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Regelwerk, Biotechnologie
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PsychKG - Landesgesetz für psychisch kranke Personen
-Rheinland-Pfalz-

Vom 17. November 1995
(GVBl. 1995 S. 473; 06.02.01 S. 29; 10.09.2008 S. 205; 22.12.2009 S. 413; 20.12.2011 S. 427 11; 27.05.2014 S. 69 14; 19.12.2018 S. 448 18; 15.10.2020 S. 556 aufgehoben)
Gl.-Nr.: 2126-20



Zur aktuellen Fassung

Erster Teil
Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch kranke Personen einschließlich der freiheitsentziehenden Unterbringung.

(2) Psychisch krank im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die an einer Psychose, an einer psychischen Störung, die in ihrer Auswirkung einer Psychose gleichkommt, oder an einer mit dem Verlust der Selbstkontrolle einhergehenden Abhängigkeit von Suchtstoffen leiden.

§ 2 Fürsorgegrundsatz

Bei allen Maßnahmen auf Grund dieses Gesetzes ist auf das Befinden der psychisch kranken Person und ihre Persönlichkeit besondere Rücksicht zu nehmen. Den Wünschen der psychisch kranken Person soll soweit wie möglich Rechnung getragen werden. Dies gilt auch für Wünsche, die sie vor Beginn der Maßnahme geäußert hat, es sei denn, sie will erkennbar hieran nicht festhalten.

§ 3 Landespsychiatriebeirat

(1) Das fachlich zuständige Ministerium beruft einen Landespsychiatriebeirat, dem insbesondere Vertreter an der psychiatrischen Versorgung beteiligter Organisationen einschließlich der Leistungs- und Kostenträger sowie Angehörige psychisch kranker Personen und Mitglieder von Selbsthilfegruppen angehören. Den Vorsitz führt der fachlich zuständige Minister oder eine von ihm bestimmte Person.

(2) Der Landespsychiatriebeirat berät die Landesregierung in grundsätzlichen Fragen der Planung der psychiatrischen Versorgung; er soll auch zu sonstigen wesentlichen Fragen der psychiatrischen Versorgung gehört werden.

Zweiter Teil
Hilfen für psychisch kranke Personen

§ 4 Allgemeines

(1) Für eine bedarfsgerechte Versorgung der psychisch kranken Personen sollen individuelle und institutionelle Hilfen im beratenden, ambulanten, teilstationären, stationären, komplementären und rehabilitativen Bereich gemeinde- und wohnortnah vorgehalten werden.

(2) Ziel der Hilfen ist es, durch rechtzeitige und umfassende Beratung und persönliche Betreuung sowie durch Vermittlung oder Durchführung geeigneter Maßnahmen, insbesondere von Behandlung, eine Unterbringung oder sonstige stationäre psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung von psychisch kranken Personen entbehrlich zu machen (vorsorgende Hilfen) oder zu verkürzen (begleitende Hilfen) oder nach der Unterbringung oder sonstigen stationären psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung die Wiedereingliederung in die Gemeinschaft zu erleichtern (nachgehende Hilfen).

(3) Die Hilfen sollen ferner Personen, die mit psychisch kranken Personen als Angehörige oder in sonstiger Weise in Beziehung stehen, entlasten und unterstützen. Sie sollen bei ihnen insbesondere die Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Behebung von Schwierigkeiten erhalten und fördern.

(4) Die Hilfen sollen nach Möglichkeit so geleistet werden, daß psychisch kranke Personen sie in Anspruch nehmen können, ohne ihren gewohnten Lebensbereich aufzugeben. Stationäre Hilfen sollen nur dann geleistet werden, wenn das Ziel der Hilfen nicht auf anderem Weg erreicht werden kann.

(5) Hilfen nach diesem Gesetz werden nur geleistet, wenn sie freiwillig angenommen werden.

§ 5 Sozialpsychiatrische Dienste

(1) Bei den Gesundheitsämtern werden Sozialpsychiatrische Dienste eingerichtet. Bei einem Gesundheitsamt kann mit Zustimmung des fachlich zuständigen Ministeriums auch ein Sozialpsychiatrischer Dienst für die Bezirke mehrerer Gesundheitsämter eingerichtet werden.

(2) Der Sozialpsychiatrische Dienst hat dafür Sorge zu tragen, daß psychisch kranke Personen sowie Personen, bei denen Anzeichen einer psychischen Erkrankung vorliegen, rechtzeitig ärztlich und psychosozial beraten und betreut werden. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat er insbesondere darauf hinzuwirken, daß die von den niedergelassenen Ärzten, den Krankenhäusern, den Trägern der Sozial- und Jugendhilfe, den Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts, den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und allen sonstigen geeigneten öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Organisationen, Einrichtungen und Stellen angebotenen Hilfen vorrangig in Anspruch genommen werden. Soweit und solange eine Inanspruchnahme der in Satz 2 genannten Hilfsangebote nicht möglich ist, soll der Sozialpsychiatrische Dienst die erforderliche ambulante ärztliche und psychosoziale Beratung und Betreuung selbst durchführen.

§ 6 Ehrenamtliche Hilfen und Selbsthilfe

Ehrenamtliche Hilfen einschließlich der Angehörigenarbeit sowie Projekte der Selbsthilfe sind in die Versorgung psychisch kranker Personen einzubeziehen. Soweit dies deren Wünschen entspricht, haben diese Hilfen Vorrang vor öffentlichen Hilfen.

§ 7 Planung und Koordination der Hilfen

(1) Die Planung und Koordination der Hilfen, die im Rahmen eines Gemeindepsychiatrischen Verbundes erbracht werden sollen, obliegt den Landkreisen und den kreisfreien Städten; sie erfüllen diese Aufgaben als Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung. Sonstige gesetzliche Zuständigkeiten bleiben unberührt. Die Landkreise und die kreisfreien Städte wirken darauf hin, daß die Leistungserbringer zusammenarbeiten und dabei insbesondere Absprachen über eine sachgerechte Erbringung der Hilfen treffen. Sie können zur Durchführung der ihnen obliegenden Aufgaben Koordinierungsstellen für Psychiatrie einrichten.

(2) Die Landkreise und die kreisfreien Städte können Psychiatriebeiräte bilden, denen insbesondere Vertreter an der psychiatrischen Versorgung beteiligter Organisationen einschließlich der Leistungs- und Kostenträger sowie Angehörige psychisch kranker Personen und Mitglieder von Selbsthilfegruppen angehören. Der Psychiatriebeirat berät den Landkreis oder die kreisfreie Stadt in grundsätzlichen Fragen der Planung und Koordination der örtlichen psychiatrischen Versorgung sowie bei der Erstellung kommunaler Psychiatrieberichte. Er soll auch zu sonstigen wesentlichen Fragen der örtlichen psychiatrischen Versorgung gehört werden.

(3) Benachbarte Landkreise und kreisfreie Städte können auf Grund regionaler Besonderheiten eine gemeinsame Koordinierungsstelle für Psychiatrie einrichten und einen gemeinsamen Psychiatriebeirat bilden.

(4) Die Landkreise und die kreisfreien Städte fördern die Bildung von Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften und unterstützen ihre Arbeit; sie können die Geschäfte der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft führen. Die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft ist ein Forum für die Kontaktaufnahme und gegenseitige Information der Beschäftigten der Dienste und Einrichtungen, die sich mit der Versorgung psychisch kranker Personen befassen; sie arbeitet dem Psychiatriebeirat fachlich zu.

(5) Das Land beteiligt sich an den den Landkreisen und den kreisfreien Städten entstehenden Kosten pauschal mit 0,51 EUR je Einwohner pro Jahr. Die Auszahlung erfolgt jeweils zum 1. Juli; maßgebend ist die zum 30. Juni des Vorjahres nach den melderechtlichen Vorschriften unter Anwendung des landeseinheitlichen Verfahrens für das Meldewesen ermittelte Einwohnerzahl mit Hauptwohnung. Zuständige Behörde für die mit der Kostenbeteiligung zusammenhängenden Aufgaben des Landes ist das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung.

Dritter Teil
Schutzmaßnahmen für psychisch kranke Personen

§ 8 Beratung und ärztliche Untersuchung

(1) Sind gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß eine Person psychisch krank ist und sich selbst schwerwiegenden Schaden zuzufügen oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu gefährden droht, soll der Sozialpsychiatrische Dienst einen Hausbesuch durchführen oder die betroffene Person auffordern, beim Sozialpsychiatrischen Dienst zu einer Beratung oder ärztlichen Untersuchung zu erscheinen. Der Sozialpsychiatrische Dienst kann die betroffene Person auch ohne deren Einwilligung oder ohne Einwilligung der Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, ärztlich untersuchen, soweit dies erforderlich ist, um eine psychische Erkrankung festzustellen. Dies gilt nicht für ärztliche Eingriffe sowie für Untersuchungen, die mit einem wesentlichen gesundheitlichen Risiko verbunden sind.

(2) Die Bediensteten des Sozialpsychiatrischen Dienstes haben das Recht, die Wohnung, in der die betroffene Person lebt, zu betreten, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß dies auf Grund der psychischen Erkrankung erforderlich ist zur Abwehr einer Lebensgefahr für einzelne Personen oder zur Verhütung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.

§ 9 Behandlungsauflage, Unterrichtung der Unterbringungsbehörde

(1) Stellt der Sozialpsychiatrische Dienst die psychische Erkrankung einer Person fest und ist zu befürchten, daß sie sich selbst schwerwiegenden Schaden zufügen wird oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch ihre Erkrankung gefährdet, so gibt er ihr auf, sich in ambulante oder stationäre psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung zu begeben oder andere geeignete Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr zu ergreifen und ihn über die erfolgten Maßnahmen zu unterrichten. Begibt sich die betroffene Person in Behandlung, so teilt der Sozialpsychiatrische Dienst den Untersuchungsbefund der behandelnden Person oder Einrichtung mit.

(2) Der Sozialpsychiatrische Dienst unterrichtet die für die Einleitung und Durchführung des Unterbringungsverfahrens zuständige Behörde über die von ihm getroffenen Feststellungen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, daß die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen.

§ 10 Rechtsschutz

Gegen Schutzmaßnahmen des Sozialpsychiatrischen Dienstes kann die betroffene Person Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Über den Antrag entscheidet das Betreuungsgericht, bei Minderjährigen das Familiengericht, in dessen Bezirk die Schutzmaßnahme erfolgt. § 327 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ist entsprechend anzuwenden.

Vierter Teil
Unterbringung

Erster Abschnitt
Voraussetzungen, Einrichtungen

§ 11 Voraussetzungen der Unterbringung

(1) Psychisch kranke Personen können gegen ihren Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit untergebracht werden, wenn sie durch ihr krankheitsbedingtes Verhalten ihr Leben, ihre Gesundheit oder besonders bedeutende Rechtsgüter anderer gegenwärtig in erheblichem Maße gefährden und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Eine gegenwärtige Gefährdung im Sinne des Satzes 1 besteht dann, wenn infolge der psychischen Erkrankung ein schadenstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder sein Eintritt zwar unvorhersehbar, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit zu erwarten ist. Die fehlende Bereitschaft, sich behandeln zu lassen, rechtfertigt für sich allein keine Unterbringung.

(2) Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Unterbringung finden keine Anwendung, wenn eine Person auf Grund des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, untergebracht und die in Absatz 1 Satz 1 genannte Gefahr damit abgewendet wird.

(3) Eine Unterbringung nach diesem Gesetz darf nicht vollzogen werden, wenn die betroffene Person sich auf Grund richterlicher Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlich-rechtlichen Gewahrsam befindet.

§ 12 Einrichtungen

(1) Die Unterbringung erfolgt in vom fachlich zuständigen Ministerium als geeignet anerkannten psychiatrischen Krankenhäusern, psychiatrischen Fachabteilungen sonstiger Krankenhäuser, psychiatrischen Hochschulkliniken und anderen für psychisch kranke Personen geeigneten Einrichtungen; die Anerkennung ist im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz bekanntzumachen. Die psychiatrischen Krankenhäuser, die psychiatrischen Fachabteilungen sonstiger Krankenhäuser und die psychiatrischen Hochschulkliniken können vom fachlich zuständigen Ministerium einen regionalen Pflichtversorgungsauftrag erhalten; der Ausschuß für Krankenhausplanung (§ 8 Landeskrankenhausgesetz) ist vorher anzuhören. Bei den psychiatrischen Hochschulkliniken ist das Einvernehmen des für die Hochschulkliniken zuständigen Ministeriums erforderlich.

(2) Die an der Unterbringung beteiligten Einrichtungen sind im Rahmen der Qualitätssicherung zur Basisdokumentation ihrer Arbeit verpflichtet.

(3) Die Einrichtungen sind durch geeignete Maßnahmen gegen Entweichen der untergebrachten Personen zu sichern. Sie sollen auch für eine offene Unterbringung geeignet sein.

(4) Die Einrichtungen müssen so ausgestattet sein, daß eine auf die unterschiedlichen Anforderungen abgestimmte Behandlung ermöglicht und die Wiedereingliederung der untergebrachten Personen gefördert wird. Jugendliche sind in kinder- und jugendpsychiatrischen Krankenhäusern oder vergleichbaren Einrichtungen unterzubringen.

(5) Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung führt die Aufsicht über die in Absatz 1 genannten Einrichtungen im Hinblick auf die dort erfolgten Unterbringungen. Die Einrichtungen unterrichten das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung über alle wesentlichen Angelegenheiten und über besondere Vorkommnisse und erteilen auf Anfrage die erforderlichen Auskünfte. Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung kann den Einrichtungen allgemeine Weisungen und Weisungen für den Einzelfall erteilen. Oberste Aufsichtsbehörde ist das fachlich zuständige Ministerium.

Zweiter Abschnitt
Zuständigkeit und Verfahren, sofortige Unterbringung

§ 13 Zuständigkeit

(1) Zuständige Behörde für die im Zusammenhang mit der Einleitung und Durchführung des Unterbringungsverfahrens einschließlich des gerichtlichen Verfahrens anfallenden Aufgaben ist die Kreisverwaltung, in kreisfreien Städten die Stadtverwaltung. Die Landkreise und die kreisfreien Städte nehmen die Aufgaben als Auftragsangelegenheit wahr.

(2) Örtlich zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; hat sie keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz oder läßt sich ein solcher nicht feststellen, so ist die Behörde zuständig, in deren Bezirk das Bedürfnis für die behördlichen Maßnahmen hervortritt. Befindet sich die betroffene Person bereits in einer Einrichtung im Sinne des § 12 Abs. 1, so ist die Behörde zuständig, in deren Bezirk die Einrichtung liegt. Für eilige behördliche Maßnahmen ist neben der nach den Sätzen 1 oder 2 zuständigen Behörde auch die Behörde einstweilen zuständig, in deren Bezirk das Bedürfnis für diese Maßnahmen hervortritt; in diesem Fall ist die nach den Sätzen 1 oder 2 zuständige Behörde unverzüglich über die getroffenen Maßnahmen zu unterrichten.

(3) Für Maßnahmen im Vollzug der Unterbringung ist die Einrichtung zuständig.

(4) Die Befugnisse der Polizei, Personen gemäß den Bestimmungen des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes in Gewahrsam zu nehmen, bleiben unberührt. Die Polizei hat die zuständige Behörde unverzüglich über die von ihr getroffenen Maßnahmen zu unterrichten, soweit diese Personen betreffen, bei denen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 vorliegen.

§ 14 Verfahren

(1) Die Unterbringung wird vom zuständigen Gericht auf schriftlichen Antrag der zuständigen Behörde angeordnet.

(2) Dem Antrag ist ein Gutachten eines Arztes für Psychiatrie oder für Kinder- und Jugendpsychiatrie beizufügen. Das Gutachten muß auf einer höchstens eine Woche vor der Antragstellung erfolgten, von dem Arzt selbst durchgeführten Untersuchung der betroffenen Person beruhen. Aus ihm muß hervorgehen, aus welchen Tatsachen und ärztlichen Beurteilungen sich ergibt, daß die Unterbringung geboten ist und aus welchen Gründen die Unterbringung nicht durch Hilfen oder sonstige Maßnahmen vermieden werden kann. Aus dem Gutachten soll hervorgehen, ob die betroffene Person ohne erhebliche Nachteile für ihre Gesundheit durch das Gericht persönlich angehört werden kann.

(3) Der Vorlage eines Gutachtens bedarf es nicht, wenn sie wegen Gefahr im Verzug nicht möglich ist. In diesem Fall ist dem Antrag eine Darstellung des wesentlichen Sachverhalts und ein ärztliches Zeugnis, aus dem in kurzer Zusammenfassung der Krankheitszustand der betroffenen Person und die Unterbringungsbedürftigkeit ersichtlich sind, beizufügen. Ist auch die Beifügung des ärztlichen Zeugnisses nicht möglich, weil es zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht vorliegt, ist es unverzüglich nachzureichen. Absatz 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend. Die Nichtvorlage des Gutachtens oder des ärztlichen Zeugnisses sind im Antrag zu begründen.

(4) Dem Antrag sollen auch der zuständigen Behörde vorliegende Niederschriften über erfolgte Anhörungen der betroffenen Person oder Dritter sowie ein Bericht der Person, die das Verwaltungsverfahren geführt hat, beigefügt werden; dem Antrag sollen Namen und Anschriften der in § 315 FamFG genannten Beteiligten, bei Minderjährigen auch der in § 167 Abs. 4 FamFG genannten weiteren Personen beigefügt werden.

(5) Die zuständige Behörde kann auch ohne Einwilligung der betroffenen Person oder der Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, die Vorführung und Untersuchung der betroffenen Person sowie sonstige damit zusammenhängende Maßnahmen vornehmen oder vornehmen lassen, soweit dies zur Durchführung des Unterbringungsverfahrens erforderlich ist. Dies gilt nicht für ärztliche Eingriffe sowie für Behandlungen und Untersuchungen, die mit einem wesentlichen gesundheitlichen Risiko verbunden sind.

(6) Anordnungen des zuständigen Gerichts können von der zuständigen Behörde durch unmittelbaren Zwang nach den Bestimmungen des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckt werden; einer Androhung des Zwangsmittels bedarf es nicht.

(7) Die zuständige Behörde und die Leitung der Einrichtung, in der die betroffene Person untergebracht ist, haben das zuständige Gericht unverzüglich zu unterrichten, wenn Gründe für die Annahme bestehen, daß die Voraussetzungen für die Aufhebung oder die Aussetzung der Vollziehung einer Unterbringung oder deren Widerruf vorliegen.

(8) Die zuständige Behörde hat bei der Durchführung ihrer Aufgaben den Sozialpsychiatrischen Dienst zu beteiligen, soweit dies aus fachlichen Gründen geboten ist.

(9) Gegen eine Maßnahme im Rahmen der Vorbereitung einer Unterbringung kann die betroffene Person auch vor der gerichtlichen Anordnung der Unterbringung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Über den Antrag entscheidet das Betreuungsgericht, bei Minderjährigen das Familiengericht, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Unterbringungsmaßnahme hervortritt. § 327 FamFG ist entsprechend anzuwenden.

§ 15 Sofortige Unterbringung

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 vorliegen und kann eine gerichtliche Entscheidung nach § 331 oder nach § 322 in Verbindung mit § 284 FamFG nicht mehr rechtzeitig ergehen, um die in § 11 Abs. 1 Satz 1 bezeichnete Gefahr abzuwenden, so kann die zuständige Behörde die betroffene Person in Gewahrsam nehmen und die sofortige Unterbringung längstens bis zum Ende des auf die Ingewahrsamnahme folgenden Tages in einer Einrichtung im Sinne des § 12 Abs. 1 anordnen und nach Maßgabe des § 14 Abs. 6 vollstrecken.

(2) Voraussetzung der Anordnung der sofortigen Unterbringung ist, daß ein Arzt die betroffene Person untersucht und auf Grund des Ergebnisses der Untersuchung die Notwendigkeit der sofortigen Unterbringung festgestellt hat; über die Untersuchung und ihr Ergebnis ist ein Protokoll zu erstellen.

(3) Der betroffenen Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, Angehörige oder Personen ihres Vertrauens zu benachrichtigen. Die zuständige Behörde hat die Benachrichtigung auf Wunsch der betroffenen Person zu übernehmen; sie soll sie übernehmen, wenn die betroffene Person nicht in der Lage ist, von ihrem Recht nach Satz 1 Gebrauch zu machen und die Benachrichtigung ihrem mutmaßlichen Willen nicht widerspricht. Die Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, ist im Rahmen ihres Aufgabenbereiches unverzüglich zu benachrichtigen.

(4) Bei der Aufnahme in die Einrichtung ist die betroffene Person unverzüglich durch einen Arzt für Psychiatrie oder für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu untersuchen; dabei ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die sofortige Unterbringung vorliegen. Über das Ergebnis der Prüfung ist die zuständige Behörde unverzüglich zu unterrichten. Sie hat die sofortige Unterbringung aufzuheben, wenn auf Grund der ärztlichen Untersuchung erhebliche Zweifel an dem Vorliegen der Voraussetzungen für die sofortige Unterbringung bestehen.

(5) Im Fall der Anordnung einer sofortigen Unterbringung hat die zuständige Behörde unverzüglich die gerichtliche Anordnung der Unterbringung zu beantragen, sofern sie die weitere Unterbringung für erforderlich hält.

(6) Sofern die rechtzeitige Anordnung der sofortigen Unterbringung durch die zuständige Behörde nicht möglich ist, können die in den Absätzen 1 bis 3 und 4 Satz 3 dargestellten Maßnahmen auch durch den Sozialpsychiatrischen Dienst vorgenommen werden; hält sich die betroffene Person bereits in einer Einrichtung im Sinne des § 12 Abs. 1 auf, so können die Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 auch von der Einrichtung getroffen werden. Die zuständige Behörde ist unverzüglich zu unterrichten; sie hat die getroffenen Maßnahmen zu prüfen und die sofortige Unterbringung aufzuheben, wenn auf Grund des Prüfungsergebnisses Zweifel an dem Vorliegen der Voraussetzungen für die sofortige Unterbringung bestehen.

(7) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten im Vollzug der sofortigen Unterbringung kann die betroffene Person auch schon vor der gerichtlichen Anordnung der Unterbringung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Über den Antrag entscheidet das Betreuungsgericht, bei Minderjährigen das Familiengericht, in dessen Bezirk die Maßnahme erfolgt. § 327 FamFG ist entsprechend anzuwenden.

Dritter Abschnitt
Betreuung während der Unterbringung

§ 16 Gestaltung der Unterbringung

(1) Die Unterbringung ist unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzupassen. Hierzu gehören auch die regelmäßige Beschäftigung, Anregungen für die Gestaltung der Freizeit und der tägliche Aufenthalt im Freien.

(2) Während der Unterbringung fördert die Einrichtung die Aufrechterhaltung bestehender und die Anbahnung neuer sozialer Kontakte der untergebrachten Person, soweit sie der Wiedereingliederung dienen.

§ 17 Rechtsstellung der untergebrachten Person, besondere Sicherungsmaßnahmen 14

(1) Die untergebrachte Person unterliegt nur den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen. Ihr dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die im Hinblick auf den Zweck der Unterbringung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung unerläßlich sind.

(2) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn die gegenwärtige erhebliche Gefahr besteht, daß die untergebrachte Person sich selbst tötet oder ernsthaft verletzt, gewalttätig gegen eine andere Person oder gegen Sachen wird oder die Einrichtung ohne Erlaubnis verlassen wird und wenn dieser Gefahr nicht anders begegnet werden kann. Besondere Sicherungsmaßnahmen sind:

  1. die Wegnahme oder das Vorenthalten von Gegenständen,
  2. die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  3. die Absonderung in einem besonderen Raum,
  4. die Fixierung.

(3) Jede besondere Sicherungsmaßnahme ist befristet anzuordnen, ärztlich zu überwachen und unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind. Anordnung und Aufhebung der besonderen Sicherungsmaßnahmen sind aktenkundig zu machen. Eine mehr als einen Tag dauernde Absonderung in einem besonderen Raum bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Die Zustimmung darf für jeweils höchstens eine Woche erteilt werden. Bei der Fixierung ist eine ständige Beobachtung zu gewährleisten.

§ 18 Körperliche Durchsuchung

Die untergebrachte Person darf bei Gefahr einer erheblichen Störung der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung oder bei einer erheblichen Selbstgefährdung durchsucht werden. Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung ist nur bei Gefahr im Verzug im Einzelfall zulässig. Sie muß in einem geschlossenen Raum durchgeführt werden; andere Patienten dürfen nicht anwesend sein. Frauen sollen nur durch weibliches Personal, Männer nur durch männliches Personal durchsucht werden. Das Schamgefühl der untergebrachten Person ist zu achten. Über die Durchsuchung ist ein Protokoll zu fertigen, das der untergebrachten Person zur Kenntnis zu geben ist.

§ 19 Unmittelbarer Zwang

(1) Das ärztliche, therapeutische, pflegerische und sonstige mit der Aufsicht betraute Personal der Einrichtung darf im Rahmen der Unterbringung unmittelbaren Zwang anwenden, wenn dies erforderlich ist, um die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung bei einer erheblichen Gefährdung aufrechtzuerhalten oder um die untergebrachte Person, die sich selbst zu schädigen droht, zu schützen.

(2) Unmittelbarer Zwang im Sinne dieses Gesetzes ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt und ihre Hilfsmittel.

(3) Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muß, um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwenden.

(4) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die die betroffene Person und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen. Unmittelbarer Zwang hat zu unterbleiben, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(5) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs einschließlich der Gründe hierfür sind aktenkundig zu machen.

§ 20 Behandlung 14

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf die notwendige Behandlung; sie ist bei der Aufnahme in die Einrichtung zur Feststellung der erforderlichen Behandlungsmaßnahmen durch einen Arzt für Psychiatrie oder für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu untersuchen. Soweit erforderlich, schließt die Behandlung sonstige Untersuchungen sowie beschäftigungs- und arbeitstherapeutische, heilpädagogische und psychotherapeutische Maßnahmen ein. Die Behandlung der Erkrankung, die zur Unterbringung geführt hat (Anlasserkrankung), erfolgt nach einem Behandlungsplan. Den Wünschen der untergebrachten Person soll im Rahmen der Behandlung soweit wie möglich Rechnung getragen werden.

(2) Der Behandlungsplan und die Behandlung sind der untergebrachten Person zu erläutern. Ist sie in der Lage, den Grund, die Art, den Umfang und die Tragweite der Behandlung einzusehen, so soll die Erläuterung darauf gerichtet sein, ihre Zustimmung zur Behandlung zu erreichen. Der Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, ist Gelegenheit zu geben, im Rahmen ihres Aufgabenbereichs an der Erläuterung teilzunehmen.

(3) Sowohl die Behandlung der Anlasserkrankung als auch die Behandlung einer sonstigen Erkrankung bedürfen der Einwilligung der untergebrachten Person; eine erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden. Die im einwilligungsfähigen Zustand erklärte oder die als natürlicher Wille geäußerte Ablehnung der Behandlung sowie eine wirksame Patientenverfügung (§ 1901a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) sind zu beachten. Die Bestimmungen der Absätze 4 bis 7 bleiben unberührt.

(4) Eine Behandlung der Anlasserkrankung ist ohne Einwilligung der untergebrachten Person und erforderlichenfalls auch gegen ihren natürlichen Willen unter Anwendung von Zwang zulässig, wenn

  1. sie aufgrund der Anlasserkrankung zur Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit und zu einer darauf gründenden Entscheidung über die Einwilligung in die Behandlung nicht fähig ist,
  2. die Behandlung ausschließlich zum Ziel hat, die tatsächlichen Voraussetzungen der Ausübung freier Selbstbestimmung der untergebrachten Person zu schaffen oder wiederherzustellen, um die Beendigung der Unterbringung zu ermöglichen und
  3. der Einrichtung keine wirksame, die Behandlung untersagende Patientenverfügung der untergebrachten Person vorliegt.

(5) Eine nach Absatz 4 zulässige Behandlung der Anlasserkrankung darf nur unter Einhaltung der folgenden Maßgaben durchgeführt werden:

  1. Die Behandlung darf nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn weniger eingreifende Behandlungen nicht vorgenommen werden können oder sich als aussichtslos erwiesen haben.
  2. Ein ausführliches ärztliches Aufklärungsgespräch, in dem die vorgesehene Behandlung, deren Erforderlichkeit und mögliche damit verbundene Risiken in einer den Verständnismöglichkeiten der untergebrachten Person entsprechenden Weise erläutert wurden, ist erfolgt. Dabei ist der ernsthafte mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch, eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zur Behandlung zu erreichen, erfolglos geblieben.
  3. Die vorgesehene Behandlung muss Erfolg versprechend sein; ihr Nutzen muss deutlich feststellbar die mit ihr einhergehenden Belastungen überwiegen.
  4. Die Anordnung hat durch einen Arzt zu erfolgen, der auch die Art und die Intensität der ärztlichen und pflegerischen Überwachung festlegt und die Durchführung der angeordneten Behandlung kontrolliert.
  5. Die anzuwendenden Behandlungsmaßnahmen sind hinsichtlich ihrer Art festzulegen und hinsichtlich ihrer Dauer zeitlich zu begrenzen. Eine vorgesehene Medikation und die durchzuführenden Kontrollen sind genau zu bestimmen.
  6. Die beabsichtigte Vornahme der Behandlung ist der untergebrachten Person so rechtzeitig schriftlich anzukündigen, dass ihr die Möglichkeit bleibt, dagegen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen; sie ist über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu informieren. Vor der Durchführung der Behandlung hat die Einrichtung bei einer volljährigen untergebrachten Person die Genehmigung des Betreuungsgerichts, bei einer minderjährigen untergebrachten Person die Einwilligung der Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, einzuholen.
  7. Die Behandlung ist unter Angabe ihrer maßgeblichen Gründe, der Art und Weise der Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung ihrer Wirkung ausführlich zu dokumentieren.

(6) In Notfällen darf eine Behandlung der Anlasserkrankung oder einer sonstigen Erkrankung ohne Einwilligung der untergebrachten Person und erforderlichenfalls auch gegen ihren natürlichen Willen unter Anwendung von Zwang durchgeführt werden, wenn

  1. die untergebrachte Person zur Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit und zu einer darauf gründenden Entscheidung über die Einwilligung in die Behandlung nicht fähig ist und die Behandlung dazu dient, eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person abzuwenden und der Einrichtung keine wirksame, die Behandlung untersagende Patientenverfügung der untergebrachten Person vorliegt oder
  2. die Maßnahme dazu dient, eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit einer anderen Person abzuwenden.

Absatz 5 Nr. 1, 3 bis 5 und 7 gilt entsprechend; ist ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar, so ist die Leistung Erster Hilfe durch andere Personen auch ohne ärztliche Anordnung zulässig, wenn mit einem Aufschub eine Lebensgefahr für die untergebrachte Person verbunden wäre.

(7) Die Einrichtung soll der untergebrachten Person nahestehende oder andere für ihre Behandlung als förderlich anzusehende Bezugspersonen über eine ohne Einwilligung der untergebrachten Person erfolgende Durchführung von Behandlungsmaßnahmen unterrichten und ihnen die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme zu der untergebrachten Person geben, soweit nicht überwiegende schutzwürdige Interessen der untergebrachten Person oder erhebliche Gesundheits- oder Sicherheitsbedenken dem entgegenstehen.

§ 21 Persönlicher Besitz

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, ihre persönliche Kleidung zu tragen.

(2) Die untergebrachte Person hat das Recht, persönliche Gegenstände in ihrem Zimmer aufzubewahren. Dieses Recht kann nur eingeschränkt werden, wenn gesundheitliche Nachteile für sie zu befürchten sind oder die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung erheblich gefährdet wird.

§ 22 Religionsausübung, Pflege weltanschaulicher Bekenntnisse

(1) Der untergebrachten Person ist die seelsorgerische Betreuung durch eine Religionsgemeinschaft und die ungestörte Religionsausübung in der Einrichtung zu gestatten. Das Recht auf Teilnahme an Gottesdiensten oder anderen religiösen Veranstaltungen darf nur eingeschränkt werden, wenn durch die Teilnahme die Gesundheit der untergebrachten Person oder die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung erheblich gefährdet wird; der Seelsorger soll hierzu vorher gehört werden.

(2) Absatz 1 gilt für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse entsprechend.

§ 23 Besuchsrecht, Telefongespräche

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, Besuche zu empfangen. Dieses Recht darf nur eingeschränkt werden, wenn durch den Besuch ihre Gesundheit oder die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung erheblich gefährdet wird.

(2) Bestehen Anhaltspunkte dafür, daß die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung erheblich gefährdet wird, so kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, daß sich die besuchende Person durchsuchen läßt. Die Durchsuchung ist aktenkundig zu machen.

(3) Die Besuche dürfen aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung überwacht werden; die besuchende und die untergebrachte Person sind hierüber zu unterrichten. Die Übergabe von Gegenständen beim Besuch kann von der Erlaubnis der Einrichtung abhängig gemacht werden.

(4) Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn durch die Fortsetzung erhebliche gesundheitliche Nachteile für die untergebrachte Person zu befürchten sind oder die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung erheblich gefährdet wird. Der Abbruch eines Besuches ist aktenkundig zu machen.

(5) Besuche von Rechtsanwälten und Notaren in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtsangelegenheit, von Seelsorgern und des Patientenfürsprechers der Einrichtung sind zu gestatten. Die Absätze 2 und 3 finden keine Anwendung.

(6) Die Absätze 1 und 3 Satz 1 und die Absätze 4 und 5 gelten für Telefongespräche entsprechend.

§ 24 Recht auf Schriftwechsel und Information

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, Schreiben unbeschränkt und ungeöffnet abzusenden und zu empfangen.

(2) Der Schriftwechsel darf überwacht und beschränkt werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Gefahr der Einbringung von Suchtstoffen oder gefährlichen Gegenständen besteht. Schreiben können eingesehen und angehalten werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie zu einer erheblichen gesundheitlichen Gefährdung der untergebrachten Person führen können oder geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung erheblich zu gefährden. Angehaltene Schreiben werden an die Person, die sie abgesandt hat, zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, aufbewahrt. Die aufbewahrten Schreiben werden der untergebrachten Person spätestens bei ihrer Entlassung aus der Einrichtung ausgehändigt.

(3) Der Schriftwechsel der untergebrachten Person mit Gerichten, Rechtsanwälten, Notaren, dem Patientenfürsprecher der Einrichtung, dem Seelsorger, der Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, der Besuchskommission und den aufsichtsführenden Behörden unterliegt keiner Einschränkung. Das gleiche gilt für den Schriftwechsel mit den Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern, mit der Europäischen Kommission für Menschenrechte, mit dem Bürgerbeauftragten und mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie bei ausländischen Staatsangehörigen für den Schriftwechsel mit den konsularischen und diplomatischen Vertretungen des Heimatlandes.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für andere Postsendungen, Telegramme und andere Arten der Nachrichtenübermittlung auf Bild- oder Tonträgern entsprechend.

(5) Die untergebrachte Person darf Zeitungen und Zeitschriften beziehen.

(6) Einschränkungen sind aktenkundig zu machen.

§ 25 Verwertung von Kenntnissen

(1) Kenntnisse aus der Überwachung der Besuche und Telefongespräche sowie aus Überwachungsmaßnahmen nach § 24 sind vertraulich zu behandeln. Sie dürfen nur verwertet werden, soweit dies

  1. aus Gründen der Behandlung geboten ist oder
  2. notwendig ist, um die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung zu wahren sowie Straftaten zu verhüten, zu unterbinden oder zu verfolgen; in den Fällen der Nummer 1 soll die untergebrachte Person gehört werden, wenn nicht Gründe der Behandlung entgegenstehen.

(2) Die Kenntnisse dürfen nur den für die Unterbringung zuständigen Bediensteten sowie den Gerichten und Behörden mitgeteilt werden, die zuständig sind, Straftaten zu verhüten, zu unterbinden oder zu verfolgen.

§ 26 Offene Unterbringung

Um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen, soll die Unterbringung nach Möglichkeit aufgelockert und weitestgehend in freien Formen durchgeführt werden, sobald der Gesundheitszustand der untergebrachten Person dies zuläßt.

§ 27 Beurlaubungen

(1) Die untergebrachte Person kann durch die Einrichtung bis zu einem Monat beurlaubt werden, wenn ihr Gesundheitszustand und ihre persönlichen Verhältnisse es rechtfertigen und ein Mißbrauch des Urlaubsrechts nicht zu befürchten ist. Die Beurlaubung kann mit Auflagen verbunden werden, soweit dies im Hinblick auf das Behandlungsziel erforderlich ist.

(2) Die Beurlaubung soll widerrufen werden, wenn die beurlaubte Person die Auflagen nicht erfüllt, ihr Gesundheitszustand sich wesentlich verschlechtert oder ein Mißbrauch des Urlaubsrechts zu befürchten ist.

(3) Über die bevorstehende Beurlaubung und den Widerruf der Beurlaubung sind die zuständige Behörde und die Person, der insoweit die gesetzliche Vertretung obliegt, rechtzeitig zu unterrichten.

§ 28 Hausordnung

(1) Die Einrichtung erläßt eine Hausordnung. Diese regelt die Rechte und Pflichten der untergebrachten Personen; sie kann insbesondere Regelungen über die Einbringung von Gegenständen, die Ausgestaltung der Räume, die Einkaufsmöglichkeiten, ein Rauchverbot, ein Alkoholverbot, die Besuchszeiten, den Telefonverkehr, den Schriftwechsel, die Freizeitgestaltung und den Aufenthalt im Freien enthalten. Den untergebrachten Personen, dem Personal der Einrichtung und dem Patientenfürsprecher ist Gelegenheit zur Mitwirkung beim Erlaß der Hausordnung zu geben.

(2) Die Hausordnung ist durch ständigen Aushang in der Einrichtung allgemein bekanntzumachen.

(3) Durch die Hausordnung dürfen Rechte der untergebrachten Personen nicht weiter eingeschränkt werden als nach diesem Gesetz zulässig.

§ 29 Besuchskommissionen

(1) Der Stadtrat der kreisfreien Stadt oder der Kreistag des Landkreises, in deren Gebiet sich eine Einrichtung im Sinne des § 12 Abs. 1 befindet, soll für jeweils fünf Jahre eine Besuchskommission berufen. Aufgabe der Besuchskommission ist es, die Einrichtungen in Abständen von längstens einem Jahr zu besichtigen, um zu prüfen, ob die Rechte der untergebrachten Personen nach diesem Gesetz gewahrt werden. Der Besuchskommission ist ungehinderter Zugang zu den Einrichtungen zu gewähren. Bei den Besichtigungen ist den untergebrachten Personen Gelegenheit zu geben, Wünsche und Beschwerden vorzutragen. Die Einrichtungen sollen die Besuchskommission bei ihrer Tätigkeit unterstützen.

(2) Die Mitglieder der Besuchskommission dürfen an Überprüfungen nicht mitwirken, die sich auf Einrichtungen beziehen, in denen sie beschäftigt sind. Sie sind zur Verschwiegenheit in persönlichen Angelegenheiten der untergebrachten Personen verpflichtet.

(3) Die Besuchskommission legt dem Stadtrat oder dem Kreistag, der sie berufen hat, nach jeder Besichtigung einen Bericht mit dem Ergebnis der Überprüfung vor.

(4) Die Mitglieder der Besuchskommission erhalten für ihre Tätigkeit Entschädigung für Zeitversäumnis und Aufwand sowie Ersatz der Fahrtkosten nach den §§ 1 bis 5 und 9 bis 11 des Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter in der Fassung vom 1. Oktober 1969 (BGBl. I S. 1753) in der jeweils geltenden Fassung. Die Festsetzung und Auszahlung der Entschädigung und des Fahrtkostenersatzes erfolgt durch die nach Absatz 1 Satz 1 zuständige Stadt- oder Kreisverwaltung.

Vierter Abschnitt
Beendigung der Unterbringung

§ 30 Entlassung

Die untergebrachte Person ist zu entlassen

  1. wenn das zuständige Gericht die von ihm angeordnete Unterbringung aufgehoben hat,
  2. wenn das zuständige Gericht die Vollziehung der Unterbringung ausgesetzt hat,
  3. wenn die vom zuständigen Gericht bestimmte Dauer der Unterbringung abgelaufen ist, sofern nicht das zuständige Gericht vorher die Unterbringung verlängert hat,
  4. wenn die zuständige Behörde die Entlassung anordnet,
  5. im Fall einer sofortigen Unterbringung nach § 15
    1. nach Aufhebung der sofortigen Unterbringung,
    2. nach Ablauf der in § 15 Abs. 1 bestimmten Frist, sofern nicht das zuständige Gericht vorher eine Unterbringung angeordnet hat, soweit nicht die untergebrachte Person rechtswirksam einem weiteren Verbleiben in der Einrichtung ausdrücklich zustimmt.

Fünfter Abschnitt
Nachsorge

§ 31 Nachgehende Hilfen

(1) Nachgehende Hilfen nach der Entlassung aus der Unterbringung oder einer sonstigen stationären psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung sollen mit Zustimmung der betroffenen Person in enger Zusammenarbeit zwischen der Einrichtung, dem weiterbehandelnden Arzt und dem zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst so umfassend und rechtzeitig vorbereitet und eingeleitet werden, daß eine weiterhin erforderliche ambulante Betreuung der betroffenen Person gesichert ist.

(2) Bei der Gewährung von nachgehenden Hilfen arbeiten der Sozialpsychiatrische Dienst und die in § 5 Abs. 2 Satz 2 genannten Personen und Stellen eng zusammen.

(3) Nachgehende Hilfen sind rehabilitativ auszurichten und besonders in den Bereichen Wohnen, Arbeit sowie Teilhabe am Sozialleben anzubieten. Besonderes Gewicht ist auf die individuelle ärztliche Behandlung der betroffenen Person zu legen. Sie soll auf die mögliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen hingewiesen werden.

(4) Im Rahmen der nachgehenden Hilfen ist die betroffene Person erforderlichenfalls über die Folgen einer Unterbrechung der notwendigen ärztlichen Behandlung zu informieren.

(5) Ist die Aussetzung der Vollziehung der Unterbringung durch das zuständige Gericht davon abhängig gemacht worden, daß die betroffene Person sich wegen ihrer psychischen Erkrankung in ärztliche Behandlung begibt, hat sie oder die Person, der insoweit die gesetzliche Vertretung obliegt, unverzüglich Namen und Anschrift des Arztes der Einrichtung, in der sie untergebracht war, mitzuteilen. Die Einrichtung übersendet dem behandelnden Arzt umgehend einen ärztlichen Entlassungsbericht. Ist die Aussetzung der Vollziehung mit der Auflage verbunden, Kontakt mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst aufzunehmen, erhält dieser eine Zweitschrift des Entlassungsberichts unter Angabe des behandelnden Arztes.

Fünfter Teil
Mitteilungen, Akteneinsicht, Datenschutz

§ 32 Information der betroffenen Person

(1) Werden im Zusammenhang mit der Durchführung von Hilfen, Schutzmaßnahmen und Unterbringungen Feststellungen getroffen, die für die Belange der betroffenen Person von Bedeutung sein können, so sind ihr diese mitzuteilen.

(2) Auf Antrag ist der betroffenen Person unentgeltlich

  1. Auskunft über die im Zusammenhang mit der Durchführung von Hilfen, Schutzmaßnahmen und Unterbringungen zu ihrer Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft und die Personen und Stellen, an die die Daten übermittelt worden sind, beziehen, und
  2. Einsicht in die im Zusammenhang mit der Durchführung von Hilfen, Schutzmaßnahmen und Unterbringungen zu ihrer Person geführten Akten

zu gewähren.

(3) Die Mitteilung nach Absatz 1 und die Gewährung von Auskunft und Akteneinsicht nach Absatz 2 können unterbleiben, soweit und solange dies nach ärztlichem Zeugnis wegen einer Lebensgefahr oder einer Gefahr schwerwiegender gesundheitlicher Nachteile für die betroffene Person erforderlich ist; sie haben zu unterbleiben, soweit und solange überwiegende berechtigte Geheimhaltungsinteressen Dritter entgegenstehen. Soweit medizinische Daten betroffen sind, dürfen die Mitteilung und die Gewährung von Auskunft und Akteneinsicht nur von einem Arzt vorgenommen werden.

(4) Die Feststellungen nach Absatz 1 sind auch der Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, mitzuteilen; das Auskunftsrecht und das Akteneinsichtsrecht nach Absatz 2 steht auch der Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, zu. Die Mitteilung und die Gewährung von Auskunft und Akteneinsicht nach Satz 1 erfolgen bei volljährigen Personen nur, soweit dies für die Wahrnehmung der Aufgaben der Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, erforderlich ist. Absatz 3 gilt entsprechend.

§ 33 Besondere Mitteilungspflichten

(1) Ist die betroffene Person im Besitz einer Fahrerlaubnis und ergeben sich im Zusammenhang mit der Durchführung von Hilfen und Schutzmaßnahmen durch den Sozialpsychiatrischen Dienst erhebliche Zweifel an ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat der verantwortliche Arzt diesen Befund eingehend mit der betroffenen Person zu erörtern mit dem Ziel, sie vom Führen von Kraftfahrzeugen abzuhalten. Ist die betroffene Person nicht bereit, auf das Führen von Kraftfahrzeugen zu verzichten oder liegen hierfür wesentliche Anhaltspunkte vor, so soll der Sozialpsychiatrische Dienst die für die Entziehung der Fahrerlaubnis zuständige Verwaltungsbehörde über die getroffenen Feststellungen unterrichten; der Unterrichtung ist ein Gutachten eines Arztes für Psychiatrie oder für Kinder- und Jugendpsychiatrie beizufügen, aus dem hervorgeht, aus welchen Tatsachen und ärztlichen Beurteilungen sich die erheblichen Zweifel an der Eignung der betroffenen Person zum Führen von Kraftfahrzeugen ergeben.

(2) Ergeben sich die erheblichen Zweifel an der Eignung der betroffenen Person zum Führen von Kraftfahrzeugen im Zusammenhang mit der Entlassung aus einer Einrichtung im Sinne des § 12 Abs. 1, so unterrichtet die nach § 13 Abs. 1 zuständige Behörde oder der verantwortliche Arzt der Einrichtung den Sozialpsychiatrischen Dienst über die getroffenen Feststellungen; der Sozialpsychiatrische Dienst prüft den Sachverhalt und führt das Verfahren nach Absatz 1 durch, wenn auch auf Grund seiner Prüfung erhebliche Zweifel an der Eignung der betroffenen Person zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen.

(3) Die betroffene Person und die Person, der die gesetzliche Vertretung obliegt, sind über die getroffenen Feststellungen und über die Unterrichtung des Sozialpsychiatrischen Dienstes und der für die Entziehung der Fahrerlaubnis zuständigen Verwaltungsbehörde zu informieren.

(4) Hat eine Behörde die nach § 13 Abs. 1 zuständige Behörde für den Fall der Entlassung einer untergebrachten Person aus einer Einrichtung um Unterrichtung ersucht, weil sie mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand der untergebrachten Person die Vollstreckung einer Haft oder eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Gewahrsams aufgeschoben oder unterbrochen hat, so unterrichtet die zuständige Behörde sie rechtzeitig von einer vorgesehenen Entlassung.

§ 34 Datenschutz 18

(1) Die datenschutzrechtlichen Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit das Recht der Europäischen Union, im Besonderen die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. EU Nr. L 119 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung, unmittelbar gilt. Auf die ergänzenden Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes (LDSG) wird verwiesen. Sofern im Rahmen der Aufgabenerfüllung genetische oder biometrische Daten oder Gesundheitsdaten verarbeitet werden, sind die Anforderungen des Artikels 9 der Verordnung (EU) 2016/679 und des § 19 LDSG zu beachten.

(2) Personenbezogene Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit

  1. dies im Rahmen der Durchführung von Hilfen, Schutzmaßnahmen und Unterbringungen erforderlich ist,
  2. eine Rechtsvorschrift es erlaubt oder
  3. die Person, auf die sich die Daten beziehen (betroffene Person), eingewilligt hat.

Die Bedingungen der Einwilligung regelt Artikel 7 der Verordnung (EU) 2016/679 und, soweit genetische oder biometrische Daten oder Gesundheitsdaten betroffen sind, ist § 19 LDSG zu beachten. Die betroffene Person ist in geeigneter Weise über die Bedeutung der Einwilligung sowie über den Zweck der Erhebung und die vorgesehene weitere Verarbeitung der Daten aufzuklären; sie ist darauf hinzuweisen, daß ihr wegen einer Verweigerung der Einwilligung keine Nachteile entstehen.

(3) Eine Übermittlung personenbezogener Daten ist nur zulässig,

  1. soweit sie erforderlich ist
    1. zur Erfüllung einer gesetzlich vorgeschriebenen Behandlungs- oder Mitteilungspflicht,
    2. zur Durchführung von Schutzmaßnahmen oder Unterbringungen,
    3. zur Abwehr von gegenwärtigen Gefahren für das Leben, die Gesundheit oder die persönliche Freiheit der betroffenen Person oder einer dritten Person, sofern die genannten Rechtsgüter das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person erheblich überwiegen,
    4. zur Durchführung eines mit der Durchführung von Hilfen, Schutzmaßnahmen und Unterbringungen zusammenhängenden gerichtlichen Verfahrens,
    5. zur Feststellung der Kostenträgerschaft und zur Abrechnung,
  2. an Personen, denen die gesetzliche Vertretung obliegt, soweit dies für die Wahrnehmung der damit zusammenhängenden Aufgaben erforderlich ist und
  3. an Angehörige, soweit dies zur Wahrung ihrer berechtigten Interessen erforderlich ist, schutzwürdige Belange der betroffenen Person nicht beeinträchtigt werden und die Einholung der Einwilligung für die betroffene Person gesundheitlich nachteilig wäre.

Im übrigen ist eine Übermittlung nur mit Einwilligung der betroffenen Person zulässig; Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Personenbezogene Daten, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelt worden sind, dürfen nur für den Zweck verarbeitet werden, zu dessen Erfüllung sie befugt übermittelt worden sind. Im übrigen haben die Personen und Stellen, an die die personenbezogenen Daten übermittelt worden sind, die personenbezogenen Daten in demselben Umfang geheimzuhalten wie die übermittelnde Person oder Stelle selbst.

(5) Personenbezogene Daten, die im Rahmen einer Beratung oder zu sonstigen Zwecken ohne rechtliche Verpflichtung anvertraut worden sind, dürfen nur im Rahmen dieser Zweckbestimmung gespeichert oder genutzt werden; eine Übermittlung oder eine sonstige Weitergabe an andere Personen und Stellen ist nur in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und c und Satz 2 zulässig.

(6) Personenbezogene Daten sind zu löschen, wenn

  1. ihre Speicherung unzulässig ist oder
  2. sie zur Erfüllung des mit ihrer Speicherung verbundenen Zwecks nicht mehr erforderlich sind, vorgeschriebene Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person oder dritter Personen beeinträchtigt werden können.

(7) Es sind die technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich und angemessen sind, um die Beachtung der geltenden Datenschutzbestimmungen zu gewährleisten.

§ 35 Datenschutz bei Forschungsvorhaben 18

(1) Die mit der Durchführung von Hilfen, Schutzmaßnahmen und Unterbringungen befaßten Ärzte dürfen die bei ihnen in diesem Zusammenhang anfallenden personenbezogenen Daten für eigene wissenschaftliche Forschungsvorhaben speichern und nutzen. Satz 1 gilt entsprechend für sonstiges wissenschaftliches Personal, soweit es der Geheimhaltungspflicht des § 203 des Strafgesetzbuches unterliegt.

(2) Zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung ist die Übermittlung von personenbezogenen Daten, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Hilfen, Schutzmaßnahmen und Unterbringungen anfallen, an Dritte und die Speicherung und Nutzung durch sie zulässig, wenn die betroffene Person eingewilligt hat.

(3) Die personenbezogenen Daten sind zu anonymisieren, sobald dies nach dem Forschungszweck möglich ist. Solange dies nicht möglich ist, sind die Merkmale, mit deren Hilfe ein Personenbezug hergestellt werden kann, gesondert zu speichern, sobald es der Forschungszweck erlaubt; die Merkmale sind zu löschen, sobald der Forschungszweck erreicht ist.

(4) An Personen und Stellen, auf die die Bestimmungen dieses Gesetzes keine Anwendung finden, dürfen personenbezogene Daten nur übermittelt werden,

  1. wenn sie sich verpflichten,
    1. die Daten nur für das von ihnen genannte Forschungsvorhaben zu verwenden,
    2. die Bestimmungen des Absatzes 3 einzuhalten und
    3. dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit auf Verlangen Einsicht und Auskunft zu gewähren, sowie
  2. wenn sie nachweisen, daß bei ihnen die technischen und organisatorischen Voraussetzungen vorliegen, um die Verpflichtung nach Nummer 1 Buchst. b zu erfüllen.

§ 36 Religionsgemeinschaften und Datenschutz

Soweit Religionsgemeinschaften oder diesen gleichgestellte oder ihnen zuzuordnende Einrichtungen, unabhängig von ihrer Rechtsform, Hilfen und Unterbringungen durchführen oder bei der Durchführung von Hilfen und Unterbringungen mitwirken, können diese unter Berücksichtigung ihres kirchlichen Selbstverständnisses anstelle der datenschutzrechtlichen Bestimmungen dieses Gesetzes eigene bereichsspezifische Bestimmungen erlassen, die einen den Grundsätzen dieses Gesetzes entsprechenden Datenschutz gewährleisten.

Sechster Teil
Kosten

§ 37 Allgemeines

Für die Tätigkeit der Behörden nach diesem Gesetz werden keine Kosten erhoben, soweit sich aus § 38 nichts anderes ergibt. Auf Gesetz oder Vereinbarung beruhende Verpflichtungen zur Kostentragung, insbesondere von Sozialleistungsträgern, bleiben unberührt.

§ 38 Kosten der Unterbringung

(1) Die Kosten der Unterbringung in einer Einrichtung einschließlich der Transportkosten trägt die untergebrachte Person, soweit nicht Unterhaltspflichtige, Sozialleistungsträger oder sonstige Dritte zur Kostentragung verpflichtet sind.

(2) Wird ein Antrag auf gerichtliche Anordnung der Unterbringung abgelehnt oder zurückgenommen oder im Fall des § 15 ein Antrag auf gerichtliche Anordnung der Unterbringung nicht gestellt, so trägt die Kosten einer vorläufigen oder sofortigen Unterbringung in einer Einrichtung einschließlich der Transportkosten der Träger der nach § 13 Abs. 1 zuständigen Behörde, in den Fällen des § 15 Abs. 6 der Träger des Sozialpsychiatrischen Dienstes oder der Einrichtung, soweit nicht Unterhaltspflichtige, Sozialleistungsträger oder sonstige Dritte zur Kostentragung verpflichtet sind.

(3) Absatz 2 gilt bei Anordnung der sofortigen Wirksamkeit einer Unterbringungsmaßnahme entsprechend.

(4) Die Kosten der Besuchskommission trägt die nach § 29 Abs. 1 Satz 1 zuständige kommunale Gebietskörperschaft.

Siebter Teil
Übergangs- und Schlußbestimmungen

§ 39 Verwaltungsvorschriften

Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften erläßt das fachlich zuständige Ministerium im Einvernehmen mit den Ministerien, deren Geschäftsbereich berührt wird.

§ 40 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person), Artikel 6 (Einheit der Familie), Artikel 10 Abs. 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) und Artikel 13 Abs. 1 (Unverletzlichkeit der Wohnung) des Grundgesetzes eingeschränkt.

§ § 41 und 42
(Änderungsbestimmungen)

§ 43 Übergangsregelungen

Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Unterbringungsverfahren gehen in der Lage, in der sie sich befinden, auf die nach diesem Gesetz zuständigen Behörden über. Ist zu diesem Zeitpunkt ein Unterbringungsantrag nach den bisher geltenden Bestimmungen wirksam gestellt, so gilt er als Antrag nach § 14 Abs. 1.

§ 44 Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1996 in Kraft.

(2) (Aufhebungsbestimmung)

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