umwelt-online: Grenzwerte und Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor elektromagnetischen Feldern (1)

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Regelwerk, Strahlenschutz
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Grenzwerte und Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Feldern
- Empfehlung der Strahlenschutzkommission -

(BAnz. Nr. 224 vom 30.11.2001 S. 24345)



Verabschiedet in der 173. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 4. Juli 2001

1 Einführung

In der Öffentlichkeit kam die Risiko-Diskussion im Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern in den 80er Jahren mit der Einführung von Mikrowellenherden im Haushalt und der zunehmenden Verwendung von Bildschirmgeräten im Büro auf. Seit Ende der 80er Jahre hat die öffentliche Diskussion der Frage möglicher Gesundheitsbeeinträchtigungen durch nieder- und hochfrequente Felder zugenommen. Ab den 90er Jahren sind Mobilfunksendemasten und Handys in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt, die sich durch die geplante Einführung der UMTS-Technologie noch deutlich verstärkt hat.

Die Strahlenschutzkommission (SSK) ist vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gebeten worden, in Vorbereitung der Novellierung der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV) [1] den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Gesundheitsbeeinträchtigungen durch statische und niederfrequente elektrische und magnetische sowie hochfrequente elektromagnetische Felder 1 auf den Menschen zu überprüfen. Dabei war zu beurteilen, ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Risiken durch die Exposition mit elektromagnetischen Feldern vorliegen, die über die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinausgehen, die den Grenzwertempfehlungen der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (IGNIRP) zugrunde lagen. Dabei sollte ausdrücklich auch geprüft werden, inwieweit die wissenschaftlichen Erkenntnisse Vorsorgemaßnahmen nahe legen.

Analysen zur Frage der Gesundheitsbeeinträchtigung durch elektromagnetische Felder sind von der SSK 1998 [2] sowie von IGNIRP [5], die auch die Basis der EU-Ratsempfehlung [3] waren, durchgeführt worden. Dabei stand die Erkennung von nachweisbaren biologischen Reaktionen und die Bewertung ihrer gesundheitlichen Wirkungen im Vordergrund. Ziel der vorliegenden Empfehlung der Strahlenschutzkommission ist es, auch den Aspekt der Vorsorge mit in die Bewertung einzubeziehen. Die vorliegende Bewertung konzentriert sich auf die wissenschaftlichen Publikationen, die ab 1998 veröffentlicht wurden. Im Bereich der hochfrequenten elektromagnetischen Felder sind dabei sowohl Erkenntnisse zu den thermisch bedingten Reaktionen als auch zu den Reaktionen bei Expositionen durch Felder, die nur zu vernachlässigbaren Temperaturerhöhungen führen, betrachtet worden 2.

Kapitel 3 enthält eine zusammenfassende Bewertung der neueren wissenschaftlichen Literatur. Der Bewertung vorangestellt sind die wichtigsten Themen/Fragen, die in der öffentlichen Diskussion stehen. Kapitel 4 beinhaltet Empfehlungen zum Schutz vor nachgewiesenen Gesundheitsbeeinträchtigungen sowie Empfehlungen zur Vorsorge. Der Anhang umfasst eine Zusammenfassung wissenschaftlich nachgewiesener Reaktionen und Gesundheitsbeeinträchtigungen durch nieder- und hochfrequente Felder (Kap. A1), ausführliche Begründungen der zusammenfassenden Bewertung in Kapitel 3 sowie eine Zusammenstellung der Grenzwerte.

2 Erläuterung zentraler Begriffe und Methodik der Bewertung

Elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder können unter bestimmten Umständen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, bis hin zu Schädigungen, führen. Die Abfolge der Ereignisse, die schließlich eine gesundheitliche Beeinträchtigung hervorrufen kann, wird im Folgenden mit den Begriffen physikalische Einwirkung, Effekt und biologische Reaktion beschrieben. Dies ist unabhängig davon, ob Effekte einer kurzzeitigen oder einer andauernden (chronischen) Exposition bzw. Effekte, die unmittelbar (akut) oder erst nach einer gewissen Verzögerung auftreten, betrachtet werden.

Die wesentliche physikalische Einwirkung elektrischer, magnetischer bzw. elektromagnetischer Felder auf den Körper äußert sich in Kräften, die auf elektrische Ladungen ausgeübt werden. Hierdurch werden Ströme im Körper erzeugt, die u. a. bei hohen Frequenzen zu Temperaturerhöhungen führen können.

Die physikalische Einwirkung von elektromagnetischen Feldern kann - muss jedoch nicht - zu messtechnisch nachweisbaren physikalischen Effekten führen, z.B. in Form einer Temperaturerhöhung oder einer Veränderung der elektrischen Spannung über einer Zellmembran. Effekte stellen sich ohne aktives Zutun des Körpers ein.

Effekte können - müssen jedoch nicht - eine aktive biologische Reaktion des Körpers hervorrufen. Hierzu gehört z.B. die Auslösung thermoregulatorischer Vorgänge.

Biologische Reaktionen können - müssen jedoch nicht - zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Sie liegen immer dann vor, wenn eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, der Leistungsfähigkeit oder des Wohlbefindens erfolgt. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung setzt eine biologische Reaktion voraus, der ein Effekt infolge einer physikalischen Einwirkung vorausgeht.

Für die vorliegende Bewertung ist von zentraler Bedeutung, dass der Körper in vielfältiger Art und Weise auf Einflüsse von außen reagieren kann, ohne dass dies stets gesundheitlich relevant sein muss. Es lassen sich daher durchaus Effekte der Reaktionen beobachten, die keine Gesundheitsbeeinträchtigungen zur Folge haben. Bei der Bewertung von wissenschaftlichen Untersuchungen muss geprüft werden, ob es sich um gesundheitliche Beeinträchtigungen oder um biologische Reaktionen handelt, die nach dem bisherigen Wissen in keinem Zusammenhang zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen stehen.

In Bezug auf die Qualität wissenschaftlicher Arbeiten orientiert sich die SSK an den anerkannten Qualitätsstandards für wissenschaftliche Forschung. Erforderlich ist dabei die Erfüllung von Mindestanforderungen an Objektivität, Kausalität und Reproduzierbarkeit. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Güte eines Forschungsberichtes ist es bereits, ob die Arbeit in einer anerkannten Fachzeitschrift publiziert wurde, die einem Begutachtungsverfahren durch andere Wissenschaftler (peer-review) unterliegt. In diesem Zusammenhang weist die SSK darauf hin, dass Erfahrungsberichte, wie z.B. Fallberichte über Erfahrungen mit Patienten, von ihrer Art häufig nicht geeignet sind, einen ursächlichen Zusammenhang festzustellen, weil sie den Mindestanforderungen an Objektivität und Reproduzierbarkeit nicht genügen. Darüber hinaus sind viele Erfahrungsberichte nicht ausreichend dokumentiert und oft von subjektiven Eindrücken geprägt. Sie können jedoch Anlass sein, wissenschaftliche Forschung durchzuführen.

Die SSK unterscheidet zwischen den im Folgenden dargestellten Definitionen der Kategorien wissenschaftlicher Nachweis, wissenschaftlich begründeter Verdacht und wissenschaftlicher Hinweis:

Wissenschaftlich nachgewiesen ist ein Zusammenhang zwischen einer Gesundheitsbeeinträchtigung. und elektromagnetischen Feldern, wenn wissenschaftliche Studien voneinander unabhängiger Forschungsgruppen diesen Zusammenhang reproduzierbar zeigen und das wissenschaftliche Gesamtbild das Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs stützt.

Ein wissenschaftlich begründeter Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen einer Gesundheitsbeeinträchtigung und elektromagnetischen Feldern liegt vor, wenn die Ergebnisse bestätigter wissenschaftlicher Untersuchungen einen Zusammenhang zeigen, aber die Gesamtheit der wissenschaftlichen Untersuchungen das Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs nicht ausreichend stützt. Das Ausmaß des wissenschaftlichen Verdachts richtet sich nach der Anzahl und der Konsistenz der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeiten.

Wissenschaftliche Hinweise liegen vor, wenn einzelne Untersuchungen, die auf eines Zusammenhang zwischen einer Gesundheitsbeeinträchtigung und elektromagnetischen Feldern hinweisen, nicht durch voneinander unabhängige Untersuchungen bestätigt sind und durch das wissenschaftliche Gesamtbild nicht gestützt werden.

Die Strahlenschutzkommission ist sich bewusst, dass die Beurteilung des Wissenstandes auch subjektive Wertungen einschließt. Zur Berücksichtigung des Meinungsspektrums hat sie auch Fachgespräche geführt. Da nie ein vollständiger Konsens unter Wissenschaftlern erreichbar ist, wurde das Urteil anerkannter Expertengremien, die sich dem wissenschaftlichen Diskurs gestellt haben, besonders hoch gewertet.

3 Zusammenfassende Bewertung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes

Im Folgenden werden die Ergebnisse von Forschungsarbeiten betrachtet, für die eine nachvollziehbare und wissenschaftlichen Kriterien entsprechende Dokumentation zur Verfügung steht, die eine Bewertung im Rahmen der Zielsetzung dieser Empfehlung ermöglicht. In den meisten Fällen sind dies Untersuchungen, die in wissenschaftlichen - Fachzeitschriften publiziert wurden. Die Darstellung konzentriert sich auf die wissenschaftlichen Publikationen, die seit Verabschiedung der SSK-Empfehlung [2] vom Dezember 1998 veröffentlicht wurden. Ausführlichere Darstellungen finden sich im Anhang, Kap. A2 und A3.

3.1 Statische elektrische und magnetische Felder

3.1.1 Statische elektrische Felder

Biologische Reaktionen des Körpers auf elektrische Gleichfelder sind gut bekannt. Es bestand daher in den letzten Jahren kein weiterer Forschungsbedarf. Elektrische Gleichfelder bewirken primär Ladungsansammlungen an der Körperoberfläche (durch Influenz). Dadurch beschränken sich biologische Reaktionen ebenfalls auf die Körperoberfläche. Sie bestehen zunächst in Kraftwirkungen auf Haare, die ab elektrischen Feldstärken von ca. 1 kV/m wahrnehmbar sind. Bei größeren Feldstärken kommt es zu (einmaligen) Funkenentladungen, die ab Energien von ca. 2 mJ - 25 mJ als belästigend empfunden werden können, die Schwelle für das lebensgefährliche Herzkammerflimmern liegt bei 1000 mJ, was für direkte Entladungen in einem elektrischen Gleichfeld etwa einer Feldstärke von 450 kV/m entspricht.

Im privaten und beruflichen Alltag sind weniger elektrische Gleichfelder, sondern vor allem elektrostatische Aufladungen für Funkenentladungen verantwortlich. Dies erklärt, weshalb derzeit keine Grenzwertregelungen für elektrische Gleichfelder vorliegen.

3.1.2 Statische magnetische Felder

Wegen der fehlenden zeitlichen Änderungen sind die Wirkungsmöglichkeiten magnetischer Gleichfelder auf gut bekannte Mechanismen beschränkt, nämlich einerseits die Kraftwirkungen auf Teilchen und Gegenstände, z.B. metallische Implantate, die ein eigenes Magnetfeld besitzen oder magnetisierbar sind, und andererseits die Erzeugung elektrischer Spannungen in bewegten Körperteilen. In invitro-Untersuchungen wurden darüber hinaus Beeinflussungen des Gleichgewichtes chemischer Reaktionen untersucht. Erst im Zusammenwirken - mit anderen Feldformen, z.B. elektrischen oder magnetischen Wechselfeldern oder hochfrequenten elektromagnetischen Feldern, wurden in den letzten Jahren weitere Wechselwirkungsmöglichkeiten im Sinne von Resonanzeffekten mit dem Erdmagnetfeld als Erklärungsmodelle für nichtthermische Reaktionen diskutiert. Die entsprechenden Arbeiten werden in den folgenden Abschnitten angesprochen.

In sehr starken magnetischen Gleichfeldern können die erzeugten elektrischen Spannungen insbesondere bei Risikopatienten gesundheitsbeeinträchtigend werden. Dies erklärt die Notwendigkeit der Festlegung von Grenzwerten. In den letzten Jahren wurde durch neuere Arbeiten das Besorgungspotential in Bezug auf die Gesundheitsbeeinträchtigungen durch magnetischen Gleichfelder nicht erhöht. Der Einsatz neuer medizinische Anwendungen, in denen das medizinische Personal starken magnetischen Gleichfelder ausgesetzt ist hat jedoch Anlass gegeben, sich mit der Nutzen-Risiko-Analyse dieser neuen Situation zu beschäftigen. Die Strahlenschutzkommission befasst sich gegenwärtig mit der Neubewertung dieser Exposition.

Die Veröffentlichungen der letzten fahre über statische elektrische oder magnetische Felder geben keine Hinweise auf bislang unbekannte bzw. unberücksichtigt gebliebene Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Anhaltspunkte für einen wissenschaftlich begründeten Verdacht.

3.2 Niederfrequente elektrische und magnetische Felder

Der Bereich der niederfrequenten Felder umfasst hier elektrische und magnetische Wechselfelder mit Frequenzen von 1 Hz - 100 kHz. Niederfrequente Felder entstehen im Wesentlichen durch die Bereitstellung und den Verbrauch elektrischer Energie. Die Netzfrequenz und damit die Frequenz der entsprechenden Felder beträgt 50 Hz (USA: 60 Hz) bzw. bei der elektrischen Energieversorgung der Bahn 16 2/3 Hz. Während ein elektrisches Feld von jeder Leitung ausgeht, die an das Stromnetz angeschlossen ist, entstehen magnetische Felder nur, wenn ein Strom fließt, d. h., wenn elektrische Energie verbraucht wird. Eine Zusammenfassung der wissenschaftlich nachgewiesenen Reaktionen und Gesundheitsbeeinträchtigungen durch niederfrequente elektrische und magnetische Felder befindet sich im Anhang, Kap. A1.1.

In der öffentlichen Diskussion steht vor allem die Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen chronischer Exposition durch niederfrequente Magnetfelder und einem erhöhten Leukämierisiko für Kinder im Vordergrund.

Im Folgenden wird eine zusammenfassende Bewertung neuerer Arbeiten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch niederfrequente Felder gegeben. Dabei werden im Wesentlichen Untersuchungen am Menschen und Tierversuche betrachtet.

3.2.1 Niederfrequente Magnetfelder und Krebs; epidemiologische Studien

Seit 1998 wurden diverse Ergebnisse tierexperimenteller Untersuchungen einer möglichen krebsfördernden Wirkung durch niederfrequente Felder veröffentlicht. Diese Ergebnisse sind zum Großteil negativ und sprechen eher gegen die Existenz eines Risikos. Dennoch sollte den vereinzelten positiven Ergebnissen durch weitere Studien nachgegangen und ihre Bedeutung für den Menschen überprüft werden.

Im Zentrum des derzeitigen Interesses steht die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Leukämie bei Kindern und der Exposition mit niederfrequenten magnetischen Feldern. Diese wurde in zahlreichen großen epidemiologischen Studien untersucht und in zwei aktuellen Metaanalysen zusammenfassend dargestellt. Die Ergebnisse zeigen insgesamt eine statistische Assoziation zwischen dem Auftreten von Leukämie bei Kindern und einer weit über dem Bundesdurchschnitt liegenden hohen, zeitlich gemittelten Magnetfeldexposition in der Wohnung (über 0,3 µT oder 0,4 µT je nach Studie). Ob es tatsächlich die Felder waren, die in Wohnungen mit erhöhter Magnetfeldexposition zu einem höheren Leukämierisiko geführt haben, kann anhand der epidemiologischen Daten nicht ermittelt werden. Die Ursachen, und damit auch die Risikofaktoren, der meisten Leukämiefälle bei Kindern sind nicht bekannt. Daher kann auch nicht überprüft werden, ob mögliche Risikofaktoren bei Exponierten und Nichtexponierten in den Studien gleich verteilt waren. Die Übersicht der tierexperimentellen Daten spricht nicht für einen ursächlichen Zusammenhang.

Die epidemiologischen Hinweise zu Krebs bei Erwachsenen sind weniger konsistent als bei Kindern und stellen insgesamt nicht mehr als einen schwachen Hinweis auf einen entsprechenden Zusammenhang dar.

Der in epidemiologischen Studien gefundene Zusammenhang mit dem Au treten kindlicher Leukämie reicht im Hinblick auf die fehlende Evidenz karzinogener Wirkungen bei Erwachsenen oder einer plausiblen Erklärung der Experimente an Tieren oder isolierten Zellen nicht aus, um die eindeutige Schlussfolgerung zu ziehen, dass diese Felder Leukämie bei Kindern verursachen. Sollte die erhöhte Magnetfeldexposition ursächlich für das Auftreten der Krankheit verantwortlich sein, könnte etwa 1% der Fälle von Leukämie bei Kindern in Deutschland auf diesen Zusammenhang zurückgeführt werden. Die bisherigen Ergebnisse über die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen der Magnetfeldexposition und Leukämie bei Kindern sind als wissenschaftlich begründeter Verdacht anzusehen und unterstreichen die Notwendigkeit einer intensiven Suche nach möglichen Zusammenhängen.

3.2.2 Niederfrequente Felder und neurodegenerative Erkrankungen, Einflüsse auf die Reproduktion und andere gesundheitliche Beeinträchtigungen außer Krebs

In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl gesundheitlicher Beeinträchtigungen außer Krebs untersucht. Die Datenlage ist für die einzelnen Aspekte zumeist sehr schlecht, s4 dass fundierte Schlussfolgerungen kaum möglich sind.

Hinsichtlich neurodegenerativer Erkrankungen (z.B. Alzheimer, Parkinson, amyotrophe Lateralsklerose) als Folge einer berufsbedingten Exposition mit niederfrequenten Feldern liegen neuere epidemiologische Studien vor. Auf Grundlage dieser Studien sind jedoch noch keine Aussagen über einen Zusammenhang zwischen neurodegenerativen Erkrankungen und niederfrequenten Feldern möglich. Tierversuche, die einen solchen Zusammenhang nahe legen könnten, liegen bisher nicht vor. Die Ergebnisse weiterer Forschung bleiben abzuwarten.

Die Ergebnisse der Untersuchungen zum Auftreten von amyotropher Lateralsklerose sind z. T. methodisch höherwertig und ergeben insgesamt einen schwachen wissenschaftlichen Verdacht. Ob ein kausaler Zusammenhang vorliegt, kann aus Sicht der SSK nur mittels weiterer Forschung geklärt werden.

Zu möglichen negativen Einflüssen auf die Reproduktion wurden sowohl epidemiologische Studien als auch Tierversuche durchgeführt. Die neueren Arbeiten bilden keinen wissenschaftlich begründeten Hinweis auf Gesundheitsbeeinträchtigungen durch niederfrequente Felder mit Intensitäten unterhalb der Grenzwerte.

Die Ergebnisse der Untersuchungen zur Frage, ob Einflüsse auf das kardiovaskuläre System auftreten, sind insgesamt als wissenschaftlicher Hinweis zu werten. Ob eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorliegt, kann aus Sicht der SSK nur mittels weiterer Forschung geklärt werden.

Die Studien zur Beeinflussung des Melatoninhaushalts liefern ein sehr unterschiedliches Bild. Bislang sind die Ergebnisse nicht schlüssig zu interpretieren. Es werden Hypothesen angenommen, die aus Sicht der SSK durch entsprechende Untersuchungen geklärt werden sollten.

Es ist festzustellen, dass keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, aus denen ein Nachweis bisher nicht bekannter gesundheitlicher Beeinträchtigungen abgeleitet werden kann. Hinsichtlich der diskutierten unbestätigten wissenschaftlichen Hinweise bzw. Verdachtsmomente sind aus Sicht der SSK weitere Forschungsarbeiten erforderlich.

3.2.3 Tabellarische Zusammenfassung

Tabelle 1: Bewertung neuerer wissenschaftlicher Publikationen (im Wesentlichen ab 1998): Vereinfachte Darstellung über mögliche Reaktionen und Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Niederfrequente elektrische und magnetische Felder unterhalb der Referenzwerte der EU- Ratsempfehlung [3] und, ihre Einordnung in die Kategorien Nachweis, Verdacht und Hinweis (detaillierter Darstellung siehe Anhang, Kap. A2)

Reaktionen bzw. GesundheitsbeeinträchtigungenNVU
A 2.1 Krebs
Tierexperimentelle Studien  x
Epidemiologische Studien; Leukämie bei Kindern x 
Epidemiologische Studien; Erwachsene  x
A 2.2 Andere Reaktionen bzw. gesundheitliche Beeinträchtigungen außer Krebs
Epidemiologische Studien; neurodegenerative Erkrankungen x 
Reproduktion; teratogene Reaktionen   
Kardiovaskuläres System  x
Melatonin (Mensch)   
Melatonin (Tier)  x
ZNS und kognitive Funktionen  x
Schlaf  x
Psychische Beeinflussungen   
Elektrosensibilität  x
N = Nachweis; V = Verdacht; H = Hinweis

3.3 Hochfrequente elektromagnetische Felder

Der Bereich der hochfrequenten elektromagnetischen Felder umfasst die Frequenzen von 100 kHz - 300 GHz. Die Absorption von Energie aus elektromagnetischen Feldern mit diesen Frequenzen kann zu einer Erwärmung führen. Bei zu starken Temperaturerhöhungen kommt es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Eine Zusammenfassung der wissenschaftlich nachgewiesenen Reaktionen und Gesundheitsbeeinträchtigungen durch hochfrequente elektromagnetische Felder befindet sich im Anhang, Kap. A 1.2.

In der öffentlichen Diskussion stehen vor allem biologische Reaktionen und gesundheitliche Beeinträchtigungen durch chronische Expositionen mit niedrigen (nichtthermischen) Leistungsfluss-. dichten und Feldstärken im Vordergrund.

So wird z.B. die Hypothese diskutiert, dass den niederfrequent modulierten Feldern des Mobilfunks eine besondere Relevanz für Reaktionen des Biosystems zukomme und hier insbesondere der Zeitfaktor der Immission zu berücksichtigen sei. Dabei wird angeführt, dass es insbesondere im Bereich von Basisstationen des Mobilfunks nicht unmittelbar zu einer Reaktion kommt, sondern erst nach einiger Zeit und zwar individuell verschieden nach Tagen bis Monaten. Mögliche Reaktionen seien: Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerz, Arrythmien und Tinnitus. Als Beleg für diese Beeinträchtigungen wird auf Berichte der Erfahrungsmedizin verwiesen.

Weiter wird diskutiert, dass auch kurzzeitige Immissionen mit Intensitäten, wie sie von einem Mobilfunkgerät ausgehen, die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke erhöhen könnten. Dabei würden hirnschädigende Substanzen in das Gehirn eintreten und im weiteren Verlauf Krankheiten entstehen können.

Es wird auch die Frage untersucht, ob die bei der Nutzung des Mobiltelefons auftretenden elektromagnetischen Felder die intellektuelle Informationsverarbeitung (kognitive Leistung) beeinflussen.

Nachfolgend werden die wissenschaftlichen Ergebnisse unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge bewertet. Die Bewertung konzentriert sich insbesondere auf die Frequenzen, die technisch genutzt werden (z.B. durch die Mobilfunktechnologie) und damit für die Bevölkerung von Bedeutung sind. Neben den wenigen Untersuchungen am Menschen sind auch Zell- und Tierstudien berücksichtigt. Für die gesundheitliche Bewertung werden in diesem Zusammenhang zwei unterschiedliche, international akzeptierte Basisgrenzwerte betrachtet: der SAR 3 -Wert 0,08 W/kg für den Ganzkörper, aus dem der gesetzlich gültige Grenzwert in der 26. BImSchV abgeleitet wurde, und der SAR-Wert von 2 W/kg, gemittelt über 10 g, den die SSK für die Teilkörperexposition empfohlen hat. Er ist z.B. für die Beurteilung der Exposition des Kopfes bei der Nutzung eines Mobiltelefons entscheidend.

3.3.1 Interaktionen hochfrequenter elektromagnetischer Felder mit Molekülen und Membranen

Untersuchungen an zellulären Strukturen, z.B. an Zellmembranen oder Flüssen biologisch bedeutender Ionen wie Kalzium, dienen zur Aufklärung von Wirkungsmechanismen, besonders unter dem Aspekt von biologischen Reaktionen niederfrequent amplitudenmodulierter Hochfrequenzfelder bei nichtthermisch wirkenden Intensitäten. Die wenigen Untersuchungen unterstützen nicht die Hypothesen, dass bei niedrigen Feldstärken Reaktionen, die eine Relevanz für die Gesundheit der Menschen haben könnten, auftreten. Eindeutige biologische Reaktionen konnten gezeigt werden, wenn die Absorptionsrate um Größenordnungen über dem Grenzwert lag und bekannte Mechanismen, wie z.B. thermisch bedingte Reaktionen, vorlagen. Die Gesamtheit an Versuchsergebnissen spricht nicht für einen wissenschaftlich begründeten Verdacht.

3.3.2 Untersuchungen zum Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf Menschen und Tiere

Studien an Probanden schließen nicht aus, dass bei Einhaltung des Basisgrenzwertes von 2 W/kg für die Teilkörperexposition das menschliche Gehirn in seinen physiologischen Reaktionen beeinflusst werden kann. Während das spontane Elektroenzephalogramm eines Menschen oder reizkorrelierte Hirnpotentiale nicht durch das hochfrequente Feld beeinflusst wurden, zeigten sich in komplexeren Aufgaben zur Informationsverarbeitung in verschiedenen Studien Veränderungen verschiedener Reaktionszeiten bei Aufmerksamkeitstests, die jedoch noch bestätigt werden müssen. Die Daten geben keine Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, die bei der Nutzung von Mobiltelefonen auftreten können. Die Änderungen werden mit einer lokalen und geringfügigen Erwärmung und besseren Durchblutung erklärt, wobei der zugrunde liegende Wirkungsmechanismus nicht bekannt ist. Die Autoren weisen deutlich darauf hin, dass die gefundenen Veränderungen im Bereich der normalen biologischen Schwankungen enthalten sind und keine gesundheitliche Relevanz aufzeigten. Die Ergebnisse sind jedoch als wissenschaftliche Hinweise einzustufen, die weitere Forschungsarbeiten erfordern.

Untersuchungen mit Tieren erlauben Expositionsfeldstärken die im Alltag nicht auftreten. Die wenigen Verhaltensexperimente, die mit unterschiedlichen Feldstärken - und Tierspezies durchgeführt wurden, sind kaum, miteinander vergleichbar, und ihre Ergebnisse sind inkonsistent. Zum Teil können die beschriebenen Änderungen auf thermische Einflüsse zurückgeführt werden.

Untersuchungen zu Permeabilitätsänderungen der Blut-Hirn-Schranke gegenüber Albumin zeigen keine Übereinstimmung und sind als unbestätigte Hinweise zu werten. In der Mehrzahl zeigen die Versuchsergebnisse aber, dass bei Feldstärken, die bei Nutzung von Mobiltelefonen auftreten, die Schrankenfunktion gewährleistet bleibt. Das bedeutet, dass bei den um Größenordnungen niedrigeren individuellen Immissionen durch Basisstationen keine Beeinträchtigung der Funktion der Blut-Hirn-Schranke zu erwarten ist. Da die Schrankenfunktion jedoch thermisch beeinflussbar ist, sollte zur Absicherung des Teilkörper-SAR-Wertes die thermische Abhängigkeit der Permeabilität weiter untersucht werden.

Parameter des Blutes, des Immunsystems oder bestimmte Hormone wurden ebenfalls in den letzten Jahren unter Einfluss hochfrequenter Felder, z. T. auch beim Menschen, untersucht. Mobilfunkrelevante Expositionen bei Feldstärken oberhalb der Grenzwerte bewirkten keine Änderung im blutbildenden System bei Tieren. Einzelexperimente mit Frequenzen, die deutlich höher waren, gaben Hinweise auf Reaktionen, die z. T. mit einer Temperaturerhöhung erklärbar sind.

Die Untersuchungen bei Mensch und Tier sprechen gegen einen Einfluss der hochfrequenten Felder auf die Konzentration des Hormons Melatonin bei Feldstärken unterhalb der Grenzwerte zum Schutz der Bevölkerung.

Die Untersuchungen zu genetischen Schäden durch hochfrequente Felder sind kaum untereinander vergleichbar, weil unterschiedliche Expositionsparameter wie Frequenz, Modulation und Feldstärke verwendet wurden. Die Ergebnisse mit Feldstärken deutlich oberhalb der Grenzwerte sind nicht einheitlich. Es ist festzuhalten, dass Untersuchungen in Feldern, die durch den Mobilfunk (kontinuierliche, amplituden- und frequenzmodulierte Felder) entstehen, keinen Hinweis auf ein genotoxisches Potential ergaben.

Untersuchungen zur Tumorbildung in Hochfrequenzfeldern sind nicht zahlreich und haben keinen wissenschaftlichen Hinweis auf einen entsprechenden Zusammenhang eines Feldeinflusses ergeben. Die Untersuchungen zu Krebs, ausgelöst durch kanzerogene Substanzen oder Implantation von Krebszellen, haben keine neuen Hinweise gegeben, dass hochfrequente elektromagnetische Felder die Entstehung oder die Promotion von Tumoren negativ beeinflussen. Eine Einzelstudie, die eine erhöhte Lymphominzidenz. bei genmanipulierten Mäusen zeigte, wird als wissenschaftlicher Hinweis auf mögliche Reaktionen geweitet. Derzeit werden Wiederholungsstudien durchgeführt.

3.3.3 Epidemiologische Studien

Epidemiologische Studien, die einen Zusammenhang zwischen bestimmten Erkrankungen und der Exposition durch Sendeanlagen oder durch Mobiltelefone untersuchten, sind nicht zahlreich. Die vorhandenen Studien haben keine statistisch nachweisbare Assoziation zwischen Krebs im Kopfbereich und Nutzung eines Mobiltelefons gezeigt.

Die Studien weisen insgesamt dosimetrische Mängel auf. Ohne relevante Angaben zur Exposition ist die Aussagekraft der Studien jedoch gering. Es ist kein Mechanismus bekannt, wie die Felder der Mobiltelefone eine Krebserkrankung beeinflussen könnten. Aus den derzeitigen Erkenntnissen lassen sich weder ein wissenschaftlich begründeter Verdacht noch Hinweise auf einen negativen Einfluss auf die Gesundheit ableiten.

3.3.4 Tabellarische Zusammenfassung

Tabelle 2: Bewertung neuerer wissenschaftlicher Publikationen (im Wesentlichen ab 1998): Vereinfachte Darstellung über mögliche Reaktionen und Gesundheitsbeeinträchtigungen durch hochfrequente elektromagnetische Felder unterhalb der Basisgrenzwerte (Ganzkörperwert 0,08 W/kg [= G] bzw. Teilkörperwert 2 W/kg [= T]) bzw. Referenzwerte der EU-Ratsempfehlung [3] und ihre Einordnung in die Kategorien Nachweis, Verdacht, Hinweis (detaillierte Darstellung siehe Anhang, Kap. A 3)

Reaktionen bzw. GesundheitsbeeinträchtigungenNVH
A 3.1 Interaktion mit Zellen und subzellulären Strukturen
Moleküle und Membranen  T
Kalzium  T
A 3.2 Einfluss auf Menschen und Tiere
Verhalten bei Tieren  T
EEG beim Menschen, Schlaf  T
Kognitive Funktionen  T
Blut-Hirn-Schranke bei Ratten  T
Melatonin bei Tieren und bei Menschen   
Blutparameter und Immunsystem  G
Reproduktion und Entwicklung   
A 3.3 Krebs
Krebsrelevante Modelle (in vitro)  T
Entstehung und Promotion (in vivo)   
Lymphom-Modell  T
Epidemiologische Studien (Mobilfunk)   
N = Nachweis; V = Verdacht; H = Hinweis

4 Schlussfolgerungen und Empfehlungen zum Schutz der Bevölkerung

4.1 Empfehlungen zum Schutz vor nachgewiesenen Gesundheitsbeeinträchtigungen

In Übereinstimmung mit den ICNIRP-Richtlinien von 1998 [5], der EU-Ratsempfehlung [3] sowie unter Berücksichtigung der Bewertung der Strahlenschutzkommission von 1998 [2] und insbesondere der neuen wissenschaftlichen Literatur seit 1998 gelangt die Strahlenschutzkommission zu folgenden Schlussfolgerungen und Empfehlungen:


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