umwelt-online: Wirkung hochfrequenter Felder auf das Genom: Genotoxizität und Genregulation (3)
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5.2.2.2 Transformierte Blutzellen
In einer Studie [Hook et al., 2004b] wurden exponentiell wachsende Molt-4-Zellen einer menschlichen Leukämiezelllinie für 2, 3 und 21 Stunden HF-Feldern unterschiedlicher Pulsung und Frequenz (CDMA (847,74 MHz; 3,2 W/kg), FDMA (835,62 MHz; 3,2 W/ kg), iDEN (813,56 MHz; 2,4 oder 24 mW/kg) und TDMA (836,55 MHz; 2,6 oder 26 mW/kg)) in einer radialen Wellenleitung ausgesetzt. Als Positivkontrollen wurden die Zellen Gamma-Strahlen (1 Gy) oder einer Erwärmung (44 °C für 20 min) ausgesetzt. Als Endpunkte wurden die Kometen mit dem alkalischen "Comet-Assay" sowie die Apoptosehäufigkeit über Annexinbindung mit Cytofluorimetrie untersucht (vgl. Kap. 3.3.2). Es ergaben sich unabhängig von Befeldungsmodalität, Modulationsformen und SAR-Werten keine Unterschiede zwischen exponierten und scheinexponierten Proben.
Im Rahmen der REFLEX-Studie [European Union, 2004a] wurde ein Teilprojekt (Participant 2, Arbeitsgruppe Tauber) an exponentiell wachsenden Zellen einer menschlichen Leukämie-Zelllinie (HL-60) durchgeführt, dessen Ergebnisse bisher nicht publiziert wurden. Als biologische Endpunkte wurden MN, Kometen, Zellzyklus, Apoptose und Sauerstoffradikale (ROS) untersucht. Die Exposition fand in dem in Kap. 2.1 beschriebenen Wellenleiter-Resonator statt [Schuderer et al., 2004b]. Die Zellen wurden bei 1.800 MHz mit unterschiedlichen Modulationen (CW, GSM 217 Hz und GSM-Talk) für Zeiten zwischen zwei und 72 Stunden bei SAR-Werten von 0,2 bis 3 W/kg exponiert. Das wesentliche Resultat dieser Studie ist ein SAR-abhängiger Anstieg der MN und des "Comet Tail Moments". Es handelt sich jedoch nicht um eine einfache Abhängigkeit, sondern es kommt nur bei mittleren SAR-Werten 1,3, 1,6 und 2 W/kg zu einer Erhöhung, nicht jedoch bei niedrigeren oder höheren SAR-Werten, was als eine Art "Fenstereffekt" interpretiert wird. Apoptose, Zellzyklus und die Überlebensfähigkeit der Zellen waren dagegen nicht beeinflusst. Die Autoren beschreiben eine Steigerung der ROS und eine Reduktion der Effekte durch Zugabe von Ascorbinsäure als Radikalfänger bei Exposition über 24 h.
Zwei weitere Studien [Lantow et al., 2006; Simko et al., 2006] haben die Produktion von freien Radikalen in Zellen des menschlichen Immunsystems, einer Monozyten-Zellline (Mono Mac 6) und einer Leukämielinie von Erythroid-Zellen (K562) unter dem Einfluss von 1.800 MHz-Feldern untersucht und keine erhöhte Produktion von Radikalen nachweisen können. Die Arbeiten sind im Einzelnen im Kapitel 6.1 behandelt, da diese Arbeiten sich auch mit der Frage der Expression von "Heat Shock"-Proteinen beschäftigen. Diese Frage spielt im Kapitel 6 eine wichtige Rolle.
5.2.3 In-vitro-Exposition: Fibroblasten und Zelllinien
Die Arbeitsgruppe Rüdiger untersuchte im Rahmen des REFLEX-Projekts u. a. genotoxische Wirkungen in menschlichen Fibroblasten sowie Ratten-Granulosa-Zellen [European Union, 2004a]. Die Expositionsapparatur war - wie in den meisten REFLEX-Studien - der von Schuderer et al. (2004b) entwickelte Wellenleiter-Resonator. Bei einer Frequenz von 1.800 MHz wurden SAR-Werte von 1,2 und 2 W/kg in verschiedenen Modulationen und zeitlichen Expositionsmustern bis zu 24 Stunden eingesetzt. Als Testverfahren dienten alkalischer und neutraler "Comet-Assay", außerdem wurden Mikrokerne sowie Chromosomenaberrationen bestimmt. Die Autoren geben bei allen untersuchten Parametern signifikante Steigerungen im Vergleich zu "Sham"-Kontrollen nach 4- und 24-stündiger Exposition an. Ein Teil der im REFLEX-Report berichteten Ergebnisse ist veröffentlicht [Diem et al., 2005], ihre Gültigkeit ist von Vijayalaxmi et al. (2006) aus methodischen Gründen in Zweifel gezogen worden. Speit et al. (2007) haben in Zusammenarbeit mit dem REFLEX-Konsortium die Experimente mit gleichem Zellmaterial und einer identischen Expositionsapparatur repliziert. Dabei konnten die ursprünglichen Ergebnisse nicht bestätigt werden. In derselben Arbeit wurden zum Vergleich auch V79-Zellen des chinesischen Hamsters untersucht, die ein "Standardobjekt" zytologischer Forschung in Säugerzellen darstellen. Auch bei ihnen gab es bei den untersuchten Parametern in keinem Fall eine Änderung durch den Einfluss von HF-Feldern.
Eine vergleichbare Studie wurde von Sakuma et al. (2006) durchgeführt. Sie exponierten sowohl Humanfibroblasten aus fetalen Lungen (Linie IMR90) als auch menschliche Gliomzellen (A172) in verschieden modulierten Signalen der Grundfrequenz 2142,5 MHz bei SAR-Werten von bis zu 0,8 W/kg. DNA-Schäden wurden mit Hilfe des alkalischen "Comet-Assays" quantifiziert. In keinem Fall zeigten sich statistisch signifikante Unterschiede zwischen exponierten und nicht exponierten Proben. Allerdings muss auf die relativ geringe SAR in diesen Experimenten hingewiesen werden.
In einer Arbeit von Zhang et al. (2006), die nur als Zusammenfassung vorliegt, wurden Hamsterlungenfibroblasten 1 bzw. 24 Stunden mit 1.800 MHz-Signalen bei 3 W/kg exponiert und in Bezug auf die Induktion von DNA-Doppelstrangbrüchen untersucht, wobei die empfindliche Methode des Immunnachweises von γ-H2AX benutzt wurde. Eine gerade signifikante Erhöhung ergab sich lediglich bei der längeren Expositionsdauer.
Lagroye et al. (2004b) untersuchten in der Maus-Fibroblastenzelllinie 10T1/2 die Ausbeute an Alkalilabilen DNA-Schäden und DNAProtein-Vernetzungen. Als Positivkontrolle wurden Cisplatin und Gammastrahlen benutzt. Die Exposition mit 2.450 MHz erfolgte über 2 Stunden bei einer SAR von 1,9 W/kg. Die ausführlich belegten Ergebnisse geben keinen Hinweis auf die Induktion von Alkalilabilen Läsionen oder DNA-Protein-Vernetzungen durch HF-Exposition.
An CHO-K1 und an MO54-Zellen untersuchten Takashima et al. (2006) Zellwachstum, -überleben und -zyklus über ein sehr breites SAR-Spektrum (0,05-1500 W/kg Pulswerte bzw. CW bis 200 W/kg) bei 2,45 GHz. Die Kulturen wurden auf einen geschlitzten Hohlleiter-Resonator aufgesetzt. Ab 100 W/kg kam es zu einer deutlichen Erwärmung des Kulturmediums. Bei 200 W/kg CW mit 7 °C Temperaturerhöhung kam es zu einem verringerten Überleben beider Zelltypen. Ein solcher Effekt ließ sich auch durch Aufheizen auf die entsprechende Temperatur erreichen, was zeigt, dass die ermittelten Veränderungen lediglich auf thermische Effekte zurückzuführen waren.
In einer weiteren Studie wurden sehr hohe SAR (5 - 100 W/kg; 2,45 GHz CW und gepulst; 2 h) angewendet, hier auf embryonale Hautfibroblasten der Maus (m5S) [Komatsubara et al., 2005]. Es traten Temperaturerhöhungen bis zu 4 °C auf. Die Häufigkeiten chromosomaler Aberrationen waren nicht erhöht.
In einer Studie von [Hook et al. 2004a] an einer Zelllinie von Maus-Makrophagen, J774,16, wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen Exposition in HF-Feldern und oxidativem Stress untersucht. Da die unter diesen Bedingungen produzierten "freien Radikale" zu genotoxischer Wirkung führen können, wurde die Untersuchung diesem Kapitel zugeordnet. Vier Aspekte wurden verfolgt: 1. Die Produktion "freier Radikale", 2. die Begünstigung "freier Radikale", 3. der Schaden durch freie Radikale sowie 4. die Auslösung einer Antwort auf oxidativen Stress. Zu diesem Zweck wurden die Makrophagen vor einer Exposition durch γ-Interferon und bakterielles Lipopolysaccharid stimuliert. Hierdurch kommt es u. a. zur Ausschüttung von Sauerstoff-Radikalen. Die Feldexposition erfolgte in einer radialen Wellenleitung mit CDMA-Muster bei 847,7 MHz und FMCW mit 836,5 MHz bei einer SAR von 0,8 W/kg für 20 - 22 Stunden. Zur Charakterisierung wurden das Niveau von Oxidantien, Antioxidantien sowie die Aktivität verschiedener detoxifizierender Enzyme (Katalase, Superoxid-Dismutase) bestimmt. Eine signifikante Veränderung im Gehalt an oxidativen Substanzen, Antioxidantien oder der Aktivität detoxifizierender Enzyme wurde unabhängig von Frequenz oder Modulationsform nicht festgestellt.
Diese Ergebnisse stimmen mit den oben erwähnten Arbeiten von Lantow et al. (2006) und Simko et al. (2006) überein.
5.2.4 In-vitro-Exposition: Stammzellen
Im Rahmen der REFLEX-Studie [European Union, 2004a] wurden Untersuchungen an embryonalen R1-Maus-Stammzellen vom Wildtyp und an p53-defizienten Zellen sowie an Herzvorläuferzellen vorgenommen (Participant 4, Arbeitsgruppe Wobus). Die Ergebnisse bezüglich der Wirkung von HF-Feldern wurden von Czyz et al. (2004) und Nikolova et al. (2005) zusammengefasst. Untersucht wurden CA, SCE, Kometen mit Standardmethoden sowie der Zellzyklus mit Durchflusszytometrie, außerdem Differenzierungsprozesse und Genaktivierung mit quantitativer RT-PCR. Die Feldexposition bei 1,71 GHz erfolgte in der Expositionsapparatur nach Schuderer et al. (2004b), die schon vor dem REFLEX-Projekt an die Kultur der embryonalen Stammzellen im hängenden Tropfen angepasst wurde [Schönborn et al., 2000]. Die Exposition erfolgte in einem 5-min-an-30-/min-aus-Muster entweder für 6 oder für 48 Stunden bei einer SAR von 1,5 W/kg GSM 217 Hz, 0,4 W/kg GSM-Talk und 0,11 W/kg GSM-DTX. Die meisten untersuchten Parameter wie CA, SCE, Proliferation und Differenzierung wurden nicht durch die HF-Felder beeinflusst. Im neutralen, aber nicht im alkalischen "Comet-Assay" zeigte sich in den Wildtyp-Zellen nach 6 Stunden, aber nicht nach 48 Stunden, GSM 217 Hz bei SAR 1,5 W/kg ein leicht erhöhter "Comet Tail Factor". Diese Diskrepanz zwischen den beiden Modifikationen des "Comet-Assays" ist nicht nachvollziehbar, da sich die unter neutralen Bedingungen nachgewiesenen Doppelstrangbrüche auch unter alkalischen Bedingungen als Einzelstrangbrüche manifestieren sollten. Die in diesen Arbeiten enthaltenen umfangreichen Ergebnisse zur Genexpression sind in Kap. 6.1 beschrieben.
5.2.5 In-vivo-Exposition
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das ganze Tier dem HF-Feld auszusetzen und nach einer vorgegebenen Zeit Zellen zu isolieren und zu untersuchen. Derartige Versuche werden in diesem Kapitel beschrieben.
Die Publikationen von Lai und Singh (1995; 1996; 1997) markieren den Beginn einer Vielzahl von ähnlichen Untersuchungen. Sie sind ausführlich in den älteren Zusammenfassungen, z.B. von Vijayalaxmi und Obe (2004) kommentiert worden, sollen daher hier nicht mehr im Einzelnen besprochen werden. Lai und Singh exponierten Ratten und isolierten Hirnzellen, in denen sie mit Hilfe des "Comet-Assays" DNA-Strangbrüche nachwiesen. Lagroye et al. (2004a) wandten ein weitgehend analoges Verfahren an und kamen zu dem Schluss, dass keine DNA-Schäden durch die Einwirkung von Mikrowellen der Frequenz 2450 MHz bei einer SAR von 1,2 W/kg mit Hilfe des alkalischen "Comet-Assays" beobachtet werden können.
Paulraj und Beharil (2006) kamen zu einem gegensätzlichen Schluss: Sie exponierten Ratten über 35 Tage mit 2.450 oder 16.500 MHz bei SAR-Werten von 1 und 2 W/kg und bestimmten DNA-Veränderungen mit Hilfe des alkalischen "Comet-Assays". Die statistische Analyse erwies danach hochsignifikante Steigerungen nach der Langzeitexposition im Vergleich zu nicht exponierten Kontrollen.
Die Studie von Görlitz et al. (2005) ist mit den genannten Schlussfolgerungen nicht kompatibel. Sie haben B6C3F1-Mäuse in einem einwöchigen und in einem sechswöchigen Versuch HF-Feldern von 902 und 1.747 MHz ausgesetzt. Die Tiere wurden 2 Stunden täglich in einem radialen Wellenleitungsresonator mit sternförmig um die Antenne angeordneten Röhren exponiert, in denen sich jeweils eine Maus befand. Die Exposition erfolgte im einwöchigen Versuch über fünf Tage bei 0, 3,7, 11 und 33,2 W/kg, im sechswöchigen Versuch fünf Tage pro Woche bei 0, 2,8, 8,3 und 24,9 W/kg. MN wurden in Lymphozyten aus der Milz, in polychromatischen Erythrozyten und Keratinozyten analysiert. Weder nach einer noch nach sechs Wochen zeigte sich ein Einfluss des Feldes. Der Proliferationsindex der Lymphozyten war nicht beeinflusst. Körpergewicht und Gesundheitszustand der Tiere waren nicht beeinflusst.
In mehreren Versuchsserien folgten Trosic und Busljeta [Trosic et al., 2004; Trosic und Busljeta, 2006] einem ähnlichen Ansatz wie Görlitz et al. (2005). Sie konzentrierten sich allerdings auf das blutbildende System. Sie bestimmten polychromatische Erythrozyten im Knochenmark sowie Mikrokerne im peripheren Blut von Ratten nach Exposition mit 2.450 MHz bei einem SAR-Wert von 1,25 W/kg. Weder die Expositionsapparatur noch die Art der Bestimmung des SAR sind ausreichend beschrieben, um methodische Fehler ausschließen zu können. Anscheinend wurden die SAR ausgehend von einer Leistungsflussdichtemessung im Käfig berechnet. Am Ende des Expositionszyklus wurden aus dem Oberschenkelknochen Zellen gewonnen, mit Acridinorange gefärbt und mikroskopisch ausgewertet. Die Ergebnisse weisen einen uneinheitlichen Verlauf auf: Es kommt am 8. und 15. Tag zu Anstiegen der erfassten Parameter, bei längeren Zeiten sinken sie jedoch wieder auf Kontrollniveau ab. Die Autoren deuten dieses Verhalten als eine initiale Störung der Blutbildung und diskutieren die Möglichkeit einer späteren Adaptation. In Bezug auf eine mögliche Genotoxizität lässt sich kein klarer Schluss ziehen.
In einer Studie mit verschiedenen Endpunkten wurden von Belyaev et al. (2006) Ratten bei 915 MHz-GSM-Basic-Mode in einer TEM-Zelle mit 0,4 W/kg 2 h exponiert. Nach der Exposition wurden aus der weißen und grauen Masse des Gehirns und aus dem Thymus sowie der Milz Zellsuspensionen präpariert. Aus den Zellkernen wurden DNA und Nicht-Histonproteine isoliert. Die Viskosität der resultierenden Lösung wurde gemessen. Die HF-Exposition hatte keinen Einfluss auf diesen Parameter. Mit der Pulsfeldelektrophorese ließen sich keine Doppelstrangbrüche detektieren.
In einer Studie von Vijayalaxmi et al. (2003) wurden Ratten für 2 Jahre bei einem 1,6 GHz-Iridium-Signal exponiert bei 0,16 und 1,6 W/kg (SAR lokal im Gehirn) 2 h täglich 5 Tage pro Woche. Es wurden ca. 130 Tiere pro Gruppe untersucht. Bestimmt wurden Mikrokerne in polychromatischen Kernen des Knochenmarks. Mit Ausnahme der Positivkontrollen waren alle Ergebnisse negativ.
Aitken et al. (2005) exponierten Mäuse bei 900 MHz CW in einem Rechteckhohlleiter bei einer SAR von 90 mW/kg über 7 Tage täglich 12 h. Sie untersuchten Veränderungen in männlichen Keimzellen. Untersuchungen mit Hilfe der Gelelektrophorese ergaben keine signifikanten Erhöhungen von Einzel- oder Doppelstrangbrüchen, jedoch zeigten sich mit Hilfe der quantitativen PCR Schäden sowohl im mitochondrialen Genom als auch am Genlocus für das β-Globin. Allerdings wurden die Vergleiche lediglich mit einer Käfigkontrolle und nicht mit scheinexponierten Tieren durchgeführt, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich um Stresseffekte gehandelt haben könnte.
Im Rahmen eines lang angelegten Versuchs, mögliche Kombinationswirkungen mit chemischen Noxen zu finden, exponierten Verschaeve et al. (2006) Ratten über insgesamt zwei Jahre (2 Stunden/Tag, 5 Tage/Woche, 900 MHz GSM-Basic, SAR 0,3 oder 0,9 W/kg). Zu verschiedenen Zeitpunkten wurden Tiere getötet und DNA-Schäden in Hirn- und Leberzellen mit Hilfe des alkalischen "Comet-Assays" bestimmt. Außerdem wurde in Blutproben das Auftreten polychromatischer Erythrozyten untersucht. In keinem Fall ergab sich eine durch HF hervorgerufene Genotoxizität.
In einer tierexperimentellen Untersuchung an gentechnisch veränderten Mäusen sind Ono et al. (2004) der Frage nachgegangen, ob HF-Felder mutagen wirken. In das Genom der Testtiere ist das lacZ-Gen stabil integriert, das nach Exposition auf Mutationen überprüft werden kann. Die Tiere wurden in utero von Tag 0 - 15 täglich 16 Stunden in 2.450 MHz CW mit einer "mittleren" SAR von 1,4 W/kg (errechnet aus: 20 s an 4,3 W/kg, anschließend 40 s aus) oder 0,71 W/kg (errechnet aus: 10 s an 4,3 W/kg, 50 s aus) mit Hilfe einer Hornantenne exponiert. Die neonatalen Mäuse wurden noch 10 Tage im Käfig gehalten und untersucht. Aus DNA von Leber, Milz, Gehirn und Testis wurde das lacZ-Gen isoliert und in Lambdaphagen eingebaut, um die Mutantenhäufigkeit zu bestimmen. Bei isolierten Mutanten wurde außerdem eine Sequenzanalyse durchgeführt. Weder in Bezug auf die Mutantenhäufigkeit noch auf Sequenzänderungen konnte ein signifikanter Unterschied zwischen exponierten und nicht exponierten Tieren festgestellt werden. Die angewandte Methode erlaubt nur die Detektion kleinerer Veränderungen im Genom, größere Deletionen werden nicht erfasst.
5.3 Zusammenfassung und Diskussion
Bei einer Sichtung der Literatur fällt der erstaunliche Mangel an systematischer Stringenz bei den meisten Arbeiten auf. Obwohl internationale Leitlinien für die Prüfung auf genotoxische Wirkungen mit einer Beschreibung des Vorgehens und der Durchführung von Tests existieren [Albertini et al., 2000], wird auf sie nur in den seltensten Fällen Bezug genommen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich ein uneinheitliches Bild ergibt.
Übersichtsarbeiten der letzten Jahre zur genotoxischen Wirkung hochfrequenter Felder kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass diese keine direkten Schäden in der zellulären DNA induzieren (vgl. Kap. 5.1). Eine direkte Wirkung ist auch physikalisch nicht zu erwarten. Dennoch finden sich in der Literatur auch positive zytogenetische Befunde, die nicht auf offensichtlich inadäquate Versuchsbedingungen zurückgeführt werden können, dabei handelt es sich um 23% aller bis 2003 betrachteten Studien [Vijayalaxmi und Obe, 2004]. Auch die neuere Literatur zur Genotoxizität liefert ein uneinheitliches Bild, obwohl leistungsfähigere Expesitionsapparaturen mit verbesserter Dosimetrie einheitlich von vielen Arbeitsgruppen eingesetzt wurden. Eine Übersicht über die hier behandelten Arbeiten liefert Tab. 1.
Vijayalaxmi und Obe (2004) forderten zur Auflösung der widersprüchlichen Ergebnisse eine Multicenter-Studie mit ausreichender statistischer Absicherung im SAR-Bereich von 1-5 W/kg, mit genauer Temperaturkontrolle und überprüfter Dosimetrie. Es sollten mehrere Zelltypen wie Lymphozyten, Fibroblasten und auch Tumorzellen berücksichtigt werden. Die von der EU geförderte REFLEX-Studie wäre im Prinzip geeignet gewesen, diese Postulate zu erfüllen [European Union, 2004a]. Zwar wurden weitgehend einheitliche Expositionseinrichtungen mit verbesserter Dosimetrie benutzt, zeitliche Expositionen, Zellsysteme, Testverfahren und biologische Endpunkte waren jedoch unterschiedlich, sodass eine Vergleichbarkeit untereinander kaum gegeben war.
Allgemein kann festgestellt werden, dass zur Untersuchung genotoxischer Wirkungen der "Comet-Assay" und der Mikrokerntest am häufigsten benutzt wurden. Die beiden Techniken sind in der Durchführung relativ einfach, erfordern jedoch die sorgfältige Beachtung von Qualitätskriterien, um Fehler zu vermeiden. In einer Serie von Validierungsstudien wurde der Mikrokerntest bezüglich seiner Aussagekraft untersucht und als in-vitro-Test empfohlen [Lorge et al., 2006].
Zur Einordnung und Bewertung positiver Befunde dürfen einige Aspekte nicht unbeachtet bleiben. In diesem Zusammenhang sind Wiederholungsstudien besonders wichtig, die unter äußerst stringenten experimentellen Bedingungen durchgeführt wurden. Generell bedeutet eine nicht bestätigende Reproduktion nicht, dass die Ursprungsstudie falsch ist; denn auch die Reproduktionsstudie kann fehlerhaft sein. Eine bestätigende Reproduktion erhärtet jedoch die Befunde der ursprünglichen Arbeit. Die wenigen bisher vorgelegten Wiederholungsstudien waren stets negativ [Speit et al., 2007; Stronati et al., 2006]. Da eine direkte Schädigung der DNA durch HF-Felder bei den verwendeten Intensitäten aus physikalischen Gründen nicht zu erwarten ist, bleibt die Möglichkeit indirekter Wirkungen über Erwärmung exponierter Zellen oder über die Bildung von Radikalen, besonders von Sauerstoffradikalen (ROS). In sorgfältig durchgeführten Studien, bei denen die Temperaturerhöhung unter 0,2 Grad Celsius bleibt, können Effekte infolge von Erwärmung ausgeschlossen werden. In einer Studie [European Union, 2004a; Arbeitsgruppe Tauber] wurde über die Bildung von ROS berichtet, in anderen sehr ausführlichen Untersuchungen konnte dies nicht bestätigt werden [Lantow et al., 2006]. ROS-bedingte indirekte Schädigungen der DNA würden eher zu Chromatidenaberrationen und SCE führen, Erhöhungen der Häufigkeiten dieser Aberrationstypen wurden jedoch nicht gefunden. Chromosomenaberrationen, SCE und der auf Chromosomenaberrationen beruhende Anteil von MN sind das Ergebnis einer fehlerhaften Reparatur ("Misrepair") von direkten oder indirekten DNA-Schäden. Behinderungen der äußerst komplexen Reparaturvorgänge würden das Risiko von fehlerhaften Reparaturen verstärken und die Aberrationshäufigkeiten erhöhen. Entsprechende Analysen, bei denen Zellen mit typischen Mutagenen zusammen mit HF-Feldern behandelt wurden, führten in Kombination mit chemischen Mutagenen (vgl. [Baohong et al., 2005; Maes et al., 2001]) zu uneinheitlichen und in Kombination mit ionisierenden Strahlen [Stronati et al., 2006] zu eindeutig negativen Ergebnissen. Direkte und indirekte Schäden in der zellulären DNA bedingen in den meisten Fällen eine Verzögerung des Zellzyklus und lösen Nekrose oder Apoptose aus. Diese Effekte wurden nach Einwirkung von HF-Feldern auch bei positiven zytogenetischen Befunden häufig nicht gefunden, was auf methodische Probleme bei den entsprechenden Arbeiten hinweist.
In zytogenetischen Tests zur Wirkung von HF-Feldern wurden unterschiedlichste Zelltypen eingesetzt, wie menschliche Lymphozyten aus dem peripheren Blut, primäre menschliche Fibroblasten sowie transformierte menschliche und tierische Zellen. Die verschiedenen Zelltypen könnten unterschiedlich auf Testagenzien reagieren. Direkt wirkende Agenzien, wie ionisierende Strahlen, führen bei allen Zellen zu DNA-Schäden und in deren Folge zu chromosomalen Veränderungen, deren quantitative Ausprägung zellspezifisch unterschiedlich sein kann. Allerdings ist nicht bekannt, dass direkt wirkende Agenzien bei bestimmten Zelltypen unwirksam sind. Bei indirekten Wirkungen könnten größere Unterschiede auftreten. Die Entstehung von ROS unter Einwirkung von Feldern könnte zelltypspezifisch verschieden sein. ROS könnten eventuell nur in stimulierten (in der Zellkultur unter dem Einfluss mitogener Stimulation), nicht aber in unstimulierten Lymphozyten (Zustand der Zellen im peripheren Blut) induziert werden. Negative zytogenetische Befunde nach Exposition sowohl von stimulierten als auch von unstimulierten Lymphozyten [Vijayalaxmi, 2006; Zeni et al., 2003] sprechen allerdings dagegen, dass der Zustand der Lymphozyten einen Einfluss auf die Bildung von ROS haben könnte; es sei denn, man würde die nicht eben plausible Annahme machen, in Lymphozyten könnten grundsätzlich keine ROS gebildet werden. HL6O-Zellen, in denen die Induktion von ROS nach Einwirkung von Feldern vermutet wurde, sind Leukämiezellen, die Lymphozyten ähnlich sind. Zur möglichen Induktion von Gen- oder Punktmutationen unter der Einwirkung von Feldern wurden nur wenige Studien durchgeführt [Chang et al., 2005; Gos et al., 2000], die jedoch die negativen Studien zur Induktion chromosomaler Veränderungen bestätigen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich auch aus der neueren Literatur kein wissenschaftlich begründeter Verdacht auf eine genotoxische Wirkung von HF-Feldern ergibt.
Die Ergebnisse der wenigen systematisch geplanten Replikationsversuche ursprünglich positiver Befunde waren ausnahmslos negativ.
6 Genexpression
Um der Frage nachzugehen, ob HF-Felder die Genexpression beeinflussen können, wurde die neuere Literatur ab 2001 ausgewertet. Auch die Ergebnisse zur Genexpression, die im REFLEX-Abschlussbericht erwähnt sind, wurden berücksichtigt. Die in der Empfehlung der Strahlenschutzkommission aus dem Jahr 2001 [SSK, 2001] gezogenen Schlussfolgerungen (Kapitel "Untersuchungen zu krebsrelevanten Proteinen, Krebsentstehung und -promotion") zur Genexpression sind weiterhin aktuell. Hier wurden sowohl Genexpressionsstudien wie auch Arbeiten zur Genotoxizität bis 2000 behandelt. Die SSK hatte folgende Schlussfolgerung gezogen: "Es kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die Untersuchungen zu krebsrelevanten Proteinen, Krebsentstehung und Krebspromotion ein sehr uneinheitliches Bild liefern, inwieweit die einzelnen und nicht reproduzierten Hinweise eine Bedeutung für gesundheitliche Beeinflussungen haben, muss durch weitere Forschungen geklärt werden." In der Zeit bis heute ist eine Reihe neuerer Erkenntnisse auf dem Gebiet der Genexpression gewonnen worden, die hier dargestellt werden.
Zur Verbesserung der Übersicht wurden die Publikationen zur Genexpression in zwei Gruppen unterteilt. In der ersten Gruppe werden Arbeiten vorgestellt, in denen Zellen direkt exponiert wurden (in-vitro-Exposition). In der zweiten Gruppe werden Arbeiten zusammengefasst, bei denen Zellen untersucht wurden, die aus zuvor exponierten Tieren (in-vivo-Exposition) isoliert wurden.
6.1 In-vitro-Exposition
6.1.1 Genspezifische Untersuchungen
Zahlreiche Arbeiten im Bereich Genregulation beschäftigen sich mit dem Einfluss von HF-Feldern auf "Heat Shock"-Proteine. Diese Arbeiten werden größtenteils in diesem Kapitel vorgestellt.
Die an der REFLEX-Studie beteiligte Gruppe von Leszczynski untersuchte in drei publizierten Arbeiten [Leszczynski et al., 2002, Leszczynski et al., 2004, Nylund und Leszczynski, 2004] die Effekte von GSM 900 MHz bei einer SAR zwischen 2 - 5 W/kg auf EA.hy929 humane Endothelzellen. In diesen Arbeiten wurden die Zellen stets für nur 1 Std. in einem wassergekühlten Resonator exponiert (in An- oder Abwesenheit von 32 P-markiertem Phosphat). Danach wurden die zellulären Proteine auf 2-D-Gelen aufgetrennt und die Proteinmengen nach einer sensitiven Silberfärbung sowie die Phosphorylierung nach Autoradiographie densitometrisch vermessen. In der ersten Arbeit [Leszczynski et al., 20021 wurde berichtet, dass 67 Phosphoproteine offenbar durch Exposition dephosphoryliert und 324 de novo phosphoryliert wurden. Wenngleich in dieser Studie nicht klar wird, wie reproduzierbar diese Effekte sind, und die Proteine mit veränderter Phosphorylierung nicht identifiziert wurden, so konnte in zusätzlichen Experimenten belegt werden, dass die Expression und Phosphorylierung des hsp27 durch 1-stündige Exposition erhöht werden. Dieser Anstieg trat nur direkt nach der Exposition auf, bereits eine Stunde später war das hsp27 auf die Kontrollkonzentration zurückgegangen. Die Expression wurde einmal mit Immunfluoreszenz an ganzen Zellen gezeigt und zum anderen an Proteinextrakten der Zellen mit "Western-Blot"-Analyse. Auch die Phosphorylierung von hsp27 wurde in "Western-Blots" demonstriert. Da in der verwendeten Expositionseinrichtung nur geringe Temperaturschwankungen um ±0,3 °C gemessen wurden, wurde ein reiner Temperatur-Effekt (Hitzeschock) ausgeschlossen. Ein Inhibitor der p38MAP-Kinase verhinderte die Phosphorylierung, was auf eine Beteiligung des MAP-Kinase-Signalwegs, der durch verschiedene Stress-Signale aktiviert wird, hinweist.
In der zweiten Studie [Nylund und Leszczynski, 2004] konnten bei weitgehend identischer Versuchsanordnung nach Auswertung von je 10 unabhängigen Proben aus exponierten und scheinexponierten Proben 38 Proteinspots identifiziert werden, deren Expression auf Proteinebene durch die Exposition statistisch signifikant verändert war. Vier regulierte Proteine - 2 verschiedene Vimentinvarianten, Isocitratdehydrogenase-3α und "Heterogeneous Nuclear Ribonucleoprotein H1" - konnten durch Massenspektroskopie identifiziert und ihre Regulation durch Immuncytochemie bzw. "Western-Blot"-Analyse bestätigt werden. Durch Immunfluoreszenz-Analyse und FACS-Analyse konnte nachgewiesen werden, dass eine einstündige Exposition eine Assoziation des ursprünglich diffus verteilten Zytoskelettproteins Vimentin mit F-Actin Stressfasern induziert. Ob es sich nur um eine transiente oder eine persistierende Veränderung des Zytoskeletts handelt, bleibt unklar. In einer weiteren von Leszczynski et al. (2004) publizierten Studie wurden diese Befunde noch einmal bestätigt.
Im Rahmen der REFLEX-Studie wurde von der Arbeitsgruppe Lagroye versucht, die Ergebnisse von Leszczynski und Mitarbeitern zu hsp27 an EA.hy929-Zellen [Leszczynski et al., 2002, Leszczynski et al., 2004, Nylund und Leszczynski, 2004] zu reproduzieren [European Union, 2004a, Arbeitsgruppe Lagroye]. Allerdings hat die Arbeitsgruppe Lagroye ihre Messungen weder in dem Wellenleiter-Resonator von Schuderer et al. (2004b), noch in dem von Leszczynski verwendeten Resonator vorgenommen, sondern in einer "wirepatch cell". Die Zellen wurden für 1 h bei 900 MHz und 2 W/kg SAR dem Feld ausgesetzt und hsp27 sofort im Anschluss an die HFFeld-Exposition immunhistochemisch bestimmt. Die quantitative Bildanalyse zeigte keinen Einfluss des HF-Feldes. Es gelang also nicht, die Ergebnisse von Leszczynski und Mitarbeitern zu reproduzieren. Zusätzlich wurde hsp70 in der menschlichen neuronalen Zelllinie SH-SY5Y und in zwei Glia-Zelllinien human (U87) und Ratte (C6) nach 24 h Feldexposition bei 900 MHz und 2 W/kg mit den gleichen Methoden untersucht. Auch hier ließ sich kein Einfluss des Feldes nachweisen. In allen drei Zelllinien führte Erwärmung als Positivkontrolle zu der erwarteten hsp-Erhöhung. Zusätzlich hat die Arbeitsgruppe an den neuronalen Zelllinien, SHSY5Y und IJ87, sowie an einer Immunzelllinie aus menschlichen Monozyten (U937) und außerdem an Primärkulturen von Neuronen und Gliazellen aus dem Rattenkleinhirn Apoptose untersucht. Dabei wurde in allen Fällen die in Kap. 3.1.4 beschriebene Methode der Annexin V-Bindung angewendet. Die zwei neuronalen Zelllinien, SH-SY5Y und U87, wurden unter den oben beschriebenen Bedingungen dem Feld ausgesetzt. Die Exposition im HF-Feld hatte keinen Einfluss auf die Annexin-Bindung. Die Primärzellkulturen wurden entweder für eine Stunde oder 24 h dem 900 MHz-Feld von 2 W/kg ausgesetzt. Die Annexin V-Bindung wurde 4, 8 oder 24 h nach dem Beginn der Exposition bestimmt. Alle Befunde waren negativ. Die U937-Monozyten wurden entweder für 1 h oder für 48 h einem 900 MHz-Feld von 0,7 W/kg ausgesetzt. Zusätzlich wurde eine Kombination eines Apoptose auslösenden Agens (Camptothecin) und Feld-Exposition getestet. Die entsprechenden Zellen wurden für 1 h einem 0,7 W/kg- oder einem 2 W/kg-Feld ausgesetzt und dann mit Camptothecin behandelt. Auch in diesen Experimenten ließ sich kein Einfluss des Feldes feststellen. In einer weiteren Serie von Experimenten hat die Arbeitsgruppe die Expression der induzierbaren NO-Synthase (iNOS) und die Aktivität dieses Enzyms in den C6-Zellen getestet. Die iNOS-Expression wurde im "Western-Blot" nachgewiesen und NO wurde als Nitrit (Griess-Reaktion) gemessen. Mit Hilfe von Lipopolysaccharid (LPS) wurde die iNOS in einer Positivkontrolle induziert. Die C6-Zellen wurden für 48 h einem 900 MHz-Feld von entweder 0,2 oder 2 W/ kg ausgesetzt und anschließend die iNOS und NO bestimmt. Die Positivkontrolle wurde auch noch in eine schein- und eine HF-exponierte (2 W/kg, 48 h) Gruppe aufgeteilt. In den Gruppen ohne LPS-Stimulation konnte keine Veränderung in der iNOS-Expression oder der NO-Produktion durch die Feldexposition nachgewiesen werden. Die LPS-Stimulation selbst führte zu einem 20fachen Anstieg der NO-Produktion. Das zusätzlich angewendete Feld hatte keinen weiteren Einfluss darauf. Insgesamt erzielte die Arbeitsgruppe nur negative Ergebnisse. Die umfangreichen Untersuchungen sind an vielen Stellen nur wenig ausreichend erklärt, z.B. fehlt in der Regel eine Begründung für die eingesetzten Expositionszeiten oder SAR-Werte.
Wesentlich stärkere HF-Felder wurden in einer Studie von Tian et al. (2002) in ihrem Einfluss auf "Heat Shock"-Proteine getestet. Es wurde die Expression von hsp70 nach einer Exposition im unmodulierten 2.450 MHz-Feld bei SAR-Werten von 5, 20, 50, 100 W/kg verfolgt. Als Untersuchungsobjekt dienten Zellen einer Linie eines menschlichen Tumors des Nervensystems, nämlich von Gliazellen, MO54. Nur bei SAR-Werten von mehr als 20 W/kg kam es zu einem zeitabhängigen Anstieg der Expression von hsp70. Ein SAR-Wert von mehr als 20 W/kg ist jedoch weit oberhalb der Grenzwerte.
Die Induktion von hsp27 und hsp70 wurde in einer zweiten Arbeit an MO54-Zellen von derselben japanischen Arbeitsgruppe untersucht [Miyakoshi et al., 2005]. Die Arbeitsgruppe verwendete dieselbe Expositionsapparatur wie die meisten im REFLEX-Konsortium [Schuderer et al., 2004b], hier wurden CW-Felder von 1950 MHz für 10 und 30 min sowie für 1 und 2 h verwendet. Die SAR-Werte lagen bei 1, 2 und 10 W/kg. Untersucht wurden die Zeltproliferation mit Hilfe eines automatischen Zählverfahrens bis zu vier Tage nach der Exposition und die Expression von hsp27 und hsp70 sowie die hsp27-Phosphorylierung mit "Western-Blot". Zusätzlich wurde die Lokalisation von hsp27 mit Immuncytochenmie verfolgt. Als Positivkontrolle diente eine Erwärmung der Kulturen auf 43 °C. Weder die Lokalisation von hsp27 noch die Expression von hsp27 und hsp70 wurden durch die unterschiedlichen Expositionsmuster beeinflusst. Allerdings war die Phosphorylierung von hsp27 nach 1 und 2 h bei 10 W/kg erniedrigt, also deutlich über dem Grenzwert. Die Positivkontrollen zeigten eine klare Steigerung der Expression beider "Hegt Shock"-Proteine und auch die Translokation von hsp27 in den Zellkern. Die Bedeutung dieses Befundes bleibt unklar, insbesondere da Leszczynski et al. (2002) eine zusätzliche Phosphorylierung unter 900 MHz-Feld bei 2 W/kg gezeigt haben.
In einer Studie von Simko et al. (2006) wurde hsp70 an einer Monozyten Leukämie-Zelllinie (Mono Mac 6) untersucht. Die Zellen wurden in der von Schuderer et al. (2004a, b) entwickelten Apparatur bei 1.800 MHz, einer SAR von 2 W/kg im CW-, GSMBasic- (hier als GSM-nonDTX bezeichnet) oder GSM-217 Hz-Modus für 1 h exponiert. Als Positiv-Kontrolle diente eine Erwärmung auf 42 - 43 °C. Als weiterer Einflussparameter dienten ultrafeine Partikel (Feinstaub; Durchmesser 12 - 14 nm, 100 µg/ml). Die Expression von hsp70 wurde mit Antikörpern im Durchflusszytometer und im "Western-Blot" nachgewiesen. Neben hsp70 wurden Superoxid-Radikale als biologischer Endpunkt gemessen. Superoxid-Radikale reduzieren Cytochrom3+ zu Cytochrom2+, welches über seine spezifische Lichtabsorption nachgewiesen wurde. Sowohl der Hitzereiz als auch die ultrafeinen Partikel erhöhten die Superoxid-Radikal-Konzentration, nicht jedoch die HF-Felder allein, auch in Kombination mit den Feinstaubpartikeln hatten die HF-Felder keinen zusätzlichen Einfluss. In Bezug auf die Expression von hsp70 erwiesen sich sowohl die Feinstaubpartikel wie die HF-Felder als unwirksam, lediglich die Temperaturerhöhung zeigte eine positive Wirkung.
In einer zweiten Studie hat die Arbeitsgruppe von Simko wieder an Mono Mac 6-Zellen und auch an einer weiteren Linie (K562) freie Radikale und hsp70 untersucht [Lantow et al., 2006]. Phorbolester (PMA), Lipopolysaccharide (LPS) und Erwärmung auf 40 °C dienten als Positivkontrollen. Die HF-Felder von 1800 MHz wurden als GSM-Basic, GSM-DTX und GSM-Talk bei 0,5, 1,0, 1,5 und 2 W/kg angewendet. Auch bei dieser Studie konnte mit den HF-Feldern weder die hsp70-Expression noch die Konzentration von freien Radikalen erhöht werden. PMA und Wärme steigerten die Produktion von freien Radikalen allein und in Kombination mit HF-Feld, jedoch hatte dabei das HF-Feld keinen zusätzlichen Einfluss.
Lee et al. (2006) haben eine Studie speziell zur Analyse des Einflusses von HF-Feldern auf die Expression von Genen, die durch zellulären Stress induziert werden, durchgeführt. Dabei haben sie die Expression von hsp27, hsp70 und hsp90 ebenso verfolgt wie Mitogenaktivierte Proteinkinasen (MAPKs). Es dienten T-Lymphozyten der Linie Jurkat und Zellen einer Primärkultur aus dem Gehirn der Ratte (Astroglia) als Präparate. Die Zellen wurden in CDMA-Feldern von 1.762,5 MHz in einem Hohlleiterresonator bei SARs von 2 oder 20 W/kg für 30 oder 60 min exponiert. Bei den Experimenten wurde die Wärme durch eine effiziente Kühlung abgeführt. Um die MAPKs zu induzieren, wurden zusätzlich Versuche mit Phorbolester-Stimulation durchgeführt. Weder Phorbolester noch HF-Felder führten zu einer Induktion der hsp-Expression. Auch die MAPKs ließen sich durch die HF-Felder nicht induzieren. Bei der kombinierten Anwendung von HF-Feld und Phorbolester wurde durch das Feld keine zusätzliche Stimulation erreicht.
Die in Kap. 5.2.4 bereits unter dem Aspekt genotoxischer Wirkungen besprochenen Arbeiten aus der REFLEX-Studie aus der Arbeitsgruppe Wobus [Czyz et al., 2004; Nikolova et al., 2005] werden hier nochmals erwähnt, da sie neben den zytogenetischen Untersuchungen auch umfangreiche Experimente zur Genexpression enthalten. Die Expositionseinrichtung wurde schon in Kap. 5.2.4 vorgestellt. Die pluripotenten embryonalen Stammzellen (ES) der Maus wurden HF-Feldern bei einer mittleren SAR von 0,11 - 2 W/kg und 1,71 GHz und drei verschiedenen Modulationsformen (GSM 217 Hz, GSM-Basic, GSM-DTX) ausgesetzt. Mittels semiquantitativer RT-PCR wurde die Expression von Stress-, Proliferations- und Apoptose-assoziierten Genen (hsp70 vgl. Kap. 3.2.7, egr-1, c-myc, c-jun, p21 und bcl-2 vgl. Kap. 3.1.4) in 3 - 6 unabhängigen Experimenten mit 1 - 2 Replikaten analysiert. Dabei wurden Proben entweder nach 6 oder 48 h Exposition direkt untersucht oder nach anschließender Suspensionskultur (5 Tage) und erneutem Plattieren in vitro zur Differenzierung in Herzmuskelzellen angeregt und zu verschiedenen Zeitpunkten nach Induktion der Differenzierung untersucht. Exposition mit GSM-Basic und GSM-DTX für 6 oder 48 h bewirkte zu keinem untersuchten Zeitpunkt eine signifikante Veränderung der Expression der gemessenen mRNAs in R7, Wildtyp-ES-Zellen (vgl. Kap. 3.1.4) sowie P19-EG-Zellen. Dagegen induzierte 48-stiindige GSM-217 Hz-Exposition in den p53-defizienten ES-Zellen zu allen untersuchten Zeitpunkten eine signifikante, bis zu 2,5fache Erhöhung der hsp70 mRNA, während in den Wildtyp-Zellen keinerlei Veränderung beobachtet wurde. C-jun, c-myc und p21 waren ebenfalls spezifisch in den p53-defizienten Zellen jeweils nur zu einem der untersuchten Zeitpunkte leicht erhöht. Der Zellzyklus von P19-Zellen und die Differenzierung von R1-Zellen in Herzmuskelzellen waren durch die Exposition nicht verändert, sodass eine nachhaltige Veränderung der biologischen Eigenschaften dieser exponierten Zellen in dieser Arbeit nicht nachgewiesen werden konnte. Ob dies auch für die p53-defizienten ES-Zellen gilt, die transiente und persistierende Expressionsänderungen einzelner Gene gezeigt hatten, wurde in dieser Arbeit nicht untersucht.
In der zweiten Studie [Nikolova et al., 2005] wurde der Einfluss von HF-EMF (1,71 GHz) auf neural differenzierende ES-Zellen der Maus untersucht. In diesem Ansatz wurden die Zellen während der Differenzierungsphase für 6 oder 48 h bei einer SAR von 1,5 W/kg mit GSM 217 Hz exponiert und dann zu verschiedenen Zeitpunkten nach Exposition mittels semiquantitativer oder quantitativer RTPCR analysiert. Nach Auswertung von je 5 unabhängigen biologischen Replikaten mit je zwei RT-PCR-Ansätzen wurde zu jeweils einem der 3 - 4 untersuchten Zeitpunkte nach Exposition eine 10 - 20% erhöhte mRNA-Menge für die Apoptoseassoziierten Gene bax und GADD45 sowie eine ca. 50%ige Reduktion der Nurr1-mRNA ermittelt. Für die ebenfalls untersuchten bcl-2, p53, Nestin und Tyrosinhydroxylase wurden zu keinem Zeitpunkt signifikante Unterschiede zwischen scheinexponierten und exponierten Zellen gefunden. Ein Einfluss der Exposition auf die Proliferation (BrdUInkorporation) oder eine Veränderung des Anteils apoptotischer Zellen (FACS nach Propidiumjodid-Färbung) konnte nicht nachgewiesen werden, sodass unklar bleibt, ob die transienten Veränderungen der Expression einzelner mRNAs irgendwelche relevanten Auswirkungen haben.
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