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Hinweise zur Umsetzung des Europäischen Schutzgebietsnetzes "Natura 2000" in Thüringen
- Thüringen -
Vom 17. Dezember 2020
(ThürStAnz. Nr. 4 vom 25.01.2021 S. 263)
Archiv: 2014
Verwaltungsvorschrift des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz vom 17.12.2020 (Az.: 45-8691/8)
1 Allgemeine Grundlagen
Die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. EG Nr. L 206 vom 22. Juli 1992, S. 7) in der jeweils geltenden Fassung (Fauna-Flora-Habitat-(FFH-) Richtlinie) hat insbesondere zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt ein Schutzgebietsnetz für besonders wichtige Lebensräume und Arten von europäischer Bedeutung mit dem Namen "Natura 2000" zu schaffen. Es muss gemäß Art. 3 Abs. 1 der FFH-Richtlinie "den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten".
Das Netzwerk "Natura 2000" besteht zum einen aus ausgewählten Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhang II der Richtlinie umfassen (FFH-Gebiete, Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung).
Zu dem Netz "Natura 2000" gehören zum anderen auch die Gebiete, die aufgrund der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten vom 30. November 2009 (ABl. L 20 vom 26. Januar 2010, S. 7) in der jeweils geltenden Fassung (Vogelschutz-Richtlinie) als Europäische Vogelschutzgebiete an die EU gemeldet werden und damit besondere Schutzgebiete (SPA, Special Protection Areas) sind.
Die Auswahl und Meldung der Gebiete über das für Naturschutz zuständige Bundesministerium an die Europäische Kommission obliegt den Bundesländern.
Die zum Europäischen ökologischen Netz "Natura 2000" gehörenden Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung werden, sobald die Europäische Kommission die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung erstellt hat, im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (s. jeweils geltende Entscheidungen der Kommission gemäß der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Verabschiedung von aktualisierten Listen von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinentalen biogeografischen Region - derzeit zwölfte Fortschreibung in ABl. EG Nr. L 7 vom 9. Januar 2019).
Die Thüringer Europäischen Vogelschutzgebiete wurden im Bundesanzeiger vom 26. Juli 2007 veröffentlicht.
Diese Hinweise dienen der zweckmäßigen und einheitlichen Umsetzung der Art. 1 bis 11 der FFH-Richtlinie sowie der entsprechenden bundes- und landesrechtlichen Regelungen im Freistaat Thüringen. Diese Hinweise sind auf alle bestehenden Thüringer FFH-Gebiete und Europäischen Vogelschutzgebiete anzuwenden (Natura 2000-Gebiete).
Dieser Erlass ergeht nach Beteiligung des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft.
2 Rechtsgrundlagen
Im Bundesnaturschutzgesetz in der Fassung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) (BNatSchG), zuletzt geändert durch Artikel 290 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328), finden sich die Regelungen zum Netz "Natura 2000" im 2. Abschnitt des 4. Kapitels (§§ 31 bis 36).
Die grundlegenden Begriffsdefinitionen finden sich in § 7 Abs. 1 Nr. 4 bis 10 BNatSchG. Eine Definition des Begriffs "Projekt" ist nicht enthalten (s. dazu Ziff. 7.1).
In den §§ 32 bis 34 BNatSchG finden sich Regelungen zur Auswahl und Meldung der Gebiete (§ 32 Abs. 1 BNatSchG), zum Schutz dieser Gebiete (§§ 32 Abs. 2 - 4 und 33 BNatSchG), zur Zulässigkeit von Projekten und zur FFH-Verträglichkeitsprüfung (§ 34 Abs. 1 - 8 BNatSchG), zum Anzeigeverfahren für bestimmte Projekte (§ 34 Abs. 6), zum Verhältnis dieser Regelungen zu Schutzgebietsbestimmungen (§ 34 Abs. 7 BNatSchG) und zum Verhältnis zu baurechtlichen Vorschriften (§ 34 Abs. 8 BNatSchG). § 36 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BNatSchG enthält Regelungen für die Verträglichkeitsprüfung für Pläne.
Ergänzt werden die unmittelbar geltenden bundesrechtlichen Regelungen durch die landesrechtlichen Bestimmungen (zumeist Zuständigkeitsregelungen) des § 16 ThürNatG in Verbindung mit der Thüringer Natura 2000-Erhaltungsziele-Verordnung (ThürNat2000ErhZVO) vom 29. Mai 2008 (GVBl. 2008 S. 181), zuletzt geändert durch Art. 25 des Gesetzes vom 30. Juli 2019 (GVBl. 2019 S. 323, 347).
Neben den Regelungen in den Naturschutzgesetzen sind für die Umsetzung der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie noch folgende in anderen Gesetzen enthaltene Vorschriften zu beachten:
Die in der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie enthaltenen besonderen artenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere betreffend die Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie, die nicht unmittelbar dem Aufbau und dem Schutz des Netzes "Natura 2000" im Zusammenhang dienen, sind nicht Gegenstand des Erlasses.
3 Begriffe
Wichtige Begriffe im Zusammenhang mit Natura 2000 sind neben den unter 1. erläuterten Gebietsbezeichnungen die Begriffe "Erhaltungsziele", "günstiger Erhaltungszustand" und "erhebliche Beeinträchtigung".
3.1 Erhaltungsziele, günstiger Erhaltungszustand
§ 7 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG definiert den Begriff "Erhaltungsziele" als Ziele, die im Hinblick auf die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines natürlichen Lebensraumtyps von gemeinschaftlichem Interesse, einer in Anhang II der FFH-Richtlinie oder in Art. 4 Abs. 2 oder Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie aufgeführten Art für ein Natura 2000-Gebiet festgelegt sind.
In § 7 Abs. 1 Nr. 10 BNatSchG findet sich folgende Definition des Begriffs "günstiger Erhaltungszustand": "Zustand im Sinne von Art. 1 Buchst. e und i der FFH-Richtlinie und von Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 vom 30.04.2004 S. 56), die zuletzt durch die Richtlinie 2009/31/EG (ABl. L 140 vom 05.06.2009 S. 114) geändert worden ist". So wird der Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraums (die Gesamtheit der Einwirkungen, die den betreffenden Lebensraum und die darin vorkommenden charakteristischen Arten beeinflussen und die sich langfristig auf seine natürliche Verbreitung, seine Struktur und seine Funktionen sowie das Überleben seiner charakteristischen Arten in dem in Art. 2 der FFH-Richtlinie genannten Gebiet auswirken können) als günstig erachtet, wenn (1) sein natürliches Verbreitungsgebiet sowie die Flächen, die er in diesem Gebiet einnimmt, beständig sind oder sich ausdehnen und (2) die für seinen langfristigen Fortbestand notwendige Struktur und spezifischen Funktionen bestehen und in absehbarer Zukunft wahrscheinlich weiterbestehen werden sowie (3) der Erhaltungszustand der für ihn charakteristischen Arten günstig ist. Der Erhaltungszustand einer Art (die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Population der betreffenden Arten in dem in Art. 2 der FFH-Richtlinie bezeichneten Gebiet auswirken können) wird als günstig betrachtet, wenn (1) aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraums, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, (2) das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und (3) ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Populationen dieser Art zu sichern.
Die Erhaltungsziele wirken sich z.B. wie folgt konkret aus:
Die für die einzelnen Natura 2000-Gebiete relevanten Lebensraumtypen und Arten sowie die dazu gehörigen Erhaltungsziele ergeben sich aus der ThürNat2000ErhZVO bzw. aus der speziellen Schutzgebietsverordnung nach den §§ 20, 22 Abs. 1 und 2 BNatSchG .
Ausführungen dazu finden sich auch in den bereits veröffentlichten Managementplänen für die einzelnen Gebiete.
Die Basisinformationen zu den relevanten Lebensraumtypen und Arten sind den Standarddatenbögen zu den einzelnen Natura 2000-Gebieten zu entnehmen. Im Zuge der Erstellung der Fachbeiträge, Managementpläne und des erforderlichen Monitorings ist es wahrscheinlich, dass Vorkommen von Lebensraumtypen und Arten und damit die Erhaltungsziele fortzuschreiben sind. Dies kann fallweise dazu führen, dass im Standarddatenbogen Erhaltungsziele schon abgeändert wurden, sich dies aber noch nicht in den Verordnungen niedergeschlagen hat. Bei Projekten mit einem langen Planungszeitraum sollen im Sinne der Planungssicherheit die jeweils aktuellen Daten zugrunde gelegt werden. Für Fachplanungsträger der öffentlichen Hand gilt ohnehin das gemeinschaftsfreundliche Verhalten, d. h. die Behörden dürfen nicht so handeln, dass die Ziele der Richtlinie - selbst wenn sie gegenüber Dritten noch nicht rechtsverbindlich umgesetzt sind - nicht mehr erreicht werden können.
3.2 Erhebliche Beeinträchtigung
Beeinträchtigungen sind negative Veränderungen oder Störungen eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen. Eine Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn die einzelnen in diesem Gebiet vorhandenen Lebensräume nach Anhang I oder die Habitate der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie bzw. nach Anhang I oder Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie oder die Beziehungen zwischen diesen negativ beeinflusst werden. Die Ursache dafür kann auch außerhalb des Natura 2000-Gebiets gesetzt werden.
Beeinträchtigungen müssen erheblich sein. Näheres dazu s. Ziff. 7.3.2.3.
4 Grundschutz nach § 33 Abs. 1 BNatSchG
Mit der Aufnahme in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung durch die EU gilt für alle Thüringer FFH-Gebiete ein Grundschutz in Form eines Verschlechterungsverbots hinsichtlich der Erhaltungsziele gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG. Gegenüber Dritten greift er jedoch erst seit Inkrafttreten der Natura 2000-Erhaltungsziele-Verordnung. Hinsichtlich der Thüringer Europäischen Vogelschutzgebiete wird der Grundschutz - unabhängig von einer Veröffentlichung auf Bundes- oder EU-Ebene - gegenüber Dritten ebenfalls mit dem Inkrafttreten der Erhaltungsziele-Verordnung wirksam.
Die Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinentalen biogeografischen Region der Europäischen Union, die auch die Thüringer FFH-Gebiete umfasst, wurde im Amtsblatt der EG Nr. L 12 S. 383 vom 15. Januar 2008 in einer ersten fortgeschriebenen Fassung veröffentlicht und seitdem mehrfach fortgeschrieben. Die Natura 2000-Erhaltungsziele-Verordnung (GVBl. 2008 S. 181) trat am 15. Juli 2008 in Kraft; sie wurde im Jahr 2018 grundhaft novelliert und zuletzt im Zuge der Neuordnung des Thüringer Naturschutzrechts mit Gesetz vom 30. Juli 2019 geändert.
Für die Abgrenzung der Natura 2000-Gebiete maßgebend ist die Mitte der Umrisslinie auf dem Satz der Messtischblätter (Natura 2000 in Thüringen, Maßstab 1 : 25.000), wie er bei der Meldung an die Europäische Kommission abgegeben wurde. Diese Karten liegen im Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN), im Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN), bei der Landesforstanstalt, in den Landratsämtern und den Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte sowie in den Regionalen Planungsgemeinschaften zur Einsichtnahme aus. Für die Anwendung der Managementpläne ist von den in den Managementplänen operationalisierten Grenzen auszugehen.
Das Verschlechterungsverbot ist nicht dahingehend auszulegen, dass ein Eigentümer oder Nutzungsberechtigter künftig zu aktiven Maßnahmen - z.B. zu Pflegemaßnahmen - auf seiner Fläche verpflichtet ist. Das Verschlechterungsverbot verpflichtet ihn lediglich dazu, Maßnahmen zu unterlassen, die mit den Erhaltungszielen in den Gebieten unvereinbar sind. Dies gilt auch für die FFH-Objekte (Gebäude, Keller, Stollen), die zum Schutz der Sommerquartiere (Wochenstuben) oder Winterquartiere von Fledermausarten des Anhang II der FFH-Richtlinie gemeldet worden sind (Kleine Hufeisennase, Großes Mausohr, Mopsfledermaus, Bechsteinfledermaus). Für die Eigentümer und Nutzungsberechtigten besteht keine Verpflichtung, selbst aktive Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung dieser Quartiere zu ergreifen. Sie haben jedoch alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Quartiere erheblich beeinträchtigen können (z.B. Störung der Tiere, bauliche Veränderungen im Quartierbereich, Veränderung der Zu- und Abflugbedingungen). Sollen z.B. Baumaßnahmen durchgeführt werden, so empfiehlt es sich, rechtzeitig zur Beratung mit der zuständigen unteren Naturschutzbehörde Kontakt aufzunehmen.
Es besteht für die Gebiete ein Verschlechterungsverbot hinsichtlich der dort laut ThürNat2000ErhZVO vorkommenden Schutzgüter, jedoch kein grundsätzliches Veränderungsverbot. Dementsprechend sind nur - gemessen an den Erhaltungszielen - erhebliche Beeinträchtigungen verboten. Ausnahmen davon sind jedoch gemäß §§ 33 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG möglich (s. Ziff. 7.4).
Eine Sonderregelung besteht für Vorhaben im Zusammenhang mit Fracking, diese werden vom Gesetz als beeinträchtigend angesehen.
Ausnahmen nach § 33 Abs. 1a BNatSchG sind nicht möglich für Anlagen (1.) zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas und (2.) zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
Auf die Sonderregelung des § 17 Abs. 1 ThürNatG wird ebenfalls hingewiesen.
Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind in Thüringen abweichend von § 35 BNatSchG
u. a. in Natura 2000-Gebieten nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 BNatSchG sowie in einem Streifen von 1.000 Metern Breite um solche Schutzgebiete verboten.
Ausnahmen von dem Verbot sind nicht vorgesehen.
Somit sind Projekte, die die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen oder den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen beinhalten, in Natura 2000-Gebieten von vornherein verboten.
Im Übrigen gilt § 35 BNatSchG. Für die in § 35 Nr. 2 BNatSchG genannten Projekte, Nutzungen und Tätigkeiten, die nicht den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen umfassen, ist weiterhin eine Verträglichkeitsprüfung nach Maßgabe von § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG durchzuführen.
Das Verschlechterungsverbot gilt innerhalb eines Gebiets ausschließlich für seine für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteile, also für die diesbezüglichen Lebensraumtypen nach Anhang I (z.B. Kalktrockenrasen, Bergwiesen, Hainsimsen-Buchenwald) und/oder Habitate von Tier- und Pflanzenarten nach Anhang II der FFH-Richtlinie (z.B. Habitate des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings) bzw. - im Falle der Europäischen Vogelschutzgebiete - für die Habitate der Vogelarten des Anhangs I der Vogelschutz-Richtlinie (z.B. Weißstorch, Wachtelkönig) bzw. nach Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie. Als Habitate der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie sowie der Vogelarten nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie gelten nur solche Bereiche, die für die Bestandserhaltung der jeweiligen Art von Bedeutung sind (darunter Brut-, Wohn-, Zufluchtstätten, essentielle Nahrungs-, Rast- und Überwinterungsgebiete).
Das Verschlechterungsverbot gilt nicht für die übrigen Flächen innerhalb der Natura 2000-Gebiete, die solche Lebensräume und Artvorkommen nicht enthalten, es sei denn, dass sich Veränderungen auf diesen Flächen direkt auf den Erhaltungszustand der angrenzenden FFH-Lebensraumtypen und -Arten sowie die Vogelarten nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie negativ auswirken.
Sofern es eine speziellere Regelung für ein Natura 2000-Gebiet gibt, tritt das allgemeine Verschlechterungsverbot dahinter soweit zurück, wie der andere Schutz greift, z.B. bei aktuellen Naturschutzgebietsverordnungen vollständig, bei Verträgen nur soweit, wie die Regelungen greifen. Bei der Beurteilung einer Handlung oder Maßnahme sind dann die Naturschutzgebietsverordnung oder die vertragliche Vereinbarung mit dem Flächennutzer heranzuziehen (s. a. Ziff. 5).
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Fassung dieses Erlasses (21. Dezember 1999) bzw. zum Zeitpunkt der späteren Meldung eines Gebietes genehmigte Projekte sowie sonstige rechtmäßige Zulassungen und die zu ihrer Durchführung erforderlichen Maßnahmen genießen im Regelfall Bestandsschutz gemäß den fachrechtlichen Vorschriften. In Einzelfällen kann eine spätere Verträglichkeitsprüfung notwendig werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. Juli 2016, Az. 9 C 3/16 und EuGH, Urt. v. 7. November 2018, Az. C-293/17 u. a., Rn. 86).
Fließgewässer sind in dem Zustand gemeldet worden, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Meldung befanden - mit den vorhandenen Nutzungen (z.B. Wassertourismus), mit Einleitungen aufgrund von Erlaubnissen sowie mit technischen Anlagen wie z.B. Wehren, Verbauungen und Brücken.
Einer gesonderten Prüfung bedürfen Bebauungspläne, die vor der abschließenden Meldung der Vogelschutzgebiete 2007 in Kraft getreten sind und erst danach ausgeschöpft oder umgesetzt worden sind oder werden (dazu siehe Urteil des BVerwG vom 27. März 2014, Az. 4 CN 3.13).
5 Spezielle Schutzmaßnahmen
Die Regelung des § 33 Abs. 1 BNatSchG bietet einen Grundschutz für die Natura 2000-Gebiete. Im Einzelfall können speziellere Schutzmaßnahmen sinnvoll oder notwendig sein.
Ein speziellerer Schutz kann gemäß § 32 Abs. 2 bis 4 BNatSchG durch eine Schutzgebietsausweisung oder - wenn ein gleichwertiger Schutz gewährleistet ist - nach anderen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, durch die Verfügungsbefugnis eines öffentlichen oder gemeinnützigen Trägers oder durch vertragliche Vereinbarungen erfolgen. Möglich ist auch eine Kombination verschiedener Schutzmaßnahmen, insbesondere des Grundschutzes mit vertraglichen Vereinbarungen.
Voraussetzung hierfür ist, dass der erreichte Schutz zur Sicherung des Erhaltungszustands der Lebensräume nach Anhang I und der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie sowie der in Anhang I und in Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie genannten Arten und ihrer Lebensräume im Sinne des Gesetzes einer Unterschutzstellung "gleichwertig" ist, wie es § 32 Abs. 4 BNatSchG regelt.
Verwaltungsvorschriften genügen dann, wenn sichergestellt wird, dass durch die Nutzung und Bewirtschaftung der Flächen des Landes (insbes. Staatswaldflächen) bzw. der öffentlichen oder gemeinnützigen Grundeigentümer ein günstiger Erhaltungszustand der Lebensraumtypen und der Arten nach Anhang I und II der FFH-Richtlinie und der Arten nach Anhang I bzw. Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie gewährleistet wird, die für die Aufnahme des Gebiets in das Netz "Natura 2000" maßgeblich waren.
Natura 2000-Gebiete können im Einzelfall auch durch Schutzmaßnahmen nach anderen Fachgesetzen ausreichend geschützt werden, insbesondere als Naturwaldreservat oder Naturwaldparzelle gemäß § 9 ThürWaldG.
Die Schutzgebietsausweisung im Sinne von § 20 Abs. 2 BNatSchG ist nur erforderlich, wenn und soweit die anderen Instrumentarien zur Sicherung der Erhaltungsziele nicht ausreichen.
Eine Schutzgebietsausweisung aus den über die Umsetzung der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie hinausgehenden Gründen der §§ 23 bis 29 BNatSchG wird von diesem Erlass nicht berührt.
6 Gebietsmanagement
Gemäß § 4 Abs. 2 der ThürNat2000ErhZVO werden für die Natura 2000-Gebiete die konkret erforderlichen Maßnahmen für die Erhaltung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes regelmäßig in Bewirtschaftungsplänen nach § 32 Abs. 5 BNatSchG festgelegt. In Thüringen werden die Bewirtschaftungspläne als Natura 2000-Managementpläne bezeichnet. Zuständig hierfür ist gemäß § 23 Abs. 1 ThürNatG die Naturschutzfachbehörde (TLUBN).
Die Erstellung der Natura 2000-Managementpläne erfolgt in der Regel im Baukastenprinzip. Dabei werden - abhängig von der Ausstattung und den Besonderheiten der Natura 2000-Gebiete - unterschiedliche Fachbeiträge erstellt (insbesondere Fachbeitrag Offenland, Fachbeitrag Wald). Für die Offenlandbereiche (einschließlich im Wald
liegender Offenlandbereiche wie z.B. Felsen, Moore und Gewässer) erfolgt dies durch die Naturschutzfachbehörde, für die Waldbereiche gemäß § 23 Abs. 1 ThürNatG durch die Landesforstanstalt, die sich mit der Naturschutzfachbehörde abstimmt. Die Naturschutzfachbehörde prüft den Fachbeitrag Wald. Die Fachbeiträge werden durch das TMUEN gebilligt. Sie stellen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Erlasses die Managementpläne dar.
Die Managementpläne der FFH-Objekte werden von der Naturschutzfachbehörde erstellt und sind nicht in unterschiedliche Fachbeiträge gegliedert.
Nach der Fortschreibung sollen die Fachbeiträge von der Naturschutzfachbehörde zu einem einheitlichen Managementplan zusammengeführt werden. Bei der Fortschreibung ist eine einheitliche Aufbereitung der Daten und eine Verbesserung der Abhandlung der Arten anzustreben. Dies sichert die Nachvollziehbarkeit der Planungen sowie deren Transparenz und beinhaltet als Mindeststandards eine flächenscharfe Darstellung der LRT- und artspezifischen Habitatflächen, deren Erhaltungszustand sowie eine Beschreibung der Maßnahmen und deren kartographische Aufbereitung.
Neben den Daten der Fachbeiträge Offenland werden von der Naturschutzfachbehörde auch die Daten der anderen Fachbeiträge in das Fachinformationssystem Naturschutz aufgenommen. Diese Daten sind ihr entsprechend zur Verfügung zu stellen.
In den Managementplänen (Fachbeiträgen) wird konkret beschrieben, welche Pflegemaßnahmen wo durchgeführt werden sollen und wie der günstige Erhaltungszustand für die in der ThürNat2000ErhZVO aufgeführten Schutzgüter erzielt oder erhalten werden kann. Pflegemaßnahmen sind die in den Managementplänen definierten Erhaltungs-, Wiederherstellungs- und Entwicklungsmaßnahmen für die Schutzgüter der Natura 2000-Richtlinien. Durch Erhaltungsmaßnahmen wird der aktuelle Erhaltungszustand gesichert, durch Wiederherstellungsmaßnahmen wird der aktuelle Erhaltungszustand verbessert und durch Entwicklungsmaßnahmen werden Schutzgüter geschaffen bzw. entwickelt.
Der in den Fachbeiträgen Offenland definierte Handlungsbedarf unterscheidet für einen Zeitraum von etwa zwölf Jahren grundsätzlich zwischen kurz-, mittel- oder langfristig umzusetzenden Maßnahmen. Der in den Fachbeiträgen Wald definierte Handlungsbedarf unterscheidet für einen Zeitraum von zehn Jahren grundsätzlich zwischen kurz- oder langfristig umzusetzenden Maßnahmen.
Aus den Managementplänen (Fachbeiträgen) heraus folgen auch Hinweise zu der Frage, ob und welche Sicherungsmaßnahmen neben dem oder statt des Grundschutzes notwendig sind, sowie zu der Frage, ob eine Maßnahme unmittelbar der Verwaltung eines Natura 2000-Gebiets dient (s. Ziff. 7.2.1).
Die Natura 2000-Managementpläne sind in Thüringen behördenverbindliche Fachplanungen.
Die zuständigen Behörden haben bei ihren Plänen, Projekten und bei der Bewilligung von Fördermitteln (z.B. für Waldumweltmaßnahmen etc.) auf die Realisierung von optimalen Maßnahmenvorschlägen der Managementpläne hinzuwirken, sofern dort eine Unterscheidung getroffen wird. Hinsichtlich der KULAP N-Maßnahmen gilt dies bei der Erstellung der Leistungsprotokolle durch die unteren Naturschutzbehörden.
Werden Erhaltungs-, Wiederherstellungs- oder Entwicklungsmaßnahmen in einer Vorhabenzulassung festgesetzt, so teilt die Zulassungsbehörde diese Maßnahmen der Naturschutzfachbehörde mit.
Den Naturschutzbehörden und der Naturschutzfachbehörde obliegt - unterstützt von den Natura 2000-Stationen und den Forstbehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben - die Überwachung der Schutzgüter der jeweiligen Natura 2000-Gebiete. Sie tragen Sorge für den Erhalt oder ggf. die notwendige Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes für die Schutzgüter der Natura 2000-Richtlinien.
Die Managementpläne (Fachbeiträge) werden nach ihrer Fertigstellung und Billigung durch die oberste Naturschutzbehörde durch periodische Veröffentlichung im Thüringer Staatsanzeiger bekannt gemacht und formal in Kraft gesetzt. Sie werden der Öffentlichkeit über einschlägige Internetseiten (z.B. TLUBN, Landesforstanstalt) zugänglich gemacht.
Für Flächeneigentümer und Nutzungsberechtigte besitzen Managementpläne empfehlenden bzw. informativen Charakter, die §§ 33 und 34 BNatSchG bleiben davon unberührt.
Sind gemeldete Offenland-Lebensraumtypen (infolge von Sukzession) inzwischen als Waldfläche im Sinne des § 2 ThürWaldG anzusprechen, besteht grundsätzlich die rechtliche Verpflichtung zur Wiederherstellung. Die Managementpläne (Fachbeitrag Offenland) legen hierfür entsprechende Pflegemaßnahmen fest. Für deren Umsetzung ist eine Genehmigung zur Nutzungsartenänderung nach § 10 ThürWaldG erforderlich. Die Genehmigung kann auch im Nachgang zum Managementplan eingeholt werden. Sind die entsprechenden Pflegemaßnahmen nach Art und Umfang zwischen der unteren Forstbehörde, den zuständigen Naturschutzbehörden sowie dem Eigentümer einvernehmlich abgestimmt, so entfällt die forstrechtliche Kompensationspflicht für die Nutzungsartenänderung. Das Genehmigungsverfahren richtet sich nach dem Gemeinsamen Erlass der Abteilung 5 des TMIL und der Abteilung 4 des TMUEN zu Genehmigungen nach § 10 ThürWaldG auf Grundstücken im Grünen Band und FFH-Offenlandlebensräumen in FFH-Gebieten vom 16.12.2020.
7 Zulässigkeit von Projekten
7.1 Projektbegriff
Der Projektbegriff ist nicht im Bundesnaturschutzgesetz definiert. Damit ist auch keine Unterscheidung zwischen Projekten innerhalb und außerhalb von Natura 2000-Gebieten vorgegeben. Der Projektbegriff ist nicht auf Vorhaben und Maßnahmen beschränkt, die einer behördlichen Entscheidung oder einer Anzeige an die Behörde bedürfen oder von einer Behörde durchgeführt werden. Es gilt ein weiter Projektbegriff. Nach der EuGH-Rechtsprechung ist der Begriff wirkungsbezogen, nicht vorhabenbezogen auszulegen (so auch ständige Rechtsprechung des BVerwG). Alle Projekte, die nicht unmittelbar der Verwaltung eines Natura 2000-Gebiets dienen, sind, soweit sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, ein solches Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen für dieses Gebiet zu überprüfen.
Auf das Schaubild zu Projektbegriff und Erheblichkeitseinschätzung in der Anlage wird verwiesen.
Bei der Prüfung von Projekten auf ihre Zulässigkeit nach den FFH-Vorschriften sind somit vier Prüfungsschritte zu unterscheiden:
7.2 Vorprüfung
7.2.1 Projekte, die unmittelbar der Verwaltung eines Natura 2000-Gebiets dienen
Gemäß Art. 6 Absatz 3 FFH-Richtlinie erfordern Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.
Für Projekte, die unmittelbar der Verwaltung eines Natura 2000-Gebiets dienen, ist keine Erheblichkeitseinschätzung und damit auch keine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich. Die Prüfung, ob ein Projekt in diesem Sinn unmittelbar der Verwaltung dient, bezieht sich auch auf Maßnahmen und Handlungen im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen sowie fischereilichen Bodennutzung.
Ob ein Vorhaben der Gebietsverwaltung dient, kann anhand der ThürNat2000ErhZVO und der Aussagen in einem Managementplan bzw. daraus abgeleiteter vertraglicher Regelungen überprüft werden.
Projekte, die unmittelbar der Verwaltung dienen, sind:
7.2.2 Erheblichkeitseinschätzung
Die Erheblichkeitseinschätzung (teilweise auch Vorprüfung genannt) dient der Einschätzung, ob das jeweilige Projekt - einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen - geeignet ist, ein Natura 2000-Gebiet in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteilen erheblich zu beeinträchtigen. Nur diese Projekte sind einer FFH-Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen.
Führt bereits die Erheblichkeitseinschätzung zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Beeinträchtigung ausgeschlossen werden kann, findet keine FFH-Verträglichkeitsprüfung mehr statt. Dies kann z.B. bei Vorhaben außerhalb des Natura 2000-Gebiets der Fall sein (s. dazu Ziff. 7.3.2.4 - Umgebungsschutz). Ob forstwirtschaftliche Tätigkeiten zu erheblichen Beeinträchtigungen führen könnten, wird ausschließlich anhand der vorliegenden Managementpläne (Fachbeiträge Wald) eingeschätzt. Soweit forstwirtschaftlichen Tätigkeiten eine Forsteinrichtung zugrunde liegt, gilt dies entsprechend für die Erstellung der Forsteinrichtung. Dient die Bewirtschaftung demnach den Erhaltungszielen und ist im Vergleich zum Managementplan (Fachbeitrag) keine Änderung (z.B. Erhöhung der Hiebsätze) vorgesehen, bestehen keine vernünftigen Zweifel an der Verträglichkeit der mit der Forsteinrichtung beabsichtigten Bewirtschaftungsvorgaben, s. Ziff. 7.2.1.
Zu beachten ist, dass eine mögliche erhebliche Beeinträchtigung von Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie nicht die Pflicht zu einer FFH-Verträglichkeitsprüfung auslöst. Hier greift das Artenschutzrecht.
Die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile ist bei der Erheblichkeitseinschätzung regelmäßig zu bejahen, sobald Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit erheblicher oder in ihren Auswirkungen ohne nähere Prüfung nicht abschätzbarer Beeinträchtigungen bestehen. Je größer das Projekt oder je umfangreicher der Plan ist, desto eher ist von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen. Ob ein Projekt tatsächlich zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen kann, wird erst im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung selbst festgestellt. Im Rahmen der Erheblichkeitseinschätzung dürfen deshalb Schadensbegrenzungsmaßnahmen noch nicht berücksichtigt werden.
Entscheidend ist jeweils, dass nach dem allgemeinen Kenntnisstand ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Projekt und den prognostizierten Verschlechterungen im Gebiet herstellbar ist.
Eine Hilfe bei der Beurteilung des Projekts in der Erheblichkeitseinschätzung stellen die Ausführungen zum Umgebungsschutz dar (s. dazu Ziff. 7.3.2.4).
Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Erheblichkeitseinschätzung sind drei Fälle zu unterscheiden:
a) Das Projekt bedarf einer Genehmigung durch eine Behörde oder nach anderen Rechtsvorschriften als den Natura 2000-Regelungen einer Anzeige an eine Behörde:
Die Erheblichkeitseinschätzung führt die Behörde durch, die für das Zulassungsverfahren für das Projekt zuständig ist, unter Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde (s. Ziff. 7.3.2.1).
Sie entscheidet abschließend unter Beachtung der naturschutzfachlichen Stellungnahme, ob eine FFH-Verträglichkeitsprüfung notwendig ist. Die Entscheidung ist zu begründen und der zuständigen Naturschutzbehörde sowie dem Projektträger schriftlich mitzuteilen. Die herangezogenen Quellen sind anzuführen. Soweit für das Projekt sowohl eine Befreiung von einem strengen Schutzgebietsschutz (§ 67 BNatSchG) als auch eine weitere behördliche Entscheidung (z.B. Baugenehmigung) erforderlich ist, führt die Erheblichkeitseinschätzung die für die Befreiung zuständige Naturschutzbehörde durch (s. Ziff. 7.3.2.1 Sonderfall 1).
Je früher Projektträger, verfahrensführende Behörde und beteiligte Naturschutzbehörde sich darüber verständigen, ob die erwarteten Wirkungen des Projektes auf die veröffentlichten Erhaltungsziele oder die zur Umsetzung der Erhaltungsziele erlassenen Schutzvorschriften (s. a. Ziff. 3.1) zu erheblichen Beeinträchtigungen führen können, desto eher lassen sich beeinträchtigende Auswirkungen auf Lebensraumtypen oder Habitate verringern oder vermeiden. Diese Abschätzung ist besonders wichtig bei Fragen des Umgebungsschutzes (s. dazu Ziff. 7.3.2.4).
Bei der Aufstellung der allgemeinen Grundsätze für die zweckmäßige Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets gem. § 38 FlurbG ist die gebietsbezogene Erheblichkeitseinschätzung ein integrativer Verfahrensbestandteil.
Bei der Aufstellung der Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne für den aktuellen Bewirtschaftungszyklus der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wird auf das Arbeitspapier zur Berücksichtigung der Erhaltungsziele in den Natura 2000-Gebieten hingewiesen.
b) Die Behörde führt das Projekt selbst durch:
Soweit Behörden ein Projekt selbst durchführen, sind sie auch für die Erheblichkeitseinschätzung zuständig. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Behörden - anders als Private - bereits aufgrund des Europäischen Unionsrechts zu besonderer Beachtung EU-rechtlicher Vorgaben verpflichtet sind. Behörde ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 2 ThürVwVfG). Dies können auch Verbände, etwa Zweckverbände, oder beliehene Unternehmer sein.
c) Das Projekt bedarf keines Genehmigungs- oder Anzeigeverfahrens nach anderen Rechtsvorschriften und wird auch nicht von einer Behörde selbst durchgeführt:
Um sicherzustellen, dass die zuständige Naturschutzbehörde von Projekten, die keines besonderen Zulassungsverfahrens bedürfen und nicht von einer Behörde durchgeführt werden, Kenntnis erhält, wurde ein Anzeigeverfahren als Auffangvorschrift eingeführt (§ 34 Abs. 6 BNatSchG). Danach sind Projekte, die nicht von einer Behörde durchgeführt werden und die keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde aufgrund einer anderen Rechtsvorschrift bedürfen, der unteren Naturschutzbehörde anzuzeigen. Diese hat eine Prüffrist von einem Monat nach Eingang der vollständigen Anzeige. Trifft sie in diesem Zeitraum keine Entscheidung, so kann der Anzeigende mit der Durchführung des Projekts beginnen. Stellt die untere Naturschutzbehörde fest, dass das Projekt geeignet ist, das betreffende Gebiet in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen erheblich zu beeinträchtigen, so kann sie Auflagen für die Durchführung festlegen. Gegebenenfalls kann sie das Projekt untersagen. Voraussetzung dafür sind eine negativ ausfallende FFH-Verträglichkeitsprüfung (s. dazu Ziff. 7.3.2.3) sowie fehlende Ausnahmemöglichkeiten (s. dazu Ziff. 7.4). Wird der unteren Naturschutzbehörde ein entsprechendes nicht angezeigtes Projekt bekannt, kann sie die vorläufige Einstellung anordnen (§ 34 Abs. 6 Satz 4 BNatSchG ).
Die schwierige Entscheidung, ob Vorhaben oder Maßnahmen, die zulassungs- oder anzeigefrei sind, zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets führen können und daher nach § 34 Abs. 6 BNatSchG anzeigepflichtig sind, hat der Gesetzgeber dem Projektträger (dies kann auch der Nutzer sein) übertragen. Damit hat der Gesetzgeber die Verantwortung auf den Träger der Maßnahme verlagert. Der Projektträger findet aber bei der unteren Naturschutzbehörde Hilfe bei der Erheblichkeitseinschätzung. Dies betrifft nicht Projekte, die unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen.
Nachfolgend sind Projekte aufgeführt, die in der Regel nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen führen können:
Die Entscheidung, ob eine Ausnahme von diesen Regelvermutungen vorliegt, ist im Rahmen der Erheblichkeitseinschätzung zu treffen. Bei dieser Beurteilung sind die in den Managementplänen aufgeführten Erhaltungs-, Wiederherstellungs- und Entwicklungsmaßnahmen zur Realisierung der Erhaltungsziele zu beachten, s. auch § 4 Abs. 2 ThürNat2000ErhZVO.
Die folgenden Maßnahmen führen in der Regel (siehe nachfolgende Erläuterung) nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen:
Ein Regelfall ist nur gegeben, wenn Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie oder Vogelarten gem. Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie im Sinne von Ziff. 7.3.2.3 nicht beeinträchtigt werden, z.B. durch Arbeiten an Stellen mit bekannten Vorkommen während der Brut- und Fortpflanzungszeiten. Für den letztgenannten Fall liegt zusätzlich kein Regelfall vor, wenn Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse (Anhang I der FFH-Richtlinie) beeinträchtigt werden können, z.B. weil entsprechende Flächen durch das Vorhaben in Anspruch genommen werden. Es empfiehlt sich für den Vorhaben-/ Maßnahmenträger, sich bei der unteren Naturschutzbehörde zu den Artvorkommen bzw. den Lebensraumtypen kundig zu machen.
Bei Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht, die keinen zeitlichen Aufschub dulden, soll vorab die untere Naturschutzbehörde informiert werden.
7.3 FFH-Verträglichkeitsprüfung
Besteht im Ergebnis der Erheblichkeitseinschätzung die Möglichkeit erheblicher Beeinträchtigungen der für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile, so ist das Projekt von der verfahrensführenden Behörde auf seine konkrete Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des Natura 2000-Gebiets hin zu prüfen. In die Prüfung sind die möglichen erheblichen Beeinträchtigungen durch andere Pläne oder Projekte für das betroffene Natura 2000-Gebiet mit einzubeziehen (Summationseffekte). Entsprechende Anhaltspunkte können dem Kataster nach Ziff. 7.5 über die gebietsspezifischen Verträglichkeitsprüfungen entnommen werden.
Die FFH-Verträglichkeitsprüfung stellt kein zusätzliches Verfahren dar, sondern nur ein zusätzliches Verfahrenselement.
Durch die FFH-Verträglichkeitsprüfung ändert sich nichts an den gesetzlich geregelten Zuständigkeiten der Behörden. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung wird im Rahmen des behördlichen Verfahrens durchgeführt, das für die Genehmigung, Bewilligung, Zulassung, Erlaubnis, Zustimmung, Planfeststellung, sonstige Entscheidung oder Anzeige des Projekts vorgeschrieben ist, also etwa im straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren durch die zuständige Planfeststellungsbehörde, im Baugenehmigungsverfahren durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde, in wasserrechtlichen Verfahren durch die zuständige Wasserbehörde und in Bauleitplanverfahren durch die Gemeinden.
Dabei beschränkt sich die FFH-Verträglichkeitsprüfung ausschließlich auf die Frage der erheblichen Beeinträchtigung der für die Erhaltungsziele des Gebiets maßgeblichen Gebietsbestandteile. Weitergehende Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt oder deren Naturhaushalt, einschließlich des Landschaftsbildes, müssen bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung außer Betracht bleiben.
Zur FFH-Verträglichkeitsprüfung bei Bauvorhaben nach den §§ 30 ff. BauGB s. auch Ziff. 8.2.
In Raumordnungsverfahren wird gemäß § 10 Abs. 7 ThürLPlG eine Verträglichkeitsprüfung nur soweit durchgeführt, wie dies nach Stand und Detaillierungsgrad der Planung möglich ist. In besonderen Einzelfällen kann die Darstellung der angedachten Bewältigung einer Konfliktsituation bis zum Maßstab der Vorhabensgenehmigung erforderlich werden. Dies ist der Fall, wenn Großvorhaben wie z.B. Straßen oder Höchstspannungsleitungen am Rande von Natura 2000-Gebieten verlaufen und auf der Basis vertiefter Untersuchungen Festlegungen in den Raumordnungsunterlagen oder Maßgaben in der Landesplanerischen Beurteilung, z.B. zur Verschiebung der Trasse, erfolgen, um erhebliche Beeinträchtigungen zu vermeiden.
Auf die speziellen Regelwerke der Fachplanungsträger, wie z.B. den "Leitfaden zur FFH-Verträglichkeitsprüfung im Bundesfernstraßenbau (Leitfaden FFH-VP)" sowie auf den Leitfaden zur "Bedeutung des § 34 BNatSchG im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren" wird verwiesen.
7.3.1 Erarbeitung einer FFH-Verträglichkeitsstudie
Grundlage der FFH-Verträglichkeitsprüfung ist die Verträglichkeitsstudie. Ihre Erarbeitung obliegt dem Projektträger. Dazu ist es notwendig, den Untersuchungsrahmen und den inhaltlichen Aufbau festzulegen. Zur Verfahrensvereinfachung sollen sich die beteiligten Behörden mit dem Projektträger über die Formulierung eines Auftrages für eine FFH-Verträglichkeitsstudie und auf sachverständige Personen (Planungsbüro bzw. von diesem Beauftragte) einigen, die die FFH-Verträglichkeitsstudie für den Projektträger erarbeiten.
Die FFH-Verträglichkeitsstudie hat das Ziel festzustellen, ob das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen kann.
Die maßgeblichen Gebietsbestandteile ergeben sich aus den in Ziff. 3.1 genannten Quellen. Die speziellen Projektwirkungen müssen ermittelt werden, um ihre Auswirkungen auf die maßgeblichen Gebietsbestandteile bewerten zu können. Hierfür sind in der Regel die in der weiter unten folgenden Gliederung einer FFH-Verträglichkeitsstudie aufgeführten Angaben erforderlich. Soweit sie für die Beurteilung der Verträglichkeit ohne Bedeutung sind, kann auf einzelne Angaben verzichtet werden.
In Fällen, in denen die für die Erheblichkeitsprüfung benötigten Daten bei der verfahrensführenden Behörde bzw. der Naturschutzbehörde vorliegen, kann auf die Erarbeitung einer FFH-Verträglichkeitsstudie durch den Projektträger verzichtet werden.
Bei der Erarbeitung einer FFH-Verträglichkeitsstudie ist auf die relevanten Aussagen aus einer Umweltverträglichkeitsstudie nach dem UVPG oder aus einem landschaftspflegerischen Begleitplan zurückzugreifen. Eine bereits durchgeführte Umweltverträglichkeitsstudie kann verwendet werden, wenn darin bereits das für eine Bewertung der Verträglichkeit gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG erforderliche Datenmaterial und die Grundlagen enthalten sind.
Gliederung einer FFH-Verträglichkeitsstudie:
7.3.2 Durchführung der eigentlichen FFH-Verträglichkeitsprüfung durch die verfahrensführende Behörde
7.3.2.1 Zuständigkeiten und Verfahren
Wie bereits oben (s. Ziff. 7.3) dargestellt, ändert sich durch die FFH-Verträglichkeitsprüfung nichts an den gesetzlich beschriebenen Zuständigkeiten der Behörden. Die nachfolgenden Ausführungen zur verfahrensführenden Behörde gelten sinngemäß auch für den Fall, dass eine Behörde ein Projekt selbst durchführt.
Die verfahrensführende Behörde hat dabei die Frage zu beantworten, ob die für die Erhaltungsziele des Gebietsmaßgeblichen Bestandteile durch das Projekt erheblich beeinträchtigt werden können. Wird diese Frage verneint, stehen die FFH-Vorschriften dem Projekt nicht entgegen. Wird diese Frage bejaht, ist das Projekt unzulässig, es sei denn, Ausnahmen sind möglich (§ 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG ) (s. Ziff. 7.4).
Um diese Frage beantworten zu können, beteiligt die verfahrensführende Behörde die zuständige Naturschutzbehörde. Die zuständige Naturschutzbehörde ergibt sich (nach § 16 Abs. 3 ThürNatG) zunächst aus § 7 ThürNatG. Regelmäßig ist die untere Naturschutzbehörde zu beteiligen. Die Form der Beteiligung ergibt sich ebenfalls aus den Regelungen des § 7 ThürNatG.
Sind mehrere untere Naturschutzbehörden räumlich betroffen, so stimmen sie ihre Stellungnahme zu den Aspekten FFH- und Vogelschutz-Richtlinie ab. Bei Auffassungsunterschieden zwischen mehreren räumlich betroffenen Naturschutzbehörden wird die obere Naturschutzbehörde fachaufsichtlich tätig.
Die vorhergehenden Sätze gelten grundsätzlich auch bei Verfahren mit Konzentrationswirkung (z.B. Planfeststellungsverfahren).
Die verfahrensführende Behörde übersendet der Naturschutzbehörde die Antragsunterlagen, welche je nach Ergebnis der Erheblichkeitseinschätzung (Ziff. 7.2.2) und/ oder des Scoping eine FFH-Verträglichkeitsstudie enthalten.
Die Naturschutzbehörde gibt ihre Stellungnahme gegenüber der verfahrensführenden Behörde ab. Sie äußert sich zu der Betroffenheit von Lebensraumtypen nach Anhang I und Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie bzw. von Arten nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie und zu der erheblichen Beeinträchtigung eines für das Natura 2000-Gebiet maßgeblichen Bestandteils. Die zuständige Naturschutzbehörde kann insbesondere in schwerwiegenden oder schwierigen Fällen auf fachbehördliche Unterstützung durch die Naturschutzfachbehörde zurückgreifen. Bei Betroffenheit von Waldlebensraumtypen beteiligt die Naturschutzfachbehörde die Landesforstanstalt.
Sonderfälle, wenn mehrere behördliche Entscheidungen nebeneinander erforderlich sind:
Sonderfall 1:
Soweit für das Projekt sowohl eine Befreiung nach § 67 BNatSchG von den Verboten in einer Kern- oder Pflegezone eines Biosphärenreservats, in einem Naturschutzgebiet, auch in Verbindung mit § 36 Abs. 3 ThürNatG, im Nationalpark nach § 11 ThürNPHG oder im Nationalen Naturmonument nach § 9 Thüringer Grünes-Band-Gesetz als auch eine weitere behördliche Entscheidung (z.B. Baugenehmigung) erforderlich ist, führt die FFH-Verträglichkeitsprüfung die für die Befreiung nach § 32 ThürNatG zuständige Naturschutzbehörde durch.
Diese Ausnahmeregelung bezieht sich auf das jeweils betroffene gesamte beantragte Projekt, unabhängig von der Anzahl der betroffenen Schutzgebiete.
Sonderfall 2:
Soweit eine Befreiung von einer anderen Schutzgebietsverordnung bzw. eine andere naturschutzrechtliche Entscheidung und eine weitere behördliche Entscheidung erforderlich sind, ist verfahrensführende Behörde für die FFH-Verträglichkeitsprüfung die für die weitere Entscheidung zuständige Behörde (z.B. untere Bauaufsichtsbehörde, untere Forstbehörde).
Ob die Anhörung der Öffentlichkeit notwendig ist, richtet sich nach den Vorschriften, die für die Zulassung des jeweiligen Projekts maßgebend sind.
7.3.2.2 Verhältnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung zur Umweltverträglichkeitsprüfung
Zur Durchführung der FFH-Verträglichkeitsprüfung kann an eine ggf. für das Projekt notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung angeknüpft werden. Die Anknüpfung bezieht sich aber nur auf die Frage, ob das Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Das Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung ist immer gesondert darzustellen und zu bewerten, da es abweichend von § 25 Abs. 2 UVPG eigene Rechtswirkungen gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG entfaltet.
7.3.2.3 Beurteilung der erheblichen Beeinträchtigung
Der Europäische Gerichtshof hat als allgemeine Anforderung an die Erfassung und Bewertung in der Verträglichkeitsprüfung gefordert, dass vor der Genehmigung der Pläne und Projekte unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sämtliche Gesichtspunkte der Pläne oder Projekte zu ermitteln sind, die für sich oder in Verbindung mit anderen Plänen oder Projekten die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können (EuGH, Vorabentscheidung vom 7. September 2004, C 127/02). Bei dieser Beurteilung sind die in den Managementplänen aufgeführten Erhaltungs-, Wiederherstellungs- und Entwicklungsmaßnahmen zur Realisierung der Erhaltungsziele zu beachten, s. auch § 4 Abs. 2 ThürNat2000ErhZVO.
Ein negatives Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung führt zur Unzulässigkeit des Projekts, soweit keine Ausnahme möglich ist. Dieses Ergebnis ist dann gegeben, wenn die Beeinträchtigungen von entsprechender Bedeutung, also "erheblich" sind (s. Ziff. 3.2).
Bezugspunkt der Beurteilung, ob es zu erheblichen Beeinträchtigungen kommen kann, sind die für das Gebiet veröffentlichten Erhaltungsziele oder die zur Umsetzung der Erhaltungsziele erlassenen Schutzvorschriften (s. Ziff. 4 und 5). Bei der Beurteilung ist auf jedes Erhaltungsziel eines Gebiets gesondert abzustellen.
Ob eine erhebliche Beeinträchtigung gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG durch das Projekt verursacht werden kann, ist durch eine Bewertung des Einzelfalles zu entscheiden. Dabei führt bereits die erhebliche Beeinträchtigung eines für ein Erhaltungsziel wesentlichen Bestandteils eines Gebiets zur Unverträglichkeit des Projektes.
Aus der Rechtsprechung sind so genannte Tendenzaussagen zu entnehmen, die als Orientierungswerte zur Bestimmung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen herangezogen werden können. Wichtige Tendenzaussagen sind z.B.: "Je größer das Projekt oder je umfangreicher der Plan ist, desto eher ist von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen."
"Je kleiner das Vorkommen des betroffenen Lebensraums im Gesamtgebiet ist, desto eher ist von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen." In der Fachliteratur, hier insbesondere im Endbericht des F+E-Vorhabens "Fachinformationssystem und Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung" (Lambrecht & Trautner, Juni 2007) aufgezeigte Schwellenwerte dienen lediglich zur Orientierung und können nur zusammen mit anderen dort genannten funktionalen Kriterien auf den Einzelfall angewendet werden. In diesem Zusammenhang sind auch die aktuellen Fachpapiere verwandter Bereiche zu berücksichtigen, etwa der Stickstoffleitfaden BImSchG-Anlagen der Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaften Immissionsschutz (LAI) und Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) von 2019.
Die Ausrichtung eines Orientierungswerts an den Anforderungen des Einzelfalls bedeutet beispielsweise:
Ist der Verlust eines Einzelbaums innerhalb eines bachbegleitenden Erlen-/Eschenwaldes (Lebensraumtyp 3260 in Verbindung mit 91E0) z.B. im Zuge des Ausbaus einer Straße in dem einen Fall als unerheblich einzustufen, so führt der Verlust im anderen Fall aufgrund des Vorkommens einer wenig mobilen Anhang II-Art (Eremit, Osmoderma eremita) in diesem Baum zu erheblichen Beeinträchtigungen.
Die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung ergibt sich somit nicht nur aus der Art und Intensität der Projektwirkungen (z.B. der Größe des Bauvorhabens), sondern insbesondere auch aus
Bei der Beurteilung der Empfindlichkeit des jeweiligen Lebensraumtyps sind seine charakteristischen Arten heranzuziehen. Hierzu zählen die Arten gemäß 3.2 Standarddatenbogen, soweit sie im jeweilig zu betrachtenden Gebiet nach dem vorhandenen Kenntnisstand der zuständigen Naturschutzbehörde repräsentativ bzw. signifikant vorkommen. Außerdem sind die gemäß Kartier- und Bewertungsschlüssel für Lebensraumtypen in Thüringen in seiner jeweils gültigen aktuellen Fassung für Offenland-LRT (abrufbar unter: https://tlubn.thueringen.de/naturschutz/ biotopschutz/download) bzw. Wald-LRT (abrufbar unter: https://www.thueringenforst.de/fileadmin/user_upload/ Download/WaldNaturschutz/Steckbrief-Wald-LRT-Thüringen.pdf) kennzeichnenden und charakteristischen Pflanzen- und Tierarten zu berücksichtigen.
Der Erhaltungszustand der im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung zu berücksichtigenden, für den Lebensraumtyp charakteristischen Arten ist eine von drei wichtigen Größen bei der Bewertung des Erhaltungszustandes des jeweiligen Lebensraumtyps (Art. 1e) FFH-Richtlinie). Werden erhebliche Beeinträchtigungen dieser Arten erwartet, die zu einer Verschlechterung ihres Erhaltungszustands führen können, ist damit auch eine Verschlechterung des Erhaltungszustands des Lebensraumtyps zu erwarten.
Der Flächenverlust von prioritären Lebensräumen kann unabhängig von der tatsächlichen Flächenrelation (beanspruchte Fläche zur Gesamtfläche des Lebensraumtyps) als eine erhebliche Beeinträchtigung eingestuft werden. Diese Annahme wird sich in der Regel im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung bestätigen. Voraussetzung ist, dass z.B. der betroffene prioritäre Lebensraumtyp auch als Schutzgut für das jeweilige Gebiet definiert ist. Abgeleitet wird diese Auffassung aus der von der EU mit der Prioritätensetzung zum Ausdruck gebrachten höheren Gefährdung/Schutzwürdigkeit dieser Lebensräume. Eine Ausnahme kann z.B. die geringfügige Inanspruchnahme des bachbegleitenden Erlen-/Eschenwaldes (Lebensraumtyp 3260 in Verbindung mit 91E0) im Zuge einer Brückenerneuerung darstellen.
Eine erhebliche Beeinträchtigung von Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie sowie nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie, die in einem Natura 2000-Gebiet nach den gebietsspezifischen Erhaltungszielen zu bewahren oder zu entwickeln sind, kann insbesondere dann vorliegen, wenn aufgrund der projekt- oder planbedingten Wirkungen
Allerdings ist keine Prüfung vorzunehmen, die über die Betrachtung des einzelnen Gebiets hinaus die Auswirkungen auf das Netz "Natura 2000" insgesamt in den Blick nimmt. Umgekehrt kann nicht eine erhebliche Beeinträchtigung mit dem Argument verneint werden, europaweit falle die Beeinträchtigung nicht erheblich ins Gewicht.
Eine erhebliche Beeinträchtigung kann auch vorliegen, wenn durch die Durchführung des Projekts die Wiederherstellung oder Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustands der Lebensraumtypen und Arten im Sinne der FFH-Richtlinie gefährdet werden kann.
Werden Straßen oder andere linienhafte Vorhaben in Teilabschnitten genehmigt, sei es durch Bebauungspläne, die einen Planfeststellungsbeschluss ersetzen, oder durch andere Verfahren zur Errichtung der Straße oder des Vorhabens, müssen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung auch die Auswirkungen des Gesamtprojekts beurteilt werden. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung darf sich mithin nicht auf die Wirkungen des einzelnen Teilprojekts beschränken, sondern muss die Summationswirkungen im Zusammenhang mit anderen Teilen des Projekts oder von Plänen einbeziehen. Neben bereits realisierten sind dabei zum einen auch noch nicht realisierte, aber zugelassene Projekte und zum anderen Pläne, die bereits eine Rechtswirkung entfalten, einzubeziehen. Der Aufstellungsbeschluss allein (beispielsweise für einen Bebauungsplan) ist nicht ausreichend.
Maßnahmen zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" gemäß § 34 Abs. 5 BNatSchG sind für die Feststellung der Erheblichkeit ohne Bedeutung. Wenn aber in dem Projekt Elemente enthalten sind, die unabhängig von den Maßnahmen zur Sicherung des Netzzusammenhangs oder notwendiger Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Sinne von § 15 BNatSchG zu einer sofortigen Verbesserung der betroffenen Erhaltungsziele des Gebiets führen, können diese bei der Prüfung der Erheblichkeit berücksichtigt werden (Schadensbegrenzungsmaßnahmen). Maßnahmen sind dann als Schadensbegrenzungsmaßnahmen einzustufen, wenn durch solche Maßnahmen gewährleistet ist, dass ein günstiger Erhaltungszustand der Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie oder von Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie oder von Vogelarten gem. Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie verbleibt.
Beispiele für Schadensbegrenzungsmaßnahmen:
Nicht zu den Schadensbegrenzungsmaßnahmen zählen hingegen Maßnahmen, die zwar innerhalb eines betroffenen FFH-Gebiets z.B. zu einer Neuschaffung von verlorengehenden Lebensraumtypen führen, aber nicht im direkten räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit dem Projekt stehen. Derartige Maßnahmen wären als Kohärenzsicherungsmaßnahmen einzuordnen (s. Ziff. 7.4.4).
7.3.2.4 Umgebungsschutz (Beeinträchtigungen eines Gebiets von außen)
Projekte können auch von außen auf ein Natura 2000-Gebiet einwirken. Wenn diese Wirkungen von außen zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, greift der Umgebungsschutz und es ist eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich.
In der Regel sind die Gebiete so abgegrenzt, dass die Lebensraumtypen nach Anhang I, die Habitate der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie und die Habitate der Vogelarten nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie durch ausreichende Abstandsflächen von unmittelbaren Einwirkungen aus der Umgebung abgeschirmt sind. Abweichende Wertungen der Managementpläne im Einzelfall sind zu berücksichtigen.
Der Umgebungsschutz wird in der Regel nur bei Projekten wirksam werden, die die Standortfaktoren der Lebensraumtypen nach Anhang I, die Habitate der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie und die Habitate der Vogelarten nach Anhang I und Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie im Gebiet von außen so verändern, dass dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensraumtypen oder Habitate selbst führen kann.
Solche Veränderungen der Standortfaktoren werden z.B. durch Veränderungen des Wasserhaushaltes in einem Gebiet oder durch Stoffeinträge wie z.B. Stickstoff in das Gebiet verursacht. Der Umgebungsschutz beinhaltet auch die Gefährdung von unterirdischen Fledermausquartieren durch Erschütterungen in Folge von Sprengarbeiten.
Besonderes Augenmerk ist dabei auf den Umgebungsschutz in den Gebieten mit Fließgewässern zu legen, die wegen des Vorkommens der folgenden in Fließgewässern lebenden Arten als Natura 2000-Gebiete ausgewählt wurden:
Bei diesen Arten können sich Veränderungen aus Projekten, z.B. im Oberlauf der Fließgewässer und in dessen Einzugsgebiet, auf die Lebensbedingungen der Arten in den folgenden, innerhalb eines Natura 2000-Gebiets gelegenen Flussabschnitten auswirken.
Eine Wohnbebauung im unmittelbaren Umfeld eines FFH-Gebiets, unabhängig davon, ob es zum Schutz von Lebensraumtypen nach Anhang I oder Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie dient, stellt in der Regel keine erhebliche Beeinträchtigung für dieses Gebiet dar, soweit sie nicht im oben beschriebenen Sinn gleichzeitig zu Veränderungen im Gebiet führt.
Nicht vom Begriff des Umgebungsschutzes erfasst sind Wirkungen auf Habitate von Arten nach Anhang II oder Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie, wenn diese sich zwar in der Nachbarschaft, aber außerhalb eines FFH-Gebiets befinden, soweit sie nicht im oben beschriebenen Sinn gleichzeitig zu Veränderungen im Gebiet führen. Die Bedeutung dieser Bereiche für die jeweilige Art wird aber relevant bei der Prüfung der jeweils einschlägigen artenschutzrechtlichen Vorschriften. Es handelt sich bei den genannten Arten um nach § 7 Abs. 2 Nr. 14 BNatSchG streng geschützte Arten.
Hingegen sind vom Begriff des Umgebungsschutzes solche Wirkungen eines Projekts erfasst, welche die Austauschbeziehungen zwischen den Natura 2000-Gebieten und -Objekten erheblich stören. Im Falle der Thüringer FFH-Objekte für den Fledermausschutz umfasst der Begriff des Umgebungsschutzes die essenziellen Nahrungshabitate der Fledermausarten, für die das Objekt ausgewiesen wurde.
7.4 Ausnahmen vom Verbot erheblicher Beeinträchtigungen
Führt die FFH-Verträglichkeitsprüfung zu dem Ergebnis, dass erhebliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind, ist das Projekt unzulässig, es sei denn, es können nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG Ausnahmen zugelassen werden. Die Ausnahmeprüfung besteht aus zwei aufeinander folgenden Teilen: der Alternativenprüfung und der Ausnahmeprüfung im engeren Sinn.
Die Prüfung von Alternativen und Ausnahmen führt ebenfalls die verfahrensführende Behörde unter Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde durch. Die beteiligte Naturschutzbehörde äußert sich zu den vom Vorhabenträger vorgelegten Prüfunterlagen hinsichtlich der Verträglichkeit von Alternativen, der Bedeutung des Erhaltungsziels für das Gebiet, des Betroffenseins von prioritären Biotopen oder Arten sowie zu Maßnahmen zur Kohärenzsicherung.
7.4.1 Alternativenprüfung
Die Prüfung von Alternativen ist kein Teil der FFH-Verträglichkeitsprüfung, sondern Teil der Prüfung von Ausnahmen.
Im Rahmen des § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG ist vorrangig das Bestehen einer zumutbaren Alternative zu prüfen. In Betracht kommen sowohl die Wahl eines anderen Standortes als auch eine andere Art der Ausführung. Durch die Alternative müssen die mit dem Projekt angestrebten Ziele im Großen und Ganzen in vergleichbarer Weise verwirklicht werden können (Identität des Projekts). Die so genannte Nullvariante, also der Verzicht auf die Realisierung des Projekts, oder z.B. der Verweis auf Alternativen außerhalb des projektbetroffenen Plangebiets oder Bundeslands gehört nicht zu den zu prüfenden Alternativen. So ist die Aufstellung eines Bebauungsplans in einer anderen Gemeinde keine Alternative für die planende Gemeinde, ebenso wenig wie der Verweis auf Realisierungsmöglichkeiten außerhalb des Gemeindegebiets bei sonstigen Projekten, deren Träger die Gemeinde ist. Die Identität des Projekts ist etwa überschritten beim Verlangen eines völlig anderen Projektansatzes (Beispiel: Bahnstrecke statt Straßenbau).
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Alternativen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immer zu beachten. Einerseits sind Kostengesichtspunkte bei der (alternativen) Durchführung des Projekts angemessen zu berücksichtigen und können zur Unzumutbarkeit der Alternative führen. Andererseits ist nicht jede Verteuerung eines Projekts bereits unzumutbar. Die Unverhältnismäßigkeit einer Alternative ist in jedem Fall nachvollziehbar zu begründen. Je früher Projektträger, verfahrensführende Behörde und beteiligte Naturschutzbehörde sich darüber verständigen, ob die erwarteten Wirkungen des Projektes auf die Erhaltungsziele erhebliche Beeinträchtigungen besorgen lassen, desto eher lassen sich diese Fragen klären.
Die Alternativenprüfung ist Pflicht. Besteht eine zumutbare Alternative mit geringeren oder keinen erheblichen Beeinträchtigungen auf ein Natura 2000-Gebiet, ist diese zu wählen; die Verwirklichung des Projekts in seiner ursprünglichen Gestalt ist dann unzulässig, da hierfür wegen einer realisierbaren und zumutbaren Alternative eine Ausnahme nicht erteilt werden darf.
7.4.2 Ausnahmeprüfung im engeren Sinn
Gibt es keine zumutbare Alternative oder soweit eine solche nicht ausreicht, um erhebliche Beeinträchtigungen zu vermeiden, muss das Projekt aus "zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher wirtschaftlicher und sozialer Art, notwendig" sein (§ 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG), um zugelassen werden zu können. Als öffentliches Interesse gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG kommen alle Belange in Betracht, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Privaten, nicht zugleich öffentlichen Interessen dienende Projekte kommen damit als Rechtfertigung für die Zulassung von Ausnahmen von vornherein nicht in Betracht. Zu den öffentlichen Interessen können auch solche wirtschaftlicher oder sozialer Art wie etwa der Abbau hoher Arbeitslosigkeit oder von Entwicklungsrückständen, insbesondere im Bereich der Infrastruktur, oder der Gesundheit gehören. Auch der Klimaschutz gehört zu den öffentlichen Interessen.
Es bedarf immer einer Gewichtung im Einzelfall und einer Abwägung. Das Gewicht der FFH-Belange erhöht sich in dem Maße, in dem Maßnahmen zur Kohärenzsicherung,
d. h. zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000", nicht möglich sind.
Allerdings genügt nicht jedes öffentliche Interesse, um ein Projekt zu rechtfertigen. Vielmehr muss das öffentliche Interesse, das mit dem Projekt verfolgt wird, im einzelnen Fall gewichtiger sein als die im konkreten Fall betroffenen und mit der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie geschützten Interessen. Es muss überwiegend und gleichsam "zwingend" sein.
7.4.3 Prioritäre Lebensraumtypen/Arten
Das Verfahren zur Zulassung von Ausnahmen von § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG ist durch § 34 Abs. 4 BNatSchG modifiziert, wenn sich in dem von dem Projekt betroffenen Gebiet prioritäre Lebensraumtypen oder prioritäre Arten befinden. Diese müssen von dem Projekt tatsächlich erheblich beeinträchtigt werden können.
Ist dies der Fall, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblichen günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe können nur berücksichtigt werden, wenn vor der Entscheidung über das Projekt von der verfahrensführenden Behörde zusätzlich eine Stellungnahme der Europäischen Kommission eingeholt wurde.
Die verfahrensführende Behörde übersendet zu diesem Zweck über das für Naturschutz zuständige Bundesministerium der Europäischen Kommission die zur Beurteilung der Gründe notwendigen Unterlagen. Hierbei ist der Dienstweg einzuhalten. Die für die verfahrensführende Behörde fachlich zuständige oberste Landesbehörde gibt dem für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Ministerium (oberste Naturschutzbehörde) den Vorgang zur Kenntnis.
Die Unterlagen müssen die vom Projektträger im Zulassungsantrag gemachten Angaben, ergänzt um die von der beteiligten Naturschutzbehörde abgegebene Stellungnahme und die von der verfahrensführenden Behörde danach vorgesehene Entscheidung, umfassen.
Die Stellungnahme der Europäischen Kommission ist in der Abwägung über die Zulassung oder Durchführung des Projekts zu berücksichtigen. Die verfahrensführende Behörde hat sich also mit der Auffassung der Europäischen Kommission inhaltlich auseinanderzusetzen; sie kann nur in begründeten Fällen davon abweichen. Diese Auseinandersetzung mit der Stellungnahme ist aktenkundig zu machen. Die abschließende Entscheidung trifft nicht die Europäische Kommission, sondern die verfahrensführende Behörde.
7.4.4 Maßnahmen zur Kohärenzsicherung (Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000")
Wird ein Projekt nach § 34 Abs. 3 oder Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 BNatSchG zugelassen oder durchgeführt, sind zeitlich lückenlos alle zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" notwendigen Maßnahmen (Maßnahmen zur Kohärenzsicherung) zu ergreifen (§ 34 Abs. 5 BNatSchG). Neben den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach der Eingriffsregelung sind diese Maßnahmen grundsätzlich gesondert zu ermitteln. Im Ergebnis können bestimmte tatsächliche Maßnahmen geeignet sein, sowohl die rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das Europäische Netz "Natura 2000" als auch der Eingriffsregelung zu erfüllen. Auf diese soll dann zurückgegriffen werden.
Die Maßnahmen zur Kohärenzsicherung müssen gewährleisten, dass keine Verschlechterung des Erhaltungszustands der betroffenen Lebensraumtypen und Arten durch das Projekt zurückbleibt. In Betracht kommen nach Lage des Einzelfalls die Verbesserung, Wiederherstellung oder Neuanlage des beeinträchtigten Lebensraumtyps bzw. von Habitaten der beeinträchtigten Art
Die Maßnahmen zur Kohärenzsicherung sind dem Projektträger aufzuerlegen. Soweit die Maßnahmen nicht in dem betroffenen Schutzgebiet durchgeführt werden sollen, sondern ausnahmsweise außerhalb, können ergänzend hoheitliche Maßnahmen beispielsweise zur Unterschutzstellung erforderlich sein. Wenn hoheitliche Maßnahmen erforderlich sind, kann sich ein Vertrag zwischen Projektträger und der Naturschutzbehörde, die tätig werden soll, anbieten.
Bei einem Nebeneinander von Maßnahmen zur Kohärenzsicherung einerseits und Kompensationsmaßnahmen nach der Eingriffsregelung andererseits haben nach dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gebot der europarechtsfreundlichen Gesetzesauslegung die Kompensationsmaßnahmen dazu beizutragen, dass der Zusammenhang des Netzes "Natura 2000" sichergestellt wird.
Die verfahrensführende Behörde bezieht die Stellungnahme der Naturschutzbehörde in ihre Entscheidung über die Zulassung oder Durchführung des Projekts ein (s. Ziff. 7.3.2.1). Das Gleiche gilt für die ggf. eingeholte Stellungnahme der Europäischen Kommission (s. Ziff. 7.4.3).
In der Entscheidung werden die vom Projektträger durchzuführenden zur Erhaltung des Zusammenhangs (Kohärenz) des Europäischen Netzes "Natura 2000" notwendigen Maßnahmen festgesetzt.
Die Europäische Kommission erhält von der zuständigen Behörde über das für Naturschutz zuständige Bundesministerium einen Abdruck der Entscheidung und eine Darstellung über die getroffenen Maßnahmen (§ 34 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG). Die Darstellung erfolgt in dem jeweils aktuellen Formblatt für die Mitteilung von Informationen an die Europäische Kommission gemäß Artikel 6 Absatz 4 FFH-Richtlinie, welches auf der Homepage der Europäischen Kommission veröffentlicht ist. Dieses Formblatt ist an die Oberste Naturschutzbehörde zur Weiterleitung an die Europäische Kommission über das für Naturschutz zuständigen Bundesministerium zu senden. Um Rechtssicherheit für die Umsetzung von Schadensbegrenzungs- und/oder Maßnahmen nach § 34 Abs. 5 BNatSchG zu gewährleisten, sind diese in einer verbindlichen Erklärung der zuständigen Genehmigungsbehörde aufzuführen und dem o. g. Formblatt beizufügen.
Ziff. 7.4.3 zur Einhaltung des Dienstwegs bei Einschaltung der Europäischen Kommission gilt entsprechend.
7.5 FFH-Verträglichkeitsprüfungskataster (FFH-VP-Kataster)
Soweit im Rahmen der abgeschlossenen Verträglichkeitsprüfung die Möglichkeit erheblicher und/oder nicht erheblicher Beeinträchtigungen (letztere zur Berücksichtigung der Summationswirkung aus mehreren unerheblichen Beeinträchtigungen) nicht ausgeschlossen werden kann, sind diese Angaben zu Auswirkungen auf die für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile in dem von der Naturschutzfachbehörde zu führenden Verzeichnis (FFH-VP-Kataster) einzustellen. Sind mehrere Gebiete zugleich betroffen, sind jeweils Querverweise zu erstellen. Format und Inhalt für die Pflichtangaben nach § 16 Abs. 6 Satz 2 ThürNatG legt die Naturschutzfachbehörde fest. Das Kataster ist für alle Naturschutzbehörden elektronisch und tagesaktuell zugänglich.
8 FFH-Verträglichkeitsprüfung von Plänen (§ 36 BNatSchG)
Für Pläne sind nach § 36 BNatSchG die Regelungen über die FFH-Verträglichkeitsprüfung und ihre Folgen entsprechend anzuwenden.
8.1 Pläne
Pläne im Sinne der Vorschriften von § 36 BNatSchG sind beispielsweise
Die Verträglichkeit eines Plans wird in dem für seine Aufstellung oder Änderung vorgeschriebenen Verfahren geprüft. Bei mehrstufigen Planungen ist die FFH-Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der Regelungsbefugnis der einzelnen Pläne und entsprechend ihrem jeweiligen Konkretisierungsgrad durchzuführen. Dies bedeutet auch, dass die Prüfung der Zulässigkeit (einschließlich Alternativenprüfung und Ausnahmegrund) und die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen - zur Wahrung des Netzzusammenhangs unter Umständen aufeinander aufbauend - in verschiedenen Plan- oder Genehmigungsverfahren stattfindet.
Die Planung und Prüfung konkreter Projekte erfolgt generell auf der Grundlage der im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung von Plänen erzielten Ergebnisse. Sachverhalte, die bereits im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung von Plänen berücksichtigt wurden, bedürfen in der Regel keiner erneuten Prüfung.
Nicht zu den Plänen im o. g. Sinn zählen wegen fehlender Verbindlichkeit:
Sinnvoll ist es jedoch hier, bei Betroffenheit von Natura 2000-Gebieten die unteren Naturschutzbehörden frühzeitig einzubinden, um bereits in diesen frühen Planungsphasen den mit der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie verfolgten Zielen entsprechen zu können.
Nicht zu den Plänen im o. g. Sinn zählen wegen fehlender Konkretheit Bewirtschaftungspläne nach § 83 WHG.
8.2 Bauleitplanung
Die Anforderungen der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie sind gemäß § 36 Satz 2 BNatSchG auf Bauleitpläne und Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB (Ergänzungssatzungen) anzuwenden. Die Verpflichtung zur Prüfung der Verträglichkeit sowohl für Bauleitpläne als auch für Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB ergibt sich unmittelbar aus den für diese Planungen geltenden besonderen gesetzlichen Bestimmungen (§ 36 Satz 2 BNatSchG, §§ 1a, 34 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Bauleitpläne sind alle Flächennutzungspläne, Bebauungspläne sowie vorhabenbezogene Bebauungspläne im Sinne des § 12 BauGB. Für Bauleitpläne ist die Prüfung der Verträglichkeit integrativer Bestandteil des Aufstellungsverfahrens.
Ausdrücklich ausgenommen aus dem Anwendungsbereich des § 34 BNatSchG sind nach § 34 Abs. 8 BNatSchG Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 BauGB, weil eine entsprechende Prüfung nach § 1a BauGB schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans durchzuführen ist.
Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung ist ferner nicht für Vorhaben erforderlich, die nach § 33 BauGB während der Aufstellung des Bebauungsplans zugelassen werden, da auch hier die FFH-Verträglichkeitsprüfung bei der Aufstellung des Bebauungsplans abgearbeitet werden muss. Planreife setzt insoweit voraus, dass die FFH-Verträglichkeitsprüfung im Rahmen des Bauleitplanverfahrens bereits so weit abgeschlossen ist, wie es für die Beurteilung des Vorhabens erforderlich ist.
Vorhaben im Innenbereich nach § 34 BauGB, Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB sowie die eine Planfeststellung ersetzenden Bebauungspläne erfordern dagegen eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG (Umkehrschluss aus § 34 Abs. 8 BNatSchG), sofern die Möglichkeit der Beeinträchtigung nicht von der Hand zu weisen ist. Ist die FFH-Verträglichkeitsprüfung schon beim Erlass einer Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB durchgeführt worden, bedarf es einer solchen bei der späteren Zulassung eines Vorhabens im Geltungsbereich dieser Satzung nicht mehr.
Werden etwa durch einen Bebauungsplan Flächen durch die Planung betroffen, die für die Meldung des Gebiets maßgeblich waren, besteht generell die Notwendigkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung. Zu nennen sind hierbei beispielsweise Zerschneidungseffekte oder andere vom Bebauungsplangebiet ausgehende Einwirkungen auf ein Natura 2000-Gebiet.
Ein Grenzwert oder Mindestabstand, ab dem bei Natura 2000-Gebieten von einer erheblichen Beeinträchtigung etwa durch in Flächennutzungsplänen darzustellende Bauflächen im Sinne des § 1 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) oder in Bebauungsplänen auszuweisende Baugebiete im Sinne des § 1 Abs. 2 BauNVO ausgegangen werden muss, ist mit dem Ziel der einzelfallbezogenen FFH-Verträglichkeitsprüfung unvereinbar (s. Ziff. 7.3.2.4). Dem Vorteil der vermeintlich klaren Abgrenzbarkeit steht der Nachteil der mangelnden Rechts- und Planungssicherheit (Prozessrisiko) und ggf. die Frage der Amts- und Staatshaftung bei fehlerhaften Planungen gegenüber.
Ergibt die FFH-Verträglichkeitsprüfung, dass erhebliche Beeinträchtigungen durch die Bauleitplanung nicht zu erwarten sind, besteht insoweit kein Zulassungshindernis für diese Planung. Auch in Fällen, in denen eine Beeinträchtigung nicht erheblich ist, ist insbesondere für eine langfristige Planung in Erwägung zu ziehen, bestimmte Abstände zu dem Natura 2000-Gebiet nicht zu unterschreiten und über diese planerischen Maßnahmen mögliche Beeinträchtigungen zu minimieren oder die Schutzwirkung zu optimieren. Dies ist insbesondere auf der Ebene der Flächennutzungsplanung von Bedeutung. Hier ist darüber zu entscheiden, in welcher Lage und in welchem Abstand zu den Natura 2000-Gebieten neue Bauflächen dargestellt werden sollen.
Ergibt die Ermittlung der Umweltauswirkungen im Bauleitplanverfahren, dass die Planung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele eines Natura 2000-Gebiets führen kann, ist der Plan unzulässig (§ 34 Abs. 2 BNatSchG), soweit nicht die besonderen Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG vorliegen (§ 36 Satz 2 BNatSchG). Das Ergebnis der Prüfung nach § 34 Abs. 2 bis 5 BNatSchG unterliegt nicht der bauleitplanerischen Abwägung nach § 1 BauGB. Ein Ermessensspielraum besteht innerhalb des § 34 Abs. 2 BNatSchG nicht.
Die Zulassung des Plans trotz erheblicher Beeinträchtigungen erfordert - wie beim Projekt - das Fehlen einer zumutbaren Alternativlösung. Die Frage lautet also: Können die mit dem Plan verfolgten Zwecke an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen erreicht werden? Die zumutbaren Alternativen müssen gleichwertig sein (s. Ziff. 7.4.1).
Wird eine Ausnahme zugelassen, sind gemäß § 34 Abs. 5 BNatSchG die zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" notwendigen Maßnahmen (Maßnahmen zur Kohärenzsicherung) vorzusehen. Dabei geht es darum, die verloren gegangenen Funktionen dieses Gebiets für das Europäische ökologische Netz "Natura 2000" wiederherzustellen, so dass der Status Quo des Netzes aufrechterhalten bleibt. Hierüber ist die Europäische Kommission über das für das Naturschutzrecht zuständige Bundesministerium zu unterrichten.
Weitere Voraussetzung für eine Ausnahme ist - wie bei den Projekten - das Vorliegen zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses. Bei Bauleitplänen können zu den öffentlichen Interessen je nach Einzelfall auch infrastrukturelle Anforderungen, etwa die Begründung eines Gewerbegebiets mit dem Ziel der Arbeitsplatzerhaltung oder -schaffung (wobei erkennbar strukturelle Auswirkungen absehbar sein müssen), zählen. Für die Zulässigkeit einer solchen Ausnahme ist es aber nicht ausreichend, dass überhaupt öffentliche Interessen für den Plan sprechen. Sie müssen überwiegend sein. Ob dies der Fall ist, ist durch Bewertung der beeinträchtigten Erhaltungsziele und der mit dem Plan verfolgten öffentlichen Belange zu ermitteln. Auch hier gilt der Grundsatz: Die mit der Planung verfolgten öffentlichen Belange müssen umso höherwertiger sein, je schutzwürdiger die Lebensraumtypen oder Arten sind, um derentwillen das Gebiet als Natura 2000-Gebiet gemeldet wurde.
Zur Beteiligung der Europäischen Kommission gilt Ziff. 7.4.3 mit der Maßgabe entsprechend, dass die Stellungnahme über das für die Bauleitplanung zuständige Ministerium einzuholen ist.
8.3 Plangewährleistung
Eine Anpassungspflicht für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Fassung dieses Erlasses (21. Dezember 1999) bestehende Pläne besteht nicht in den Fällen, in denen über die Behördenverbindlichkeit hinaus Rechte für Dritte begründet worden sind, deren Entzug den Tatbestand einer Enteignung oder einer entschädigungspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums darstellen würde (Bestandsschutz). Dies kommt insbesondere bei einem Bebauungsplan und einer Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB in Betracht (§ 42 BauGB).
8.4 Planungen verschiedener Ebenen
Die FFH-Verträglichkeitsprüfung ist entsprechend der jeweiligen Planungsebene durchzuführen. Planungen nachgeordneter Ebenen haben die Prüfergebnisse der höheren Ebene zu berücksichtigen und im erforderlichen Umfange zu präzisieren bzw. zu überprüfen. Letzteres ist insbesondere dann geboten, wenn entscheidungserhebliche Daten (z.B. Projektwirkungen oder Artnachweise) erst zum Zulassungsverfahren vorgelegt bzw. bekannt werden.
9 Verhältnis zu anderen naturschutzrechtlichen Vorschriften
9.1 Ausnahmen und Befreiungen von Schutzgebietsbestimmungen
Die FFH-Verträglichkeitsprüfung lässt die Notwendigkeit der Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung, weil es sich um einen besonders geschützten Teil von Natur und Landschaft (§ 20 Abs. 2 und §§ 23 bis 30 BNatSchG, §§ 36 ff. ThürNatG) handelt, unberührt.
Eine Ausnahme oder Befreiung nach den naturschutzrechtlichen Vorschriften ersetzt keine FFH-Verträglichkeitsprüfung; umgekehrt ersetzt auch die FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht eine Ausnahme oder Befreiung. Im Falle
der Betroffenheit einer Reihe von Schutzgebieten führt die zuständige Naturschutzbehörde beide Prüfungen gleichzeitig durch (s. Ziff. 7.3.2.1).
9.2 Verhältnis zur Eingriffsregelung/zum Artenschutz
Die FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG ersetzt nicht die Anwendung der Eingriffsregelung nach den §§ 13 ff. BNatSchG und nach den Vorschriften über die Integration der Eingriffsregelung in die Bauleitplanung gemäß § 18 BNatSchG. Auch § 17 Abs. 2 BNatSchG (Verfahren der Beteiligung von Behörden des Bundes) ist weiterhin anzuwenden.
Mögliche erhebliche Beeinträchtigungen einer Art des Anhangs IV der FFH-Richtlinie werden bei Vorliegen eines Eingriffs zunächst im Rahmen der Eingriffsregelung abgearbeitet. Sind artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt, muss eine Ausnahme nach Artenschutzrecht gesondert geprüft werden.
9.3 Verhältnis zur Landschaftsplanung
In den Landschaftsplänen und Landschaftsrahmenplänen sind die Erfordernisse und Maßnahmen zur Sicherung des Europäischen Netzes "Natura 2000" darzustellen (§ 9 Abs. 3 Nr. 4 d) BNatSchG). Diese Inhalte der Landschaftsplanung sind darauf auszurichten, eine Beurteilung der Verträglichkeit von Projekten i. S. der §§ 34 und 35 BNatSchG zu erleichtern. Hierzu sind insbesondere die Natura 2000-Gebiete und ihre Erhaltungsziele darzustellen und unter Berücksichtigung der Managementpläne (Fachbeiträge) zu konkretisieren, soweit nicht durch eine Schutzverordnung nach § 20 Abs. 2 BNatSchG abschließende Regelungen getroffen sind. Die Naturschutzbehörde soll im Rahmen ihrer Zuständigkeit unter Berücksichtigung der Managementpläne (Fachbeiträge) weitergehende Erfordernisse und Maßnahmen vorsehen, die der Umsetzung der Erhaltungsziele bzw. dem Schutzzweck dienen.
10 Inkrafttreten/Außerkrafttreten
Die Neufassung der Hinweise tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2021 in Kraft und am 31. Dezember 2025 außer Kraft.
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ENDE |