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Begründung zu 1-Chlorbutan
(CAS-Nr.: 109-69-3)
Ausgabe:
Januar 2006
Stand:
Dezember 1992
25 ppm (95,5 mg/m3) | |
Synonyma: | Butan, 1-Chlor-n-Butylchlorid |
chem. Bezeichnung: | 1-Chlorbutan |
Formel: | CH3-CH2-CH2-CH2-Cl |
Molekulargewicht: | 92 |
Schmelzpunkt: | - 123°C |
Siedepunkt: | 77 - 79°C |
Dampfdruck bei 20 °C: | 110 hPa |
1 ppm = 3,82 mg/m3 | 1 mg/m3 = 0,262 ppm |
Allgemeiner Wirkungscharakter
1-Chlorbutan ist eine Flüssigkeit mit charakteristischem Chlorkohlenwasserstoffgeruch, die auch in Dampfform eine leichte bis mäßige Reizwirkung auf die Augen, Haut und Atemwege ausüben kann. Im Tierexperiment verursachte 1-Chlorbutan insbesondere an Ratten Hyperaktivität und Konvulsionen. Die überwiegende Anzahl der vorliegenden Mutagenitätstests zeigte keine mutagene Wirkung der Verbindung.In zwei Kanzerogenitätsstudien konnte nach oraler bzw. intraperitonealer Gabe kein Anstieg an Tumorinzidenzen nachgewiesen werden. In einer Teratogenitätsstudie an Ratten wirkte 1-Chlorbutan in maternal toxischen Dosen schwach embryotoxisch. Eine teratogene Wirkung wurde nicht beobachtet.
Erfahrungen am Menschen
Kontrollierte Studien über die Wirkungen von 1-Chlorbutan beim Menschen liegen nicht vor. Die Geruchsschwelle wird mit 0,87 - 1,65 ppm (3,3 - 6,3 mg/m3) angegeben [1].
Tierexperimentelle Befunde
250 mg/kg | 500 mg/kg | |
männlich | 5/10 | 9/10 |
weiblich | 2/10 | 8/10 |
In den niedrigeren Dosisgruppen wurden diese Symptome nicht beobachtet.
In einer weiteren 90 Tage-Studie [3] an Mäusen (B6C3F1) wurden Gruppen von 10 Mäusen pro Geschlecht mit 60, 120, 250, 500 bzw. 1000 mg/kg1-Chlorbutan Stand:
Dezember 1992per Schlundsonde dosiert (5 Tage/Woche).Es konnte keine substanzbedingte erhöhte Mortalität beobachtet werden.
Die Körpergewichtsentwicklung der behandelten Tiere unterschied sich nicht von den Kontrolltieren.
Konvulsionen wurden im Verlauf der Studie bei zwei weiblichen Tieren in der hohen Dosierung beobachtet.
Eine histopathologische Auswertung ergab keinerlei Veränderungen gegenüber den Kontrolltieren.
Kontrolle | 60 mg/kg | 120 mg/kg | |
männlich | 1/50 | 3/50 | 27/50 |
weiblich | 0/50 | 7/50 | 45/50 |
Bei den Mäusen trat dieser Effekt bis zu einer Dosis von 500 mg/kg nicht auf.
Untersuchungen zur gentoxischen Wirkung
Zur Frage eines internen Richtwertes
Die akute Toxizität von 1-Chlorbutan muss sowohl nach oraler, dermaler als auch inhalativer Exposition als relativ gering angesehen werden.Dampfförmiges 1-Chlorbutan kann jedoch eine Reizwirkung auf die Schleimhäute des Auges bzw. des Respirationstraktes ausüben.
In Untersuchungen zur Reproduktionstoxizität konnte gezeigt werden,dass 1-Chlorbutan keine teratogene Wirkung auslöste, jedoch in maternal toxischen Dosierungen eine schwache Embryotoxizität aufweist.
Trotz vereinzelter Hinweise auf positive Ergebnisse in invitro-Mutagenitätstests ohne metabolisierendes System, lässt die Gesamtheit der vorliegenden Gentoxizitätsstudien die Interpretation zu, dass 1-Chlorbutan in vivo und in vitro in Anwesenheit eines metabolisierenden Systems offensichtlich keine mutagene Wirkung ausübt. Diese Ansicht steht in guter Übereinstimmung mit Langzeituntersuchungen, in denen1-Chlorbutan sowohl nach intraperitonealer Injektion als auch nach oraler Schlundsondenapplikation keine krebserzeugende Wirkung unter den jeweils gewählten Versuchsbedingungen zeigte. In der letztgenannten oralen Studie traten jedoch bei der Ratte zentralnervöse Effekte auf. Insbesondere bei den weiblichen Tieren der hohen Dosisgruppe wurden Konvulsionen beobachtet(120 mg/kg; 45/50), während in der niedrigeren Dosierung (60 mg/kg;7/50) dieser Effekt nur noch gelegentlich auftrat. Dieser Effekt scheint auf eine Erregung des ZNS durch 1-Chlorbutan hinzudeuten. Bei den Mäusen dieser Langzeitstudie trat dieser Effekt bis zu Dosierungen von 500 mg/kg überhaupt nicht auf.
Somit wird das toxikologische Profil von 1-Chlorbutan offensichtlich durch die1 leichte Reizwirkung auf die Schleimhäute von Auge und Respirationstrakt und durch das Auftreten von zentralnervösen Effekten bestimmt. DieseWirkungen müssen daher bei der Ableitung eines Richtwertes berücksichtigt werden.
In der Langzeitstudie wurde eine "Lowest Effect Dose" von ca. 60 mg/kg/Tag bezüglich der zentralnervösen Effekte (Konvulsionen) an der Ratte beobachtet. Der Zeitpunkt des Auftretens dieser Effekte (nach der Applikation)deutet darauf hin, dass sie ursächlich mit dem zeitlichen Konzentrationsverlauf im Tier (internes Expositionsprofil) in Verbindung steht. Bei der Ableitung des Richtwertes muss daher dieser Effekt in Zusammenhangmit der Applikationsart (Bolusgabe, Gavage) gesehen werden. Die Bolusgabe führt bei einer Substanz wie 1-Chlorbutan, die wie z.B. das strukturanaloge1-Butanol sehr gut resorbiert werden dürfte [10], zu einer schnellen Anflutung und damit verbunden zu einer hohen, kurzzeitig auftretenden, internen Spitzenbelastung. Im Gegensatz dazu führt inhalative Aufnahme zu einem relativ gleichmäßigen Anfluten bis zum Erreichen des Fließgleichgewichtes, wobei keine Spitzenbelastungen auftreten. Das bedeutet, dass bei größenordnungsmäßig vergleichbarer resorbierter Gesamtdosis die Applikation via Schlundsonde zu kurzzeitig wesentlich höheren Wirkkonzentrationen im Organismus führt, als dies bei inhalativer Aufnahme der Fall wäre. Auch von anderen Verbindungen(z.B. 1,2-Dichlorethan) ist bekannt, dass Unterschiede im Expositionsprofil aufgrund unterschiedlicher Applikation für die Ausprägung toxischer Effekte maßgebend sein können [11]. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes dürfte eine Konzentration von 25 ppm (95,5mg/m3) bzw. eine hieraus resultierende tägliche Dosis von ca. 15 mg/kg/Tag (Respirationsvolumen 10m3 pro 8 Stunden-Schicht) einen ausreichenden
Schutz des Menschen vor zentralnervösen Effekten bei inhalativer Exposition bieten. Aufgrund der im Tierversuch beobachteten nur leichten Reizwirkung von konzentriertem 1-Chlorbutan sollte dieser Richtwert auch vor den Reizwirkungen ausreichend schützen.
Es wird daher ein Arbeitsplatzkonzentrationsrichtwert von 25 ppm (95,5mg/m3) vorgeschlagen. Aufgrund des intensiven Geruchs der Substanz wird 1-Chlorbutan zur Begrenzung von Expositionsspitzen der Kategorie V zugeordnet.
Literatur
[1] L. Brauer (Hrsg.): Gefahrstoff Sensorik, ECOMED, Landsberg 1988
[2] Smyth, H. F., Carpenter, C. P, Weil, C. S., Pozzani, U. C.: Arch. Ind. Hyg. Occup. Med. 10, 61 - 68 (1954)
[3] NTP Technical Report No. 312, NIH Publication No. 86-2568, US Department of Health and Human Services (1986)
[4] Poirier, L. A., Stoner, G. D. , Shimkin, M. B.: Cancer Res. 35, 1411 - 1415 (1975)
[5] Rudner, M. I., Tomashewskaya, L. A., Vinigradov, G. I., Kapustin, A.A., Zholdakova, Z. I., Leonskaya, G. I.: Gig. Sanit. 1979 (3), 11 - 15; referiert in Chem. Abstr. 90: 198.454 (1979)
[6] Simmon (1981); in: Stich, H., and San, R. (eds.): Short term tests chemical carcinogens, New York; Springer Verlag, pp. 120 - 126
[7] Eder, E., Neudecker, T., Lutz, D., Henschler, D.: Biochem. Pharmacol. 29, 993 - 998 (1980)
[8] Eder, E., Henschler, D., Neudecker, T.: Xenobiotics 12, 831 - 848 (1982)
[9] Barber, E. D., Donish, W. H., Mueller, K. R.: Mutat. Res. 90, 31 - 48 (1981)
[10] Dutch Expert Committee on Occupational Standards (1992). Healthbasedrecommended occupational exposure limit for 1-Butanol, 2-Butanol, t Butanol. Concept. Directorate-General of Labour, Den Haag.
[11] Henschler, D. (1989) Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten. 1,2-Dichlorethan. VCH, Weinheim.
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