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Wärmelastplan für die Tideelbe
- Hamburg -
(AmtlAnz. Nr. 9 vom 30.01.2009 S. 175)
gleichlautend für Niedersachsen (MBL Nr. 6/2009 S. 182) und Schleswig-Holstein
Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben einen neuen Wärmelastplan für die Tideelbe zwischen Geesthacht und Cuxhaven aufgestellt. Dieser ist bei behördlichen Entscheidungen über Wärmeeinleitungen in die Wasserkörper der Tideelbe zu beachten. Ein erster Wärmelastplan für die Tideelbe stammt aus dem Jahr 1973.1)
1. Veranlassung
Die Elbe ist der größte tidebeeinflusste Fluss Deutschlands. Vor dem Hintergrund zahlreicher Kraftwerksplanungen und damit verbundener Kühlwassereinleitungen im Bereich der Tideelbe 2) einerseits und neuen gesetzlichen Anforderungen andererseits ist es erforderlich, einen Plan zu erstellen, um bereits vorhandene und in Zukunft noch mögliche Wärmebelastungen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Gewässer zu beurteilen. Ziel ist es, die von Wärmeeinleitungen ausgehenden Einwirkungen auf die Tideelbe in ihrer räumlichen und zeitlichen Verteilung zu ordnen, um die gesamte Elbe als Lebensraum gemäß den Anforderungen und Qualitätskriterien der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zu erhalten und zu verbessern.
Wärmeeinleitungen sollen so aufeinander abgestimmt werden, dass eine nachteilige Einwirkung auf das Gewässer ausgeschlossen ist. Hierbei ist insbesondere auf mögliche schädliche Summationswirkungen mehrerer Wärmeemittenten zu achten. Der Wärmelastplan ist eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, die als solche im Bewirtschaftungsplan der Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) Erwähnung findet 3) Rechtliche Grundlage bildet das wasserwirtschaftliche Bewirtschaftungsermessen.4) Unmittelbar maßgebend ist die jeweilige Wasserrechtliche Erlaubnis.
Neben den direkten Auswirkungen von Kühlwassernutzungen auf die Gewässertemperatur stellt diese Nutzungsform dahingehend eine Belastung für das Gewässer dar, dass mit dem entnommenen Wasser Biomasse (Phyto- und Zooplankton, Fischeier und -larven) in das Kühlsystem gelangt und zum Teil abgetötet wird (Detritus). Gleichzeitig beschleunigt sich infolge der erhöhten Gewässertemperatur der mikrobiologische Detritusabbau auf verkürzter Fließstrecke. Beides führt zu einer verstärkten Sauerstoffzehrung im Emittenten- nah- und -fernbereich, die zumindest in den biomassereichen Sommermonaten nicht durch den physikalischen Sauerstoffeintrag über das Einleitbauwerk ausgeglichen werden kann. Hierbei spielt die Abnahme der Sauerstofflöslichkeit in Abhängigkeit von der Erwärmung des eingeleiteten Kühlwassers eine weitere wichtige Rolle.
Als Besonderheit eines durch Ebbe und Flut geprägten Flusssystems ist zu beachten, dass es infolge des Tidegeschehens periodisch zu einer Umkehrung der Fließrichtung kommt. In Abhängigkeit vom Standort sowie den hydrologischen Verhältnissen (Flutstromausprägung, Oberwasserverhältnisse) variiert das Wiederkehrintervall und damit einhergehend die Verweildauer im direkt durch das Kühlsystem beeinflussten Teil des Gewässers. Da der Nettotransport des Wasserkörpers in Richtung Meer maßgeblich vom Oberwasserabfluss gesteuert wird, empfiehlt es sich, diesen als Bemessungsgrundlage heran zu ziehen.
Aus gewässerökologischer Sicht ist der temporäre Mangel an Sauerstoff im Gewässer ein Hauptproblem der Tideelbe. Da dieser auf Grund seiner Barrierewirkung insbesondere für anadrome und katadrome Langdistanzwanderer von überregionaler Bedeutung ist (Erreichbarkeit der ausgewiesenen FFH-Gebiete zur Laichzeit), stellt die Reduzierung der sommerlichen Sauerstoffmangelsituationen eine wichtige Wasserbewirtschaftungsfrage für das gesamte Einzugsgebiet der Elbe dar, der sich die Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) im Rahmen ihres ersten Bewirtschaftungsplanes stellt. Insofern besteht im Hinblick auf die Erlaubnisfähigkeit den Sauerstoffhaushalt belastender Kühlwassernutzungen eine besondere Prüfverantwortung. Betriebseinschränkende Bedingungen/Auflagen und gegebenenfalls durch die Gewässersituation bestimmte Anlagensteuerungen zur Reduzierung der Gewässerbelastung können zur Zielerreichung in den jeweiligen wasserrechtlichen Erlaubnissen erforderlich sein.
Zu dem vorliegenden Plan gehören auch ein hydraulisch-ökologisches Modell (Abschnitt 5) sowie Handlungsempfehlungen für die Genehmigungsbehörden (Anhang). Für den Einzelfall einer geplanten Wärmeeinleitung sind darüber hinaus stets die hydrologischen und ökologischen Verhältnisse am Standort zu prüfen und bei der Entscheidung zu berücksichtigen.
2. Anforderungen europäischer Richtlinien
2.1 EG-Wasserrahmenrichtlinie
Auf Grund des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG §§ 25a ff.) in Verbindung mit der EG-Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG), welche durch Änderung der Bundes- und Landesgesetzgebung in deutsches Recht überführt wurde, sind oberirdische Gewässer unter anderem so zu bewirtschaften, dass eine nachteilige Veränderung vermieden und ein guter ökologischer Zustand erhalten oder erreicht wird. Der durch menschliche Tätigkeit verursachte Wärmeeintrag wird dann als Gewässerverschmutzung angesehen, wenn er der Qualität von aquatischen Ökosystemen schaden kann. Die schädlichen Auswirkungen können auf einen bestimmten Gewässerteil beschränkt sein. In ihrem Ausmaß sind sie abhängig von den abiotischen und biotischen Eigenschaften des aufnehmenden Gewässers sowie von Ort, Zeitpunkt und Gestaltung der Einleitung.
Der Gewässerzustand wird anhand von biologischen, chemischen und physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten eingestuft. Der Gewässertemperatur und der Sauerstoffkonzentration im Wasserkörper kommt auf Grund ihrer maßgeblichen Beeinflussung der Lebensprozesse bei der Beurteilung der Gewässergüte eine besondere Bedeutung zu. Abweichend von den natürlichen Wasserkörpern gelten für den Status der erheblich veränderten Oberflächenwasserkörper der Tideelbe die Bewirtschaftungsziele eines guten ökologischen Potentials und eines guten chemischen Zustands.
Für einen hinsichtlich der dauerhaft gewässerverträglichen Kühlwassernutzung zu regelnden Flussabschnitt hat die Bund-Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) 5) bezüglich der hier zu betrachtenden Fließgewässertypen folgende Festlegungen als Maßstab für einen guten Gewässerzustand getroffen:
Für Übergangsgewässer (T1) wurden von der LAWA keine gesonderten Orientierungswerte für die Gewässertemperatur und die Sauerstoffkonzentration ausgewiesen. Generell liegt aber die für das Überleben von Fischen erforderliche Mindestsauerstoffkonzentration bei 3 mg 02/l. Dieser Wert soll zu keiner Zeit im Gewässer unterschritten werden.
Die Gewässertemperatur und die Sauerstoffkonzentration sind unterstützende Messgrößen bei der Gesamtbeurteilung des Gewässerzustandes. Sie dienen als Ergänzung bei der Interpretation der Ergebnisse für die biologischen Qualitätskomponenten sowie als Beitrag zur Ursachenklärung im Falle eines "mäßigen" oder schlechteren ökologischen Zustandes/Potentials, außerdem zur Maßnahmenplanung in Zusammenhang mit den biologischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten und der späteren Erfolgskontrolle.
Nach Maßgabe der WRRL und nach § 25a WHG sind Verschlechterungen des Zustandes/Potentials der Gewässer zu vermeiden und ein guter Zustand bzw. gutes Potential zu erhalten bzw. anzustreben (Verschlechterungsverbot/Verbesserungsgebot). Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich der Zustand bzw. das Potential des gesamten betrachteten Wasserkörpers bezüglich der für den Gewässertyp maßgebenden chemischen und biologischen Qualitätskomponenten nicht signifikant verschlechtert.
2.2 EG-Süßwasserschutzrichtlinie
Die EG-Süßwasserschutzrichtlinie (2006/44/EG) bezweckt, die Qualität von fließendem oder stehendem Süßwasser zu schützen oder zu verbessern. Dies ist zu erreichen, indem durch Verringern oder Beseitigen von Gewässerbelastungen oder chemischphysikalischen Barrieren das Leben von Fischen erhalten oder verbessert wird. Die EG-Süßwasserschutzrichtlinie findet auf Grund ihres Bezugs zu Süßwassergewässern an der Tideelbe keine direkte Anwendung. Dennoch hat sie für die Festlegung von Ziel- und Richtwerten eine Bedeutung, da in Anhang I Angaben für Salmoniden- und Cyprinidengewässer für fischrelevante Parameter aufgeführt sind und außerdem die Möglichkeit regional begrenzter Ausnahmeregelungen genannt werden, welche zur Festlegung von Orientierungswerten für die Tideelbe herangezogen werden können.
Grenzwerte der EG-Süßwasserschutzrichtlinie:
3. Fachliche Anforderungen
Die Lebensvorgänge von Fischen werden in natürlichen Gewässern in starkem Maße von Umweltfaktoren beeinflusst. Als wechselwarme Organismen sind ihre Stoffwechselvorgänge vor allem durch die Wassertemperatur gesteuert. Aber auch vielfältige andere Umweltfaktoren können grundlegende Prozesse, wie die Atmung, den Wasserhaushalt und die Ausscheidungen über die Kiemen und Nieren erheblich beeinflussen. Wichtige Ansprüche relevanter Fischarten im Tidebereich der Elbe an die Gewässertemperatur und die Sauerstoffkonzentration sowie deren Wanderverhalten zeigt nachfolgende Tabelle.
Tabelle: Ansprüche verschiedener Fisch- und Rundmaularten an die Gewässertemperatur und die Sauerstoffkonzentration sowie deren Wanderverhalten 6)
Fisch-/Rundmaulart | Gewässertemperatur [°C] | Sauerstoffbedarf bei 20 °C [mg 02/l] | Wanderung | |||||
Laichen | Optimum | Toleranz | Minimal | Normal*1 | Toleranz | Typ | Distanz | |
Aal | Meer ! | 18 - 25 | unspezifisch | 0,4 - 0,8 | 2,0- 4,0 | tolerant | katadrom | lang |
Finte | 10 - 15 | 15 - 22 | unspezifisch | 3 - 4 | 7 - 9 | eingeschränkt | anadrom | mittel |
Maifisch | 12 - 15 | 15 - 20 (max. 25) | gering | 3 - 4 | 7 - 9 | eingeschränkt | anadrom | lang |
Flussneunauge | 9 - 14 | 15 - 20 | unspezifisch | > 1,0 | 7 - 9 | unspezifisch | anadrom | lang |
Meerneunauge | 12 17 | 15 - 20 (max. 25) | unspezifisch | > 1,0 | 7 - 9 | unspezifisch | anadrom | lang |
Lachs | 4 - 8 (max. 10) | 12 - 18 (max. 25) | gering | 6,0 | > 9,0 | intolerant | anadrom | lang |
Meerforelle | 4 - 8 (max. 10) | 12 - 18 (max. 21,5) | gering | 6,0 | > 9,0 | intolerant | anadrom | lang |
Quappe | 3 - 6 | 15 - 20 | unspezifisch | 1,4 - 2,0 | 7,0 - 9,0 | intolerant | potamodrom | mittel |
Rapfen | 8 - 12 | 15 - 22 | unspezifisch | 2,0 | 7,0 - 8,0 | intolerant | potamodrom | mittel |
Stint | 4 -8 | 15 - 20 | unspezifisch | 1,5 | 7,0 - 8,0 | unspezifisch | anadrom | mittel |
Schnäpel | 5 - 7 | 15 - 20 (max. 22) | gering | 8,0 | > 9,0 | intolerant | anadrom | lang |
*1 Sauerstoffkonzentration, die für gute Lebensbedingungen erforderlich sind |
3.1 Wassertemperatur
Die Wassertemperatur beeinflusst die Lebensvorgänge der Fische, die Wirkungen anderer Umweltfaktoren sowie die Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und Krankheitserregern maßgeblich. Während sich viele Karpfenartige (Cypriniden) im Jahresverlauf an Wassertemperaturen von etwa 0,5 °C bis 30 °C anpassen können, besitzen Lachsartige (Salmoniden) eine deutlich geringere Temperaturtoleranz. Eine Adaption der Fische an höhere Gewässertemperaturen ist nur begrenzt möglich und dies auch nur für dauerhaft im Kraftwerksbereich lebende robuste Arten. Bei Wanderfischarten, die sich lediglich temporär im Kraftwerksbereich aufhalten, besteht eine derartige Anpassungsmöglichkeit nicht.
Außerdem benötigen die verschiedenen Fischarten bestimmte Temperaturbereiche für die Gonadenentwicklung, das Ablaichen sowie die Ei- und Larvenentwicklung. Stark erhöhte oder abgesenkte Wassertemperaturen bzw. extreme Temperaturwechsel können bei den Fischen zu Stressreaktionen, zu Schädigungen oder sogar zum Tode führen. Temperaturwechsel werden von den Fischen nur in größeren zeitlichen Abständen toleriert. Sind keine ausreichenden Energiereserven für die Temperaturanpassung vorhanden, sterben die Fische mittelfristig an diesem Energiemangel.
3.2 Sauerstoff
Sauerstoff (02) kann nur begrenzt im Wasser gelöst werden. Die Sauerstofflöslichkeit sinkt mit steigenden Gewässertemperaturen. Gleichzeitig steigt jedoch bei höheren Gewässertemperaturen der Sauerstoffbedarf der Fische. Die Ansprüche einiger wichtiger Fischarten an die Sauerstoffkonzentration sind der obigen Tabelle zu entnehmen.
Akuter oder chronischer Sauerstoffmangel ist eine häufige Schädigungsursache bei Fischen, insbesondere bei den sauerstoffbedürftigen Lachsartigen. Der Sauerstoffbedarf der verschiedenen Fischarten hängt maßgeblich von der Wassertemperatur sowie der Stoffwechselintensität der Fische ab. Bei Sauerstoffkonzentrationen < 4 mg 02/l (Karpfenartige) bzw. < 6 mg 02/l (Lachsartige) wird die Sauerstoffversorgung der Fische eingeschränkt, weil der Partialdruck des Gases für den Übergang vom Wasser in das Blut an den Kiemen nicht mehr ausreicht. Bei akutem Sauerstoffmangel < 2 mg 02/l (Karpfenartige) bzw. < 4 mg 02/l (Lachsartige) reagieren die Fische mit sichtbarer Unruhe, Nahrungsverweigerung, Masseverlusten und Notatmung. Trotz hervorragender Anpassungsmechanismen an niedrige Sauerstoffkonzentrationen sterben die Fische letztlich an Energiemangel.
4. Festlegungen des Wärmelastplans
In Übereinstimmung mit den Festlegungen der europäischen Süßwasserschutzrichtlinie (2006/44/EG), den diesbezüglichen Empfehlungen der LAWA 5), 7) und abgeleitet aus fachlichen Anforderungen des Gewässerschutzes sowie unter Berücksichtigung der elbetypischen Standortverhältnisse werden von den Bundesländern Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein einvernehmlich die folgenden gewässerbezogenen Orientierungswerte für den Wärmelastplan Tideelbe als fachlicher Maßstab im Rahmen der Bewirtschaftungsplanung angesehen:
Für den Ort der Beurteilung gelten:
Maximal zulässige Gewässertemperatur: 28,0 °C
Maximal zulässige Aufwärmspanne im Gewässer: 3,0 K Mindestsauerstoffkonzentration im Gewässer: 3,0 mg 02/l Zielwert der Sauerstoffkonzentration im Gewässer: 6,0 mg 02/l |
Abwärme-Großemittenten haben die Einhaltung der maximal zulässigen Gewässertemperatur und Aufwärmspanne dauerhaft nachzuweisen und sich auch auf mögliche Betriebseinschränkungen zu deren Einhaltung sowie bei Unterschreitung des Zielwertes der Sauerstoffkonzentration einzustellen. Für alle übrigen Einleiter von Abwärme werden pragmatische Emissionsgrenzen vorgeschlagen (siehe unten). Sofern Anhaltspunkte vorliegen, dass damit die gewässerbezogenen Orientierungswerte wider Erwarten nicht eingehalten werden können, sind weitere Prüfungen und gegebenenfalls daraus resultierende Auflagen/Bedingungen erforderlich. Als erfüllt gelten die obigen Orientierungswerte für die maximal zulässige Gewässertemperatur und Aufwärmspanne, wenn die jeweiligen Kriterien zu 98% der Zeit eingehalten werden. Einzelheiten zur Umsetzung der administrativen Festlegungen des Wärmelastplans für die Genehmigungspraxis finden sich in den Handlungsempfehlungen im Anhang.
5. Beschreibung des hydraulischökologischen Modells
Das hydraulischökologische Modell des Wärmelastplans für die Tideelbe gibt an ausgewählten Orten dieses Flussabschnittes einen Überblick über die Unterschreitungshäufigkeit von Sauerstoffkonzentrationen für einen Vergleichszustand und verschiedene Belastungszustände, die zusätzliche Wärmeeinleitungen in die Tideelbe abbilden. In Szenarien werden die Auswirkungen von Kühlwassereinleitungen aus einer, drei und sechs standardisierten Kraftwerkseinheiten (Einleitung von 30 m3/s mit einer Temperaturdifferenz von 6 K) - dies entspricht der Abwärme bei einer Kraftwerksleistung von etwa 800 MW elektrisch bzw. 1600 MW thermisch - an den Standorten Hamburg-Moorburg, Stade und Brunsbüttel untersucht und die Ergebnisse graphisch sowie tabellarisch dargestellt. Ausführliche Beschreibungen der Modellergebnisse liegen vor 8)
Anhand der Ergebnisse des hydraulischökologischen Modells können Genehmigungsbehörden und potentielle Großeinleiter die Häufigkeit ablesen, mit der jetzt oder für einen Planungszustand mit einer Unterschreitung der festgelegten Sauerstofforientierungswerte zu rechnen und folglich eine Wärmeeinleitung nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Gleichzeitig bildet das hydraulischökologische Modell des Wärmelastplans die Temperaturverteilung und die wärmeeinleitungsbedingten Temperaturerhöhungen für kritische Gewässersituationen ab. Genehmigungsbehörden können hieraus ablesen, wie weit sich Kühlwasserfahnen an dem geplanten Kraftwerksstandort ausbreiten und ob die Einhaltung der Temperaturwerte auch unter gewässerökologisch besonders ungünstigen Bedingungen möglich ist, bzw. unter welchen Rahmenbedingungen sie möglich wäre.
Als Bestandteil des Wärmelastplans steht das hydraulischökologische Modell als DV-Anwendung zur Verfügung. Es kann von Antragstellern für die Erstellung von Genehmigungsunterlagen genutzt und bei der Wassergütestelle Elbe gegen Erstattung der Auslagen angefordert werden.9)
6. Definitionen
Abwärme
Produkt von Einleitmenge, Aufwärmspanne und spezifischem Wärmekoeffizient, die ungenutzt in das Gewässer abgegeben wird
anadrom
Flussaufwärts gerichtete Laichwanderung
Aufwärmspanne
Temperaturdifferenz zwischen zwei Beurteilungspunkten entweder im Gewässer oder bezogen auf das Kühlsystem (Entnahme/Einleitung)
Bathymetrie
Bestimmung der Topographie des Gewässerbodens
Biomasse
Gesamtheit des pflanzlichen und tierischen Lebens im Gewässer
Cypriniden
Fischgruppe der Karpfenartigen
Detritus
Abgestorbene Biomasse
Einleittemperatur
Temperatur des eingeleiteten Kühlwassers
FGG Elbe
Zusammenschluss der zehn Bundesländer im Einzugsgebiet der Elbe sowie des Bundes zur Flussgebietsgemeinschaft
Gewässertemperatur
Maximale Temperatur des Wasserkörpers über das gesamte tideabhängige Tiefenprofil am Ort der Beurteilung
Großemittent
Kühlwassernutzer mit mehr als 250 MW Abwärmeleistung. Gültig für den Bereich der Tideelbe mit Ausnahme des Stromspaltungsgebietes von Norderund Süderelbe. Hier liegt die Abwärme-Relevanzschwelle bei größer 125 MW
Hydraulischökologisches Modell
Ein- bzw. dreidimensionale Modellierung der kraftwerksbedingten Auswirkungen auf den Sauerstoff- und Wärmehaushalt des Gewässers
Hypopotamal
Unterer Abschnitt eines Tieflandflusses/-stromes
katadrom
Flussabwärts gerichtete Laichwanderung
Mischungszone
Bereich, in welchem sich Kühl- und Flusswasser vermischen
Ort der Beurteilung
Repräsentativer Messort im Gewässer. Für die Temperaturparameter liegt er am Rand der Durchmischungszone, höchstens jedoch 500 m von der Einleitstelle entfernt. Bezüglich der Sauerstoffkonzentration ist sowohl der Wirkungsnah- als auch der -fernbereich abzudecken, d. h. die Messstellen können mehr als 500 m von der Einleitstelle entfernt sein.
Salmoniden
Fischgruppe der Lachsartigen
Sommerbetrieb
Zeitraum vom 1. April bis zum 30. November
Standard-Kraftwerkseinheit
Einleitung von 30 m3/s mit einer Temperaturdifferenz von 6 K (entsprechend einer Kraftwerksleistung von etwa 800 MW elektrisch und etwa 1600 MW thermisch)
Tideelbe
Gezeitenbeeinflusster Gewässerbereich der Elbe
Winterbetrieb
Zeitraum vom 1. Dezember bis zum 31. März
Empfehlungen und Erläuterungen für die Genehmigungsbehörden | Anhang |
Dargestellt werden Prüfpunkte, deren Abfrage und Erfüllung zur Erteilung einer Kühlwassereinleiterlaubnis fachlich empfohlen werden. Großemittenten von Abwärme haben die Einhaltung der gewässerbezogenen Immissionsbedingungen dauerhaft nachzuweisen und müssen sich auf Betriebseinschränkungen in Abhängigkeit von der Temperatur- und Sauerstoffsituation des Gewässers einstellen. Für die übrigen Einleiter von Abwärme werden pragmatische Emissionsgrenzen vorgeschlagen (siehe unten). Rechtlich verbindlich sind für alle Gewässerbenutzer die Inhalte der jeweiligen Wasserrechtlichen Erlaubnisse.
A1 Fachliche Rahmenbedingungen
Die Orientierungswerte hinsichtlich der maximal zulässigen Gewässertemperatur und der maximalen Aufwärmspanne sowie der Mindestsauerstoffkonzentration sollen am jeweiligen Ort der Beurteilung über die gesamte tideabhängige Wassertiefe als gleitende 6-Stunden-Mittelwerte eingehalten werden.
Temperatur:
Der Ort der Beurteilung für die Temperaturparameter im Gewässer ist der Rand der Durchmischungszone, jedoch maximal 500 m von der Einleitungsstelle gelegen. Bei der Festlegung der einzelnen Messorte sind sowohl die flut- als auch ebb- und kenterphasenbedingten Ausdehnungen der Wärmeemissionen zu beachten. Als eingehalten gelten die Orientierungswerte des Wärmelastplans für die maximal zulässige Gewässertemperatur und Aufwärmspanne, wenn im Jahresverlauf die gleitenden 6-Stunden-Mittelwerte eine maximale Überschreitungshäufigkeit von 2% aufweisen. Bis zum Erreichen des Orts der Beurteilung ist darauf zu achten, dass mindestens ein Korridor von 2/3 des Fließquerschnittes (d. h. auch direkt am Einleitort und auch während der Kenterphase) keine Überschreitung der oben genannten Orientierungswerte aufweist.
Sauerstoffkonzentration:
Ein Resultat des Wärmeeintrages in das Gewässer ist eine erhöhte mikrobiologische Umsatzrate. Diese hat zur Folge, dass es zu einer Fließstrecken verkürzten Sauerstoffzehrung der durch die Kühlwasserpassage abgetöteten Biomasse sowohl im Nah- als auch im Fernbereich um die Einleitstelle kommt. Aus diesem Grund ist die Sauerstoffkonzentration im Gewässer an geeigneten Messstellen zu überwachen und die Kraftwerksleistung den aktuellen Gewässerverhältnissen ab < 6,0 mg 02/l anzupassen (siehe Abschnitt A2).
A2 Handlungsempfehlungen
Für alle Kühlwassereinleiter sollten die folgenden Nachweise in der Erlaubnis verankert werden:
Als Großemittent gilt mit Ausnahme des Flussabschnittes von Norder- und Süderelbe ein Betrieb mit einer Abwärmeleistung von > 250 MW. Innerhalb des Bereiches von Norder- und Süderelbe verringert sich die Abwärme-Relevanzschwelle auf Grund der jeweils in den Teilarmen verringerten Wasserführung auf >125 MW.
Bei Abwärme-Großemittenten sollten mindestens folgende weitere Nachweise in der Erlaubnis verankert werden:
Temperatur:
In der Durchmischungszone zwischen Einleitstelle und Ort der Beurteilung ist eine Überschreitung der maximal zulässigen Gewässertemperatur von 28,0°C sowie der maximalen Aufwärmspanne im Gewässer von ΔT 3,0 K für maximal 1/3 des Fließquerschnittes zulässig. In diesem Bereich gelten folgende Empfehlungen: kühlwasserbedingte Wassertemperatur 30,0 °C; kühlwasserbedingte Erwärmung ΔT 6,0 K (Sommerbetrieb), ΔT 7,5 K (Winterbetrieb). Einzuhalten sind alle Werte als gleitendes 6-Stunden-Mittel mit einer maximal zulässigen jährlichen Überschreitungshäufigkeit von 2 %.
Alle Nachweise sollten auf der Grundlage einer möglichst aktuellen Gewässertopographie (Bathymetrie) erbracht werden. Folgende Szenarien sollten hierfür mindestens untersucht werden:
Um die Auswirkungen der Einleitungen auf das Gewässersystem qualitativ besser beurteilen zu können, sind gegebenenfalls folgende zusätzlichen Untersuchungen notwendig:
Die Szenarien sollten absolut und in Form von Differenzen zueinander ausgewertet werden. Es sollten Aussagen bezüglich der gutachterlichen Prognosegenauigkeit erfolgen. Diese sollten mindestens die Modellgenauigkeit, den Einfluss des natürlichen Wärmeaustauschs und den Einfluss zentraler Parameter (z.B. horizontale Diffusion) umfassen.
Sauerstoffkonzentration:
Außerdem sollte von Abwärme-Großemittenten ein dauerhafter Nachweis der Überwachung der aktuellen Sauerstoffkonzentration im Gewässer erbracht werden. Die Überwachung der Sauerstoffkonzentration sollte durch die Einrichtung geeigneter Messstellen in den von der Wärmeeinleitung im Nah- und Fernbereich betroffenen Gewässerabschnitten für das gesamte Tidegeschehen (auf- und ablaufende Tide sowie Kenterphase) sichergestellt werden. In der Regel sind je Fließrichtung jeweils zwei Messstellen ausreichend, um die Beurteilung der Sauerstoffsituation im Gewässer im Nah- und Fernbereich abzudecken. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Wirkbereich der kraftwerksbedingten Sauerstoffzehrung größer sein kann als der der kraftwerksbedingten Wärmefahne.
Sofern Dienststellen der Wasserwirtschaftsverwaltungen an geeigneten Orten bereits Messstellen betreiben, können die dort gemessenen und veröffentlichten Daten für die Überwachungszwecke der Kühlwassereinleitungen von Anlagen verwendet werden. Bei uferseitig eng zusammen liegenden Kühlwassereinleitungen unterschiedlicher Anlagenbetreiber kann die Einrichtung von gemeinsam genutzten Messstellen in gegenseitiger Kooperation unter Zustimmung der zuständigen Behörden erfolgen, um Doppelmessungen zu vermeiden.
Bezüglich der über die Sauerstoffkonzentration im Gewässer gesteuerten Abwärmeleistung sollte durch die Großemittenten Folgendes beachtet werden:
Diagramm: Abwärmeeintrag in Abhängigkeit von der Sauerstoffkonzentration im Gewässer (schematisch)
Für die übrigen Wärmeemittenten soll, um den stetig fortschreitenden Stand der Technik zu gewährleisten, dem Gleichbehandlungsgrundsatz weiterhin zu folgen und um das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren, aber auch um eine Vereinfachung der Genehmigungsentscheidungen zu erreichen sowie einen angemessenen Aufwand für die Eigen- und Fremdüberwachung sicher zu stellen, der derzeit in der Genehmigungspraxis zu Grunde gelegte Emissionsmessansatz auch zukünftig beurteilungsrelevant bleiben.
In Anlehnung an die LAWA-Richtlinie "Grundlagen für die Beurteilung von Kühlwassereinleitungen in Gewässer" 10) sowie der gewässerökologischen Besonderheiten der Tideelbe werden für Betriebe < 250 MW Abwärmeleistung (bzw. < 125 MW im Bereich von Norder- und Süderelbe) folgende Temperaturwerte für das Kühlwasser empfohlen:
Außerdem ist ganzjährig im Einleitwasser eine Mindestsauerstoffkonzentration von 6,0 mg 02/l bzw. ein Mindestsauerstoffsättigungsgrad von 80 % zu gewährleisten.
Einzuhalten sind alle Werte als gleitendes 6-Stunden-Mittel mit einer maximal zulässigen jährlichen Über- bzw. Unterschreitungshäufigkeit von 2 %.
Sofern Anhaltspunkte vorliegen, dass mit diesen pragmatischen Vorgaben die Immissionswerte des Wärmelastplans wider Erwarten nicht eingehalten werden können, sind weitere Prüfungen und unter Abwägung der ökologischen und ökonomischen Folgen, gegebenenfalls daraus resultierende Auflagen/Bedingungen erforderlich. Bei der notwendigen Umstellung von bestehenden Einleiterlaubnissen (Alterlaubnisse) ist auf angemessene Übergangsfristen zu achten.
ENDE |