlichen Verkehrsraum durch Anrennen zu Fall bringen. Gefahren können auch eintreten, wenn Hunde nicht ordnungsgemäß gehalten werden, sei es, dass sie nicht ausreichend beaufsichtigt werden oder dass sie von Grundstücken oder aus Wohnungen entweichen oder weglaufen können, weil diese nicht genügend gesichert sind. Zur Vermeidung von Verstößen gegen § 2 Abs. 1 kann die zuständige Ordnungsbehörde im Einzelfall Anordnungen nach § 12 Abs. 1 erlassen und begangene Verstöße nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 als Ordnungswidrigkeit ahnden.
Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften (z.B. die Tierschutz-Hundeverordnung) sind auf der Grundlage der insofern spezialgesetzlicheren Regelungen des Tierschutzrechtes durch die für den Vollzug des Tierschutzrechts zuständige Behörde abzustellen.
2.2 Gemäß § 2 Abs. 2 sind alle Hunde in den unter Nummern 1 bis 4 aufgeführten Bereichen und bei den dort genannten Veranstaltungen mit typischerweise erhöhtem Publikumsverkehr angeleint zu führen. Erfahrungsgemäß sind Hunde hier besonders vielfältigen und starken Außenreizen ausgesetzt, wodurch gehäuft unvorhersehbare, gefahrverursachende Reaktionen ausgelöst werden. Durch die Anleinpflicht wird das Gefährdungspotenzial deutlich gesenkt. § 2 Abs. 2 Nr. 2 begründet eine Anleinpflicht für alle Hunde in öffentlichen Park-, Garten- und Grünanlagen. Dem liegt die gesetzgeberische Zielsetzung zugrunde, in für die Allgemeinheit eingerichteten und unterhaltenen Anlagen, in denen regelmäßig unterschiedliche Nutzungen und Nutzungsinteressen auf begrenztem Raum aufeinander treffen, durch eine Anleinpflicht potentiellen Gefährdungen durch Hunde vorzubeugen. Eine "umfriedete" Park-, Garten- oder Grünanlage im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 liegt vor, wenn die Anlage vom sonstigen öffentlichen Verkehrsraum oder anderweitig genutzten Flächen erkennbar abgegrenzt ist. Dabei ist unerheblich, ob sich die Anlage innerhalb oder außerhalb einer geschlossenen Bebauung befindet. Die Anleinpflicht gilt beispielsweise auch in für jedermann zugänglichen Grünanlagen, die in sog. Innenhöfen liegen. Die Abgrenzung wird in der Regel durch eine Umfriedung mit Mauer, Zaun, Hecke, Bepflanzung oder Ähnlichem deutlich. Einzelne Lücken sind unerheblich. Eine Begrenzung ausschließlich durch natürliche Gegebenheiten (z.B. Bach, Fluss) reicht nicht aus. Soweit die Erkennbarkeit der Abgrenzung nicht zweifelsfrei ist, wird den Kommunen empfohlen, die Fläche unter Hinweis auf die Anleinpflicht als Park-, Garten- oder Grünanlage kenntlich zu machen.
Auch Halter und Aufsichtspersonen, die sich nur vorübergehend in NRW aufhalten (z.B. Urlauber, Gäste) haben die Anleinpflicht zu beachten. Eine Befreiung von der Anleinpflicht nach § 2 Abs. 2 sieht das Landeshundegesetz nicht vor.
Im Einzelfall können zur Abwehr konkreter Gefahren weitergehende Anleingebote durch Ordnungsverfügungen nach § 12 Abs. 1 nach pflichtgemäßem Ermessen in dem dafür erforderlichen Umfang erlassen werden.
Zum Verhältnis von § 2 Abs. 2 zu Anleinpflichten in kommunalen Regelungen vgl. Nr. 15.2. Die Anleinpflicht für gefährliche Hunde nach § 3, für Hunde der in § 10 Abs. 1 bestimmten Rassen sowie deren Kreuzungen ist in § 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 geregelt.
2.3.1 § 2 Abs. 3 verbietet die Zucht, Ausbildung oder Kreuzung von Hunden mit dem Ziel einer gesteigerten Aggressivität. Ein Verstoß gegen das Verbot des Absatz 3 ist beispielsweise das Abrichten von Hunden für sog. Hundekämpfe. Nr. 3.3.1.2 gilt entsprechend. Ein Verstoß gegen das Verbot des aggressionsfördernden Ausbildens erfüllt den Straftatbestand des § 19 Abs. 1 Nr. 2.
2.3.2 Ein berechtigtes Interesse an einer Ausbildung von Hunden zu Schutzzwecken hat das Wach- und Sicherheitsgewerbe. Insofern gilt das Verbot nicht für Inhaber einer Erlaubnis nach § 34a der Gewerbeordnung im Rahmen eines zugelassenen Bewachungsgewerbes.
3.1 Als gefährliche Hunde im Sinne des Gesetzes gelten nach § 3 Abs. 1 Hunde, die den in Abs. 2 Satz 1 aufgeführten Rassen angehören einschließlich Kreuzungen. Andere Hunde sind nur dann gefährliche Hunde, wenn sie einer der in Absatz 3 aufgeführten Fallgruppen zuzuordnen sind und dies verbindlich festgestellt wurde (vgl. Nr. 3.3.2).
3.2.1 20 Bei den aufgeführten vier Rassen wird vermutet, dass die diesen angehörenden Hunde bereits eine durch Zuchtauswahl bedingte gesteigerte Aggressivität aufweisen. Hinzu kommen die rassespezifischen Merkmale wie Beißkraft, reißendes Beißverhalten und Kampfinstinkt, die eine Zuordnung von Hunden der aufgeführten Rassen sowie deren Kreuzungen zu den gefährlichen Hunden rechtfertigen. Für die genannten Rassen und deren Kreuzungen hat der Bundesgesetzgeber in § 2 Abs. 1 Satz 1 Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz vom 12. April 2001 (BGBl. I S. 530) bereits ein Einfuhr- und Verbringungsverbot erlassen.
Sowohl der Bundesgesetzgeber als auch der Landesgesetzgeber definieren in diesem Zusammenhang die Hunderassen nicht selbst, sondern greifen auf allgemein anerkannte Rassedefinitionen insbesondere durch die großen nationalen und internationalen kynologischen Fachverbände zurück, in denen eine Rasse anhand phänotypischer, durch Vererbung übertragbarer Merkmale beschrieben und so eine Zuordnung eines einzelnen Hundes zu dieser Rasse ermöglicht wird (sogenannte Standards). Der Verweis auf durch private Verbände verantwortete Rassedefinitionen ist indes nicht dynamisch zu verstehen, sondern nimmt grundsätzlich auf die zur Zeit des Inkrafttretens des Landeshundegesetzes im Jahr 2003 bestehenden Standards Bezug. Andernfalls würde letztlich die Definition von neuen Hunderassen beziehungsweise die Veränderung von Rassestandards durch private Interessenverbände über die Anwendungsreichweite des § 3 Absatz 2 (und auch § 10 Absatz 1) des Landeshundegesetzes entscheiden. Dies wäre jedoch mit Sinn und Zweck der Norm, Hunde mit einem bestimmten genetischen Potential aus Gründen der Gefahrenprävention besonderen Haltungsbedingungen zu unterwerfen, nicht vereinbar (siehe OVG NRW, Urteile vom 17. Februar 2020 - Az. 5 A 3227/17 und 5 A 1631/18 unter Bezugnahme auf OVG NRW, Urteil vom 12. März 2019 - Az. 5 A 1210/17 m.w.N.). Nach dieser Maßgabe sind etwa Hunde jüngerer Züchtungen wie American Bully oder Old English Bulldog nicht als eigenständige Rassen im Sinne des Landeshundegesetzes anzusehen.
3.2.2 20 Die Regelungen zu gefährlichen Hunden gelten auch für deren Kreuzungen untereinander sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden.
Von einer Kreuzung ist auszugehen, wenn ein Hund nach seiner äußeren Erscheinung (Phänotyp) trotz der erkennbaren Einkreuzung anderer Rassen in markanter und signifikanter Weise die Merkmale einer oder mehrerer der genannten oder bestimmten Rassen zeigt.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen wird mit dem Begriff "Kreuzung" in biologischzoologischem Sinne allgemein das Ergebnis der geschlechtlichen Fortpflanzung zwischen Tieren unterschiedlicher Arten oder Rassen bezeichnet. Der Begriff der Kreuzung im Sinne von § 3 Absatz 2 (und auch § 10 Absatz 1) des Landeshundegesetzes setzt nicht voraus, dass ein Elternteil ein reinrassiger Hund der in der Vorschrift genannten Rassen ist. Erfasst werden daher nicht nur Mischlingshunde der ersten (F1-) Generation, sondern grundsätzlich auch Mischlinge der nachfolgenden Generationen (OVG NRW, Urteil vom 12. März 2019 - Az. 5 A 1210/17 - mit Hinweis auf Hess. VGH, Urteil vom 14. März 2006 - Az. 11 UE 1426/04 - ; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. August 2015 - Az. OVG5 S 36.14).
In der Praxis ist das Vorliegen einer Kreuzung häufig schwer eindeutig festzustellen, da selten Abstammungsnachweise vorliegen. Tierärztliche Bescheinigungen oder eine Rassebestimmung im Impfpass können bei der Beurteilung als Indizien mit berücksichtigt werden. Die in § 3 Absatz 2 Satz 2 vorgesehene Beurteilung nach dem Phänotyp erfolgt durch die zuständige Ordnungsbehörde. In Zweifelsfällen soll die amtliche Tierärztin beziehungsweise der amtliche Tierarzt des für den Zuständigkeitsbereich der örtlichen Ordnungsbehörde zuständigen Kreisveterinäramtes hinzugezogen werden. Die Kosten, die durch die Hinzuziehung sachverständiger Dritter entstehen (vgl. § 26 3 Satz 2 VwVfG NRW) sind Auslagen im Sinne des Gebührengesetzes.
§ 3 Absatz 2 Satz 2 gilt trotz fehlenden Verweises auch für die Bestimmung von Hunden im Sinne von § 10 Absatz 1 (OVG NRW, Urteil vom 12. März 2019 - Az. 5 A 1210/17, Rn 54).
3.2.3 Soweit die zuständige Ordnungsbehörde nach Nr. 3.2.2 zu einer Einstufung des Hundes als Kreuzung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 gelangt und dies von der Halterin oder dem Halter angezweifelt wird, überträgt § 3 Abs. 2 Satz 3 die Beweislast für das Nichtvorliegen einer solchen Kreuzung aus Gründen der Gefahrenvorsorge auf die Halterin oder den Halter. Damit wird verhindert, dass die Erlaubnispflicht und sonstige Halterpflichten durch Schutzbehauptungen umgangen werden.
§ 3 Absatz 2 Satz 3 gilt mangels Verweis nicht für Hunde im Sinne von § 10 Abs. 1.
3.2.4 20 Nach den unter Nummer 3.2.1 aufgeführten Maßgaben ist die Rasse des Miniatur Bullterriers als eigenständige Hunderasse im Sinne des Landeshundegesetzes anzusehen. Demnach sind nach den von der Fédération Cynologique Internationale (FCI) und anderen Hundeverbänden wie dem Verband für das deutsche Hundewesen (VDH) anerkannten Rassestandards Bullterrier und Miniatur Bullterrier Hunde verschiedener Rassen. Die Merkmale des Bullterriers sind im FCI-Standard Nummer 11 beschrieben, die Merkmale des Miniatur Bullterriers seit dem 23. Dezember 2011 im FCI-Standard Nummer 359. Nach - soweit ersichtlich - einhelliger Meinung in der Rechtsprechung gehören Hunde der Rasse Miniatur Bullterrier damit nicht zu den in § 2 des Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetzes und in § 3 Absatz 2 des Landeshundegesetzes aufgeführten Bullterriern (siehe OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2020 - Az. 5 A 3227/17, Rn 37, m.w.N.; OVG Magdeburg, Beschluss vom 18. Juni 2014 - Az. 3 M 255/13). Zudem war der Miniatur Bullterrier schon bei Inkrafttreten des Landeshundegesetzes als eigene Rasse anerkannt (OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2020 - Az. 5 A 3227/17, Rn 39, unter Verweis auf VG Aachen, Urteil vom 27. Dezember 2006 - Az. 6 K 903/05).
Nach den Rassestandards der FCI Nummer 11 beziehungsweise Nummer 359 bestehen zwischen Bullterriern und Miniatur Bullterriern im Grundsatz keine phänotypischen Unterscheidungen. So heißt es in beiden Standards unter der Rubrik "Kurzer geschichtlicher Abriss" zu dem kleineren Typ des Bullterriers: "Der Standard ist der Gleiche wie der des Bull Terriers mit der Ausnahme einer Größenbegrenzung."
Entsprechend heißt es unter der Rubrik "Größe und Gewicht" im Rassestandard der FCI Nummer 11 für den Bullterrier: "Es gibt keine Größen- oder Gewichtsgrenze. Auf jeden Fall muss der Eindruck von höchstmöglicher Substanz im Einklang zu Größe und Geschlecht vorhanden sein." Im Rassestandard der FCI Nummer 359 heißt es unter der Rubrik "Größe": "Die Widerristhöhe sollte 35, 5 Zentimeter nicht überschreiten. Es sollte ein Eindruck von Substanz im Verhältnis zur Größe des Hundes vorhanden sein. Es gibt keine Gewichtsgrenze. Die Hunde sollten immer harmonisch sein."
Aus diesen, vom Gesetzgeber in Bezug genommenen Vorgaben ergibt sich für die Abgrenzung der beiden Hunderassen Folgendes: Erstes Abgrenzungskriterium ist grundsätzlich die Widerristhöhe des Hundes. Unterschreitet ein Hund die Widerristhöhe von 35,5 Zentimeter, kommt eine Einstufung als Standard Bullterrier grundsätzlich nicht in Betracht. Andererseits gilt, dass bei einer Überschreitung der im Rassestandard genannten Widerristhöhe von 35,5 Zentimeter ein Hund dennoch als Miniatur Bullterrier einzustufen sein kann. Der als Soll-Vorschrift formulierte Rassestandard erlaubt keine zwingende und abschließende Abgrenzung der beiden in Rede stehenden Rassen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen sieht in der verbandlich geregelten Zuchtbeschränkung für Hunde ab einer Widerristhöhe von 39 Zentimeter, also bei einer Abweichung von 10 Prozent gegenüber der Soll-Größe, eine grundsätzlich geeignete Konkretisierung der Soll-Bestimmung des Rassestandards. Bei einer Widerristhöhe bis zu 39 Zentimeter sei eine Zuordnung zu der Rasse des Miniatur Bullterriers daher möglich und naheliegend. Liege die Widerristhöhe hingegen oberhalb von 39 Zentimeter, sei angesichts der deutlichen Überschreitung der Soll-Größe regelmäßig nicht mehr von einem Miniatur Bullterrier auszugehen. In Anbetracht der wenigen, vagen weiteren Abgrenzungskriterien zwischen beiden Hunderassen werde in diesem Fall nach der Zweifelsregel des § 3 Absatz 2 Satz 3 des Landeshundegesetzes grundsätzlich von einer Zuordnung zur Rasse des Standard Bullterriers auszugehen sein (OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2020 - Az. 5 A 3227/17, Rn 57).
Diese Vermutung kann jedoch nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen widerlegt werden durch den Nachweis, dass die Überschreitung der Widerristhöhe nicht durch die Einkreuzung eines Standard Bullterriers, sondern eines anderen größeren Hundes erfolgt ist beziehungsweise im Rahmen der üblichen genetischen Vakanz liegt. Dies soll insbesondere dann möglich sein, wenn entweder die Elterntiere des Hundes bekannt sind und bei diesen eine entsprechende Einkreuzung ausgeschlossen werden kann beziehungsweise dies durch eindeutige und glaubhafte Zuchtpapiere nachgewiesen werden kann. Zum anderen ist die Widerlegung der Vermutung anhand der Rassestandards insoweit möglich, als diese hinsichtlich der "Substanz" des Hundes Raum für eine Unterscheidung lassen. Diese soll beim Miniatur Bullterrier zwar vorhanden sein, beim Standard Bullterrier hat sie aber auf jeden Fall das höchstmögliche Maß zu erreichen. So ist etwa eine ausgeprägte Muskulatur für den Standard Bullterrier angesichts dessen Zuchtgeschichte, des Rassestandards und für die vom Gesetzgeber angenommene rassebedingte Gefährlichkeit von herausragender Bedeutung. Ähnliches gilt für die Kaumuskulatur des Hundes, die beim Standard Bullterrier zuchtgeschichtsbedingt besonders ausgeprägt ist. Dabei wird sich eine Abgrenzung zwischen Miniatur Bullterrier und Standard Bullterrier daran orientieren müssen, in welchem Umfang die oben genannte Widerristhöhe überschritten wird. Nur bei einer geringfügigen Überschreitung der Höhe von 39 Zentimeter um wenige Zentimeter kommt ein Überwiegen des Phänotyps des Miniatur Bullterriers noch in Betracht (siehe insoweit OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2020 - Az. 5 A 3227/17, Rn 63).
3.3.1 20 Nach § 3 Absatz 3 Satz 1 handelt es sich im Einzelfall um einen gefährlichen Hund, wenn das Vorliegen einer der in den Nummern 1 bis 6 abschließend aufgeführten Tatbestände festgestellt ist. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 20. April 2020 - Az. 5 A 4519/19 - klargestellt, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der als gebundene Entscheidung ausgestalteten Regelung in § 3 Absatz 3 nicht bestehen. Bei Feststellung eines der in dieser Vorschrift beschriebenen Sachverhalte ist daher die Gefährlichkeitseinstufung geboten. Die eine Gefährlichkeit im Einzelfall begründenden Umstände können in einer falschen Ausbildung, Zucht oder Kreuzung (Nummern 1 und 2) liegen oder sich durch tatsächliches, gefahrverursachendes Fehlverhalten des Hundes (Nummern 3 bis 6) gezeigt haben.
3.3.1.1 Aggressionssteigernde Handlungen
Von Hunden, die mit dem Ziel einer gesteigerten Aggressivität gezüchtet, ausgebildet oder gekreuzt werden oder wurden, geht im Allgemeinen eine erhöhte Gefahr für Menschen, Hunde und andere Tiere aus.
Zucht ist das zielgerichtete Verpaaren von einer Hündin mit einem Rüden oder die absichtliche Inkaufnahme des Verpaarens eines dieser Tiere. § 9 Satz 2 gilt entsprechend.
3.3.1.2 Gefahrbegründende Ausbildungen
Die Ausbildung zum Nachteil des Menschen oder zum Schutzhund obliegt generell behördlichen Einrichtungen (diensthundehaltenden Verwaltungen), die über die erforderliche kynologische Sachkunde verfügen (vgl. § 17 Satz 1).
Die Ausbildung zum Schutzhund bzw. die Ausbildung zum Nachteil des Menschen ist nicht mit der Schutzdienst- oder Sporthundausbildung des Hundes zu verwechseln. Bei der Schutzdienst- oder Sporthundausbildung wird lediglich der Beutetrieb des Hundes gereizt und seine bereits erlernte Unterordnung (Gehorsam) auch und gerade in Trieb- und unter Stresssituationen überprüft. Dieser Schutzdienst- oder Sporthundausbildung muss in jedem Fall die sog. Begleithundeausbildung vorausgehen, in der der Hund lernt, den Hör- und Sichtzeichen seines Halters umfassend zu folgen und auf Umweltreize sicher und ruhig zu reagieren. Hunde, die eine ordnungsgemäße Schutzdienst- oder Sporthundeausbildung begonnen oder erfolgreich abgeschlossen haben, fallen insofern nicht unter § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2. Missbräuchliche Abweichungen von der Schutzdienst- oder Sporthundausbildung, die eine Konditionierung zum Nachteil des Menschen zur Folge haben können, werden dagegen von der Regelung erfasst. Insoweit sollen auch mögliche Fehlentwicklungen innerhalb der Schutzdienst- oder Sporthundeausbildung verhindert werden.
Das Abrichten auf Zivilschärfe ist eine den Hund nicht in seiner Wesensgesamtheit erfassende Beeinflussung mit dem Ziel, dass der Hund lernt, auf vom Abrichter gegebene Hör- oder Sichtzeichen Menschen oder Tiere anzugreifen.
Hunde im Einsatz von Wachdiensten können eine Abrichtung für den zivilen Personen- und Objektschutz absolviert haben. Bei dieser Abrichtung wird die Zivilschärfe des Hundes erzeugt. Derartige Hunde erfüllen das Tatbestandsmerkmal des Ausgebildetseins auf Zivilschärfe im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2.
Die für die Nachsuche von Wild (§ 30 Landesjagdgesetz) erforderliche Wildschärfe der Jagdhunde ist keine Schärfe im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2.
3.3.1.3 Zu § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 5 (Hunde, die sich als bissig erwiesen haben)
Als bissig gilt ein Hund, der einen Menschen durch einen Biss verletzt oder geschädigt hat, ohne dass er dazu provoziert worden ist (Nr. 3) oder der einen anderen Hund gebissen hat, ohne von diesem angegriffen worden zu sein, oder sich über eine Unterwerfungsgeste hinweggesetzt hat (Nr. 5).
Ein Hund gilt nicht bereits als bissig, wenn er allein zur Verteidigung einer Aufsichtsperson oder zur eigenen Verteidigung gebissen hat. Ebensowenig rechtfertigt ein arttypisches "Schnappen" als Schreck- oder Abwehrreaktion die Feststellung der Bissigkeit, soweit dadurch keine Verletzungen verursacht wurden.
Ob sich ein Hund als bissig im Sinne von Nr. 3 oder 5 erwiesen hat, wird von der örtlichen Ordnungsbehörde auf der Grundlage eines Gutachtens (fachliche Stellungnahme) der amtlichen Tierärztin/des amtlichen Tierarztes festgestellt. Da das Beißen Bestandteil des artgemäßen typischen Verhaltensrepertoires des Hundes ist, kann ein Beißvorfall nur unter Würdigung aller Umstände eine Bissigkeit im Sinne von Nr. 3 oder 5 begründen. Eine Ermittlung des Geschehensablaufes, der zu dem Beißvorfall geführt hat, ist erforderlich und erfolgt durch die örtliche Ordnungsbehörde. Dies gilt auch für die Frage, ob das Beißen zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah (§ 24 VwVfG NRW). Zu ermitteln ist auch, ob und inwiefern der Hund in der Vergangenheit bereits in Vorfälle verwickelt war, die Tatbestände der Nrn. 3 bis 6 betreffen. Der Hund kann sich bereits durch einen Beißvorfall als bissig im Sinne von Nr. 3 oder 5 erweisen. Bissigkeit liegt der Regel vor, wenn festgestellt wurde, dass der Hund mehr als einen Beißvorfall verursacht hat, ohne dazu provoziert worden zu sein. Sofern ein Beißvorfall zwischen Hunden vorliegt, begründen Spielen, Raufen und andere artgemäße Verhaltensweisen von Hunden allein nicht die Feststellung der Bissigkeit im Sinne von Nr. 5. Hinzukommen müssen hier weitere Umstände, z.B. eine erhebliche Verletzung eines Tieres oder Beißen trotz erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik.
3.3.1.4 Zu § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 (gefahrdrohendes Anspringen von Menschen)
Ein Anspringen in gefahrdrohender Weise liegt vor, wenn durch das Anspringen bei verständiger Betrachtung und Würdigung aller Einzelfallumstände die Gefährdung eines Menschen zu befürchten war. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn Hunde Kinder oder ältere Menschen unkontrolliert derart anspringen, dass diese umfallen oder umzufallen drohen. Der Tatbestand ist nicht erfüllt, wenn Hunde z.B. auf Menschen zulaufen, um diese erkennbar harmlos zu begrüßen oder zu beschnuppern. Verantwortungsbewusste Hundehalter sollten derartige Verhaltensweisen ihres Hundes unterbinden, wenn betroffene Menschen, z.B. aus Angst, damit ersichtlich nicht einverstanden sind.
3.3.1.6 Zu § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 (unkontrolliert hetzende, beißende oder reißende Hunde)
"Hetzen" im Sinne dieser Bestimmung ist gegeben, wenn ein Hund darin genannte Tiere nachhaltig, d.h. intensiv, zielstrebig und andauernd verfolgt. Ein Indiz dafür ist das Ausstoßen von Hetzlauten.
Arteigenes Nachlaufen von Hunden ist kein Hetzen in diesem Sinne.
"Unkontrolliert" bezieht sich sowohl auf "Hetzen" als auch auf "Reißen". Unkontrolliertes Verhalten eines Hundes liegt vor, wenn die Halterin oder der Halter oder die Aufsichtsperson nicht in der Lage war, den Hund am Hetzen oder Reißen zu hindern. Das Verhalten von Jagdhunden während des jagdlichen Einsatzes erfüllt nicht die Tatbestandsmerkmale von Nr. 6. Das Vorliegen des jagdlichen Einsatzes ist von der den Hund führenden Person nachzuweisen.
Auch das bestimmungsgemäße Verhalten von Hütehunden, die vom Schäfer für das Hüten der Herdentiere eingesetzt werden, erfüllt nicht den Tatbestand von Nr. 6. Wer vorsätzlich Hunde auf Menschen oder Tiere hetzt, verwirklicht den Straftatbestand des § 19 Abs. 1 Nr. 1.
3.3.2 20 Die Aufklärung der für eine Zuordnung unter die in den Nummern 1 bis 6 genannten Fallgruppen maßgeblichen Sachverhaltsumstände und die verbindliche Feststellung erfolgt durch die zuständige Ordnungsbehörde. Dies setzt eine gründliche Ermittlung des Sachverhaltes oder Geschehensablaufes und eine fachkundige Begutachtung des Hundes voraus. Insofern bestimmt § 3 Absatz 3 Satz 2, dass der verbindlichen Feststellung eine Begutachtung aus fachlicher Sicht durch die amtliche Tierärztin oder den amtlichen Tierarzt vorauszugehen hat. Die Vorführung des zu beurteilenden Hundes bei der amtlichen Tierärztin oder dem amtlichen Tierarzt des für den Zuständigkeitsbereich der örtlichen Ordnungsbehörde zuständigen Kreisveterinäramtes ist zu veranlassen oder nach § 12 Absatz 1 anzuordnen.
Falls ein Beißvorfall im oder am eigenen Territorium des Hundes stattgefunden hat, kann der zu beurteilende Hund auch am Ort der Hundehaltung begutachtet werden.
Auch wenn das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen nach seiner Rechtsprechung der amtstierärztlichen Begutachtung lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung zumisst (OVG NRW, Beschluss vom 20. April 2012 - Az. 5 B 1305/11), ist die Begutachtung als fachliche Unterstützung für die von der örtlichen Ordnungsbehörde zu treffende Entscheidung über die Gefährlichkeit eines Hundes und gegebenenfalls damit verbundene weitere Maßnahmen von hoher Relevanz. Eine Begutachtung durch die amtliche Tierärztin oder den amtlichen Tierarzt allein nach Aktenlage ist nicht ausreichend. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Da die Entscheidung gemäß § 3 Absatz 3 Satz 2 sehr weitreichende Folgen für Hund und Halter hat, ist sicherzustellen, dass die Ordnungsbehörde im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung eine sachverständige Unterstützung erfährt. Im Lichte einer sachverständigen Äußerung der amtlichen Tierärztin oder des amtlichen Tierarztes können sich beispielsweise als feststehend geltende Tatsachen oder Aussagen relativieren. Zudem erhöht die persönliche Inaugenscheinnahme des Hundes zur Begutachtung in der Regel die Gerichtsfestigkeit der Verwaltungsentscheidung.
Das amtstierärztliche Gutachten setzt sich in der Regel zusammen aus
Die örtliche Ordnungsbehörde soll das Ergebnis der Begutachtung bei ihrer Entscheidung beachten, ist aber nicht daran gebunden (VG Arnsberg, Beschluss vom 3. September 2003 - Az. 3 L 1358/03).
Bis zur endgültigen Feststellung der Gefährlichkeit im Sinne des § 3 Absatz 3 sollten sichernde Anordnungen (beispielsweise Anlein- und Maulkorbpflicht, gegebenenfalls ausbruchsichere Unterbringung) nach § 12 Absatz 1 getroffen werden.
Es entspricht ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen, dass es sich bei der Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes nach § 3 Absatz 3 um einen Verwaltungsakt im Sinn des § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen handelt (siehe OVG NRW, Beschluss vom 20. April 2020 - Az. 5 A 4519/19 und Beschluss vom 20. April 2012 - Az. 5 B 1305/11; VG Köln, Urteil vom 21. Januar 2016 - Az. 20 K 6915/14 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen kann eine Feststellung der Gefährlichkeit aber auch im Rahmen einer Anordnung nach § 12 Absatz 2 des Landeshundegesetzes erfolgen (OVG NRW, Beschluss vom 12. Oktober 2017 - 5 A 2529/15 - Bezug nehmend auf Beschluss vom 4. Dezember 2006-5 B 2300/06). Hiernach folgt aus § 3 Absatz 3 Satz 2 nicht die Notwendigkeit der vorherigen (oder zeitgleichen) Gefährlichkeitsfeststellung durch Verwaltungsakt. Die Möglichkeit eines solchen Verwaltungsaktes besagt nicht, dass ein derartiger Verwaltungsakt Voraussetzung (auch) für Maßnahmen nach § 12 Absatz 2 ist. § 3 Absatz 3 Satz 2 ermöglicht es der Behörde, die Frage der Gefährlichkeit eines Hundes im Sinne von Satz 1 der Vorschrift verbindlich zu klären, da das Gesetz an diese Eigenschaft bereits unmittelbar Pflichten knüpft (siehe §§ 4, 5 LHundG NRW). Einer solchen gesonderten Klärung bedarf es im Zusammenhang mit einer Anordnung nach § 12 Absatz 2 indes nicht; vielmehr kann diese auch inzidenter erfolgen. Damit ist auch keine unzulässige Rechtsschutzverkürzung für den betroffenen Hundehalter verbunden. Geht die Behörde von einem im Einzelfall gefährlichen Hund aus und stützt hierauf eine bestimmte Maßnahme, unterliegt diese Annahme im Rahmen einer gegen die fragliche Anordnung gerichteten Anfechtungsklage der vollen gerichtlichen Überprüfung.
Da es sich - wie oben ausgeführt - bei der Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes nach § 3 Absatz 3 grundsätzlich um einen (Dauer-)Verwaltungsakt handelt, folgt daraus, dass ein solcher Verwaltungsakt nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Regeln auch der Aufhebung unterliegt, etwa im Falle einer nachträglichen Veränderung der Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 51 Absatz 1 Nummer 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VG Köln, Urteil vom 21. August 2014 - Az. 20 K 3978/13). Ferner gebietet es nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Verwaltungsverfahren auf Antrag des Hundehalters und Vorlage entsprechender Nachweise wieder aufzugreifen und nach pflichtgemäßem Ermessen über die Aufhebung der Gefährlichkeitsfeststellung zu entscheiden, wenn beispielsweise Hinweise vorliegen, dass aufgrund des Zeitablaufs, des Alterungsprozesses des Hundes beziehungsweise ergriffener oder durch den Amtsveterinär nachvollzogener Trainingsmaßnahmen die Gefährlichkeit des Hundes entfallen ist (OVG NRW, Beschluss vom 20. April 2020 - Az. 5 A 4519/19). Allerdings sind an das Vorliegen einer solchen nachträglichen Veränderung sehr hohe Anforderungen zu stellen. Allein das Bestehen einer erneuten Verhaltensprüfung wird hierzu keinesfalls ausreichen. Es ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in § 5 Absatz 3 Satz 3 die Verhaltensprüfung vorgesehen hat, um für gefährliche Hunde im Sinne von § 3 Absatz 2 die Befreiung (nur) von der Anlein- und Maulkorbpflicht zu ermöglichen, nicht hingegen um die grundsätzliche Einstufung als gefährlicher Hund zu revidieren. Daher ist die Verhaltensprüfung gemäß § 5 Absatz 3 Satz 3 auch nicht für gefährliche Hunde im Sinne von § 3 Absatz 3 vorgesehen (siehe Nummer 5.3.1). Eine Aufhebung der Gefährlichkeitsfeststellung kann somit allein auf dieser Grundlage nicht erfolgen. Für eine solche Entscheidung bedarf es vielmehr einer ausführlichen amtstierärztlichen Begutachtung des Hundes. Zudem bedarf es vom Hundehalter nachzuweisender neuer Sachverhalte, wie zum Beispiel den Nachweis eines mehrjährigen Besuchs einer Hundeschule, der zusammen mit der ausführlichen amtstierärztlichen Begutachtung ausnahmsweise den Schluss einer mittlerweile entfallenen Gefährlichkeit des Hundes zulässt. Weitere entscheidungsrelevante Sachverhalte, die bei der erneuten Entscheidung über die Gefährlichkeit eines Hundes einbezogen werden können, sind vor allem erhebliche Verhaltensänderungen infolge des weit fortgeschrittenen Alters oder einer nachgewiesenen Erkrankung des Hundes. Im Falle eines Hundes, bei dem die Gefährlichkeitseinstufung auf ein unkontrolliertes Jagdverhalten zurückzuführen war, sind hingegen aus fachlicher Sicht besonders hohe Anforderungen an das Vorliegen einer Verhaltensänderung zu stellen. Darüber hinaus ist in die Ermessenserwägung auch das Gewicht des bei dem anlassgebenden Vorfall verletzten Rechtsguts einzustellen (OVG NRW, Beschluss vom 20. April 2020 - Az. 5 A 4519/19). Vor diesem Hintergrund soll eine Aufhebung der Gefährlichkeitseinstufung nicht erfolgen, wenn durch den anlassgebenden Vorfall ein Mensch erheblich verletzt oder sogar getötet worden ist.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ist die Haltung eines gefährlichen Hundes nur zulässig, wenn eine ordnungsbehördliche Erlaubnis dafür erteilt wurde (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Satz 2 und Absatz 2 bestimmen, welche Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sein müssen, um die Erlaubnis zu erhalten.
Die Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 Satz 1 gilt nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 2 Satz 1 auch für entsprechende Kreuzungen mit gefährlichen Hunden. Für Hunde bestimmter Rassen im Sinne von § 10 Abs. 1 gilt § 4 mit Ausnahme von Abs. 2 entsprechend. Die Haltung großer Hunde nach § 11 Abs. 1 bedarf keiner Erlaubnis.
4.1.1 Erlaubnisinhaber
Erlaubnispflichtig sind natürliche Personen, die den Hund halten. Hundehalterin oder Hundehalter im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 ist, wer nicht nur vorübergehend die tatsächliche Bestimmungsmacht über den Hund hat.
Hundehalterinnen oder Hundehalter sind Personen, die den Hund regelmäßig betreuen, erziehen oder auf Probe zum Anlernen halten. Dazu zählen auch Leiterinnen oder Leiter von Tierheimen oder ähnlichen Einrichtungen, in denen Hunde gehalten werden. Hundehalter ist nicht, wer einen Hund nur für einen kurzen Zeitraum von bis zu sechs Wochen in Pflege oder Verwahrung genommen hat. Derjenige, dem ein Hund zugelaufen ist, gilt als Hundehalter, wenn er den Hund nicht innerhalb von zwei Wochen bei der örtlichen Ordnungsbehörde ("Fundbüro") gemeldet oder bei einer von der örtlichen Ordnungsbehörde bestimmten Stelle abgegeben hat. Keiner Erlaubnis bedarf eine Aufsichtsperson, der vom Erlaubnisinhaber die Aufsicht über einen Hund nur für kurze Zeit übertragen wurde. Diese Aufsichtsperson muss allerdings die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 2 (Sachkunde, Zuverlässigkeit, Volljährigkeit und Fähigkeit zu sicherem Halten und Führen des Hundes) erfüllen (vgl. Nr. 5.4).
Bei Eheleuten oder eingetragenen Lebenspartnerschaften ist in der Regel ein Ehepartner beziehungsweise Lebenspartner Halter des Hundes. Auf die Angaben der Antragsteller zur tatsächlichen Bestimmungsmacht über den Hund ist abzustellen.
Bei besonderen Fallgestaltungen können auch zwei oder mehrere Personen gleichzeitig Halter eines Hundes sein, z.B. wenn der Hund regelmäßig wechselnde Betreuung erfährt. In diesen Fällen muss jede Halterin oder jeder Halter die persönlichen Erlaubnisvoraussetzungen vollständig erbringen.
Die Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ist personenbezogen und erstreckt sich in der Regel auf einen oder mehrere bestimmte Hunde. Gibt eine Halterin oder ein Halter den Hund ab, hat die neue Halterin oder der neue Halter für diesen eine Erlaubnis zu beantragen. In Fällen, in denen eine Halterin oder ein Halter bereits über eine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 für einen anderen Hund verfügt, soll die Prüfung der Erlaubnisbehörde möglichst auf die Umstände beschränkt werden, die in dem neuen Tier begründet liegen.
Leiterinnen oder Leitern von Tierheimen oder ähnlichen Einrichtungen kann eine generelle Erlaubnis zum Halten von Hunden erteilt werden; in diesen Fällen liegt in der Regel ein öffentliches Interesse im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 vor (vgl. Nr. 4.2). Bei der Beurteilung der Sachkunde ist das Vorliegen einer Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Tierschutzgesetzes zu berücksichtigen.
Berufs- oder gewerbsmäßigen Halterinnen oder Haltern von Hunden kann eine Erlaubnis zum Halten von Hunden bestimmter Kategorien oder Rassen erteilt werden. Gleiches gilt für Ausbilderinnen /Ausbilder und Abrichterinnen /Abrichter von Hunden, soweit die Tätigkeit berufs- oder gewerbsmäßig ausgeübt wird oder ehrenamtlich in Hundevereinen erfolgt, sowie für Halterinnen und Halter, die im Auftrag von Tierheimen oder ähnlichen Einrichtungen oder Kommunen die Pflege von Hunden bis zu deren Weitervermittlung übernehmen ("Pflegehalter").
Personen, die ihren Wohnsitz nicht in NRW haben und sich nur vorübergehend im Geltungsbereich des Landeshundegesetzes aufhalten, bedürfen keiner Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1. Die Pflichten des § 5 Abs. 1 bis 4 gelten auch für diese Personen. Ausnahmen nach § 5 Abs. 3 können auch von diesen Personen beantragt werden.
Stellt die zuständige Ordnungsbehörde fest, dass die erforderliche Erlaubnis nicht beantragt oder erteilt worden ist, soll von der Halterin oder dem Halter unter Fristsetzung verlangt werden, einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 zu stellen. Das Verlangen soll einen Hinweis auf die Mitwirkungspflicht der Antragstellerin/des Antragstellers (§ 26 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW) und dazu enthalten, welche Angaben und Unterlagen erforderlich sind und welche Folgen bei Nichtbeachtung eintreten können (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1). Wird der Antrag innerhalb der gesetzten Frist nicht gestellt oder werden erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt, soll die Haltung des gefährlichen Hundes nach § 12 Abs. 2 Satz 1 untersagt werden.
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