umwelt-online: Großflächige Einzelhandelsvorhaben im Bau- und Landesplanungsrecht (2)

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5. Auswirkungen von großflächigen Einzelhandelsvorhaben

§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO erfasst großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe, die sich nach Art, Lage und Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung (siehe Nr. 3) oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können.

5.1 Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung

Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 BauGB). Der Flächennutzungsplan und die Bebauungspläne liefern daher die Grundlage für die Beschreibung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung; sie werden ergänzt durch vorhandene Rahmenpläne oder durch die tatsächliche städtebauliche Situation.

Als Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nennt § 11 Abs. 3 Satz 2 beispielhaft Auswirkungen

Die Aufzählung ist nicht erschöpfend, und weitere Fälle sind denkbar. § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO setzt aber nicht voraus, dass der Eintritt der genannten Auswirkungen nachgewiesen wird. Es reicht aus, wenn ihr Eintreten möglich ist (BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984 - 4 C 54.80 - BVerwGE 68, 342).

Bei der Beurteilung, ob die Auswirkungen erheblich sind, kommt es insbesondere auf die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihre betroffenen Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und auf das Warenangebot des Betriebes an (§ 11 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 BauNVO).

  1. Auswirkungen durch schädliche Umwelteinwirkung
    Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG). Erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft können durch den Zu- und Abgangsverkehr zu dem Vorhaben entstehen, wenn zum Beispiel sich hierdurch die Lärm- oder Abgasbelastung in Wohnstraßen erheblich erhöht. Aber auch das Be- und Entladen oder die Störung durch Maschinenanlagen (Lüftungsanlagen) können die Nachbarschaft erheblich beeinträchtigen.
  2. Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung und den Verkehr
    Bei der infrastrukturellen Ausstattung geht es um Erschließungsanlagen, die örtlichen und überörtlichen Verkehrseinrichtungen, den öffentlichen Personennahverkehr, den Bau neuer oder um bestehende Verkehrseinrichtungen sowie deren Ausbau. Großflächige Einzelhandelsbetriebe werden bevorzugt an Verkehrsknotenpunkten oder bei einem Zubringer einer Fernstraße angesiedelt und können dort mit dem durch sie ausgelösten Verkehrsaufkommen den Bau neuer oder größerer Verkehrsanlagen erforderlich machen.
    Auswirkungen auf den Verkehr werden vor allem durch den für den Betrieb typischen Kundenverkehr zu erwarten sein. Die Zufahrtswege zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben müssen für die Aufnahme des zusätzlichen Verkehrs geeignet sein.
  3. Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich
    Nachteilige Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich von großflächigen Einzelhandelsvorhaben können sich dadurch ergeben, dass durch deren Kaufkraftbindung anderen Betrieben, die der wohnungsnahen Versorgung der Bevölkerung dienen, die Existenzgrundlage entzogen wird und dadurch eine Unterversorgung der nicht motorisierten Bevölkerung eintritt, zum Beispiel durch eine Beeinträchtigung des für die bedarfsgerechte und flächendeckende Warenversorgung der Bevölkerung im Nahbereich notwendigen engmaschigen Netzes von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben (BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984 BauR 1984, 380). Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Nahversorgung können sich aus einer Gegenüberstellung der Kaufkraft der Bevölkerung im Einzugsbereich des Betriebes und der vorhandenen Verkaufsfläche je Einwohner unter Berücksichtigung der Sortimentsverteilung und der Flächenproduktivität ergeben. Aber eine übermäßige Kaufkraftbindung für sich betrachtet ist noch keine Auswirkung im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO; diese ist erst bei entsprechenden Folgen anzunehmen.
    Es besteht ein enger Zusammenhang von § 11 Abs. 3 BauNVO und § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB. Danach sind Belange der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung zu berücksichtigen. Diese Regelung ist Ausdruck der gesetzgeberischen Wertung, dass insbesondere die mittelständischen Betriebsformen des Einzelhandels geeignet sind, die verbrauchernahe Versorgung zu gewährleisten. § 11 Abs. 3 BauNVO zielt darauf ab, den Einzelhandel an Standorten zu sichern, die in das städtebauliche Ordnungssystem funktionsgerecht eingebunden sind. Der Schutz der mittelständischen Wirtschaft dient nicht als Mittel dafür bestimmte Wettbewerbsverhältnisse zu stabilisieren. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass durch die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben an peripheren Standorten nicht die wirtschaftliche Existenz derjenigen Betriebe bedroht oder gar vernichtet wird, die eine verbrauchernahe Versorgung gewährleisten. (Urteile BVerwG 4 C 9.01 und 4 C 5.01 vom 1. August 2002).
  4. Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden.
    Diese Auswirkungen betreffen die Entwicklung und Sicherung der Stadtzentren und der Nebenzentren einer Gemeinde. Solche Auswirkungen können sich beispielsweise ergeben, wenn durch ein Einzelhandelsgroßprojekt eine in der Innenstadt eingeleitete, mit öffentlichen Mitteln geförderte städtebauliche Sanierungsmaßnahme nicht planmäßig fortgeführt werden kann, zum Beispiel weil sich die vorgesehene Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben nicht mehr ermöglichen lässt oder weil durch übermäßige Kaufkraftbindung außerorts das Niveau und die Vielfalt der Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt absinken, oder es zu Leerständen von Geschäften kommt. Dabei geht es nur um diese städtebauliche Zielsetzung und nicht um den Schutz von Betrieben vor der Konkurrenz.
  5. Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild
    Solche Auswirkungen kommen bei einem nach Lage, Umfang und Größe aus dem Rahmen der näheren oder weiteren Umgebung fallenden oder in der Landschaft dominierenden Vorhaben in Betracht. Aufgrund ihres hohen Flächenbedarfs an überbaubarer und nicht überbaubarer Grundstücksfläche sowie des Maßstabs der Baukörper sind solche Vorhaben oft nur schwer in das Orts- aber auch in das Landschaftsbild zu integrieren.
    Maßgeblich ist, ob sich das Vorhaben in den gegebenen städtebaulichen und landschaftlichen Rahmen einfügt bzw. sich dem Landschaftsbild unterordnet oder ob es an einem exponierten Standort vorgesehen ist oder als Fremdkörper empfunden wird.
  6. Auswirkungen auf den Naturhaushalt
    Solche Auswirkungen können beispielsweise eine Beeinträchtigung des Öko-Systems sein, eine Versiegelung von Freiflächen mit Stellplätzen und eine Veränderung des Kleinklimas durch ausgedehnte Gebäude und Bauwerke. Vor allem sind auch Gesichtspunkte eines sparsamen Landverbrauchs zu beachten.

5.2 Vermutung der Auswirkungen auf die Ziele der Raumordnung und Landesplanung sowie der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO 1977 und 1986/1990

  1. Die Vermutungsregelung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO 1977
    Diese Vorschrift legt fest, dass Auswirkungen der vorgenannten Art in der Regel anzunehmen sind, wenn die Geschossfläche des Betriebs 1.500 m2 überschreitet. Dies entspricht einer Verkaufsfläche von ca. 1.000 m2.
  2. Die Vermutungsregelung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO 1986
    Die Regelgröße von 1.200 m2 Geschossfläche - dies entspricht nach den Erfahrungen der Praxis einer Verkaufsfläche von ca. 700 m2 - gilt für alle Bebauungsplanentwürfe, die seit dem 1. Januar 1987 öffentlich ausgelegt worden sind (§ 25b BauNVO). Erfolgte die öffentliche Auslegung vorher, ist § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO 1977 anzuwenden. Die Regelgröße von 1.200 m2 Geschossfläche gilt immer für die im Zusammenhang bebauten Gebiete, auf die wegen der Art der Nutzung die aktuell geltende Baunutzungsverordnung nach § 34 Abs. 2 BauGB Anwendung findet, sofern das Gebiet einem der in der BauNVO genannten Gebiete entspricht.

5.3 Voraussetzungen und Merkmale für eine von der Regelvermutung abweichende Beurteilung

Die Regelvorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO (1.500/ 1.200 m2) entbindet die Baugenehmigungsbehörde nicht von einer Prüfung des Einzelfalls.

Konkrete Anhaltspunkte für eine atypische Fallgestaltung können entweder auf der betrieblichen Seite oder auf der städtebaulichen Seite gegeben sein.

Abweichungen von der typischen Fallgestaltung auf der betrieblichen Seite können zum Beispiel sein

Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO zu erwarten sind (wie Baustoff- und Baumärkte, Möbelmärkte, Märkte für Bodenbeläge, Getränke-, Garten-, Reifen-, Kraftfahrzeugmärkte).
Auf der städtebaulichen Seite können sich zum Beispiel folgende atypischen Fallgestaltungen ergeben:

Solche Anhaltspunkte für eine atypische Fallgestaltung schließen die Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO nicht aus. Sie führen lediglich dazu, dass die - widerlegliche - Vermutung nicht greift. In diesem Fall muss im Einzelnen geprüft werden, ob sich das Vorhaben auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken kann.

Diese schon nach der BauNVO 1977 geltende Rechtslage wird durch § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO 1986 ausdrücklich klargestellt, wonach eine von der Regel abweichende Beurteilung bei einer größeren oder geringeren Geschossfläche als der Regelgeschossfläche (1.500/1.200 m2) in Betracht kommen kann. Außerdem enthält sie eine Konkretisierung der Merkmale für die im Einzelfall erforderliche abweichende Beurteilung, und zwar in Konkretisierung der in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO bezeichneten Auswirkungen der Betriebe, soweit sie für eine abweichende Beurteilung vornehmlich in Betracht kommen. Dazu gehört einmal die Gliederung der Gemeinde, zum Beispiel in selbstständige Ortsteile einer Großflächengemeinde oder in Ortsteile einer Großstadt, und ihre Größe (zum Beispiel ländliche Gemeinde oder Großstadt). Dabei wird berücksichtigt, dass insbesondere in Ortsteilen von großen Städten, in kleinen Orten und in Orten im ländlichen Raum Betriebe mit der Regelgeschossfläche wesentlich andere raumordnerische und besonders städtebauliche Auswirkungen haben können als in den Zentren großer Städte. Als weiteres Merkmal wird die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung herausgestellt. Ihr kommt im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung besonders mit Waren des kurzfristigen Bedarfs für eine abweichende Beurteilung Bedeutung zu. Außerdem ist das Warenangebot des Betriebs für eine abweichende Beurteilung von Bedeutung, so zum Beispiel, ob es sich um Waren mit einem typischerweise großen Flächenbedarf, wie bei Möbelmärkten, handelt.

Die zur Beurteilung einer atypischen Fallgestaltung erforderlichen Untersuchungen sind vom Antragsteller vorzulegen.

Standorte für großflächige Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe:

Der Lebensmitteleinzelhandel unterscheidet sich von anderen Branchen des Einzelhandels nach den Kriterien des Baurechts dadurch, dass er Artikel des täglichen Bedarfs bereithält, die wohnungsnah (zur Nahversorgung mit Lebensmitteln) angeboten werden sollen. Hierbei geht es insbesondere um Lebensmittelvollversorger, die aufgrund ihrer Sortimentsvielfalt eine besondere Bedeutung für die verbrauchernahe Versorgung haben.

Großflächige Lebensmittelsupermärkte zwischen rund 700 m2 und rund 900 m2 Verkaufsfläche und unterhalb der Regelvermutungsgrenze von 1.200 m2 Geschossfläche haben regelmäßig keine Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO, es sei denn, die Genehmigungsbehörde trägt im Einzelfall Anhaltspunkte für negative Auswirkungen vor. Von großflächigen Lebensmitteleinzelhandelsbetrieben in größeren Gemeinden und Ortsteilen auch oberhalb der Regelvermutungsgrenze von 1.200 m2 Geschossfläche können aufgrund einer Einzelfallprüfung dann keine negativen Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung und den Verkehr ausgehen, wenn

(Siehe Bericht der Arbeitsgruppe ,Strukturwandel im Lebensmitteleinzelhandel und § 11 Abs. 3 BauNVO" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 30. April 2002).

5.4 Erstellung von Gutachten

Da die Auswirkungen großflächiger Einzelhandelsprojekte je nach Standort, Verkaufsflächengröße und Sortimenten unterschiedlich sind, sollte im Hinblick auf die Auswirkungen des geplanten Projektes ein unabhängiges Gutachten erstellt werden. Der Inhalt des Gutachtens sollte je nach Umfang und Zweckbestimmung des Projektes der in Anlage 2 dargestellten "Arbeitshilfe/Checkliste für Gutachten betr. großflächige Einzelhandelsvorhaben" entsprechen.

In den Fällen, in denen die Zulassung einer Abweichung vom Regionalplan beantragt wird (Ziffer 4.3), ist die Erstellung eines unabhängigen Gutachtens in der Regel, bei Durchführung eines Raumordnungsverfahrens (Ziffer 4.4) in jedem Fall erforderlich. Vor Antragstellung bzw. Eröffnung des Verfahrens ist seitens der Antragsteller/Verfahrensbeteiligten mit der oberen Landesplanungsbehörde abzustimmen, welche Punkte der Arbeitshilfe/Checkliste in dem Gutachten behandelt werden müssen.

Im Ergebnis stellt das Gutachten die Basis dar zu prüfen, ob das Vorhaben unter Beachtung und Berücksichtigung der raumordnerischen und städtebaulichen Ziele und Grundsätze hinsichtlich seiner Auswirkungen an der vorgesehenen Stelle, im vorgesehenen Umfang und mit den vorgesehenen Sortimenten vertretbar ist.

6. Planung der Gemeinden

6.1 Einzelhandelskonzepte

Einzelhandelskonzepte sind ein geeignetes Instrument für die bauleitplanerische Steuerung einer langfristig orientierten Standortplanung für die Gemeinde (kommunales Einzelhandelskonzept) oder für mehrere Gemeinden/Teilregion (interkommunales/regionales Standortkonzept). Soweit hierbei. interkommunale Vereinbarungen getroffen werden, zum Beispiel über Standortfragen, Sortimente, Verkaufsflächenkontingente oder Abstimmungs- und Verfahrensfragen, können diese auch zum Gegenstand eines Vertrages nach § 19 Satz 5 HLPG gemacht werden. Je nach Inhalt und Gegenstand des Vertrages kann es erforderlich sein, dass die zuständige Landesplanungsbehörde ebenfalls als Vertragspartner auftritt.

Inhalt der kommunalen oder interkommunalen Einzelhandelskonzepte sind unter anderem die Festlegung (oder der Ausschluss) von Standorten für Einzelhandel der Grundversorgung, für Einzelhandel mit kerngebietstypischen Sortimenten zum Beispiel zur Deckung des gehobenen Bedarfs, für Einzelhandel mit nicht innenstadtrelevanten Sortimenten. Das Einzelhandelskonzept umfasst auch Maßnahmen im infrastrukturellen und institutionellen Bereich (zum Beispiel Verkehrsführung, Parkplätze, öffentliche Dienste und Einrichtungen) im Zusammenhang mit einzelhandelsbezogenen Standortplanungen.

Die Ziele von kommunalen oder regionalen Einzelhandelskonzepten bestehen vor allem in der

Einzelhandelskonzepte sollten Bestandteil einer integrierten kommunalen Entwicklungsplanung und hinsichtlich der Ausweisung von Kerngebieten und Sondergebieten für großflächigen Einzelhandel bereits Grundlage der Flächennutzungsplanung sein.

Ihre Bedeutung für die Aufstellung oder Änderung von Bauleitplänen ergibt sich unter dem Aspekt einer nachhaltigen städtebaulichen Ordnung und Entwicklung, insbesondere im Hinblick auf die Ausstattung des Gemeindegebietes mit Einrichtungen und Anlagen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Hierbei empfiehlt sich die Ausrichtung auf ein innergemeindliches Zentrensystem mit städtebaulich integrierten Versorgungsschwerpunkten.

Kommunale und interkommunale Einzelhandelskonzepte, die aktuell mit der Regionalplanung abgestimmt sind, erleichtern und beschleunigen die Durchführung von Planungsverfahren.

Im Zusammenhang mit Abweichungs- und Raumordnungsverfahren betr. großflächiger Einzelhandelsprojekte sollten kommunale oder interkommunale Einzelhandelskonzepte in der Regel als Orientierungs- und Beurteilungsgrundlage vorab erarbeitet werden. Die obere Landesplanungsbehörde kann im Einzelfall als Entscheidungsgrundlage im Rahmen von Abweichungs- oder Raumordnungsverfahren

  1. bei Einkaufszentren
  2. bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben von überörtlicher Bedeutung mit innenstadtrelevanten Sortimenten

die Vorlage eines Einzelhandelskonzeptes verlangen.

Vor allem bei Zentren in Funktionsverbindung oder mit gemeinsamen Verflechtungsbereichen, bei Zentren, die ihre zentralörtliche Funktion gemeinsam wahrnehmen und bei bestehenden oder geplanten interkommunalen und regionalen Kooperationen wird die Erarbeitung regionaler Einzelhandelskonzepte unter Beteiligung der Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Einzelhandelverbänden und gegebenenfalls weiterer Akteursgruppen dringend empfohlen. Die planerische Umsetzung kann dann zum Beispiel gemäß § 204 Abs. 1 BauGB erfolgen (gemeinsamer Flächenutzungsplan mit Bindungswirkung für sachliche Teilbereiche bzw. Vereinbarung über bestimmte Darstellungen in den Flächennutzungsplänen).

6.2 Bauleitplanung

6.2.1 Planungserfordernis nach § 1 Abs. 3 BauGB

In Anwendung des § 1 Abs. 3 BauGB ist im unbeplanten Innenbereich die Aufstellung von Bebauungsplänen in der Regel erforderlich, wenn eine Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben die geordnete städtebauliche Entwicklung oder die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung gefährden würde.

Um Fehlentwicklungen vorzubeugen, sollten die Gemeinden, für die nach den Zielen der Raumordnung und Landesplanung eine Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben in Betracht kommt, auch unter Berücksichtigung des sonstigen Flächenbedarfs der gewerblichen Wirtschaft Angebote für solche Betriebe bereithalten, indem sie geeignete Standorte ermitteln und dann mit einer gezielten Aufstellung, Änderung oder Ergänzung der Bauleitpläne die notwendigen planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben schaffen. Dabei sind jedoch nicht integrierte Standorte auszuschließen, soweit es sich nicht um Vorhaben handelt, die für eine Unterbringung im innerstädtischen Bereich ungeeignet sind (zum Beispiel Baumärkte, Möbelmärkte und Ähnliches vgl. Nr. 5.3).

Darüber hinaus kann aus § 1 Abs. 3 BauGB eine Pflicht zur erstmaligen Aufstellung eines Bebauungsplanes erwachsen, die ihre Grundlage in dem in § 2 Abs. 2 BauGB normierten Gebot der interkommunalen Abstimmung hat. Das Gleiche gilt für § 1 Abs. 4 BauGB, wonach die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind.

Das grundsätzlich bestehende Planungsermessen kann sich dann zu einer Planungspflicht verdichten, wenn die vorhandenen städtebaulichen Bedürfnisse nicht anders als durch eine Bauleitplanung in geordnete Bahnen gelenkt werden könnten. Das Erfordernis einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB beschränkt sich dabei nicht auf das Gebiet der planenden Gemeinde. Vielmehr haben die Gemeinder auch die Auswirkungen ihrer Planungen bzw. des Unterbleibens einer Planung auf die benachbarten Gemeinden zu berücksichtigen und Fehlentwicklungen bauleitplanerisch zu begegnen. (Beschluss des OVG Koblenz vom 20. Januar 1998, 1 B 10056/98)

6.2.2 Anpassung "alter" Bebauungspläne

Wegen der zum Teil erheblichen städtebaulichen Auswirkungen von Einzelhandelsgroßbetrieben wurde mit § 11 Abs. 3 BauNVO eine Sondervorschrift geschaffen, die diese Betriebe aus der Gruppe der Gewerbebetriebe in der BauNVO besonders heraushebt. Hieraus ergeben sich auch strenge Anforderungen an den Nachweis der Erforderlichkeit der Darstellung und Festsetzung dieser Nutzungsart (§ 1 Abs. 3 BauGB).

Dies gilt sowohl für die Darstellung und Festsetzung von Kerngebieten, in denen derartige Betriebe allgemein zulässig sind als auch für Sondergebiete nach § 11 Abs. 3 BauNVO. Bebauungspläne, für die die Baunutzungsverordnung in der Fassung 1962 oder 1968 anzuwenden ist und in denen Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe oder sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO 1977 zulässig bzw. bedingt zulässig sind, sind durch Anwendung des § 1 Abs. 4, 5 und 9 BauNVO den Vorschriften der gültigen BauNVO anzupassen, sofern solche Betriebe dort landesplanerisch oder städtebaulich nicht vertretbar sind. Dies gilt insbesondere für Gewerbe- und Industriegebiete.

Unter den genannten Voraussetzungen besteht somit ein Planungserfordernis und damit eine Planungspflicht der Gemeinde (§ 1 Abs. 3 und 4 BauGB). Auf mögliche Entschädigungsforderungen nach §§ 39 ff. BauGB wird jedoch hingewiesen (Ziffer 6.7).

Die Umstellung auf die neue BauNVO muss nicht immer mit Änderungen der Grundzüge der Planung verbunden sein in diesen Fällen ist das vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB anwendbar. Die Änderung eines Bebauungsplans kann auch während eines Genehmigungsverfahrens für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb erfolgen und durch Zurückstellung von Baugesuchen (§ 15 BauGB) oder Veränderungssperre (§ 14 BauGB) gesichert werden.

6.2.3 Anpassung der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung nach § 1 Abs. 4 BauGB

Bauleitpläne sind nach § 1 Abs. 4 BauGB den Zielen der Raumordnung anzupassen. Die in den Raumordnungsplänen enthaltenen Ziele der Raumordnung und Landesplanung sind nach § 4 Abs. 1 HLPG auch für die Träger der Bauleitplanung bei ihren Planungen unmittelbar bindende Vorgaben und nicht mehr Gegenstand der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB. Die Ziele der Raumordnung sind insbesondere in den Regionalplänen für die Planungsregionen Südhessen, Mittelhessen und Nordhessen festgelegt.

6.3 Gewährleistung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung, Abwägung

Nach § 1 Abs. 5 BauGB sollen die Bauleitpläne insbesondere eine geordnete städtebauliche Entwicklung gewährleisten. Bei ihrer Aufstellung sind unter anderem die sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung zu berücksichtigen, außerdem die erhaltenswerten Ortsteile von städtebaulicher Bedeutung bzw. die Erhaltung, Erneuerung und Fortentwicklung vorhandener Ortsteile. Mit Grund und Boden soll - wie § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB ausdrücklich bestimmt - sparsam und schonend umgegangen werden. All diese von der Ansiedlung eines Einzelhandelsbetriebs nach § 11 Abs. 3 BauNVO betroffenen öffentlichen und privaten Belange sind schließlich gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

Aus städtebaulicher Sicht ist deshalb zu prüfen, ob großflächige Einzelhandelsprojekte insbesondere im Hinblick auf die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO genannten Auswirkungen mit dem städtebaulichen Gefüge vereinbar sind. Dabei ist ein wesentlicher öffentlicher Belang das Interesse der Gemeinde an der Erhaltung und Weiterentwicklung ihrer Zentren und der darin befindlichen Struktur mittelständischer Gewerbebetriebe. § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB erwähnt dabei ausdrücklich die mittelständische Struktur der Wirtschaft im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung.

Im Zuge der Bürgerbeteiligung (§ 3 BauGB), der Anhörung der Träger öffentlicher Belange (§ 4 BauGB) und der Anhörung benachbarter Gemeinden (§ 2 Abs. 2 BauGB) werden die das Vorhaben betreffenden Belange ermittelt und in die gerechte Abwägung eingestellt. Da in diesem Zusammenhang Belange der Wirtschaft betroffen sind, sind entsprechend dem Erlass über die Beteiligung Träger öffentlicher Belange die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern zu beteiligen. Es ist zweckmäßig, die Industrie- und Handelskammern zu bitten, die Einzelhandelsverbände zu hören.

6.4 Interkommunales Abstimmungsgebot nach § 2 Abs. 2 BauGB

Nach § 2 Abs. 2 BauGB sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen.

Einer materiellen Abstimmung im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB bedarf es immer dann, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die benachbarten Gemeinden in Betracht kommen wie eine konkrete Beeinträchtigung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung, insbesondere der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche durch ein großflächiges Einzelhandelsprojekt. Das interkommunale Abstimmungsgebot setzt keine konkrete Planung der betroffenen Nachbargemeinde voraus, ist also unabhängig davon erforderlich, ob in der Nachbargemeinde bereits Bauleitpläne oder bestimmte planerische Vorstellungen bestehen.

Benachbarte Gemeinden im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB sind nicht nur die unmittelbar angrenzenden, sondern alle Gemeinden, die von den Auswirkungen einer Planung betroffen sind.

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