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11. TRK-Wert für 1,2-Dibromethan
(BArbBl. 3/85 S. 121)
0,1 ml/m3 (0,8 mg/m3)
Im Verzeichnis krebserzeugender Arbeitsstoffe der Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe, Anhang II Nr. 1 ist 1,2-Dibromethan bei Gehalten > 1 Gew. % in Gruppe II (stark gefährdend) und bei Gehalten von < 1 bis 0,1 Gew. % in Gruppe III (gefährdend) eingeordnet.
Arbeitsmedizinische-toxikologische Erfahrungen
1,2-Dibromethan reizt in Konzentrationen etwa oberhalb 20 ml/m3 die Bindehaut der Augen, die Schleimhäute der oberen Luftwege, konzentrationsabhängig auch die Haut. Resorptiv kommt es zu Schäden an Herz, Leber, Niere und zu Begleiterscheinungen am Zentralnervensystem. Die Aufnahme erfolgt als Dampf über die Lunge und direkt über die Haut.
Die Frage nach einer krebserzeugenden Wirkung von 1,2-Dibromethan beim Menschen ist in einer einzigen Studie aus Großbritannien untersucht worden (1): Bei insgesamt 414 zwischen 1940 und 1975 mit der Herstellung von 1,2-Dibromethan Beschäftigten wurden beim Vergleich mit entsprechenden Zahlen aus der örtlichen Allgemeinbevölkerung keine erhöhten Raten an Krebstodesfällen oder bestimmten Organschwerpunkten beobachtet. Auch die Untersuchungen auf Fertilität ergaben keinen Unterschied in der Zahl der Kinder bei Nichtexponierten und Exponierten.
Eine sehr starke lokal-krebserzeugende Wirkung (Vormagen) zeigte 1,2-Dibromethan bei Ratte und Maus nach Schlundsonden-Applikation im toxischen Bereich liegender Stoßdosen (2). In Inhalations-Kanzerogenese-Versuchen an Ratte und Maus erwies sich eine Konzentration von 40 ml/m3 als die maximal verträgliche. Diese Konzentration von 40 ml/m3 war noch stark krebserzeugend, während eine solche von 10 ml/m3 deutlich schwächer wirkte (3). Im Vordergrund standen Tumoren des besonders bei der Ratte gegenüber lokal-krebserzeugenden Effekten offensichtlich besonders empfindlichen Nasenhöhlenepithels. Darüber hinaus aber entwickelten sich sehr verschiedenartige Tumoren (orale Aufnahme: Leber, Lunge, Gefäßsystem; inhalative Aufnahme: Lunge, Gefäßsystem, Brustdrüse, Bindegewebe).
Aus den vorliegenden toxikologischen Ergebnissen läßt sich
Zur Messung von 1,2-Dibromethan in der Luft in Arbeitsbereichen eignet sich ein diskontinuierliches Analysenverfahren. Es umfaßt die ortsfeste oder personenbezogene Probenahme durch Adsorption an Aktivkohle und die anschließende analytische Bestimmung des Sorbates mit Hilfe der Gaschromatographie. Die Nachweisgrenze beträgt unter Praxisbedingungen 0,004 mg/m3 (4).
Herstellung und Verwendung
1,2-Dibromethan wird derzeit in der Bundesrepublik Deutschland industriell nicht hergestellt. Es wird in einer Menge von mehreren tausend t/a eingeführt und in etwa 22 Betrieben verarbeitet. Der Stoff dient dazu, die Ablagerungen von Bleiverbindungen im Motorraum zu reduzieren (Scavenger). Daneben wird es auch als Kopplungsmittel bei der Kautschukherstellung eingesetzt.
Ergebnisse der Arbeitsbereichsmessungen
1,2-Dibromethan hat einen Dampfdruck von 13,3 mbar bei 29,1 °C. Durch unvollständige Verbrennung in Motoren, die mit verbleiten Benzinen betrieben werden ist 1,2-Dibromethan ubiquitär verteilt. Etwa 300 Personen sind derzeit in der Bundesrepublik Deutschland beruflich gegen 1,2-Dibromethan exponiert.
Da 1,2-Dibromethan bereits bei + 9,8 °C fest wird, wurden die Arbeitsplatzkonzentrationen speziell bei Außenarbeiten sowohl im Winter als auch im Sommer bestimmt.
Bei der Herstellung von Bleialkyl/1,2-Dibromethan-Mischungen als Benzinzusatz konnten keine signifikanten jahreszeitlichen Unterschiede gefunden werden. Die 1,2-Dibromethan-Konzentrationen lagen im Bereich 0,003 bis 0,16 ml/m3 (personenbezogen/Schichtmittelwerte) mit der Mehrzahl der Meßwerte unterhalb 0,1 ml/m3, wobei im geschlossenen System gearbeitet wurde und an besonders kritischen Stellen Absaugungen installiert waren.
Bei der Kautschukherstellung, wo 1,2-Dibromethan als Kopplungsmittel eingesetzt wird, lagen an der kritischsten Stelle der automatisch arbeitenden Anlage die Konzentrationen bei < 0,0005 bis 0,001 ml/m3.
In Raffinerien wurde beim Anschluß von Vorratstanks, die 1,2-Dibromethan/Bleialkyl-Mischungen dem Benzin zumischen, unter ungünstigen Bedingungen 1,2-Dibromethan-Konzentrationen bis zu 0,035 ml/m3 gemessen.
Literatur:
(1) D. Turner u. P.S.I. Barry: An Epidemiological Study of Workers in Plants Manufacturing Ethylene Dibromide Arh. hig. rada toksikol., 30 (1979) suppl. pp. 621 - 626
(2) IARC-Monographs Bd. 15, S. 195 - 209, 1977
(3) National Cancer Institute Carcinogenesis Technical Report Series (T.R. No. 210). U.S.D.H.H.S. Publication No. (NIH) 82 - 1766 (1982)
(4) Von den Berufsgenossenschaften anerkannte Analysenverfahren zur Feststellung der Konzentration krebserzeugender Arbeitsstoffe in der Luft in Arbeitsbereichen, ZH 1/120
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