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BzG BW - Bildungszeitgesetz
- Baden-Württemberg -
Vom 17. März 2015
(GBl. Nr. 5 vom 20.03.2015 S.161; 23.02.2017 S. 99 17; 11.02.2020 S. 37 20; 04.02.2021 S. 117 21)
Der Landtag hat am 11. März 2015 das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1 Grundsätze
(1) Die Beschäftigten in Baden-Württemberg haben einen Anspruch gegenüber ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgeber auf Bildungszeit. Während der Bildungszeit sind sie von ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgeber unter Fortzahlung der Bezüge freizustellen.
(2) Die Bildungszeit kann für Maßnahmen der beruflichen oder der politischen Weiterbildung sowie für die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten beansprucht werden.
(3) Berufliche Weiterbildung dient der Erhaltung, Erneuerung, Verbesserung oder Erweiterung von berufsbezogenen Kenntnissen, Fertigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten oder Fähigkeiten.
(4) Politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben.
(5) Die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten dient der Stärkung des ehrenamtlichen Engagements. Die Bereiche der ehrenamtlichen Tätigkeiten, für deren Qualifizierung ein Anspruch auf Bildungszeit besteht, werden durch Rechtsverordnung festgelegt. Die Landesregierung wird ermächtigt, den Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeiten, für deren Qualifizierung ein Anspruch auf Bildungszeit besteht, durch Rechtsverordnung zu regeln.
§ 2 Anspruchsberechtigte
(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind:
soweit deren Tätigkeitsschwerpunkt im Land Baden-Württemberg liegt.
(2) Die Regelungen dieses Gesetzes gelten entsprechend für:
§ 3 Anspruch auf Bildungszeit
(1) Der Anspruch auf Bildungszeit beträgt bis zu fünf Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres. Wird regelmäßig an weniger als fünf Tagen in der Woche gearbeitet, so verringert sich der Anspruch entsprechend.
(2) Für Auszubildende und Studierende an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg beträgt der Anspruch fünf Arbeitstage für die gesamte Ausbildungs- oder Studienzeit, beschränkt auf den Bereich der politischen Weiterbildung und der Qualifizierungsmaßnahmen im ehrenamtlichen Bereich.
(3) Für die Beschäftigten an Schulen, die mit der Unterrichtung oder Betreuung von Schülerinnen oder Schülern betraut sind, erfolgt eine Freistellung nur in den unterrichtsfreien Zeiten. Beschäftigte mit Lehraufgaben an Hochschulen können ihre Bildungszeit ausschließlich in der vorlesungsfreien Zeit in Anspruch nehmen.
(4) Erkrankt eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter während der Inanspruchnahme der Bildungszeit, so wird bei Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch ärztliches Attest die Zeit der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Anspruch auf Bildungszeit angerechnet.
(5) Hat die Beschäftigte oder der Beschäftigte innerhalb eines Kalenderjahres den Bildungszeitanspruch nicht ausgeschöpft, kann der verbleibende Anspruch nicht auf das folgende Kalenderjahr übertragen werden.
§ 4 Wartezeit
Der Anspruch auf Bildungszeit wird erstmals nach zwölfmonatigem Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses erworben. Schließt sich ein Beschäftigungsverhältnis unmittelbar an ein Beschäftigungsverhältnis, ein Ausbildungsverhältnis oder ein Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg bei derselben Arbeitgeberin oder bei demselben Arbeitgeber an, ist für das Entstehen des Anspruchs der Beginn des vorhergehenden Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses maßgebend.
§ 5 Verhältnis der Bildungszeit zu anderen Freistellungen
(1) Der nach diesem Gesetz bestehende Anspruch auf Bildungszeit ist ein Mindestanspruch. Andere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Einzelverträge über Freistellungen zum Zwecke der Weiterbildung bleiben davon unberührt.
(2) Freistellungen, die aufgrund der in Absatz 1 genannten Regelungen erfolgen, werden auf den Anspruch auf Bildungszeit angerechnet, wenn durch sie die Erreichung der in § 1 niedergelegten Ziele ermöglicht wird und während der Freistellung ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts besteht. Eine Freistellung wird nicht angerechnet, wenn die Weiterbildung der Einarbeitung auf bestimmte betriebliche Arbeitsplätze oder überwiegend betriebsinternen Erfordernissen dient.
(1) Bildungsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes müssen
(2) Keine Bildungsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Veranstaltungen,
(3) Beim Regierungspräsidium Karlsruhe wird eine Schiedsstelle eingerichtet, welche bei Streitfällen bezüglich der grundsätzlichen Bildungszeitfähigkeit einer Weiterbildungsmaßnahme angerufen werden kann. Diese setzt sich zusammen aus einer Vertreterin oder einem Vertreter des Regierungspräsidiums Karlsruhe als Vorsitzender oder Vorsitzendem und jeweils einer Vertreterin oder einem Vertreter der Sozialpartner. Die Sozialpartner bestimmen ihre Vertreterin oder ihren Vertreter jeweils selbst. Alle drei Mitglieder sind stimmberechtigt. Die Schiedsstelle trifft ihre Entscheidung per Mehrheitsentscheid. Zur Festlegung ihrer Verfahrensweise wird die Schiedsstelle ermächtigt, sich eine Geschäftsordnung zu geben. Sowohl die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber, bei welcher oder bei welchem der Antrag auf Bildungszeit gestellt worden ist, als auch die Antragstellerin oder der Antragsteller sind berechtigt, die Schiedsstelle anzurufen. Die Schiedsstelle kann lediglich bei Unklarheit über die grundsätzliche Bildungszeitfähigkeit einer Weiterbildungsmaßnahme angerufen werden. Die Schiedsstelle beurteilt nur, ob die beantragte Weiterbildungsmaßnahme grundsätzlich bildungszeitfähig ist. Sie beurteilt nicht, ob eine Ablehnung im individuellen Fall rechtmäßig ist. Ob bei einer beantragten Maßnahme im Bereich der beruflichen Weiterbildung im individuellen Fall ein Berufsbezug gemäß § 1 Absatz 3 BzG BW besteht, kann durch die Schiedsstelle nicht bewertet werden. Die Beurteilung der grundsätzlichen Bildungszeitfähigkeit einer Weiterbildungsmaßnahme durch die Schiedsstelle ist rechtlich nicht bindend. Vor Beschreiten des Rechtsweges ist die Schiedsstelle jedoch verpflichtend anzurufen. Dies gilt nur bei Fragen, die sich auf die grundsätzliche Bildungszeitfähigkeit der beantragten Maßnahme beziehen. Bei allen anderen Streitigkeiten bezüglich eines Antrags auf Bildungszeit kann direkt der Rechtsweg beschritten werden. Die Schiedsstelle muss spätestens fünf Wochen nach Eingang des Antrags bei der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber angerufen werden. Die Schiedsstelle verkündet ihre Entscheidung spätestens eine Woche nach Anrufung. Wird die Schiedsstelle erst angerufen, nachdem die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber bereits schriftlich oder elektronisch gegenüber der Antragstellerin oder dem Antragsteller über den Antrag entschieden hat und möchte die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber diese Entscheidung nach Entscheidung der Schiedsstelle ändern, erfolgt diese Änderung gegenüber der Antragstellerin oder dem Antragsteller spätestens eine Woche nach Entscheidung der Schiedsstelle schriftlich oder elektronisch.
§ 7 Verfahren zur Inanspruchnahme der Bildungszeit 20 21
(1) Der Anspruch auf Bildungszeit nach diesem Gesetz ist gegenüber der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber so frühzeitig wie möglich, spätestens aber neun Wochen vor Beginn der Bildungsmaßnahme, schriftlich oder elektronisch geltend zu machen.
(2) Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber kann den Anspruch nur ablehnen, wenn dringende betriebliche Belange im Sinne des § 7 Bundesurlaubsgesetzes oder genehmigte Urlaubsanträge anderer Beschäftigter entgegenstehen.
(3) Als dringender betrieblicher Belang gilt auch, wenn im Betrieb der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers am 1. Januar eines Jahres insgesamt weniger als zehn Personen ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt sind oder wenn zehn Prozent der den Beschäftigten am 1. Januar eines Jahres zustehenden Bildungszeit bereits genommen oder bewilligt wurde. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Personen nach Satz 1 sind Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit der Hälfte und nicht mehr als 30 Stunden mit Dreiviertel zu berücksichtigen.
(4) Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber entscheidet über Anträge der Beschäftigten nach Absatz 1 gegenüber der oder dem Beschäftigten unverzüglich, jedoch spätestens vier Wochen nach Eingang des Antrags schriftlich oder elektronisch. Im Falle einer Ablehnung bedarf es der schriftlichen oder elektronischen Darlegung der Gründe. Teilt die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber die Entscheidung nicht innerhalb der in Satz 1 genannten Frist formgerecht mit, so gilt die Bewilligung als erteilt. Dies gilt nicht, wenn vor Ablauf der in Satz 1 genannten Frist die Schiedsstelle angerufen worden ist. In einem solchen Fall entscheidet die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber spätestens eine Woche nach Entscheidung der Schiedsstelle schriftlich oder elektronisch. Sind im Betrieb der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers am 1. Januar eines Jahres insgesamt weniger als zehn Personen, ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, beschäftigt, entfällt die Pflicht zur schriftlichen oder elektronischen Darlegung der Gründe einer Ablehnung. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Personen nach Satz 6 wird entsprechend Absatz 3 Satz 2 verfahren. Satz 6 gilt nicht, wenn die oder der antragstellende Beschäftige die schriftliche oder elektronische Darlegung der Ablehnungsgründe verlangt. Die Einforderung einer schriftlichen oder elektronischen Darlegung der Ablehnungsgründe muss innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Ablehnung des Antrags schriftlich oder elektronisch der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber übermittelt werden.
(5) Die ordnungsgemäße Teilnahme an einer Bildungsveranstaltung ist der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber gegenüber nach deren Beendigung nachzuweisen. Die für den Nachweis erforderlichen Bescheinigungen sind den Beschäftigten vom Träger der Bildungsmaßnahme zu erteilen. Erfolgt der Nachweis nicht spätestens acht Wochen nach Beendigung der Bildungsveranstaltung, verlieren die Beschäftigten den Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge nach § 1 Absatz 1 Satz 2, es sei denn, dass sie das Versäumnis der Frist nicht zu vertreten haben.
(6) Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber kann in dringenden Fällen die Zustimmung zu einer bereits genehmigten Inanspruchnahme der Bildungszeit zurücknehmen, wenn nicht vorhersehbare betriebliche Gründe, wie Krankheit anderer Beschäftigter, eingetreten sind, deren Vorliegen zum Zeitpunkt des Antrags gemäß Absatz 2 eine Ablehnung ermöglicht hätte. Die durch die Ablehnung entstandenen und nachgewiesenen unvermeidbaren Kosten der oder des Beschäftigten einschließlich der Stornierungskosten trägt in diesem Fall die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber.
(7) Das Wirtschaftsministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Formulare einzuführen für:
Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, müssen diese verwendet werden. Die Formulare können sowohl schriftlich als auch elektronisch genutzt werden.
§ 8 Fortzahlung des Arbeitsentgelts, Verbot von Erwerbstätigkeit und Benachteiligung
(1) Während der Bildungszeit und im Fall der Erkrankung während der Bildungszeit wird das Arbeitsentgelt fortgezahlt und entsprechend den § § 9, 11 und 12 des Bundesurlaubsgesetzes berechnet.
(2) Während der Inanspruchnahme der Bildungszeit darf keine dem Zweck dieses Gesetzes zuwiderlaufende Erwerbstätigkeit ausgeübt werden.
(3) Niemand darf wegen der Inanspruchnahme der Bildungszeit benachteiligt werden.
§ 9 Anerkannte Bildungseinrichtungen
(1) Bildungsmaßnahmen dürfen nur in anerkannten Bildungseinrichtungen durchgeführt werden. Die Anerkennung setzt voraus, dass die Trägerin oder der Träger
(2) Einem Gütesiegel nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 sind gleichwertige andere Gütesiegel gleichgestellt. Ein Gütesiegel ist gleichwertig, wenn insbesondere die Qualität der Angebote der Einrichtung und die Qualifikation des Personals die Gewähr dafür bieten, dass das Ziel und der Zweck dieses Gesetzes erreicht werden.
(3) Die Landesregierung wird ermächtigt, das Anerkennungsverfahren von Bildungsmaßnahmen für die Qualifizierungsmaßnahmen im ehrenamtlichen Bereich abweichend von Absatz 1 durch Rechtsverordnung zu regeln.
§ 10 Anerkennungsverfahren
(1) Die Einrichtungen stellen ihre Anträge auf Anerkennung als anerkannte Trägerin oder anerkannter Träger bis zum 31. August eines Jahres. Ein späterer Antrag auf Anerkennung ist zulässig, wenn allein auf diese Weise der Anspruch auf Weiterbildung und der freie Dienstleistungsverkehr in der Europäischen Union sichergestellt werden können.
(2) Über die Anträge entscheidet das Regierungspräsidium Karlsruhe.
(3) Liegen die Voraussetzungen des § 9 vor, verleiht die nach Absatz 2 zuständige Behörde der Einrichtung die Eigenschaft als anerkannte Trägerin oder anerkannter Träger.
(4) Über den Antrag wird innerhalb einer Frist von drei Monaten entschieden, sofern keine Prüfung der Gleichwertigkeit nach § 9 Absatz 2 erforderlich ist. Erfolgt innerhalb der Frist nach Satz 1 keine Entscheidung, gilt die Anerkennung als erteilt.
(5) Die Anerkennung erfolgt unbefristet und wird mit der Auflage verbunden, mit dem Ende der Laufzeit des Gütesiegels dessen Verlängerung nachzuweisen.
(6) Die Anerkennung kann insbesondere widerrufen werden, wenn die anerkannte Trägerin oder der anerkannte Träger Veranstaltungen als Bildungsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes durchführt, die nicht den Voraussetzungen des § 6 Absatz 1 entsprechen oder Veranstaltungen nach § 6 Absatz 2 darstellen.
(7) Die für die Anerkennung zuständige Behörde veröffentlicht in geeigneter Weise eine Liste der anerkannten Trägerinnen und Träger.
Das Gesetz tritt am 1. Juli 2015 in Kraft.
ENDE |