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Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL
BEWERTUNG VON GERÜCHEN
Die Bewertung, ob eine Belästigung als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkung anzusehen ist, wird von einer Vielzahl von Kriterien beeinflußt. Es sind dies u.a. die Geruchsart, die Geruchsintensität, die tages- und jahreszeitliche Verteilung der Einwirkungen, der Rhythmus, in dem die Belastungen auftreten, die Nutzung des Gebietes. Nach der Methode der GIRL werden zur Beurteilung Immissionswerte (s. Nr. 3.1 GIRL) in Form von Geruchshäufigkeiten festgelegt. Ein Vergleich mit den Immissionswerten reicht jedoch nicht immer aus. Regelmäßiger Bestandteil der Beurteilung der Erheblichkeit der Belästigung ist deshalb im Anschluß an die Bestimmung der Geruchshäufigkeit die Prüfung, ob Anhaltspunkte für die Prüfung nach Nr. 5 GIRL für den jeweiligen Einzelfall bestehen.
IMMISSIONSWERT
Der Immissionswert wurde auf der Basis der Geruchshäufigkeit festgelegt. Eine der Grundlagen dieser Festlegung waren Felduntersuchungen des "Medizinischen Instituts für Umwelthygiene an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zur Geruchsbelästigung von Anwohnern verschiedener Geruchsemittenten. Diese Untersuchungen zeigten u.a. auch, daß die Intensitätsbetrachtung zusätzlich zur alleinigen Häufigkeitsermittlung keinen deutlichen Erkenntniszugewinn bringt, und daß für die regelmäßige quantitative Einbeziehung der Hedonik derzeit noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Grundlagen vorliegen. Letzteres war auch Ergebnis einer vom Baden-Württembergischen Ministerium für Umwelt und Verkehr am 02.10.1997 durchgeführten Anhörung zur GIRL mit Sachverständigen und Gutachtern. In der MIU-Studie ("Materialienband zur Geruchsimmissionsrichtlinie in NRW - psychophysiologische und epidemiologische Grundlagen der Wahrnehmung und Bewertung von Geruchsimmissionen". Bericht des Medizinischen Instituts für Umwelthygiene an der Universität Düsseldorf (B. Steinheider, G. Winneke) im Auftrage des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 1992) führen die Autoren zur Berücksichtigung der Hedonik aus:
"Mögliche Auswirkungen der angenehm-unangenehm-Qualität der Geruchsimmissionen auf die Ausprägung der Belästigungsreaktion konnten von uns nicht untersucht werden. Ausdrücklich sei deshalb darauf hingewiesen, daß die Verallgemeinerungsfähigkeit der hier dargestellten Befunde und der aus ihnen abgeleiteten Immissionswerte in dieser
Hinsicht nicht ohne weiteres als gegeben gelten kann, da das Spektrum der berücksichtigten Quellen relativ eng war.
Weiterhin unterscheiden sich Geruchsimmissionen verschiedener industrieller Quellen hinsichtlich ihres Belästigungspotentials, da anscheinend die hedonische Qualität des Geruchsstoffes (angenehm vs. unangenehm) den Grad der Geruchsbelästigung (...) beeinflußt: Ein Vergleich der Belästigungswirkung einer Isolatorenfabrik, einer Teeröl-Raffinerie, einer Brauerei und einer Schokoladenfabrik zeigte eine geringere Belästigungswirkung der Schokoladenfabrik im Vergleich zu den anderen Quellen, obwohl es keine quantitativen Belastungsunterschiede gab. Trotz dieser Vorbehalte können die hier abgeleiteten Immissionswerte im Regelfall als gut fundierte Anhaltspunkte für die Abgrenzung 'erheblicher' von 'unerheblichen' Geruchsbelästigungen gelten."
Eine quantitative Erniedrigung der Beurteilungsgröße Immissionswert bei sehr unangenehmen Gerüchen ist bereits im Vollzug des Gem.RdErl. zur Durchführung der TA Luft angewendet worden. Die Kriterien der Nr. 5 GIRL ermöglichen ebenfalls die Berücksichtigung der Hedonik im Einzelfall.
Die Immissionswerte der GIRL basieren auf der Feststellung von erkennbarem Geruch nach dem Geruchsstundenkonzept. In der MIU-Studie wurde kein Vorteil einer Echtzeitbetrachtung gegenüber dem Geruchsstundenkonzept bei Begehungen gesehen (siehe auch Auslegungshinweis zu Nr. 4.4.7 GIRL "Geruchsstunde").
ERKENNBARKEIT VON GERÜCHEN
Bei der Geruchsfeststellung durch Begehungen und bei der Prognose von Geruchsbelastungen durch Ausbreitungsmodelle dürfen nur Geruchsimmissionen registriert werden,. die erkennbar sind, d.h. die mit hinreichender Sicherheit und zweifelsfrei ihrer Herkunft nach aus Anlagen oder Anlagengruppen erkennbar und damit abgrenzbar sind gegenüber Gerüchen aus dem .Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich, der Vegetation, landwirtschaftlichen Düngemaßnahmen oder ähnlichem. Mit dieser Definition wird der Begriff "deutliche Wahrnehmung" (vgl. Nr. 4.4.7 GIRL) konkretisiert.
DIE GIRL ALS SYSTEM
In mehreren umfangreichen Untersuchungen (Landesumweltamt NRW; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie Berlin) konnte die Schlüssigkeit des Systems GIRL bestätigt werden. In diesen Fällen wurden Ergebnisse aus Rasterbegehungen nach GIRL mit denen der Ausbreitungsrechnung nach GIRL verglichen. Die gewonnenen Ergebnisse zeigen,
In einer Untersuchung des Landesumweltamtes NRW und des MIU, einem landwirtschaftlichen Fall, zeigte sich darüber hinaus
VERANLASSUNG ZUR ERSTELLUNG VON GUTACHTEN
Aus der GIRL folgt nicht zwingend, daß in jedem Einzelfall ein Gutachten nach den darin vorgegebenen Methoden erstellt werden muß. Jedes Gutachten erfordert die Überzeugung der zuständigen Behörde, daß das Gutachten notwendig ist. Dies liegt in der Verantwortung der Behörde. Wenn die Behörde mit anderen Hilfsmitteln - dazu gehören auch die Richtlinien VDI 3471 und 3472 oder die Abstandsregelungen nach TA Luft Nr. 3.3.7.1.1 im landwirtschaftlichen Bereich - zu der Überzeugung gelangt, daß der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sichergestellt ist, so ist nicht zwingend ein Gutachten nach GIRL zu erstellen. Wenn die Behörde aber in Problemfällen zu der Ansicht kommt, daß ein Gutachten nach GIRL notwendig ist, um Zweifelsfragen zu klären, so ist es unter Beachtung der Randbedingungen der GIRL zu erstellen, auch im landwirtschaftlichen Bereich. Wenn aufgrund allgemeiner Erfahrungen und Kenntnisse vor Ort zu sagen ist, daß bei Einhaltung der in den Richtlinien genannten Abständen auch der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen gewährleistet ist, dann sind keine weiteren Ermittlungen nach GIRL notwendig, wenn aber Zweifel daran bestehen, dann sind diese Ermittlungen erforderlich.
VORGEHEN IM LANDWIRTSCHAFTLICHEN BEREICH
Das Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich besteht im Allgemeinen darin, zunächst eine Abstandsprüfung vorzunehmen. Dabei ist auf Nr. 3.3.7.1.1 TA Luft sowie auf die Richtlinien VDI 3471 und 3472 zurückzugreifen. Die zurückgezogene Richtlinie VDI 3473 ("Rinder-Richtlinie") kann zur Beurteilung nicht herangezogen werden.
Bei der Anwendung der Nr. 3.3.7.1.1 TA Luft und der Richtlinien VDI 3471 und 3472 sind unbedingt die darin angegebenen Randbedingungen zu beachten. Die Abstände der VDI-Richtlinien und der TA Luft sind aufgrund des Vorsorgegrundsatzes entwickelt worden, der unabhängig von den Schutzpflichten zu beachten ist. Die Einhaltung der Abstände ist in der Regel ein Indiz dafür, daß keine schädlichen Umwelteinwirkungen auftreten. Nach vorliegenden Erfahrungen reichen ab bestimmten Bestandgrößen diese Abstände jedoch nicht mehr aus. Auf keinen Fall sollten daher die in der TA Luft und in den genannten VDI-Richtlinien angegebenen Abstände über die in diesen Regelwerken maximal zugrunde gelegten Bestandszahlen bzw. GV (Großvieheinheiten) hinaus extrapoliert werden. Im übrigen ist bei Nichteinhaltung der Abstände i.d.R. eine Prüfung nach GIRL durchzuführen. Dabei können auch Situationen auftreten, in denen - wegen der Windrichtungsverteilung - eine Genehmigung nach GIRL möglich ist, obwohl die Abstände der VDI-Richtlinien nicht eingehalten werden. In diesem Fall kann die Schutzpflicht als erfüllt angesehen werden. Sind die Abstände eingehalten, ist konkreten Anhaltspunkten für schädliche Umwelteinwirkungen gleichwohl nachzugehen, d.h. ggf. ist die GIRL anzuwenden.
Bei der Geruchsbeurteilung besteht auch ein Unterschied zwischen Intensivtierhaltung und "klassischer Landwirtschaft". Wird bei letzterer Fensterlüftung gleichgesetzt mit Zwangsbelüftung, führt dies zu pessimalen, aber nicht unbedingt realistischen Ergebnissen. Hier sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Offenställe stellen bei Ausbreitungsrechnungen einen Problemfall dar, da die Emissionen von den Wetterbedingungen abhängen (z.B. Anströmgeschwindigkeit und Anströmrichtung der Ställe). Die Emissionsfaktoren sind daher besonders sorgfältig zu ermitteln. Liegen keine detaillierten Emissionsfaktoren vor, muß die Emission mindestens für die mittleren meteorologischen Bedingungen bestimmt werden.
Die Beurteilung von Güllegerüchen (landwirtschaftliche Düngemaßnahme; vgl. Nr. 3.1 GIRL) ist bei der Bewertung der Gesamtbelastung im Rahmen der Beurteilung im Einzelfall nach Nr. 5 GIRL möglich; ihre Verminderung und Behandlung ist ansonsten nicht Gegenstand der GIRL.
NICHT GENEHMIGUNGSBEDÜRFTIGE ANLAGEN
Die Anwendung der GIRL zur Konkretisierung der Anforderungen an nicht genehmigungsbedürftige Anlagen ist eine Kann-Bestimmung. Bei der Ermittlung der vorhandenen Belastung nach GIRL sind die Anteile, die durch ausschließlich baurechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen verursacht werden, jedoch ebenso zu berücksichtigen wie die Anteile, die von Anlagen i.S. des § 4 BImSchG ausgehen. Wenn bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen auftreten, ist zunächst zu prüfen, ob die nach dem Stand der Technik gegebenen Möglichkeiten zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen ausgeschöpft sind. Nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken (§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BImSchG). Zur Bestimmung des Mindestmaßes ist eine Abwägung aller berührten Interessen vorzunehmen. Unverhältnismäßige Maßnahmen können nicht verlangt werden. Eine Betriebsuntersagung kommt nur nach § 25 Abs. 2 BImSchG in Betracht. Die dort genannten Voraussetzungen liegen bei Geruchsimmissionen jedoch in der Regel nicht vor. Anordnungen im Einzelfall können nach § 24 BImSchG getroffen werden.
Landesrechtliche Regelungen zur Vorsorge können über § 22 BImSchG hinausgehende Anforderungen enthalten.
(Bzgl. genehmigungsbedürftiger Anlagen vgl. Auslegungshinweis zu Nr. 4.2 GIRL)
GEEIGNETE AUSBREITUNGSMODELLE
Das Modell ODIF oder ein vergleichbares Modell ist als Konvention einzusetzen. Dabei gelten folgende Randbedingungen:
Das Modell kann eingesetzt werden bei Quellhöhen > 30 m ohne Entfernungseinschränkung oder auch bei Quellhöhen < 30 m bis zu Quellentfernungen von 700 m. Für Schornsteinhöhen bis 30 .m kann auch die Ausbreitungsrechnung nach Anhang C der TA Luft unter zusätzlicher Verwendung eines Faktors 10 verwendet werden. In Zweifelsfällen ist die zuständige Fachbehörde zu hören.
Werden andere Modelle als ODIF oder TA Luft/Faktor 10 verwendet, ist der Nachweis der Vergleichbarkeit der Modelle gegenüber der zuständigen Fachbehörde zu führen.
ÜBERSCHÄTZUNG VON GERUCHSHÄUFIGKEITEN
Im Genehmigungsverfahren muß die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen sichergestellt sein (vgl. § 6 Abs. 1 BImSchG). Deshalb muß die Genehmigungsbehörde mit ihrer Beurteilung auf der sicheren Seite liegen. Eine Überschätzung der Geruchshäufigkeiten durch das Prognoseverfahren ist insoweit nicht zu beanstanden.
SCHORNSTEINHÖHENBERECHNUNG
Für die Schornsteinhöhenberechnung ist die Beurteilungsfläche maximaler Beaufschlagung (i.d.R. 250 m x 250 m - Fläche) i.d.R. mit dem Wert 0,06 (Angabe als relative Häufigkeit, vgl. hierzu Nr. 3.1 Abs. 1 GIRL) zugrunde zu legen, zur Sicherstellung des Vorsorgegrundsatzes auch dann, wenn dort niemand "wohnt": Die Beurteilungsfläche, in der sich die Emissionsquelle befindet, kann im Einzelfall unberücksichtigt bleiben. Die Angabe eines S-Wertes für die Schornsteinhöhenberechnung wurde während der Erarbeitung der GIRL diskutiert, aber von den Ausbreitungsfachleuten nicht für sinnvoll gehalten, da bei diesem Verfahren die unterschiedlichen Emissionsbedingungen einzelner Anlagen nicht ausreichend berücksichtigt werden können und sich dann teilweise unrealistische Schornsteinhöhen ergeben.
SCHORNSTEINHÖHENBERECHNUNG IN DER LANDWIRTSCHAFT
Die Regelung der Schornsteinhöhenberechnung in der GIRL gilt nur für eine zusammenfassende, zentrale Ableitung, die ggfs. gem. Nr. 2.4.2 Abs. 2 TA Luft zu fordern ist (vgl. auch Auslegungshinweis zu Nr. 3.1 GIRL (Kontingentierung von Geruchsimmissionshäufigkeiten)).
Nach Nr. 2.4 TA Luft sind Abgase nicht in jedem Fall über einen Schornstein abzuleiten.
ZUORDNUNG DER IMMISSIONSWERTE
In speziellen Fällen sind auch andere Zuordnungen als die in Tabelle 1 der GIRL aufgeführten möglich. Beispiele:
KONTINGENTIERUNG VON GERUCHSIMMISSIONSHÄUFIGKEITEN
Die GIRL wird in der Praxis auch als Beurteilungsgrundlage in Bauleitplanverfahren herangezogen. Dabei stellt die Frage der Kontingentierung der Immissionsanteile für einzelne Anlagen häufig ein Problem dar. Es lassen sich hierfür verschiedene Ansätze denken (50 % des Immissionswertes, Schornsteinhöhenberechnung (0,06), Irrelevanzregelung (0,02), Vorbelastungsbestimmung und Aufteilen des "Restes"). Bei konkret geplanten Vorhaben müssen die von diesen Vorhaben ausgehenden Immissionsanteile bei der Beurteilung anderer Anlagen berücksichtigt werden.
In Genehmigungsverfahren sollte eine einzelne Anlage i.d.R. den zulässigen Immissionswert nicht ausschöpfen.
Unabhängig von einer bestehenden oder konkret zu erwartenden Immissionswertüberschreitung ist bei genehmigungsbedürftigen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) und ggf. auch bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen die Einhaltung des Standes der Technik zu fordern. Wegen der Erhaltung von Freiräumen kann man zur Beachtung des Vorsorgegrundsatzes in den Anforderungen u.U. noch über den Stand der Technik hinausgehen (ggf. Hinweis auf jeweilige Landesregelung).