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Bremisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz
- Bremen -

Vom 21. Mai 2013
(Brem.GBl. Nr. 32 vom 31.05.2013 S. 172; 14.07.2020 S. 721 20; 22.09.2020 S. 967 20a; 24.11.2020 S. 1486 20b; 12.07.2022 S. 403 22; 13.12.2022 S. 896 22a; 28.03.2023 S. 305 23)



Der Senat verkündet das nachstehende, von der Bürgerschaft (Landtag) beschlossene Gesetz:

Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Vollzug) in Einrichtungen der Landesjustizverwaltung.

§ 2 Ziele und Aufgabe des Vollzugs

Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefährlichkeit der Untergebrachten für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbringung möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann. Im Vollzug sollen die Untergebrachten fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Der Vollzug hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor erheblichen Straftaten zu schützen.

§ 3 Grundsätze der Vollzugsgestaltung

(1) Der Vollzug ist therapiegerichtet und freiheitsorientiert auszugestalten. Die Untergebrachten sind individuell und intensiv zu betreuen.

(2) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen, soweit die Untergebrachten nicht den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit unterliegen. Selbst bei langer Dauer der Unterbringung muss den Untergebrachten ein Leben in Würde und weitgehender Selbstbestimmung ermöglicht werden.

(3) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken.

(4) Der Bezug der Untergebrachten zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern. Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs sollen in den Vollzugsalltag einbezogen werden. Den Untergebrachten ist sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit zu gewähren.

(5) Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Untergebrachten, insbesondere im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Herkunft, werden bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall berücksichtigt.

§ 4 Stellung der Untergebrachten, Mitwirkung

(1) Die Untergebrachten sind so zu behandeln, dass der Anschein vermieden wird, sie würden zur Verbüßung einer Strafe festgehalten.

(2) Die Persönlichkeit der Untergebrachten ist zu achten. Ihre Selbstständigkeit im Vollzugsalltag ist soweit wie möglich zu erhalten und zu fördern.

(3) Die Untergebrachten werden an der Gestaltung des Vollzugsalltags beteiligt. Vollzugliche Maßnahmen sollen ihnen erläutert werden.

(4) Zur Erreichung der Vollzugsziele bedarf es der Mitwirkung der Untergebrachten. Ihre Bereitschaft hierzu ist fortwährend zu wecken und zu fördern.

(5) Die Untergebrachten unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Einrichtung erforderlich sind.

(6) Von mehreren geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu treffen, die die Untergebrachten voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder nicht mehr erreicht werden kann.

(7) Bei der Ausübung von Ermessen und der Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen ist auch zu berücksichtigen, inwieweit die jeweilige Maßnahme geeignet ist, die Bereitschaft der Untergebrachten, an der Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 mitzuwirken, zu wecken und zu fördern.

§ 5 Soziale Hilfe

Die Untergebrachten werden darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.

Abschnitt 2
Aufnahme, Diagnose, Vollzugs- und Eingliederungsplanung

§ 6 Aufnahmeverfahren

(1) Mit den Untergebrachten wird unverzüglich nach der Aufnahme ein Zugangsgespräch geführt, in dem ihre gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten sowie über die Ausgestaltung der Unterbringung informiert werden. Ihnen wird ein Exemplar der Hausordnung ausgehändigt. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind den Untergebrachten auf Verlangen zugänglich zu machen.

(2) Während des Aufnahmeverfahrens dürfen andere Untergebrachte nicht zugegen sein.

(3) Die Untergebrachten werden alsbald ärztlich untersucht.

§ 7 Diagnoseverfahren

(1) An das Aufnahmeverfahren schließt sich zur Vorbereitung der Vollzugs- und Eingliederungsplanung das Diagnoseverfahren an.

(2) Das Diagnoseverfahren muss wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen und von Personen mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation durchgeführt werden.

(3) Das Diagnoseverfahren erstreckt sich, aufbauend auf den Erkenntnissen aus dem Vollzug vorangegangener Freiheitsentziehungen, auf die Persönlichkeit, die sozialen Bezüge sowie alle sonstigen Gesichtspunkte, deren Kenntnis für eine Beurteilung der Gefährlichkeit der Untergebrachten, eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung der Untergebrachten nach der Entlassung notwendig erscheint.

(4) Im Diagnoseverfahren werden die im Einzelfall die Gefährlichkeit begründenden Faktoren ermittelt. Gleichzeitig sollen die Fähigkeiten der Untergebrachten ermittelt werden, deren Stärkung der Gefährlichkeit entgegenwirken kann.

§ 8 Vollzugs- und Eingliederungsplanung

(1) Auf der Grundlage des Ergebnisses des Diagnoseverfahrens wird unverzüglich ein Vollzugs- und Eingliederungsplan erstellt, der die individuellen Behandlungsziele festlegt und die zu ihrer Erreichung erforderlichen Maßnahmen benennt. Daneben enthält er weitere Angebote und Empfehlungen zur sinnvollen Gestaltung des Lebens im Vollzug. Den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Untergebrachten ist Rechnung zu tragen.

(2) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie die darin vorgesehenen Maßnahmen werden regelmäßig überprüft und fortgeschrieben. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen, die jeweils sechs Monate nicht übersteigen sollen. Die Entwicklung der Untergebrachten und die in der Zwischenzeit gewonnenen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen. Die durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren.

(3) Die Vollzugs- und Eingliederungsplanung wird mit den Untergebrachten erörtert. Dabei werden deren Anregungen und Vorschläge einbezogen, soweit sie der Erreichung der Vollzugsziele dienen.

(4) Zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans führt die Leitung der Einrichtung eine Konferenz mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durch. Die im Vollzug einer vorangegangenen Freiheitsentziehung an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten können an der Konferenz beteiligt werden. Standen die Untergebrachten vor ihrer Unterbringung unter Bewährung oder Führungsaufsicht, kann auch der für sie bislang zuständige Bewährungshelfer oder die für sie bislang zuständige Bewährungshelferin an der Konferenz beteiligt werden. Den Untergebrachten wird der Vollzugs- und Eingliederungsplan in der Konferenz eröffnet und erläutert. Sie können auch darüber hinaus an der Konferenz beteiligt werden.

(5) An der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sind nach Möglichkeit in die Planung einzubeziehen. Sie können mit Zustimmung der Untergebrachten auch an der Konferenz beteiligt werden.

(6) Spätestens ein Jahr vor einer voraussichtlichen Entlassung ist dem künftig zuständigen Bewährungshelfer oder der künftig zuständigen Bewährungshelferin die Teilnahme an der Konferenz zu ermöglichen und sind ihm oder ihr der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen zu übersenden.

(7) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen werden den Untergebrachten ausgehändigt.

§ 9 Inhalt des Vollzugs- und Eingliederungsplans

(1) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen enthalten unter Berücksichtigung von § 15 Absatz 2 Satz 2 insbesondere folgende Angaben:

  1. Zusammenfassung der für die Vollzugs- und Eingliederungsplanung maßgeblichen Ergebnisse des Diagnoseverfahrens,
  2. Maßnahmen zur Förderung der Mitwirkungsbereitschaft,
  3. Teilnahme an psychiatrischen, psychotherapeutischen oder sozialtherapeutischen Maßnahmen,
  4. Teilnahme an anderen einzel- oder gruppentherapeutischen Maßnahmen,
  5. Unterbringung in einer Wohngruppe und Teilnahme am Wohngruppenvollzug,
  6. Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und -missbrauch,
  7. Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz,
  8. Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen einschließlich Alphabetisierungs- und Deutschkursen,
  9. Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining,
  10. Arbeit,
  11. freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung,
  12. Teilnahme an Sportangeboten und Maßnahmen zur strukturierten Gestaltung der Freizeit,
  13. Ausführungen zur Erreichung der Vollzugsziele, Außenbeschäftigung,
  14. Lockerungen zur Erreichung der Vollzugsziele,
  15. Unterbringung im offenen Vollzug,
  16. Aufrechterhaltung, Förderung und Gestaltung von Außenkontakten,
  17. Schuldnerberatung, Schuldenregulierung und Erfüllung von Unterhaltspflichten,
  18. Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge und
  19. Frist zur Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 3, 4, 6 bis 9, die nach dem Ergebnis des Diagnoseverfahrens als zur Erreichung der Vollzugsziele zwingend erforderlich erachtet werden, sind als solche zu kennzeichnen und gehen allen anderen Maßnahmen vor. Andere Maßnahmen können versagt werden, soweit sie die Teilnahme an Maßnahmen nach Satz 1 beeinträchtigen würden.

(3) Spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt hat die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung zu beginnen. Anknüpfend an die bisherige Vollzugsplanung werden ab diesem Zeitpunkt die Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 18 konkretisiert oder ergänzt. Insbesondere ist Stellung zu nehmen zu:

  1. Unterbringung im offenen Vollzug,
  2. Unterkunft sowie Arbeit oder Ausbildung nach der Entlassung,
  3. Unterstützung bei notwendigen Behördengängen und der Beschaffung der notwendigen persönlichen Dokumente,
  4. Beteiligung der Bewährungshilfe und der Forensischen Ambulanzen,
  5. Kontaktaufnahme zu Einrichtungen der Entlassenenhilfe,
  6. Fortsetzung von im Vollzug noch nicht abgeschlossenen Maßnahmen,
  7. Anregung von Auflagen und Weisungen für die Bewährungs- oder Führungsaufsicht,
  8. Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen,
  9. nachgehende Betreuung durch Vollzugsbedienstete.

Abschnitt 3
Unterbringung, Verlegung

§ 10 Trennungsgrundsätze

(1) Untergebrachte sind von Gefangenen zu trennen.

(2) Männliche und weibliche Untergebrachte sind zu trennen.

(3) Abweichend von Absatz 1 sind gemeinsame Maßnahmen im Bereich der Arbeitstherapie, des Arbeitstrainings, der schulischen und beruflichen Qualifizierung, der Arbeit, der Freizeit und der Religionsausübung zulässig, um ein differenziertes Angebot zu gewährleisten. Für andere Maßnahmen gilt dies ausnahmsweise dann, wenn es die Behandlung nach § 66c Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs erfordert.

(4) Von einer getrennten Unterbringung nach Absatz 1 darf ausnahmsweise abgewichen werden, wenn es die Behandlung nach § 66c Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs erfordert. Dies erfasst auch die Unterbringung in der sozialtherapeutischen Abteilung oder im offenen Vollzug zur Entlassungsvorbereitung. Eine Abweichung ist auch bei einer Überstellung nach § 14 Absatz 3 und 4 zulässig. Die Unterbringungsbedingungen müssen sich außer in den Fällen des § 14 Absatz 4 im Rahmen der vorhandenen Gegebenheiten von denen der Gefangenen unterscheiden.

(5) Abweichend von Absatz 2 sind gemeinsame Maßnahmen, insbesondere zur schulischen und beruflichen Qualifizierung, zulässig.

(6) Absatz 1 und 2 gilt nicht für eine Unterbringung zum Zweck der medizinischen Behandlung.

§ 11 Unterbringung und Bewegungsfreiheit

(1) Die Untergebrachten erhalten Zimmer zur alleinigen Nutzung. Die Zimmer sind so zu gestalten, dass den Untergebrachten ausreichender Raum zum Wohnen und Schlafen zur Verfügung steht. Ein baulich abgetrennter Sanitärbereich ist vorzusehen. Die Zimmer befinden sich regelmäßig im Bereich einer Wohngruppe.

(2) Sofern für Untergebrachte eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht, können sie vorübergehend mit anderen gemeinsam untergebracht werden, wenn diese zustimmen und die Vollzugsziele nicht gefährdet werden.

(3) Die Untergebrachten dürfen sich in den für sie vorgesehenen Bereichen der Einrichtung einschließlich des Außenbereichs frei bewegen. Während der Nachtruhe können die Untergebrachten in ihren Zimmern eingeschlossen werden. Weitere Einschränkungen sind zulässig, wenn es die Sicherheit oder schwerwiegende Gründe der Ordnung der Einrichtung erfordern oder ein schädlicher Einfluss auf andere Untergebrachte zu befürchten ist.

§ 12 Wohngruppenvollzug

(1) Der Vollzug wird regelmäßig als Wohngruppenvollzug ausgestaltet.

(2) Der Wohngruppenvollzug dient der Einübung sozialverträglichen Zusammenlebens, insbesondere von Toleranz sowie der Übernahme von Verantwortung für sich und andere.

(3) Eine Wohngruppe wird in einem baulich abgegrenzten Bereich eingerichtet, zu dem neben den Zimmern weitere Räume und Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung gehören. Sie wird in der Regel von fest zugeordneten Bediensteten betreut.

§ 13 Geschlossener und offener Vollzug

(1) Die Unterbringung erfolgt im geschlossenen Vollzug.

(2) Die Untergebrachten sollen insbesondere zur Entlassungsvorbereitung im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen, namentlich nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs zu erheblichen Straftaten missbrauchen werden. Einrichtungen des offenen Vollzugs sehen verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor.

(3) Genügen die Untergebrachten den besonderen Anforderungen der Unterbringung im offenen Vollzug nicht mehr, werden sie im geschlossenen Vollzug untergebracht.

§ 14 Verlegung und Überstellung

(1) Die Untergebrachten können abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Einrichtung verlegt werden, wenn die Erreichung der Vollzugsziele hierdurch gefördert wird oder zwingende Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe dies erfordern. Sie dürfen aus wichtigem Grund in eine andere Einrichtung überstellt werden.

(2) Die Untergebrachten dürfen ausnahmsweise in eine Justizvollzugsanstalt verlegt oder überstellt werden, wenn ihre Behandlung nach § 66c Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs es erfordert.

(3) Untergebrachte können in eine Justizvollzugsanstalt überstellt werden, wenn dies zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins oder aus einem vergleichbaren Grund zwingend erforderlich ist.

(4) Auf ihren Antrag können Untergebrachte aus wichtigem Grund in eine Justizvollzugsanstalt überstellt werden, wenn dies die Behandlung nicht beeinträchtigt und sie sich mit den dortigen Bedingungen einverstanden erklären.

Abschnitt 4
Therapeutische Ausgestaltung und Maßnahmen

§ 15 Therapeutische Ausgestaltung

(1) Der Vollzug ist auf der Grundlage des Lebens in einer Gemeinschaft therapeutisch auszugestalten. Er bedient sich sozial- und psychotherapeutischer, psychiatrischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen.

(2) Den Untergebrachten sind die zur Erreichung der Vollzugsziele im Einzelfall erforderlichen therapeutischen Maßnahmen anzubieten. Soweit standardisierte Therapiemethoden nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuell zugeschnittene Behandlungsangebote zu unterbreiten.

(3) Bei der therapeutischen Ausgestaltung des Vollzugs wirken Bedienstete verschiedener Fachrichtungen in enger Abstimmung zusammen. Soweit es erforderlich ist, sind externe Fachkräfte einzubeziehen.

§ 16 Motivierungsmaßnahmen

(1) Motivierungsmaßnahmen fördern die Bereitschaft der Untergebrachten, an der Erreichung der Vollzugsziele mitzuwirken. Hierzu gehören insbesondere wiederkehrende Gesprächsangebote, die Beziehungsfähigkeit fördernde Maßnahmen und die Vermittlung des therapeutischen Konzepts.

(2) Zur Motivierung können auch Vergünstigungen gewährt oder bereits gewährte Vergünstigungen wieder entzogen werden. Die Ansprüche der Untergebrachten nach diesem Gesetz bleiben unberührt.

§ 17 Sozialtherapeutische Maßnahmen

Sozialtherapeutische Maßnahmen bedienen sich auf der Grundlage einer therapeutischen Gemeinschaft psychotherapeutischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die in umfassenden Behandlungsprogrammen verbunden werden. Personen aus dem Lebensumfeld der Untergebrachten außerhalb des Vollzugs werden in die Behandlung einbezogen.

§ 18 Psychotherapeutische Maßnahmen

Psychotherapeutische Maßnahmen im Vollzug dienen insbesondere der Behandlung psychischer Störungen des Verhaltens und Erlebens, die in einem Zusammenhang mit der Gefährlichkeit stehen. Sie werden durch systematische Anwendung wissenschaftlich fundierter psychologischer Methoden der Gesprächsführung mit einer oder mehreren Personen durchgeführt.

§ 19 Psychiatrische Maßnahmen

Psychiatrische Maßnahmen im Vollzug dienen der Behandlung psychiatrischer Krankheiten, die in einem Zusammenhang mit der Gefährlichkeit stehen. Sie erfolgen auf der Grundlage ärztlicher Standards und Behandlungsleitlinien sowie standardisierter testpsychologischer Untersuchungen und berücksichtigen alle Lebensbereiche der Untergebrachten. In geeigneten Fällen erfolgt eine medikamentöse Unterstützung der therapeutischen Behandlung.

Abschnitt 5
Arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeit

§ 20 Arbeitstherapeutische Maßnahmen

Arbeitstherapeutische Maßnahmen dienen dazu, dass die Untergebrachten Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit einüben, um sie stufenweise an die Grundanforderungen des Arbeitslebens heranzuführen.

§ 21 Arbeitstraining

Arbeitstraining dient dazu, Untergebrachten, die nicht in der Lage sind, einer regelmäßigen und erwerbsorientierten Beschäftigung nachzugehen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die eine Eingliederung in das leistungsorientierte Arbeitsleben fördern. Die dafür vorzuhaltenden Maßnahmen sind danach auszurichten, dass sie den Untergebrachten für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen vermitteln.

§ 22 Schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen

(1) Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung und vorberufliche Qualifizierung im Vollzug (schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen) haben das Ziel, den Untergebrachten Fähigkeiten zur Eingliederung und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln sowie vorhandene Fähigkeiten zu verbessern oder zu erhalten. Sie werden in der Regel als Vollzeitmaßnahme durchgeführt. Bei der Festlegung von Inhalten, Methoden und Organisationsformen der Bildungsangebote werden die Besonderheiten der jeweiligen Zielgruppe berücksichtigt.

(2) Berufliche Qualifizierungsmaßnahmen sind darauf auszurichten, den Untergebrachten für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen zu vermitteln.

(3) Geeigneten Untergebrachten soll die Teilnahme an einer schulischen oder beruflichen Ausbildung ermöglicht werden, die zu einem anerkannten Abschluss führt.

(4) Können Maßnahmen während des Vollzugs nicht abgeschlossen werden, trägt die Einrichtung in Zusammenarbeit mit außervollzuglichen Einrichtungen dafür Sorge, dass die begonnene Qualifizierungsmaßnahme nach der Entlassung fortgesetzt werden kann.

(5) Nachweise über schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen dürfen keinen Hinweis auf die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung enthalten.

§ 23 Arbeit

Den Untergebrachten soll Arbeit angeboten werden. § 9 Absatz 2 bleibt unberührt. Nehmen sie eine Arbeit auf, gelten die festgelegten Arbeitsbedingungen. Die Arbeit darf nicht zur Unzeit niedergelegt werden.

§ 24 Freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung

(1) Untergebrachte, die nach § 40 Absatz 1 Nummer 4 zum Freigang zugelassen sind, soll gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses oder der Selbstbeschäftigung außerhalb der Einrichtung nachzugehen, wenn die Beschäftigungsstelle geeignet ist und nicht überwiegende Gründe des Vollzugs entgegenstehen. § 42 gilt entsprechend.

(2) Das Entgelt ist der Einrichtung zur Gutschrift für die Untergebrachten zu überweisen.

§ 25 Freistellung von der Arbeit

(1) Haben die Untergebrachten ein halbes Jahr lang gearbeitet, so können sie beanspruchen, zehn Arbeitstage von der Arbeit freigestellt zu werden. Zeiten, in denen die Untergebrachten infolge Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert waren, werden auf das Halbjahr mit bis zu 15 Arbeitstagen angerechnet. Der Anspruch verfällt, wenn die Freistellung nicht innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung erfolgt ist.

(2) Auf die Zeit der Freistellung werden Langzeitausgänge nach § 40 Absatz 1 Nummer 3 angerechnet, soweit sie in die Arbeitszeit fallen. Gleiches gilt für Langzeitausgänge nach § 41, soweit er nicht wegen des Todes oder einer lebensgefährlichen Erkrankung naher Angehöriger erteilt worden ist.

(3) Der Zeitraum der Freistellung muss mit den betrieblichen Belangen vereinbar sein.

(4) Die Untergebrachten erhalten für die Zeit der Freistellung ihr Arbeitsentgelt weiter.

(5) Urlaubsregelungen freier Beschäftigungsverhältnisse bleiben unberührt.

(6) Für Maßnahmen nach § 22 Absatz 1 gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend, sofern diese den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erreichen.

Abschnitt 6
Besuche, Telefongespräche, Schriftwechsel, andere Formen der Telekommunikation und Pakete

§ 26 Grundsatz

Die Untergebrachten haben das Recht, mit Personen außerhalb der Einrichtung im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zu verkehren.

§ 27 Besuch

(1) Die Untergebrachten dürfen regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens zehn Stunden im Monat.

(2) Besuche von Angehörigen im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs werden besonders unterstützt.

(3) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Eingliederung der Untergebrachten fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen.

(4) Die Leitung der Einrichtung soll über Absatz 1 hinausgehend mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) zulassen, wenn dies zur Pflege familiärer, partnerschaftlicher oder ihnen gleichzusetzender Kontakte der Untergebrachten geboten erscheint und die Untergebrachten hierfür geeignet sind.

(5) Besuche von Verteidigern und Verteidigerinnen sowie von Rechtsanwälten, Rechtsanwältinnen und Notaren und Notarinnen in einer die Untergebrachten betreffenden Rechtssache sind zu gestatten.

§ 28 Untersagung der Besuche

Die Leitung der Einrichtung kann Besuche untersagen, wenn

  1. die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet würde,
  2. bei Personen, die nicht Angehörige der Untergebrachten im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs sind, zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Untergebrachten haben oder die Erreichung der Vollzugsziele behindern, oder
  3. bei Personen, die Opfer der Straftat waren, zu befürchten ist, dass die Begegnung mit den Untergebrachten einen schädlichen Einfluss auf sie hat.

§ 29 Durchführung der Besuche

(1) Aus Gründen der Sicherheit können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher mit technischen Hilfsmitteln absuchen oder durchsuchen lassen. Eine inhaltliche Überprüfung der von Verteidigern mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig. § 35 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Besuche können beaufsichtigt werden, wenn dies im Einzelfall aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung erforderlich ist. Die Beaufsichtigung kann mit technischen Hilfsmitteln durchgeführt werden; die betroffenen Personen sind vorher darauf hinzuweisen. Eine Aufzeichnung findet nicht statt.

(3) Besuche von Verteidigern werden nicht beaufsichtigt.

(4) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn Besucher oder Untergebrachte gegen dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen trotz Abmahnung verstoßen. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen.

(5) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch der Verteidiger und Verteidigerinnen übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen sowie für die bei dem Besuch von Rechtsanwälten, Rechtsanwältinnen oder Notaren und Notarinnen zur Erledigung einer die Untergebrachten betreffenden Rechtssache übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen. Bei dem Besuch von Rechtsanwälten, Rechtsanwältinnen oder Notaren und Notarinnen kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung von der Erlaubnis der Leitung der Einrichtung abhängig gemacht werden. § 35 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(6) Die Leitung der Einrichtung kann im Einzelfall die Nutzung einer Trennvorrichtung anordnen, wenn dies zum Schutz von Personen oder zur Verhinderung einer Übergabe von Gegenständen erforderlich ist.

§ 30 Überwachung der Gespräche

(1) Gespräche dürfen nur überwacht werden, soweit es im Einzelfall wegen einer Gefährdung der Erreichung der Vollzugsziele oder aus Gründen der Sicherheit erforderlich ist.

(2) Gespräche mit Verteidigern und Verteidigerinnen werden nicht überwacht.

§ 31 Telefongespräche

(1) Die Untergebrachten dürfen unter Vermittlung der Einrichtung Telefongespräche führen. Die Vorschriften über den Besuch gelten entsprechend. Eine beabsichtigte Überwachung teilt die Einrichtung den Untergebrachten rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs und den Gesprächspartnern der Untergebrachten unmittelbar nach Herstellung der Verbindung mit.

(2) Die Kosten der Telefongespräche tragen die Untergebrachten. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Einrichtung die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

(3) Der Besitz und die Benutzung von Geräten zur funkbasierten Übertragung von Informationen sind auf dem Gelände der Einrichtung verboten, soweit diese nicht dienstlich zugelassen sind. Die Leitung der Einrichtung kann abweichende Regelungen treffen.

(4) Die Einrichtung darf technische Geräte betreiben, die

  1. das Auffinden von Geräten zur Funkübertragung ermöglichen,
  2. Geräte zur Funkübertragung zum Zwecke des Auffindens aktivieren können oder
  3. Frequenzen stören oder unterdrücken, die der Herstellung oder Aufrechterhaltung unerlaubter Funkverbindungen auf dem Gelände der Einrichtung dienen.

Sie hat die von der Bundesnetzagentur gemäß § 55 Absatz 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes festgelegten Rahmenbedingungen zu beachten. Frequenznutzungen außerhalb des Geländes der Einrichtung dürfen nicht erheblich gestört werden.

§ 32 Schriftwechsel

(1) Die Untergebrachten haben das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen.

(2) Die Kosten des Schriftwechsels tragen die Untergebrachten. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Einrichtung die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 33 Untersagung des Schriftwechsels

Die Leitung der Einrichtung kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn

  1. die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet würde,
  2. bei Personen, die nicht Angehörige der Untergebrachten im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs sind, zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf die Untergebrachten hat oder die Erreichung der Vollzugsziele behindert,
  3. bei Personen, die Opfer der Straftat waren, zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf sie hat.

§ 34 Sichtkontrolle, Weiterleitung und Aufbewahrung von Schreiben

(1) Die Untergebrachten haben das Absenden und den Empfang von Schreiben durch die Einrichtung vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist. Ein- und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.

(2) Ein- und ausgehende Schreiben werden auf verbotene Gegenstände kontrolliert.

(3) Die Untergebrachten haben eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Sie können sie verschlossen zu ihrer Habe geben.

§ 35 Überwachung des Schriftwechsels

(1) Der Schriftwechsel darf nur überwacht werden, soweit es im Einzelfall wegen einer Gefährdung der Erreichung der Vollzugsziele oder aus Gründen der Sicherheit erforderlich ist.

(2) Der Schriftwechsel der Untergebrachten mit ihren Verteidigern und Verteidigerinnen wird nicht überwacht. Liegt dem Vollzug eine Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 des Strafgesetzbuchs zugrunde, gelten § 148 Absatz 2 und § 148a der Strafprozessordnung entsprechend; dies gilt nicht, wenn die Untergebrachten sich im offenen Vollzug befinden oder wenn ihnen Lockerungen nach § 40 gewährt worden sind und ein Grund, der die Leitung der Einrichtung zum Widerruf von Lockerungen ermächtigt, nicht vorliegt.

(3) Nicht überwacht werden ferner Schreiben der Untergebrachten an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, den Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, den zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und die entsprechenden Nationalen Präventionsmechanismen, die konsularische Vertretung ihres Heimatlandes und weitere Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. Satz 1 gilt auch für den Schriftverkehr mit den Bürgerbeauftragten der Länder und den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Schreiben der in den Sätzen 1 bis 3 genannten Stellen, die an die Untergebrachten gerichtet sind, werden nicht überwacht, sofern die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht.

§ 36 Anhalten von Schreiben

(1) Die Leitung der Einrichtung kann Schreiben anhalten, wenn

  1. die Erreichung der Vollzugsziele oder die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet würde,
  2. die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
  3. sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Verhältnissen der Einrichtung oder grobe Beleidigungen enthalten,
  4. sie die Eingliederung anderer Untergebrachter oder Gefangener gefährden können oder
  5. sie in Geheim- oder Kurzschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.

(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn die Untergebrachten auf dem Absenden bestehen.

(3) Sind Schreiben angehalten worden, wird das den Untergebrachten mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen nicht angezeigt ist, verwahrt.

(4) Schreiben, deren Überwachung ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 37 Andere Formen der Telekommunikation

Nach Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes durch die Aufsichtsbehörde soll die Leitung der Einrichtung den Untergebrachten gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. Die Bestimmungen dieses Abschnitts gelten entsprechend.

§ 38 Pakete

(1) Die Untergebrachten dürfen Pakete empfangen. Die Einrichtung kann Gewicht und Größe von Sendungen festsetzen und einzelne Gegenstände vom Paketempfang ausnehmen, wenn die Erreichung der Vollzugsziele oder die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet werden.

(2) Die Einrichtung kann die Annahme von Paketen, die die Voraussetzungen des Absatz 1 nicht erfüllen, ablehnen oder solche Pakete an den Absender zurücksenden.

(3) Pakete sind in Gegenwart der Untergebrachten zu öffnen, an die sie adressiert sind. Mit nicht zugelassenen oder ausgeschlossenen Gegenständen ist gemäß § 54 Absatz 3 zu verfahren. Sie können auch auf Kosten der Untergebrachten zurückgesandt werden.

(4) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung unerlässlich ist.

(5) Die Untergebrachten dürfen Pakete versenden. Der Inhalt kann aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung überprüft werden.

(6) Die Kosten des Paketversandes tragen die Untergebrachten. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Einrichtung die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

Abschnitt 7
Vollzugsöffnende Maßnahmen und sonstige Aufenthalte außerhalb der Einrichtung

§ 39 Vollzugsöffnende Maßnahmen

Vollzugsöffnende Maßnahmen werden in Form von Lockerungen, Ausführungen und Außenbeschäftigung gewährt.

§ 40 Lockerungen zur Erreichung der Vollzugsziele

(1) Aufenthalte außerhalb der Einrichtung ohne Aufsicht (Lockerungen) können den Untergebrachten zur Erreichung der Vollzugsziele gewährt werden. Lockerungen sind:

  1. das Verlassen der Einrichtung für bis zu 24 Stunden in Begleitung einer von der Einrichtung zugelassenen Person (begleiteter Ausgang),
  2. das Verlassen der Einrichtung für bis zu 24 Stunden ohne Begleitung (unbegleiteter Ausgang),
  3. das Verlassen der Einrichtung für mehrere Tage (Langzeitausgang) und
  4. die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Einrichtung (Freigang).

Der Langzeitausgang kann höchstens zwei Wochen dauern.

(2) Die Lockerungen sind anzuordnen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die Untergebrachten sich dem Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Lockerungen zu erheblichen Straftaten missbrauchen werden. Die Anordnung bedarf der Zustimmung der Untergebrachten.

§ 41 Lockerungen aus sonstigen Gründen

Lockerungen sind auch aus wichtigem Anlass zu gewähren. Wichtige Anlässe sind insbesondere die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, die medizinische Behandlung der Untergebrachten sowie der Tod oder eine lebensgefährliche Erkrankung naher Angehöriger. § 40 Absatz 2 gilt entsprechend.

§ 42 Weisungen für Lockerungen

Für Lockerungen sind die nach den Umständen des Einzelfalles erforderlichen Weisungen zu erteilen. Bei der Ausgestaltung der Lockerungen ist nach Möglichkeit auch den Belangen des Opfers Rechnung zu tragen.

§ 43 Ausführungen zur Erreichung der Vollzugsziele

Werden Lockerungen nicht gewährt, ist den Untergebrachten das Verlassen der Einrichtung unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht für eine bestimmte Tageszeit (Ausführung) zu gestatten. Ausführungen erfolgen soweit es zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 erforderlich ist, nach Aufstellung des Vollzugsplans mindestens jedoch einmal im Monat. Lockerungen nach § 40 werden hierauf angerechnet. Die Ausführungen dienen insbesondere der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung oder der Vorbereitung von Lockerungen. Sie dürfen nur versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die Untergebrachten sich trotz besonderer Sicherungsmaßnahmen dem Vollzug entziehen oder die Ausführung zu erheblichen Straftaten missbrauchen werden. Die Ausführungen unterbleiben auch dann, wenn die zur Sicherung erforderlichen Maßnahmen den Zweck der Ausführung gefährden.

§ 44 Ausführungen aus sonstigen Gründen

(1) Aus wichtigem Anlass können den Untergebrachten Ausführungen gewährt werden. Die Untergebrachten können gegen ihren Willen ausgeführt werden. § 40 Absatz 2 und § 43 Satz 5 und 6 gelten entsprechend.

(2) Für Ausführungen, die ausschließlich im Interesse der Untergebrachten erfolgen, können ihnen die Kosten auferlegt werden, soweit dies die Behandlung oder die Eingliederung nicht behindert.

§ 45 Außenbeschäftigung

Den Untergebrachten kann gestattet werden, außerhalb der Einrichtung einer regelmäßigen Beschäftigung unter ständiger Aufsicht oder unter Aufsicht in unregelmäßigen Abständen (Außenbeschäftigung) nachzugehen. § 40 Absatz 2 gilt entsprechend.

§ 46 Vorführung, Ausantwortung

(1) Auf Ersuchen eines Gerichts werden Untergebrachte vorgeführt, sofern ein Vorführungsbefehl vorliegt.

(2) Untergebrachte dürfen befristet dem Gewahrsam eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft oder einer Polizei-, Zoll- oder Finanzbehörde auf Antrag überlassen werden (Ausantwortung).

Abschnitt 8
Vorbereitung der Eingliederung, Entlassung und nachgehende Betreuung

§ 47 Vorbereitung der Eingliederung

(1) Die Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung sind auf den Zeitpunkt der Entlassung in die Freiheit abzustellen. Die Untergebrachten sind bei der Ordnung ihrer persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu unterstützen. Dies umfasst die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen.

(2) Die Einrichtung arbeitet frühzeitig, mindestens aber zwölf Monate vor der voraussichtlichen Entlassung mit Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs zusammen, insbesondere, um zu erreichen, dass die Untergebrachten nach ihrer Entlassung über eine geeignete Unterkunft und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen sowie bei Bedarf Zugang zu therapeutischen und anderen nachsorgenden Maßnahmen erhalten. Bewährungshilfe und Führungsaufsichtsstelle beteiligen sich frühzeitig, mindestens aber sechs Monate vor der voraussichtlichen Entlassung, an der sozialen und beruflichen Eingliederung der Untergebrachten.

(3) Den Untergebrachten kann ein zusammenhängender Langzeitausgang bis zu sechs Monaten gewährt werden, wenn dies zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlich ist. § 40 Absatz 2 sowie § 42 gelten entsprechend.

§ 48 Entlassung

(1) Die Untergebrachten sollen am Tag ihrer Entlassung möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden.

(2) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu fünf Tage vorverlegt werden, wenn die Untergebrachten zu ihrer Eingliederung hierauf dringend angewiesen sind.

(3) Bedürftigen Untergebrachten kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.

(4) Bei Bedarf soll die Einrichtung den Transport in eine Unterkunft sicherstellen.

§ 49 Nachgehende Betreuung

(1) Die Einrichtung kann den Entlassenen auf Antrag kurzfristig Hilfestellung gewähren, soweit diese nicht anderweitig zur Verfügung steht und der Erfolg der Behandlung gefährdet erscheint.

(2) Mit Zustimmung der Leitung der Einrichtung können Bedienstete an der nachgehenden Betreuung Entlassener mit deren Einverständnis mitwirken, wenn ansonsten die Eingliederung gefährdet wäre. Die nachgehende Betreuung kann auch außerhalb der Einrichtung erfolgen. In der Regel ist sie auf die ersten sechs Monate nach der Entlassung beschränkt.

§ 50 Verbleib oder Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

(1) Sofern es die Belegungssituation zulässt, können die Untergebrachten auf Antrag ausnahmsweise vorübergehend in der Einrichtung verbleiben oder wieder aufgenommen werden, wenn die Eingliederung gefährdet und ein Aufenthalt in der Einrichtung aus diesem Grunde gerechtfertigt ist. Die Unterbringung erfolgt auf vertraglicher Basis.

(2) Gegen die in der Einrichtung untergebrachten Entlassenen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.

(3) Bei Störung des Betriebs der Einrichtung durch die Entlassenen oder aus vollzugsorganisatorischen Gründen kann die Unterbringung jederzeit beendet werden.

Abschnitt 9
Grundversorgung und Freizeit

§ 51 Einbringen von Gegenständen

Gegenstände dürfen durch oder für die Untergebrachten nur mit Zustimmung der Einrichtung eingebracht werden. Die Einrichtung kann die Zustimmung verweigern, wenn die Gegenstände geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung oder die Erreichung der Vollzugsziele zu gefährden oder ihre Aufbewahrung nach Art oder Umfang offensichtlich nicht möglich ist.

§ 52 Gewahrsam an Gegenständen

Die Einrichtung kann Annahme und Abgabe von Gegenständen zwischen Untergebrachten und den Gewahrsam an ihnen von ihrer Zustimmung abhängig machen. Sie kann die Zustimmung unter den Voraussetzungen des § 51 Satz 2 verweigern.

§ 53 Ausstattung des Zimmers

Die Untergebrachten dürfen ihr Zimmer mit eigenen Gegenständen ausstatten oder diese dort aufbewahren. Gegenstände, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung, insbesondere die Übersichtlichkeit des Zimmers, oder die Erreichung der Vollzugsziele zu gefährden, dürfen nicht in das Zimmer eingebracht werden oder werden daraus entfernt.

§ 54 Aufbewahrung und Vernichtung von Gegenständen 20b

(1) Gegenstände, die die Untergebrachten nicht im Zimmer aufbewahren dürfen oder wollen, werden von der Einrichtung aufbewahrt, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist.

(2) Den Untergebrachten wird Gelegenheit gegeben, ihre Gegenstände, die sie während des Vollzugs und für ihre Entlassung nicht benötigen, zu versenden. § 38 Absatz 6 gilt entsprechend.

(3) Werden Gegenstände, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, von den Untergebrachten trotz Aufforderung nicht aus der Einrichtung verbracht, so darf die Einrichtung diese Gegenstände auf Kosten der Untergebrachten außerhalb der Einrichtung verwahren, verwerten oder vernichten. Für die Voraussetzungen und das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 23 des Bremischen Polizeigesetzes entsprechend.

(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Einrichtung vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

§ 55 Zeitungen und Zeitschriften, religiöse Schriften und Gegenstände

(1) Die Untergebrachten dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften durch Vermittlung der Einrichtung beziehen. Ausgeschlossen sind lediglich Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften können den Untergebrachten vorenthalten oder entzogen werden, wenn deren Inhalte die Erreichung der Vollzugsziele oder die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung erheblich gefährden würden.

(2) Die Untergebrachten dürfen grundlegende religiöse Schriften sowie in angemessenem Umfang Gegenstände des religiösen Gebrauchs besitzen. Diese dürfen den Untergebrachten nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

§ 56 Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik

(1) Der Zugang zum Rundfunk ist zu ermöglichen.

(2) Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte werden zugelassen, wenn nicht Gründe des § 53 Satz 2 entgegenstehen. Andere Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik können unter diesen Voraussetzungen zugelassen werden. Die Untergebrachten können auf Mietgeräte oder auf ein Mediensystem verwiesen werden. § 37 bleibt unberührt.

§ 57 Kleidung

(1) Die Untergebrachten dürfen eigene Kleidung tragen und eigene Wäsche benutzen. Auf Antrag stellt die Einrichtung den Untergebrachten Kleidung und Wäsche zur Verfügung und ordnet diese persönlich zu.

(2) Sofern die Untergebrachten nicht für eine regelmäßige Reinigung und Instandsetzung ihrer eigenen Kleidung und Wäsche auf ihre Kosten sorgen, können sie verpflichtet werden, von der Einrichtung gestellte Kleidung und Wäsche zu benutzen.

§ 58 Verpflegung und Einkauf

(1) Die Untergebrachten dürfen sich selbst verpflegen, soweit nicht die Sicherheit oder schwerwiegende Gründe der Ordnung der Einrichtung entgegenstehen.

(2) Verpflegen sich die Untergebrachten selbst, tragen sie die Kosten und werden von der Gemeinschaftsverpflegung der Einrichtung ausgenommen. Die Einrichtung unterstützt die Untergebrachten durch einen zweckgebundenen Zuschuss in Höhe der ersparten Aufwendungen. Die Einrichtung kann stattdessen Lebensmittel zur Verfügung stellen.

(3) Soweit sich die Untergebrachten nicht selbst verpflegen, nehmen sie an der Gemeinschaftsverpflegung der Einrichtung teil. Zusammensetzung und Nährwert der Gemeinschaftsverpflegung entsprechen den Anforderungen an eine gesunde Ernährung und werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Den Untergebrachten ist zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(4) Den Untergebrachten wird ermöglicht, mindestens einmal wöchentlich einzukaufen. Die Einrichtung wirkt auf ein Angebot hin, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Untergebrachten Rücksicht nimmt. Das Verfahren des Einkaufs regelt die Leitung der Einrichtung. Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemittel können nur vom Haus- und Taschengeld, andere Gegenstände in angemessenen Umfang auch vom Eigengeld eingekauft werden.

§ 59 Freizeit 23

(1) Die Untergebrachten erhalten Gelegenheit und Anregung, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten. Die Einrichtung hat insbesondere Angebote zur sportlichen und kulturellen Betätigung sowie Bildungsangebote vorzuhalten. Die Benutzung einer angemessen ausgestatteten Bibliothek ist zu ermöglichen.

(2) Die Untergebrachten sind zur Teilnahme an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren. Die Gestaltung der Freizeit kann auch dazu dienen, die Untergebrachten an andere Maßnahmen heranzuführen.

Abschnitt 10
Vergütung, Gelder der Untergebrachten und Kosten

§ 60 Vergütung

(1) Die Untergebrachten erhalten eine Vergütung in Form von

  1. finanzieller Anerkennung für die Teilnahme an Maßnahmen nach § 9 Absatz 1 Nummer 3, 4, 6, 7 und 9, soweit sie nach § 9 Absatz 2 für zwingend erforderlich erachtet wurden,
  2. Ausbildungsbeihilfe für die Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen nach § 9 Absatz 1 Nummer 8 oder
  3. Arbeitsentgelt für Arbeit nach § 9 Absatz 1 Nummer 10.

(2) Der Bemessung der Vergütung sind 16 Prozent der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der 250. Teil der Eckvergütung; die Vergütung kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(3) Die Vergütung kann je nach Art der Maßnahme und Leistung der Untergebrachten gestuft werden. Sie beträgt mindestens 75 Prozent der Eckvergütung und kann nach einem Stundensatz bemessen werden. Der Senator für Justiz und Verfassung wird ermächtigt, in einer Rechtsverordnung Vergütungsstufen zu bestimmen.

(4) Soweit Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten sind, kann vom Arbeitsentgelt oder der Ausbildungsbeihilfe ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil der Untergebrachten am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Vergütung als Arbeitnehmer erhielten.

(5) Die Höhe der Vergütung ist den Untergebrachten schriftlich bekannt zu geben.

(6) Die Untergebrachten, die an einer Maßnahme nach § 22 teilnehmen, erhalten hierfür nur eine Ausbildungsbeihilfe, soweit kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt besteht, die außerhalb des Vollzugs aus solchem Anlass gewährt werden.

§ 61 Überbrückungsgeld

(1) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und aus den Bezügen der Untergebrachten, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen, ist auf Wunsch der Untergebrachten ein Überbrückungsgeld zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt der Untergebrachten und ihrer Unterhaltsberechtigten in den ersten vier Wochen nach der Entlassung sichern soll.

(2) Das Überbrückungsgeld wird den Untergebrachten bei der Entlassung in die Freiheit ausbezahlt. Die Einrichtung kann es ganz oder zum Teil der Bewährungshilfe oder einer mit der Entlassenenbetreuung befassten Stelle überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an die Entlassenen ausbezahlt wird. Die Bewährungshilfe und die mit der Entlassenenbetreuung befasste Stelle sind verpflichtet, das Überbrückungsgeld von ihrem Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung der Untergebrachten kann das Überbrückungsgeld auch an Unterhaltsberechtigte überwiesen werden.

(3) Das Überbrückungsgeld kann für Ausgaben in Anspruch genommen werden, die der Eingliederung der Untergebrachten dienen.

§ 62 Eigengeld

(1) Das Eigengeld besteht aus den Beträgen, die die Untergebrachten bei Aufnahme in den Vollzug mitbringen und die sie während des Vollzugs erhalten, und den Teilen der Vergütung, die nicht als Hausgeld oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden.

(2) Die Untergebrachten können über das Eigengeld verfügen. § 58 Absatz 4, § § 65 und 66 bleiben unberührt.

§ 63 Taschengeld

(1) Bedürftigen Untergebrachten wird auf Antrag Taschengeld gewährt. Bedürftig sind Untergebrachte, soweit ihnen aus Hausgeld nach § 65 und Eigengeld nach § 62 monatlich ein Betrag bis zur Höhe des Taschengelds voraussichtlich nicht zur Verfügung steht. Finanzielle Anerkennungen nach § 60 Absatz 1 Nummer 1 bleiben bis zur Höhe des Taschengeldbetrages unberücksichtigt.

(2) Untergebrachte gelten nicht als bedürftig, wenn ihnen ein Betrag nach Absatz 1 Satz 2 deshalb nicht zur Verfügung steht, weil sie eine ihnen angebotene zumutbare Arbeit nicht angenommen haben oder eine ausgeübte Arbeit verschuldet verloren haben.

(3) Das Taschengeld beträgt 24 Prozent der Eckvergütung nach § 60 Absatz 2. Es wird zu Beginn des Monats im Voraus gewährt. Gehen den Untergebrachten im Laufe des Monats Gelder zu, wird zum Ausgleich ein Betrag bis zur Höhe des gewährten Taschengelds einbehalten.

(4) Die Untergebrachten dürfen über das Taschengeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. Es wird dem Hausgeldkonto gutgeschrieben.

§ 64 Konten, Bargeld

(1) Gelder der Untergebrachten werden auf Hausgeld- und Eigengeldkonten in der Einrichtung geführt.

(2) Der Besitz von Bargeld in der Einrichtung ist den Untergebrachten nicht gestattet. Über Ausnahmen entscheidet die Leitung der Einrichtung.

(3) Geld in Fremdwährung wird zur Habe genommen.

§ 65 Hausgeld

(1) Das Hausgeld wird aus drei Siebteln der in diesem Gesetz geregelten Vergütung gebildet.

(2) Für Untergebrachte, die aus einem freien Beschäftigungsverhältnis, aus einer Selbstbeschäftigung oder anderweitig regelmäßige Einkünfte haben, wird daraus ein angemessenes monatliches Hausgeld festgesetzt.

(3) Für Untergebrachte, die über Eigengeld nach § 62 verfügen und keine hinreichende Vergütung nach diesem Gesetz erhalten, gilt Absatz 2 entsprechend.

(4) Die Untergebrachten dürfen über das Hausgeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.

§ 66 Zweckgebundene Einzahlungen

Für Maßnahmen der Eingliederung, insbesondere Kosten der Gesundheitsfürsorge und der Aus- und Fortbildung, und für Maßnahmen der Pflege sozialer Beziehungen, insbesondere Telefonkosten und Fahrtkosten anlässlich vollzugsöffnender Maßnahmen, kann zweckgebunden Geld eingezahlt werden. Das Geld darf nur für diese Zwecke verwendet werden. Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.

§ 67 Kosten

Die Untergebrachten werden an den Kosten des Vollzugs ihrer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht beteiligt, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

Abschnitt 11
Gesundheitsfürsorge

§ 68 Art und Umfang der medizinischen Leistungen, Kostenbeteiligung

(1) Die Untergebrachten haben einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und unter Berücksichtigung des allgemeinen Standards der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Anspruch umfasst auch Vorsorgeleistungen, ferner die Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln, soweit diese mit Rücksicht auf die Dauer des Freiheitsentzugs nicht ungerechtfertigt ist und die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind.

(2) An den Kosten nach Absatz 1 können die Untergebrachten in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens jedoch bis zum Umfang der Beteiligung vergleichbarer gesetzlich Versicherter. Für Leistungen, die über Absatz 1 hinausgehen, können den Untergebrachten die gesamten Kosten auferlegt werden.

(3) Auf Antrag dürfen sich die Untergebrachten auf eigene Kosten durch eine Ärztin oder einen Arzt oder eine Zahnärztin oder einen Zahnarzt eigener Wahl behandeln lassen, soweit Gründe der Sicherheit der Einrichtung nicht entgegenstehen. Die Behandlung soll in der Einrichtung nach vorheriger Anmeldung erfolgen.

(4) Erhalten Untergebrachte Leistungen nach Absatz 1 infolge einer mutwilligen Selbstverletzung, sind sie in angemessenem Umfang an den Kosten zu beteiligen. Die Kostenbeteiligung unterbleibt, wenn hierdurch die Erreichung der Vollzugsziele, insbesondere die Eingliederung der Untergebrachten, gefährdet würde.

§ 69 Durchführung der medizinischen Leistungen, Forderungsübergang

(1) Medizinische Diagnose, Behandlung und Versorgung kranker und hilfsbedürftiger Untergebrachter erfolgen in der Einrichtung, erforderlichenfalls in einer hierfür besser geeigneten Einrichtung oder einem Vollzugskrankenhaus, ausnahmsweise auch außerhalb des Vollzugs.

(2) Wird die Vollstreckung der Maßregel während einer Behandlung von Untergebrachten unterbrochen oder beendet, so hat das Land nur diejenigen Kosten zu tragen, die bis zur Unterbrechung oder Beendigung der Vollstreckung angefallen sind.

(3) Gesetzliche Schadensersatzansprüche, die Untergebrachten infolge einer Körperverletzung gegen Dritte zustehen, gehen insoweit auf das Land über, als den Untergebrachten Leistungen nach § 68 Absatz 1 zu gewähren sind. Von der Geltendmachung der Ansprüche ist im Interesse Untergebrachter abzusehen, wenn hierdurch die Erreichung der Vollzugsziele gefährdet würde.

§ 70 Ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung

Mit Zustimmung der Untergebrachten soll die Einrichtung ärztliche Behandlungen, insbesondere Operationen oder prothetische Maßnahmen, durchführen lassen, die die soziale Eingliederung fördern. Die Kosten tragen die Untergebrachten. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Einrichtung die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 71 Gesundheitsschutz und Hygiene

(1) Die Einrichtung unterstützt die Untergebrachten bei der Wiederherstellung und Erhaltung ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit. Sie fördert das Bewusstsein für gesunde Ernährung und Lebensführung. Die Untergebrachten haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.

(2) Den Untergebrachten wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten.

§ 72 Krankenbehandlung während Lockerungen

(1) Während Lockerungen haben die Untergebrachten einen Anspruch auf medizinische Leistungen gegen das Land nur in der für sie zuständigen Einrichtung. § 41 bleibt unberührt.

(2) Der Anspruch auf Leistungen ruht, solange die Untergebrachten aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert sind.

§ 73 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge 22a

(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind zwangsweise gegen den natürlichen Willen Untergebrachter nur zulässig bei

  1. Lebensgefahr,
  2. erheblicher Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der Gesundheit der Untergebrachten oder
  3. erheblicher Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der Gesundheit anderer Personen.

(2) Zwangsmaßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn

  1. eine Patientenverfügung im Sinne des § 1827 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung der Maßnahmen gerichtet sind, nicht vorliegt,
  2. erfolglos versucht worden ist, die auf Vertrauen gegründete Zustimmung der Untergebrachten zu der Untersuchung, Behandlung oder Ernährung zu erwirken,
  3. deren Anordnung den Untergebrachten angekündigt wurde und sie über Art, Umfang, Dauer und zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme in einer der Auffassungsgabe und dem Gesundheitszustand der Untergebrachten angemessenen Weise durch eine Ärztin oder einen Arzt aufgeklärt wurden,
  4. die Maßnahme zur Abwendung der Lebens- oder Gesundheitsgefahr geeignet, erforderlich, für die Betroffenen nicht mit unverhältnismäßigen Belastungen und Folgen verbunden ist und mildere Mittel keinen Erfolg versprechen und
  5. der zu erwartende Nutzen der Maßnahmen die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen und den möglichen Schaden der Nichtbehandlung deutlich überwiegt.

(3) Zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen in den Fällen des Absatz 1 Nummer 1 und 2 ist die Einrichtung nicht berechtigt, solange von einer freien Willensbestimmung der Untergebrachten ausgegangen werden kann. Liegen Anhaltspunkte vor, dass Untergebrachte zur Einsicht in die Notwendigkeit von medizinischen Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig sind, hat die Leitung der Einrichtung bei dem zuständigen Gericht unverzüglich die Bestellung einer Betreuung von Amts wegen anzuregen. Die Entscheidung des Gerichts ist abzuwarten.

(4) Zwangsmaßnahmen nach Absatz 1 werden durch eine Ärztin oder einen Arzt angeordnet, geleitet und überwacht. Die Anordnung bedarf der Zustimmung der Leitung der Einrichtung. Gleiches gilt für Erklärungen der Untergebrachten, die im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen von Bedeutung sein können. Die Gründe für die Anordnung der Maßnahmen nach Absatz 1, das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 sowie die ergriffenen Maßnahmen, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der Wirkungsüberwachung sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.

(5) Anordnungen nach Absatz 4 sind den Untergebrachten unverzüglich bekannt zu geben. Sie sind darüber zu belehren, dass sie gegen die Anordnung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen können. Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zuzuwarten, bis die Untergebrachten Gelegenheit hatten, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.

(6) Von den Anforderungen nach Absatz 2 Nummer 1 und 2, Absatz 3 Satz 3 und Absatz 5 Satz 3 kann abgesehen werden, wenn Gefahr im Verzug besteht.

(7) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der Untergebrachten zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.

§ 74 Benachrichtigungspflicht

(1) Erkranken Untergebrachte schwer oder versterben sie, werden die Angehörigen benachrichtigt, sofern die Untergebrachten dem nicht widersprochen haben. Dem Wunsch, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

(2) Eine Benachrichtigung nach Absatz 1 Satz 1 setzt die Einwilligung des Untergebrachten voraus. Kann die Einwilligung nicht erlangt werden, erfolgt die Benachrichtigung, wenn der Untergebrachte einer Benachrichtigung nicht widersprochen hat und keine sonstigen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Benachrichtigung nicht angebracht ist.

Abschnitt 12
Religionsausübung

§ 75 Seelsorge

Den Untergebrachten darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger in Verbindung zu treten.

§ 76 Religiöse Veranstaltungen

(1) Die Untergebrachten haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.

(2) Die Zulassung zu Gottesdiensten oder religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers der Religionsgemeinschaft.

(3) Untergebrachte können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.

§ 77 Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten § 55 Absatz 2, § § 75 und 76 entsprechend.

Abschnitt 13
Sicherheit und Ordnung

§ 78 Grundsatz

(1) Sicherheit und Ordnung der Einrichtung bilden die Grundlage des auf die Erreichung der Vollzugsziele ausgerichteten Lebens in der Einrichtung und tragen dazu bei, dass in der Einrichtung ein gewaltfreies Klima herrscht.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Untergebrachten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Untergebrachten nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 79 Allgemeine Verhaltenspflichten, Aufarbeitung von Pflichtverstößen

(1) Die Untergebrachten haben sich so zu verhalten, dass ein geordnetes Zusammenleben in der Einrichtung möglich ist. Ihr Bewusstsein hierfür ist zu entwickeln und zu stärken. Die Untergebrachten sind zu einvernehmlicher Streitbeilegung zu befähigen.

(2) Die Untergebrachten haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen.

(3) Die Untergebrachten haben ihr Zimmer und die ihnen von der Einrichtung überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Die Untergebrachten haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 80 Absuchung, Durchsuchung

(1) Die Untergebrachten, ihre Sachen und die Zimmer dürfen mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln abgesucht und durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Untergebrachter darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Untergebrachter darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der Leitung der Einrichtung im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Untergebrachten nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Untergebrachten nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Untergebrachte dürfen nicht anwesend sein.

(3) Die Leitung der Einrichtung kann allgemein anordnen, dass die Untergebrachten in der Regel bei der Aufnahme, vor und nach Kontakten mit Besuchern sowie vor und nach jeder Abwesenheit von der Einrichtung nach Absatz 2 zu durchsuchen sind.

§ 81 Sichere Unterbringung

Untergebrachte können in eine Einrichtung verlegt werden, die zu ihrer sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung oder Befreiung gegeben ist oder sonst ihr Verhalten oder ihr Zustand eine Gefahr für die Sicherheit der Einrichtung darstellt.

§ 82 Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung kann die Leitung der Einrichtung allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen anordnen, die geeignet sind, den Gebrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

(2) Verweigern Untergebrachte die Mitwirkung an Maßnahmen nach Absatz 1 ohne hinreichenden Grund, ist davon auszugehen, dass Suchtmittelfreiheit nicht gegeben ist.

(3) Wird verbotener Suchtmittelgebrauch festgestellt, können die Kosten der Maßnahmen den Untergebrachten auferlegt werden.

§ 83 Festnahmerecht

Untergebrachte, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtung aufhalten, können durch die Einrichtung oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden. Führt die Verfolgung oder die von der Einrichtung veranlasste Fahndung nicht alsbald zur Wiederergreifung, so sind die weiteren Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zu überlassen.

§ 84 Besondere Sicherungsmaßnahmen 20

(1) Gegen Untergebrachte können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung der Untergebrachten, auch mit technischen Hilfsmitteln,
  3. die Trennung von allen anderen Untergebrachten (Absonderung),
  4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände und
  6. die Fesselung.

(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nummer 1 und 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine schwerwiegende Störung der Ordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(4) Eine Absonderung von mehr als vierundzwanzig Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in der Person der Untergebrachten liegenden Gefahr unerlässlich ist.

(5) In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse der Untergebrachten kann die Leitung der Einrichtung eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

(6) Eine Fesselung, durch die die Bewegungsfreiheit der Untergebrachten vollständig aufgehoben wird (Fixierung), ist nur zulässig, soweit und solange dies zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung unerlässlich ist.

(7) Besteht die Gefahr der Entweichung, dürfen die Untergebrachten bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport gefesselt werden.

§ 85 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen 20 20a

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet vorbehaltlich des Absatzes 2 die Leitung der Einrichtung an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung der Leitung der Einrichtung ist unverzüglich einzuholen.

(2) Eine nicht nur kurzfristige Fixierung bedarf der vorherigen Anordnung durch das Gericht. Eine kurzfristige Fixierung liegt vor, wenn sie absehbar die Dauer von dreißig Minuten nicht unterschreitet. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung der Fixierung durch die Leitung der Einrichtung oder einen anderen zuständigen Bediensteten der Einrichtung getroffen werden. Ein Arzt ist unverzüglich hinzuzuziehen. Die richterliche Entscheidung ist unverzüglich herbeizuführen. Einer richterlichen Entscheidung bedarf es nicht oder nicht mehr, wenn bereits zu Beginn der Fixierung abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Fixierung ergehen wird, oder wenn die Fixierung vor der Herbeiführung der richterlichen Entscheidung tatsächlich beendet und zeitnah auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(3) Werden die Untergebrachten ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass der besonderen Sicherungsmaßnahme, ist vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.

(4) Die Entscheidung wird den Untergebrachten von der Leitung der Einrichtung mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst. Wird eine Fixierung angeordnet, so sind die Anordnung, die maßgeblichen Gründe hierfür, ihre Durchsetzung, ihre Dauer und die Art der Überwachung durch die Anstalt zu dokumentieren. Wir gemäß Absatz 2 Satz 6 eine richterliche Entscheidung nicht herbeigeführt, sind auch die Gründe für die Annahme zu dokumentieren, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Fixierung ergehen wird oder dass zeitnah keine Wiederholung zu erwarten ist.

§ 85a Verfahren 20 20a

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.

(2) Nicht nur kurzfristige Fixierungen sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 84 Absatz 2 Nummer 3, 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden. Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Raum von mehr als 30 Tagen Gesamtdauer innerhalb von zwölf Monaten bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

(3) Während der Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Raum sind die Untergebrachten in besonderem Maße zu betreuen. Sind die Untergebrachten darüber hinaus gefesselt, sind sie durch einen Bediensteten ständig und in unmittelbarem Sichtkontakt zu beobachten. Während der Dauer einer Fixierung muss eine Betreuung durch unmittelbaren Sicht- und Sprechkontakt zu einem geschulten Vollzugsbediensteten zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein.

(4) Nach Beendigung einer Fixierung, die nicht richterlich angeordnet wurde, sind die Untergebrachten auf ihr Recht hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Maßnahme beim zuständigen Gericht überprüfen zu lassen. Der Hinweis ist zu dokumentieren.

§ 86 Ärztliche Überwachung 20

(1) Während der Dauer einer Fixierung stellt ein Arzt eine angemessene medizinische Überwachung der Untergebrachten sicher.

(2) Sind die Untergebrachten in einem besonders gesicherten Raum untergebracht oder ohne Fixierung gefesselt, sucht sie der Arzt oder die Ärztin alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transportes sowie bei Bewegungen innerhalb der Einrichtung.

(3) Der Arzt oder die Ärztin ist regelmäßig zu hören, solange den Untergebrachten der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen ist oder sie länger als vierundzwanzig Stunden abgesondert sind.

Abschnitt 14
Unmittelbarer Zwang

§ 87 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel oder durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln und Reizstoffe. Waffen sind Hieb- und Schusswaffen.

(4) Es dürfen nur dienstlich zugelassene Hilfsmittel und Waffen verwendet werden.

§ 88 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Bedienstete dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Untergebrachte darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Untergebrachte zu befreien oder widerrechtlich in die Einrichtung einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 89 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 90 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 91 Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht werden kann.

(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Bediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(3) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(4) Gegen Untergebrachte dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

  1. wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
  2. wenn sie eine Meuterei im Sinne des § 121 des Strafgesetzbuchs unternehmen oder
  3. um ihre Entweichung zu vereiteln oder um sie wiederzuergreifen.

Um die Flucht aus einer Einrichtung des offenen Vollzugs zu vereiteln, dürfen keine Schusswaffen gebraucht werden.

(5) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Untergebrachte gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Einrichtung einzudringen.

Abschnitt 15
Disziplinarmaßnahmen

§ 92 Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn die Untergebrachten rechtswidrig und schuldhaft

  1. andere Personen verbal oder tätlich angreifen,
  2. Lebensmittel oder fremde Sachen zerstören oder beschädigen,
  3. in sonstiger Weise gegen Strafgesetze verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen,
  4. verbotene Gegenstände in die Einrichtung einbringen, sich an deren Einbringung beteiligen, sie besitzen oder weitergeben,
  5. unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Stoffe konsumieren,
  6. entweichen oder zu entweichen versuchen,
  7. gegen Weisungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Lockerungen verstoßen oder
  8. wiederholt oder schwerwiegend gegen sonstige Pflichten verstoßen, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, und dadurch das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung stören.

(2) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind:

  1. der Verweis,
  2. die Beschränkung oder der Entzug des Fernsehempfangs bis zu vier Wochen,
  3. die Beschränkung oder der Entzug von Geräten der Unterhaltungselektronik bis zu vier Wochen,
  4. die Beschränkung oder der Ausschluss der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu vier Wochen,
  5. die Beschränkung oder der Entzug der Bewegungsfreiheit außerhalb des Unterkunftsbereiches bis zu vier Wochen, oder
  6. der Arrest bis zu vier Wochen.

(3) Arrest darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(4) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(5) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 93 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. Die Vollstreckung ist auszusetzen, soweit es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist.

(2) Disziplinarmaßnahmen können ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Untergebrachten die ihr zugrundeliegenden Erwartungen nicht erfüllen.

(3) Für die Dauer des Arrests werden die Untergebrachten abgesondert. Sie können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmtes Zimmer gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Untergebrachten zur Teilnahme an Maßnahmen außerhalb des Raumes, in dem Arrest vollstreckt wird, sowie die Befugnisse zur Ausstattung des Zimmers mit eigenen Gegenständen, zum Fernsehempfang und Einkauf. Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs sind nicht zugelassen. Die Rechte zur Teilnahme am Gottesdienst und auf Aufenthalt im Freien bleiben unberührt.

§ 94 Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet die Leitung der Einrichtung an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Einrichtung zum Zweck der Verlegung ist die Leitung der Bestimmungseinrichtung zuständig.

(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen die Leitung der Einrichtung richtet.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen die Untergebrachten in einer anderen Einrichtung oder während des Strafvollzugs angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 93 Absatz 2 bleibt unberührt.

§ 95 Verfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Hierbei sind sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln. Die betroffenen Untergebrachten werden gehört. Sie werden darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihnen zur Last gelegt werden. Sie sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung der Untergebrachten wird vermerkt.

(2) In geeigneten Fällen können zur Abwendung von Disziplinarmaßnahmen im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und der vorübergehende Verbleib auf dem Zimmer in Betracht. Erfüllen die Untergebrachten die Vereinbarung, ist die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme aufgrund dieser Verfehlung unzulässig.

(3) Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, werden durch eine Entscheidung geahndet.

(4) Die Leitung der Einrichtung soll sich vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die maßgeblich an der Vollzugsgestaltung mitwirken. Bei Schwangeren, stillenden Müttern oder bei Untergebrachten, die sich in ärztlicher Behandlung befinden, ist ein Arzt oder eine Ärztin zu hören.

(5) Vor der Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme erhalten die Untergebrachten die Gelegenheit, sich zu dem Ergebnis der Ermittlungen zu äußern. Die Entscheidung wird den Untergebrachten von der Leitung der Einrichtung mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(6) Bevor der Arrest vollzogen wird, ist ein Arzt zu hören. Während des Arrests stehen die Untergebrachten unter ärztlicher Aufsicht. Der Vollzug unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit der Untergebrachten gefährdet würde.

Abschnitt 16
Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerde

§ 96 Aufhebung von Maßnahmen

(1) Die Aufhebung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung richtet sich nach den nachfolgenden Absätzen, soweit dieses Gesetz keine abweichende Bestimmung enthält.

(2) Rechtswidrige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft zurückgenommen werden.

(3) Rechtmäßige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn

  1. aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten unterbleiben können,
  2. die Maßnahmen missbraucht werden oder
  3. Weisungen nicht befolgt werden.

(4) Begünstigende Maßnahmen dürfen nach den Absätzen 2 oder 3 nur aufgehoben werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. Davon ist auszugehen, wenn eine Maßnahme unerlässlich ist, um die Sicherheit der Einrichtung zu gewährleisten.

(5) Der gerichtliche Rechtsschutz bleibt unberührt.

§ 97 Beschwerderecht

(1) Die Untergebrachten erhalten Gelegenheit, sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden an die Leitung der Einrichtung zu wenden.

(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Einrichtung, so ist zu gewährleisten, dass die Untergebrachten sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an diese wenden können.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Abschnitt 17
Kriminologische Forschung

§ 98 Evaluation, kriminologische Forschung

Die im Vollzug eingesetzten Maßnahmen, namentlich Therapien und Methoden zur Förderung der Untergebrachten, sind in Zusammenarbeit mit der Forschung und dem kriminologischen Dienst auf ihre Wirksamkeit wissenschaftlich zu überprüfen. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse sind Konzepte für den Einsatz vollzuglicher Maßnahmen zu entwickeln und fortzuschreiben. Auch im Übrigen sind die Erfahrungen mit der Ausgestaltung des Vollzugs durch dieses Gesetz sowie der Art und Weise der Anwendung der Vorschriften dieses Gesetzes zu überprüfen.

Abschnitt 18
Aufbau und Organisation der Einrichtung

§ 99 Einrichtung

(1) Für den Vollzug sind vom Strafvollzug getrennte Anstalten, Teilanstalten oder Abteilungen von Justizvollzugsanstalten (Einrichtung) vorzusehen. Die Gestaltung der Einrichtung muss therapeutischen Erfordernissen entsprechen und Wohngruppenvollzug ermöglichen.

(2) Es ist eine bedarfsgerechte Anzahl und Ausstattung von Plätzen für therapeutische Maßnahmen, schulische und berufliche Qualifizierung, Arbeitstraining und Arbeitstherapie sowie zur Ausübung von Arbeit vorzusehen. Gleiches gilt für Besuche, Freizeit, Sport und Seelsorge. § 10 Absatz 3 bleibt unberührt.

(3) Zimmer, Gemeinschafts- und Besuchsräume sind wohnlich und zweckentsprechend auszustatten.

(4) Unterhalten private Unternehmen Betriebe in der Einrichtung, kann die technische und fachliche Leitung ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen übertragen werden.

§ 100 Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Einzelbelegung

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Einrichtung so fest, dass eine angemessene Unterbringung der Untergebrachten gewährleistet ist. § 99 Absatz 2 ist zu berücksichtigen.

(2) Zimmer dürfen nur mit einem Untergebrachten belegt werden.

§ 101 Leitung der Einrichtung

(1) Die Leitung der Einrichtung trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Einrichtung nach außen. Sie kann einzelne Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.

(2) Ist die Einrichtung eine Teilanstalt oder Abteilung einer Justizvollzugsanstalt, ist der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin Leitung der Einrichtung im Sinne des Absatz 1.

§ 102 Bedienstete

(1) Die Einrichtung wird mit dem für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal, insbesondere im medizinischen, psychologischen und sozialen Dienst, im allgemeinen Vollzugsdienst und im Werkdienst, ausgestattet, um eine Betreuung nach § 66c Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs zu gewährleisten.

(2) Das Personal muss für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung persönlich geeignet und fachlich qualifiziert sein. Fortbildungen sowie Praxisberatung und Praxisbegleitung für die Bediensteten werden regelmäßig durchgeführt.

(3) Die Bediensteten des allgemeinen Vollzugdienstes, des psychologischen und sozialen Dienstes sollen Wohngruppen zugeordnet werden. Eine Betreuung in den Wohngruppen ist auch in der beschäftigungs- und arbeitsfreien Zeit der Untergebrachten, insbesondere am Wochenende, in dem erforderlichen Umfang zu gewährleisten.

§ 103 Seelsorger

(1) Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung der Leitung der Einrichtung darf der Seelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.

§ 104 Medizinische Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.

(2) Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeführt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 105 Interessenvertretung der Untergebrachten

(1) Den Untergebrachten soll ermöglicht werden, Vertretungen zu wählen. Diese können in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, die sich ihrer Eigenart nach für eine Mitwirkung eignen, Vorschläge und Anregungen an die Einrichtung herantragen. Diese sollen mit der Vertretung erörtert werden.

(2) Wird die Maßregel in gesonderten Gebäuden oder Abteilungen auf dem Gelände einer Justizvollzugsanstalt vollzogen, gilt Absatz 1 auch für die Teilnahme an der dort bestehenden Interessenvertretung der Gefangenen, soweit Interessen und Belange der Untergebrachten berührt sind.

§ 106 Hausordnung

Die Leitung der Einrichtung erlässt zur Gestaltung und Organisation des Vollzugsalltags eine Hausordnung auf der Grundlage dieses Gesetzes. Vor deren Erlass oder Änderung beteiligt er die Interessenvertretung der Untergebrachten. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Genehmigung der Hausordnung vorbehalten.

Abschnitt 19
Aufsicht, Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften, Beirat

§ 107 Aufsichtsbehörde

(1) Der Senator für Justiz und Verfassung führt die Aufsicht über die Einrichtung (Aufsichtsbehörde).

(2) Die Aufsichtsbehörde kann sich Entscheidungen über Verlegungen und Überstellungen vorbehalten.

§ 108 Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften

(1) Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Einrichtung in einem Vollstreckungsplan.

(2) Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Einrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.

§ 109 Beirat 22

(1) Der nach § 104 Absatz 1 des Bremischen Strafvollzugsgesetzes gebildete Beirat benennt aus seiner Mitte Mitglieder in angemessener Zahl, die einen Beirat für den Sicherungsverwahrungsvollzug bilden, sofern die Einrichtung nicht Teil einer Justizvollzugsanstalt ist. Bedienstete dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein. Der Beirat gibt sich eine Geschäftsordnung.

(2) Die Mitglieder des Beirats wirken beratend bei der Gestaltung des Vollzugs und der Eingliederung der Untergebrachten mit. Sie unterstützen die Leitung der Einrichtung durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Sie fördern das Verständnis für den Vollzug und seine gesellschaftliche Akzeptanz und vermitteln der Öffentlichkeit ein realistisches Bild des Sicherungsverwahrungsvollzugs.

(3) Der Beirat steht der Leitung der Einrichtung, den Bediensteten und den Untergebrachten als Ansprechpartner zur Verfügung.

(4) Die Mitglieder des Beirats können namentlich Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Sie können sich über die Unterbringung, Verpflegung, ärztliche Versorgung, Beschäftigung, Bildung, Betreuung, und Behandlung unterrichten sowie die Einrichtung jederzeit und unangekündigt zu den üblichen Geschäftszeiten besichtigen. Sie können die Untergebrachten in ihren Zimmern aufsuchen. Unterhaltung und Schriftwechsel werden nicht überwacht. Die Leitung der Einrichtung unterstützt den Beirat in der Ausübung seiner Tätigkeit. Die Mitglieder des Beirates unterliegen keinen Weisungen.

(5) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Untergebrachten, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

(6) Die Mitglieder des Beirats erhalten für die Teilnahme an Sitzungen des Beirats, Besichtigungen der Einrichtung und einschlägigen Fortbildungsveranstaltungen ein Sitzungsgeld sowie Reisekostenvergütung.

(7) Das Nähere regelt die Senatorin für Justiz und Verfassung durch Verwaltungsvorschrift.

Abschnitt 20 20
Datenschutz

§ 110, § 111, § 112, § 113, § 114, § 115, § 116, § 117, § 118, § 119, § 120, § 121, § 122, § 123, § 124, § 125, § 126, § 127, § 128, § 129 (aufgehoben) 20

Abschnitt 21
Schlussbestimmungen

§ 130 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) und Artikel 10 Absatz 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.

§ 131 Gleichstellungsbestimmung

Status- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.

§ 132 Fortgeltung von Bundesrecht 20

Das Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 BGBl. I S. 436), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274) geändert worden ist, ist auf den Vollzug der Sicherungsverwahrung vorbehaltlich der folgenden Vorschriften über

  1. den Pfändungsschutz (§ 51 Absatz 4 und 5, § 75 Absatz 3),
  2. das Handeln auf Anordnung (§ 97), und
  3. das gerichtliche Verfahren (§§ 109 bis 121b)

nicht anzuwenden.

§ 133 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Juni 2013 in Kraft.

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