106. Luftgrenzwert für Trichlorethylen: 165 mg/m3 (30 ml/m3)
(CAS-Nr. 79-01-6)
Ausgabe:
Mai 2004
(BArbBl. Heft 5/2004 S. 55)
Spitzenbegrenzung: Überschreitungsfaktor 4
Bei der Festlegung der Höhe des Grenzwertes wurden die vom AGS festgelegten Kurzzeitwertanforderungen mit berücksichtigt. Diese lassen Überschreitungen des Grenzwertes nur für maximal eine Stunde pro Schicht zu.
In einigen Bereichen kommt es zu einer verkürzten Exposition, die jedoch länger als eine Stunde dauert. In diesen Fällen ist der Stand der Technik (Messwerte) bei der Ableitung des Grenzwertes zu berücksichtigen, auch wenn das Expositionsniveau über die Schicht geringer liegt. Bei einem Grenzwert von 30 ml/m3 können an diesen Arbeitsplätzen die Kurzzeitwertanforderungen eingehalten werden.
Trichlorethylen, (Trichlorethen, TRI) ist im Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG als krebserzeugend in die Kategorie 2 und als erbgutverändernd in die Kategorie 3 eingeordnet. Zubereitungen sind als krebserzeugend im Sinne der Richtlinie 1999/45/EG anzusehen, wenn der Massengehalt an Trichlorethen > 0,1 % beträgt.
Toxikologisch-arbeitsmedizinische Erkenntnisse Trichlorethen hat eine euphorisierende Wirkung, die zur Gewöhnung und psychischen Abhängigkeit führen kann. Akute Überdosis kann Lähmung der Atmungs- und Kreislaufregulationzentren hervorrufen. Bei der Verstoffwechselung von TRI entstehen reaktive Metabolite, die Schädigungen in Leber und Niere bewirken können [1].
Arbeiter, die berufsbedingt über längere Zeit (durchschnittliche Exposition: 18-19 Jahre) ausschließlich hohen TRI-Konzentrationen ausgesetzt waren, entwickelten vermehrt Nierenzelltumoren. Diese waren in der Mehrzahl histopathologisch identisch mit Nierenzelltumoren, welche experimentell bei TRI-exponierten Ratten ausgelöst wurden. Es konnte gezeigt werden, dass der für die Nephrokanzerogenität verantwortlich gemachte Stoffwechselweg bei Mensch und Ratte identisch abläuft [1, 2].
Die DFG-Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe hat aus Literaturdaten abgeleitet, dass bei einer Luftkonzentration am Arbeitsplatz in Höhe von 20 ml/m3 mehr als 99 % der Exponierten vor Effekten auf das zentrale Nervensystem geschützt sind. Epidemiologische Studien in Skandinavien haben in diesem Konzentrationsbereich auch kein signifikant erhöhtes Nierenkrebsrisiko ergeben. Aufgrund der niedrigen Fallzahlen sind diese Studien jedoch statistisch wenig belastbar, so dass die Bildung gentoxischer Stoffwechselprodukte, die zur Tumorentstehung führen, bei 20 ml/m3 nicht völlig ausgeschlossen werden kann [3].
Messverfahren
Für die Bestimmung von Trichlorethen in der Luft in Arbeitsbereichen liegt ein anerkanntes Verfahren in der Methodensammlung BGI 505 der Berufsgenossenschaften vor [4].
Die Probenahme erfolgt durch Adsorption des Trichlorethens an Aktivkohle. Bei der Probenahme wird der Volumenstrom auf 80 ml/min eingestellt. Die Desorption des Trichlorethens erfolgt mittels Schwefelkohlenstoff und die anschließende Bestimmung gaschromatographisch. Die Bestimmungsgrenze ist mit 4,2 mg/m3 (0,76 ml/m3) bei 9,6 l Probeluft angegeben.
Verwendung
Trichlorethen wird im wesentlichen für die folgenden Einsatzbereiche verwendet:
1. Herstellung von Gummierungen
Trichlorethen wird bei der Gummierung der unterschiedlichsten Körpern eingesetzt, z.B. zur Herstellung von gummierten Walzen, Zylinder, Stahlbänder, Förderbänder
Bezüglich der Expositionssituation können zwei unterschiedliche Arbeitsbereiche unterschieden werden.
2. Lösemittel in Asphaltmischlaboratorien
In Asphaltmischlaboratorien wird Trichlorethen ebenfalls als Lösemittel eingesetzt. Versuche zum Ersatz durch ein anderes Lösemittel sind bislang fehlgeschlagen.
3. Einsatzstoff bei der Herstellung von Hochleitungsnadeln
Bei der Herstellung von Hochleistungsnadeln kann ebenfalls auf Trichlorethen nicht verzichtet werden.
4. Extraktionsmittel in der pharmazeutischen Industrie
Zur Herstellung bestimmter Arzneimittel müssen aus Wirkstoffe aus Naturstoffen extrahiert werden. Aufgrund der spezifischen Löseeigenschaften ist Trichlorethen nicht durch andere Extraktionsmittel ersetzbar.
Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen
1. Herstellung von Gummierungen
1.1 Vor- und Nachbearbeitungen
Die folgenden Tätigkeiten müssen in diesen Arbeitsbereichen durchgeführt werden:
Tabelle 1: Expositionssituation bei Vor- und Nachbearbeitung von Gummierungen
Dauer | Anzahl | Minimum [ml/m3] | Maximum [ml/m3] | Arithm.
Mittelwert [ml/m3] | 50%-Wert [ml/m3] | 95%-Wert [ml/m3] |
0,9 - 6,3 h | 25 | 4 | 32 | 12 | 11 | 24 |
1.2 Gummierung
Beim Gummieren von Walzen, Zylinder, Stahlbänder, Förderbänder und weitere Bauteile müssen die folgenden Tätigkeiten durchgeführt werden:
Tabelle 2: Expositionssituation bei der Gummierung
Dauer | Anzahl | Minimum [ml/m3] | Maximum [ml/m3] | Arithm.
Mittelwert [ml/m3] | 50%-Wert [ml/m3] | 95%-Wert [ml/m3] |
0,7 - 2,9 h | 6 | 19 | 48 | 33 | 30 | 47 |
Ähnliche Messwerte wurden in einem anderen Unternehmen mit einem nicht ganz spezifischen Probenahmeverfahren ermittelt. Da bei dem benutzten Probenahmeverfahren eine Querempfindlichkeit gegenüber anderen Gefahrstoffen nicht ausgeschlossen werden können, wurden diese Werte nicht zur Ableitung des Luftgrenzwertes herangezogen.
2. Lösemittel in Asphaltmischlaboratorien
Die Arbeitsplätze sind typische Laborarbeitsplätze, die expositionsrelevanten Arbeitsschritte werden teilweise im Abzug durchgeführt. Insgesamt liegen 68 Messwerte vor, Einzelheiten können Tabelle 3 entnommen werden.
Tabelle 3: Expositionssituation in Asphaltmischlaboratorien (1997 -2002)
Anzahl | Minimum [ml/m3] | Maximum [ml/m3] | Arithm.
Mittelwert [ml/m3] | 50%-Wert [ml/m3] | 80%-Wert [ml/m3] | 90%-Wert [ml/m3] |
68 | 1 | 202 | 16 | 4 | 16 | 42 |
3. Einsatzstoff bei der Herstellung von Hochleitungsnadeln
In den letzten 5 Jahren wurden insgesamt 78 Messungen des Schichtmittelwertes durchgeführt, in den letzten 3 Jahren wurden keine Messwerte mehr über 10 ml/m3 ermittelt. Tabelle 4 gibt die Messwerte seit 1997 wieder. Die Expositionszeit liegt zwischen 3 und 4 Stunden.
Tabelle 4: Expositionssituation bei der Herstellung von Hochleitungsnadeln
Anzahl | Minimum [ml/m3] | Maximum [ml/m3] | Arithm.
Mittelwert [ml/m3] | 50%-Wert [ml/m3] | 70%-Wert [ml/m3] | 90%-Wert [ml/m3] |
78 | < 1 | 64 | 4,5 | 2,8 | 4,2 | 11,2 |
4. Extraktionsmittel in der pharmazeutischen Industrie
Die Extraktionsverfahren werden in geschlossenen Apparaturen durchgeführt, eine relevante Exposition ist hierbei nicht zu beobachten. Die gemessenen Konzentrationen als Schichtmittelwerte liegen alle unter 10 ml/m3, eine detaillierte Auflistung wurde dem AGS nicht vorgelegt.
Literatur
[1] | Trichlorethen-Nachtrag 1996. In: Greim, H. (Hrsg.) - Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe - Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten. Loseblattsammlung, Wiley-VCH, 22. Lfg. (1996) |
[2] | Brüning T., Pesch B., Wiesenhütter B., Rabstein S., Lammert M., Baumüller A., Bolt H. M.: Renal cell cancer risk and occupational exposure to trichloroethylene: results of a consecutive case-control study in Arnsberg, Germany. Am J Ind Med 43: 274-285 (2003) |
[3] | Trichlorethen-Nachtrag 2000. In: Greim, H. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe - Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten. Loseblattsammlung, Wiley-VCH, 31. Lfg. (2000) |
[4] | BGI 505-65 "Verfahren zur Bestimmung von Trichlorethen und Tetrachlorethen" (bisher ZH 1/120.65), Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Fachausschuss "Chemie", März 2000, Carl Heymanns, Köln |